Maske, Theobald

Der Vater Christian Maskes, ein kleiner Beamter, der bereits in Sternheims Komödie »Die Hose« (1911) als bürgerlicher Held fungierte. Hier ist er nun sechzig Jahre alt, Pensionär und immer noch mit Luise, Christians Mutter, verheiratet. Er hat sich einen »Bastard geleistet« (I, 1, S. 140) und verlangt von seinem Sohn finanzielle Unterstützung zur Begleichung der Alimente. Außerdem teilt er ihm mit, dass er beabsichtigt, seinen Wohnsitz in die nähere Umgebung Christians zu verlegen.

Mit diesem Vorhaben durchkreuzt er jedoch Christians Pläne, der die Eltern abschieben will, weil sie ihn wegen ihrer kleinbürgerlichen Herkunft und Attitude am angestrebten gesellschaftlichen Aufstieg zu hindern drohen. Aus diesem Grund bietet er seinem Vater eine genau kalkulierte Geldsumme an, indem er die Kosten für seinen Unterhalt im elterlichen Haus vom ersten bis sechzehnten Lebensjahr mit sechshundert Mark jährlich veranschlagt, wobei er Theobald zusätzlich tausend Mark für seine amourösen Verstrickungen zu zahlen bereit ist.

Theobald lässt sich auf diesen Handel ein, versucht aber vehement, seinen ›Marktwert‹ zu steigern, indem er geradezu pathetisch die vermeintlich selbstlose Aufopferung für den heranwachsenden Jungen betont: »Wir haben uns zwanzig Jahre lang krumm gelegt. [...] Oft unterblieb ein Sonntagsbraten. Denn wir liebten dich affenartig« (I, 4, S. 149). Mit dem Hinweis auf Christians Krankheiten und die Kosten für seine medizinische Versorgung versucht er, den Preis zusätzlich in die Höhe zu schrauben: »Masern und Stockschnupfen fallen mir aus dem Kopf ein. Ich sehe deine ewige Rotznase vor mir. Wir wandten Kamillenspülungen an« (I, 4, S. 151). Unter der Bedingung, dass Christian auch noch die Kosten für die Übersiedlung und die neue Wohnsitzgründung übernimmt, ist Theobald bereit, in die Schweiz umzuziehen. Christians ursprüngliches Angebot, Brüssel als Wohnort zu beziehen, lehnt Theobald mit der Begründung ab, dass er als »Deutscher von Schrot und Korn« keine »welsche[n] Sitten« annehme (I, 4, S. 157).

Einige Zeit später – Christian steht inzwischen vor der Ernennung zum Generaldirektor einer Aktiengesellschaft und ist im Begriff, sich mit Komtesse Marianne zu vermählen – taucht Theobald unverhofft wieder bei seinem Sohn auf, um ihm die Nachricht vom Tod seiner Mutter zu überbringen. Theobalds Betroffenheit hält sich sichtlich in Grenzen, er gibt offen zu, bis zu Luises Tod ein außereheliches Verhältnis »mit Seltenheit und Regelmäßigkeit« (II, 8, S. 184) geführt zu haben.

Für die bevorstehende Heirat seines Sohnes mit einer Grafentochter hat er kein Verständnis. Er lehnt sie als eine ins Lächerliche gesteigerte Umkehrung aller Werte ab: »Kann man denn nicht zu dir kommen, ohne daß du das Unterste zu oberst kehrst?« (II, 8, S.186). Für ihn ist die Vorstellung, zukünftig in Adelskreisen zu verkehren, ein »Knalleffekt« (II, 8, S. 185). Die gesellschaftliche Diskrepanz scheint ihm unüberwindbar: »Ein subalterner Beamter ich, deine Mutter Schneiderstochter [...]. Und der Vater Graf, die ganze Verwandtschaft – Junge, du bist verrückt!« (II, 8, S. 185 f.) Christians Einladung zur Hochzeit lehnt Theobald empört ab: »Mit einer Gräfin am Arm in meiner Aufmachung durch die Kirche Spießruten zu laufen« (II, 8, S. 189).

Seine Einstellung gegenüber Christians Aufstieg in die adlige Gesellschaft ändert sich jedoch abrupt, nachdem er einer Einladung von Graf Palen zu einem ›Beschnupperungsgespräch‹ bei einer Flasche Rotwein gefolgt ist (II, 9, S. 191). Er bleibt zum Hochzeitsfest, bei dem er schließlich das Vertrauen und den Respekt der gräflichen Familie gewinnt, weil man seinen Verdienstorden für das Eiserne Kreuz hält (III, 3, S. 202). Überschwänglich erweist er seinem Sohn nun voller Staunen »bodenlosen Respekt« für seine Vermählung mit der Komtesse: »wie du dir so ein adliges Hühnchen ins Bett holst, das brachte mein Bürgerblut zum Sausen« (III, 3, S.201). Voller Stolz bestärkt er Christian in seinem Aufstiegswillen und sieht darin mit großer Genugtuung eine Aufwertung des eigenen Geschlechts und Namens: »In dir ist alles Maskesche um ein paar Löcher weitergeschnallt« (ebd.).