Singer, Mirjam
Mendel Singers einzige Tochter hat sein »schwarzes Haar und seine schwarzen, trägen und sanften Augen« und gleicht einer jungen »Gazelle« (4). Wegen ihres reizenden Aussehens bemerkt keiner ihr sadistisches Verhalten gegenüber ihrem jüngeren Bruder Menuchim, gegen den sie einen »häßlichen und hassenden Abscheu im Herzen« trägt (13). Sie ist auch an dem Versuch der Geschwister beteiligt, den ungeliebten, kranken Bruder zu ertränken.
Schon als junges Mädchen fällt sie den Soldaten der nahegelegenen russischen Kaserne auf und genießt in einer »süßen und heißen Furcht« die Flucht vor den ihr nachstellenden »Verfolgern« (18). In der Zeit, als Jonas einrückt und Schemarjah nach Amerika flieht, ist sie immer weniger zu Hause und trifft sich mit Kosaken. Ihr Freund heißt Stepan, doch sie »liebte alle Männer« und trifft sich manchmal auch mit zwei oder drei Kosaken zugleich (51). Als Mac Schemarjahs Nachricht bringt, er werde ihnen die Überfahrt nach Amerika bezahlen, ist sie begeistert, obwohl sie von der »Freiheit der Liebe« in Amerika nur eine vage Vorstellung hat (51). Bei der Auseinandersetzung mit ihren Eltern, die wegen Menuchim nicht fahren wollen, versucht sie, die Mutter gegen ihren Vater auszuspielen: »Laß Mendel Singer und Menuchim, den Idioten, hier« (61). Bevor sie letztlich doch abreisen, da Mendel sie mit einem Kosaken gesehen hat, trifft sie sich noch einmal mit ihrem derzeitigen Liebhaber Iwan und ist beim Abschied froh, dass nicht sie diejenige ist, die zurückbleibt. Auf der Fahrt über die Grenze schmiegt sie sich an den Boten Kapturaks und verbringt offenbar die Nacht mit ihm.
In Amerika arbeitet sie als Verkäuferin in Schemarjahs Kaufhaus. Während sie mit ihrem Vater kaum spricht, versteht sie sich gut mit ihrer Mutter, mit der sie oft bis in die Nacht hinein flüsternd Gespräche führt (77). Sie bewundert Mac, und wenn sie sein Englisch nicht immer versteht, denkt sie, er »spreche zu klug, um verstanden zu werden« (82). Sie gehen öfter gemeinsam aus, und nach einiger Zeit sind sie ein Paar, was von den Eltern akzeptiert wird, obwohl Mac kein Jude ist. Als Sam und Mac in den Krieg ziehen, übernimmt sie mit Vega gemeinsam die Verantwortung für das Kaufhaus und hat eine Affäre mit dessen erstem Direktor Mister Glück. Als Mac aus dem Krieg zurückkehrt, gesteht sie ihm die Affäre. Der Zwiespalt zwischen ihrer Liebe zu Mac und der sie beherrschenden Promiskuität lässt sie buchstäblich verrückt werden: »Glück ist mein Glück, Mac ist mein Mac. Mendel Singer gefällt mir auch, und wenn du willst – « (97). Der Arzt der Nervenheilanstalt diagnostiziert bei ihr eine unheilbare »degenerative Psychose«, an ihrem Zustand ändert sich auch in den folgenden Wochen nichts (99). Menuchim geht sie nach seinem Auftauchen besuchen in der Hoffnung, sie mitnehmen zu können: »Vielleicht wird sie in Europa gesund!« (135)