Joseph Roth: »Hiob. Roman eines einfachen Mannes« (1930)
Berkowitsch
Musiker in Menuchims Orchester. Er stammt aus Kowno und ist ein Vetter von Mister Frisch (119). Als er Frisch bei einem Konzert in New York trifft, fragt er ihn, ob er einen Mendel Singer kenne, und so findet Menuchim schließlich seinen Vater wieder.
Billes
Ein Nachbar der Singers in Zuchnow, der »immer heiter« ist und dessen Familie in Mendels Augen »unverdient viel Glück« hat (64). Seine drei Söhne, die allesamt von Mendel unterrichtet worden sind, konnten dem Militär entrinnen und befinden sich in Hamburg, Paris und Kalifornien. Seine Töchter sind alle verheiratet, bis auf die jüngste, die mit dem Musikanten Fogl verlobt ist. Als Mendel mit Deborah und Mirjam nach Amerika geht, schlägt er Billes einen Handel vor: Die jüngste Tochter kann nach der Hochzeit mit Fogl kostenlos in das Haus der Singers einziehen, wenn das Paar sich dazu bereit erklärt, sich um Menuchim zu kümmern. Billes ist sofort einverstanden, und sie machen die Übergabe »vor einfachen Zeugen« aus, da der amtliche Weg Geld kosten würde (65). Er unterstützt Mendel außerdem mit 30 Rubel, da diesem das Geld ausgeht. Nach dem Krieg wohnt er mit seiner Frau in dem nahegelegenen Dubno, und seine jüngste Tochter zieht nach dem Tod ihres Mannes wieder bei ihnen ein (125).
Bote
Bote Kapturaks, der Schemarjah zur Grenzschenke bringt. Er ist ein »gewöhnlicher Mann« mit einer »blauen Soldatenmütze auf dem Kopf«, der selbstgedrehte Zigaretten raucht (32). Er lehnt es ab, einen Tee bei Singers zu trinken, und wartet stattdessen draußen; er scheint es gewohnt zu sein, »draußen zu warten, vor den Häusern« (32). Er zeigt Schemarjah auf der drei Tage dauernden Reise die russische Heimat, über die er genau Bescheid weiß, und »säte das Heimweh fürs ganze Leben in das Herz Schemarjahs« (34). Erst kurz bevor sie die Grenzschenke erreichen, spricht er das erste Mal über den bevorstehenden illegalen Grenzübertritt: »Man kann in so stillen Nächten nicht immer problemlos hinüber. Für unsere Unternehmungen ist Regen nützlicher« (34).
Er ist es auch, der später Schemarjahs Eltern und seine Schwester über die Grenze bringt. Als sie gemeinsam im Zug sitzen, schmiegt sich Mirjam an ihn, und er verspricht sich von der Nacht »allerhand Wonnen«. Am nächsten Tag verabschiedet er sich an der Grenze von Mirjam mit einem Händedruck in »stummer Herzlichkeit« (69).
Fogl, Musikant
Verlobter der jüngsten von Billes’ Töchtern. Als die Singers nach Amerika gehen und Menuchim zurücklassen müssen, bewohnt das junge Paar kostenlos Mendels Haus und übernimmt dafür Menuchims Pflege (59). Fogls tägliches Geigenspiel ist für Menuchim eine der ersten und eindrücklichsten Erinnerungen seiner Kindheit. Wie Menuchim später berichtet, ist der Musikant während des Krieges an Typhus gestorben, worauf seine Frau zurück zu ihren Eltern gezogen ist (125).
Frisch, Mister
Ein junger Jude, der mit seiner Frau in Mendels alter Wohnung lebt und einen »modernen Eiscreme-Salon« betreibt (116). Sein Bruder hat eine Schiffsagentur, und Mendel fragt ihn einmal nach den Preisen für eine Überfahrt nach Europa, da er zurück in seine Heimat möchte.
Die Frischs werden als »Sparsam« beschrieben, »geizig konnte man sagen, fleißig, und Musik liebten sie« (116). Die Liebe zur Musik rührt wohl daher, dass Frischs Vater eine Hochzeitskapelle in Kowno dirigiert hatte. Während eines seiner regelmäßigen Konzertbesuche trifft er unter den Musikern einmal seinen Vetter Berkowitsch. Dieser fragt Frisch nach Mendel Singer, den sein Kapellmeister Alexej Kossak aus Zuchnow suche. Frisch organisiert ein Treffen der beiden, in dessen Verlauf sich der Komponist als Mendels Sohn Menuchim zu erkennen gibt.
