»Es waren zwei Königskinder« (1884)
Doktor
Eine Figur der Rahmenhandlung. Er kennt bereits Marx’ Geschichte, an die Fritz sich in jener Sommernacht erinnert, regt ihn aber dazu an, sie auch den anderen Gästen zu erzählen.
Franz
Neben Marx, Fritz und Walther ist Franz Teil des Männergespanns und dessen »Humorist«, wie Marx findet (III, 297). Er – als Dirigent der Truppe – legt das Terzett ›Tropfen von Tau‹ vor.
Eines Abends, als Marx und Fritz bei ihm zu Besuch sind, wird sein Zimmer von Küchenschaben heimgesucht, die auf den Bäcker, Franz’ Hauswirt, zurückzuführen sind. Nach einer regelrechten Schlacht gegen die Schaben findet Franz keine Ruhe und überzeugt nach einigem Ringen Fritz und Marx davon, dass sie einen langen Nachtspaziergang machen müssen. Das Trio nimmt Noten zum Singen mit. Unterwegs werden sie hungrig, haben aber zu wenig Geld dabei, um sich einfach etwas zu essen zu kaufen. Deshalb sind sie darauf angewiesen, für ihre Verpflegung zu singen. Sie machen mehrfach Station: zunächst beim Bäcker in Waiblingen, dann kurz am Fenster eines Mädchens und schließlich beim Krugwirt. Die in der Tat ordentliche Wanderung, die von Stuttgart über Cannstatt und Waiblingen nach einem Dorf führt, an dessen Namen sich Fritz nicht mehr erinnern kann, dauert die ganze Nacht.
Franz holt Marx mit Fritz zusammen im Gefängnis ab. Bei dieser Gelegenheit gibt er Marx zu verstehen, dass er sich nicht so anstellen solle. Die Schande, die er empfindet, bildet er sich Franz’ Meinung nach nämlich nur ein.
Frau des Portiers
Die Frau des Portiers überreicht dem Erzähler ein Päckchen von Marx. Das Päckchen enthält: Marx' Tagebuch, sein Bild von Linele und einige ihrer Haare, vertrocknete Blumen und zwei Konzertkarten für tags darauf.
Fritz
Fritz ist der Vetter des Ich-Erzählers der Rahmenhandlung. Er sitzt mit diesem, dem Doktor und einigen anderen eines Abends zusammen. Die Stimmung dieses Abends regt in ihm die Erinnerung an seine Studienzeit an. Daraufhin erzählt er Marx’ Geschichte, also die Binnenhandlung, in der er zum Ich-Erzähler wird.
In der Binnenhandlung ist Fritz ein Musikstudent. Nach bereits zweijährigem Musikstudium zieht er in den 1870er Jahren nach Stuttgart. Er meint, nur dort ausreichend gefördert zu werden, weil diese Musikhochschule zu jener Zeit einen ausgezeichneten Ruf hat. Seine engsten Freunde dieser Zeit sind Marx, Walther und Franz, mit denen er auch den Verein ›Drehorgel‹ gründet. Neben Franz hegt er insbesondere eine enge Beziehung zu Marx, der ihn sogar seine Tagebücher lesen lässt. Selbst als Marx aufgrund seiner Reizbarkeit für alle anderen nahezu unerträglich wird, hält Fritz zu ihm. Die Gemütsruhe, die ihm zugeschrieben wird, scheint ihm das hierfür nötige dicke Fell zu liefern.
Er ist es auch, der am Tag von Marx’ Selbstmord von der Portiersfrau eine Kiste erhält, in der sich Marx’ wichtigste Gegenstände befinden. Und auch den Abschiedsbrief hat Marx bei ihm zuhause hinterlegt. Er begibt sich dann auch auf die Suche nach Marx’ Leiche, die zunächst nicht zu finden ist. Erst später, als Franz und Fritz am See spazieren gehen, finden sie ihn, nachdem sie von einem Eichhörnchen angelockt wurden, im tiefsten Wald.
Hauswirt
Der dicke Bäcker »mit den buschigen Brauen über den kleinen Augen« und dem »bärbeißigen« Gesicht ist der Hauswirt von Franz (III, 299). Er spricht schwäbischen Dialekt und hat nichts gegen die Schaben, die Franz' Wohnung bevölkern, weil sie ihm selbst noch ›nichts von seinem Schlaf geraubt hätten‹. Wie Franz findet, geht ihm der »Sinn für Höheres« ab (III, 300).
