Vorwort
»Ich kann nur einzelnes sagen; nur was geschehen, nicht wie es geschehen ist; ich weiß nicht, wie es zu Ende ging und ob es eine Tat war oder nur ein Ereignis, wodurch das Ende herbeigeführt wurde. Aber wie es die Erinnerung mir tropfenweise hergibt, so will ich es erzählen.«
Die ersten Sätze von »Auf dem Staatshof« verweisen auf den poetischen Kern der Novellen Storms. Wirklichkeit erscheint in den Erzählungen nie als etwas objektiv Gegebenes, das bloß abgebildet werden müsste, sondern immer als Ergebnis eines ästhetischen Konstruktionsprozesses, der das Erzählte in ein eigenes Licht taucht. Eines der dabei verwendeten Mittel ist die Selbstinszenierung des Erzählers als unzuverlässigen, seiner Erinnerung nicht sicheren Erzählers wie in »Auf dem Staatshof«. In anderen Erzählungen arbeitet Storm mit mehreren Erzählebenen wie im »Schimmelreiter«, mit Symbolen oder mit dem besonders für ihn typischen Verfahren symptomatischen Erzählens (bei dem von einer Wirkung eines Ereignisses statt von diesem Ereignis selbst die Rede ist). Weil Storm, wie er selbst schrieb, auf das »Motivieren vor den Augen des Lesers« verzichtete, haben seine Erzählverfahren auch den Effekt, dass die kausallogischen Handlungszusammenhänge mitunter verschwimmen.
Das hier zunächst als ›work in progress‹ erscheinende Lexikon, das nach und nach sämtliche Novellen Storms erschließen soll, verbindet die Beschreibungen der Figuren deshalb mit knappen Rekonstruktionen solcher auf den ersten Blick unklaren Handlungszusammenhänge. Dabei ist es zuweilen notwendig, die rein beschreibende Ebene ein Stück weit zu verlassen, was aber – den Grundsätzen von ›Literaturlexikon online‹ entsprechend – möglichst sparsam geschieht.
Saarbrücken, den 2. Oktober 2012 Björn Bühner