Glück, Mister
Erster Direktor des Geschäfts, das Schemarjah mit Mac eröffnet hat. Wegen eines Herzklappenfehlers kann er nicht in den Krieg und geht des Öfteren mit Mirjam aus. Für Mendel, der während eines gemeinsamen Abendessens beobachtet, wie Glück seine Hände unter dem Tisch zugleich in Vegas Schoß und auf Mirjams Schenkel legt, ist er ein »neuer Kosak« (92). Nachdem Mirjam wegen ihrer Affäre mit ihm einen psychischen Zusammenbruch erlitten hat, erscheint er zwar bei Mendel (97), besucht Mirjam aber, anders als Mac und Vega, nicht in der Anstalt.
Groschel
Der jüngste von Mendels jüdischen Freunden in New York, ein Schuster (105). Er vergleicht Mendel, als dieser an der Gerechtigkeit Gottes zweifelt und den Herrn verflucht, mit Hiob und zählt ihm alle glücklichen Umstände seines Lebens auf. Damit erreicht er aber nur noch mehr Verbitterung bei Mendel, der dies alles ja verloren habe. Auch sein Einwand, Gottes Macht reiche über die diesseitige Welt hinaus und Mendel werde nach seinem Tod bestraft werden, ruft bei Mendel nur Hohn hervor: »Ich habe keine Angst vor der Hölle, meine Haut ist schon verbrannt, meine Glieder sind schon gelähmt, und die bösen Geister sind meine Freunde. Alle Qualen der Hölle habe ich schon gelitten« (105).
Auch im Buch Hiob diskutieren die Freunde Hiobs mit ihm über die möglichen Gründe für seine Schicksalsschläge (vgl. Hiob 4 ff.).
Kapturak
Lebt in Kluczýsk. Ein »Mann ohne Alter, ohne Familie, ohne Freunde«, der Beziehungen zu den Behörden hat und illegal Menschen über die Grenze schmuggelt (26). Deborah spart Jahre lang, um ihre beiden älteren Söhne, die zum russischen Militärdienst eingezogen werden sollen, mit seiner Hilfe außer Landes bringen zu lassen. Obwohl Mendel sie vor seiner »Unzugänglichkeit«, seiner Hartherzigkeit und Gier warnt (26), fährt sie zu ihm und findet ihn in einer Schenke in Kluczýsk, wo er gerade dabei ist, für Analphabeten gegen Bezahlung »Gesuche, Liebesbriefe und Postanweisungen« zu schreiben (30). Es wird gesagt, dass er außerdem Zähne ziehen und Haare schneiden könne. Seine Mütze voller Silbermünzen liegt offen vor ihm, er weiß jedoch, dass keiner es wagen würde, ihn zu bestehlen. Deborahs Geld reicht nur für die Flucht eines Sohnes: Für 23 Rubel lässt Kapturak Schemarjah und elf weitere Männer nach einem vereinbarten Signal des Wachpostens nachts über die Grenze bringen.
Als Mendel in Dubno Schwierigkeiten wegen der Dokumente bekommt, die er für die Ausreise nach Amerika braucht, wird er von einem Juden zu Kapturak gebracht, der im Spätsommer immer in den Bethäusern Dubnos »ordinierte« (56). Dieser bietet sofort an, sich um die Angelegenheit zu kümmern, Mendel solle ihm einfach seine Unterlagen geben. Wegen des Vorschusses, den Mendel nicht bezahlen kann, verlangt er Schemarjahs Adresse in Amerika. Die Anwesenden im Bethaus reden Mendel zu, er solle sich keine Sorgen machen: »Verlaß dich nur auf Kapturak!« (57) Tatsächlich erscheint er zwei Wochen später bei Singers, verlangt aber doch schon einen Vorschuss von 20 Rubel, Deborah gibt ihm acht, womit er auch zufrieden ist: »Einer alten Kundschaft sieht man was nach!« (59)
Auch in Joseph Roths Romanen Radetzkymarsch und Die Kapuzinergruft kommt ein Kapturak vor, der Russen über die Grenze bringt und nach Übersee verschifft.
Lemmel
Sohn des Fleischers Lemmel, eines von Mendels jüdischen Freunden in New York. Seine Familie wohnt neben Singers und lernt Englisch in der Abendschule: »Am Abend gingen sie mit Heften in die Schule wie kleine Kinder« (92). Im Krieg wird er Offizier und verliert »glücklicherweise« die linke Hand, worauf er der »Held des Viertels« wird, da er als Veteran allen Juden der Nachbarschaft die »Heimatberechtigung in Amerika« verleihen kann (106).