Ich
Der Erzähler der Rahmenhandlung besitzt ein Landhaus in Norddeutschland. Auf der Terrasse sitzt er eines Abends im Sommer mit dem Doktor, seinem Vetter Fritz und anderen Gästen beisammen. Durch die Stimmung dieser Sommernacht sieht Fritz sich veranlasst, Marx’ Geschichte – die Binnenhandlung – zu erzählen.
Linele
Die bezaubernde blonde Tochter eines Tischlermeisters ist sechzehn Jahre alt. Sie wohnt gegenüber von Marx. Er kann ihr Zimmer von seinem aus sehen und verliebt sich in sie. Die junge Liebe beflügelt Marx’ Kunst. In der ersten Zeit ist Linele ihm »Antrieb und Wächterin für alles Gute« (III, 312). An sie ist auch das Lied gerichtet, das der Novelle den Titel gibt. Eines Tages singen die drei Freunde es ihr auf Marx’ Verlangen hin. Marx gibt damit offenbar seinem Gefühl Ausdruck, dass ihre unterschiedliche soziale Herkunft einer weiter gehenden Beziehung im Weg steht. Daraufhin wird das Lied jedenfalls zum Erkennungssignal der vier Freunde. Infolge dieser Abkehr von Linele leidet Marx’ Klavierspiel, allein der traurige Chopin scheint seinem Gemütszustand zu entsprechen.
Obwohl Linele Marx, den sie Adolf nennt, weiterhin liebt, entscheidet sie sich dafür, sich von ihm zu trennen. Sie begründet das mit den sozialen Unterschieden, die zwischen ihr und Marx bestehen. Der Erzähler vermutet indes, dass Marx Linele zuvor seinen eigenen gesellschaftlichen Hochmut spüren ließ, was in ihr überhaupt erst diese Einsicht geweckt hat. Sie verlässt jedenfalls Stuttgart.
Nach Marx’ vermeintlicher gesellschaftlicher Ächtung trifft Fritz eines Oktoberabends Linele, die nach Stuttgart zurückgekehrt ist. Beide erkennen sich, reden aber nicht miteinander. Jetzt will Marx sie aber nicht sprechen, weil er sich aufgrund der Schande, die er angesichts seines Tuns empfindet, für unrein hält und die reine Linele nicht beschmutzen möchte. Linele jedenfalls nimmt an Marx' Beerdigung teil, wäre – wie dann deutlich wird – Marx' Eltern als Schwiegertochter durchaus recht gewesen und kümmert sich fortan um Marx' Grab.
Marx
Der Halbfranzose mit dem Spitznamen Lavendel – zurückzuführen auf seinen Hang zu Parfum – ist ein junger Mann »von gelblicher Gesichtsfarbe«, mit »schlichtem schwarzen Haar« und »dunklen Augen« (III, 296). Sein Vater ist ursprünglich Schwabe und ein angesehener Gelehrter in Metz; seine Mutter ist Französin. Marx ist kein einfacher Mensch, was insbesondere an seiner Reizbarkeit liegt. Außerdem ist er, wie der Erzähler findet, in unangenehmer Weise und über alle Maßen auf die Bestätigung und Anerkennung anderer aus. Damit geht auch ein überspannter Ehrgeiz einher. Es scheint, als seien diese Charaktereigenschaften – wie auch ein gewisser gesellschaftlicher Hochmut – darauf zurückzuführen, dass er die gesellschaftliche Stellung der Eltern und deren Erziehung zur Gänze verinnerlicht hat.
Dieses Bewusstsein der eigenen gesellschaftlichen Überlegenheit gerät schließlich – und das ist der zentrale Handlungsstrang der Binnenhandlung – in Konflikt mit seiner Liebe zu Linele, einer wenn auch einfachen, so doch tadellosen Handwerkstochter. Zu Beginn der Liebelei scheint er tatsächlich sehr glücklich zu sein, was sich vor allem an seinem zu dieser Zeit brillanten Klavierspiel zeigt. Doch allmählich bedrücken ihn die Unterschiede zwischen sich und Linele immer mehr. Schließlich lässt er offenbar, wie der Erzähler vermutet, Linele sein Standesbewusstsein eines Tages spüren. Das nimmt sie zum Anlass, die Liebschaft zu beenden. Das Lied der Königskinder, das Marx mit seiner Beziehung zu Linele in Verbindung bringt – und das deswegen der Novelle den Titel gibt –, spiegelt Marx’ Empfinden wider, dass seine Liebe von vornherein aussichtslos ist.
Marx, der abgewiesene Liebhaber, betrinkt sich daraufhin in der Stammkneipe der vier Freunde. Er tut dies derart gründlich, dass er von seinen Freunden nach Hause geschafft werden muss. Unterwegs beschimpft Marx einen Soldaten: Er sei ein »dummer deutscher Söldling« (III, 319). Im Rausch, so scheint es dem Erzähler, tritt die »Nationalität der Mutter« eben hervor (ebd.). Diese Episode führt schließlich dazu, dass Marx inhaftiert wird, wobei ihm die Soldaten übel mitspielen. Er hat jedenfalls mit einem juristischen Nachspiel zu rechnen, was bei Marx zu einem regelrechten Verfolgungswahn führt. Außerdem hat er das Gefühl, dass er seine gesellschaftliche Stellung nun endgültig verspielt hat. Das zeigt sich auch an seiner Erscheinung. Sein »Gang wurde schleichend, sein Gesicht magerer und seine Augen größer« (III, 321). Außerdem wird er sehr reizbar.
Schließlich erhält er tatsächlich eine Vorladung vor Gericht, was aus der Sicht des Erzählers begrüßenswert ist, weil Marx so »die Torheit endlich mal los« (III, 325) werden würde. Unterdessen hat Marx selbst sich aber von der Ausweglosigkeit seiner Situation vollends überzeugt. Es ist allein der Selbstmord, der ihm als legitime Lösung erscheint – und den er am 24. Oktober vollzieht. An seiner Beerdigung ist auch Linele zugegen. Wie es scheint, wären Marx’ Eltern mit ihr als Schwiegertochter durchaus einverstanden gewesen. Sie jedenfalls kümmert sich um Marx’ Grab.
Meister
Der Bäcker in Waiblingen, bei dem das wandernde Trio nachts einkehrt, versorgt Marx, Fritz und Franz mit Brötchen. Sie singen ihm daraufhin ihr Terzett ›Tropfen von Tau!‹. Der Bäcker ist dafür empfänglich, weil er selbst im Gesangsverein ist. Deshalb will er auch kein Geld für die Mahlzeit annehmen, was Franz veranlasst, von ihm im Nachhinein als »prächtiger alter Herr« zu reden (III, 305).
Nachtwächter
Fritz, Franz und Marx treffen bei ihrer nächtlichen Wanderung auf den Nachtwächter, der sie in schwäbischem Dialekt anfährt, warum sie mitten in der Nacht singend durch die Stadt ziehen würden. Franz nimmt ihn etwas auf den Arm und führt dabei die Rede von den fahrenden Sängern ein.
Walther
Der »Sohn eines Musikdirektors aus Basel« ist ein junger Mann mit schönem Antlitz, »dunkel gelocktem Haar« und milden braunen Augen (III, 296). Fritz schaut zu ihm auf: »Aus seinem Antlitz wie aus seinen Worten sprachen Güte und Verstand; ich fühlte, ich sei bei einem Überlegenen, der gleichwohl diese Eigenschaft mir gegenüber nur gebrauchen werde, mir zu helfen, mich zurechtzuweisen«. Für den Erzähler war Walther demnach eine sehr wichtige Person. Walther stirbt, wie der Erzähler berichtet, nach einem kurzen, nicht näher bestimmten Glück.
Wirt
Ein »grauköpfiger Mann in Hemdsärmeln und weißer Zipfelmütze« (III, 306) und »mit unglaublich dummen Augen« (III, 307). Das singende und wandernde Trio wird auch bei ihm vorstellig. Die Studenten bestellen gleich Schnaps, was ihre finanziellen Möglichkeiten eigentlich übersteigt. Insbesondere Franz und Marx spekulieren offenbar darauf, dass der Wirt sich vom Gesang ähnlich einwickeln lässt wie zuvor der Bäcker.
Wirtin
Eine saubere Frau um die fünfzig, die vom Gesang der Studenten ganz angetan ist: Kaum haben diese angefangen zu singen, wird »das Gesicht der Wirtin schon lebendig«; sie schlägt »mit den Händen auf ihre runden Kniee« und sieht »aus ihren feurigen Augen liebevoll« zu ihnen herüber (III, 308). Sie fragt, ob die drei bei einer Hochzeit singen würden, die am selben Tag gefeiert wird. Während Franz von dieser Idee ganz angetan ist, setzt sich bei Marx die Disziplin durch; auch Fritz drängt zum Aufbruch.