Mac
Schemarjahs amerikanischer Freund. Er kommt mit einem Brief von Schemarjah nach Zuchnow zu den Singers und bringt Mendels Schüler mit seinem Äußeren zum Lachen: Er trägt gelbe Stiefel und »wie eine Fahne wehte über seinem tiefgrünen Hemd eine knallrote Krawatte«. Er spricht nur Englisch, was für die Singers klingt, als »spräche er mit einer Kirsche im Mund« (37). Nachdem er der Familie den Brief sowie zehn Dollar und ein paar Fotos von Schemarjah übergeben hat, erzählt er, ohne dass jemand etwas davon versteht, dass er nach Russland gekommen sei, um Hopfen für die Errichtung von Brauereien in Chicago einzukaufen, und bei dieser Gelegenheit den Ararat besteigen wolle. In seinem Brief berichtet Schemarjah, er habe Mac auf Long Island kennen gelernt, und sie hätten angefangen, gemeinsame Geschäfte zu machen. Mac sei zwar kein Jude, aber »besser als zehn Juden« (38).
Als die Singers in Amerika ankommen, verspricht er, dass sie nicht in Quarantäne müssen, und erzählt allen Beamten, dass Mirjam seine Braut wäre, was allerdings nicht hilft. Wie er sie schließlich nach vier Tagen aus der Quarantäne befreit, weiß niemand, denn es gehört »zu Macs Eigenschaften, daß er mit großem Eifer Dinge erzählte, die er erfunden hatte; und daß er Dinge verschwieg, die sich wirklich zugetragen hatten« (73). Er geht in der folgenden Zeit häufiger mit Mirjam aus, was Mendel und Deborah akzeptieren, obwohl er kein Jude ist: »Besser Mac als die Kosaken. […] Er war geschickter als zehn Juden und hatte gewiß noch den Vorteil, keine Mitgift zu verlangen« (78). Als er und Schemarjah gemeinsam eine große Geldsumme verdienen, macht er als einziger keine Pläne, sondern redet den ganzen Abend, was ihm einfällt.
Als Amerika in den Krieg eintritt, meldet er sich freiwillig und rückt gemeinsam mit Schemarjah ein. Bei der Rückkehr übergibt er den Eltern die Habseligkeiten des gefallenen Schemarjah und weint, als er Mendel die Hände auf die Schultern legt (94). Als Deborah zusammenbricht, holt er sofort einen Arzt. Er heiratet wenig später Vega, nachdem Mirjam, die ihn mit Mister Glück betrogen hat, in die Psychiatrie gekommen ist. Sein Geschäft läuft gut, und er bietet Mendel finanzielle Hilfe an, die dieser aber ablehnt.
MacLincoln
Sams und Vegas Sohn, der eine Woche nach der Ankunft von Mendel, Deborah und Mirjam in Amerika zur Welt kommt (76). Vega wünscht sich, dass er Klavierunterricht bekommt, und will von dem Geld, das Sam und Mac verdient haben, ein Klavier kaufen. Als Mendel nach Schemarjahs Tod von Freunden an seinen Enkel erinnert wird, sagt er, das »Band« zwischen ihnen sei »zerrissen«, da sein Sohn nicht mehr lebe und Vega einen neuen Mann heiraten werde (105).
Menkes
Obsthändler (85) und der »Bedächtigste« unter Mendels jüdischen Freunden in New York (104). Als Mendel sich gegen den Vergleich seiner Geschichte mit der Geschichte Hiobs wehrt, weil er nicht an Wunder, »wie sie am Schluß von ›Hiob‹ berichtet werden«, glaubt, entgegnet Menkes, dass Gott wohl die »ganz großen Wunder« nicht mehr vollbringe. Aber er dürfe die Hoffnung dennoch nicht aufgeben: »Deine Frau Deborah kann nicht lebendig werden, dein Sohn Schemarjah kann nicht lebendig werden. Aber Menuchim lebt wahrscheinlich, und nach dem Krieg kannst du ihn sehn. Dein Sohn Jonas ist vielleicht in Kriegsgefangenschaft, und nach dem Krieg kannst du ihn sehn. Deine Tochter kann gesund werden, die Verwirrung wird von ihr genommen werden, schöner kann sie sein als zuvor, und sie wird dir Enkel gebären« (104).
Als Menuchim erscheint und Skowronnek Mendels Freunde zu sich nach Hause holt, hält Menkes eine Ansprache: »Wir trösteten dich, aber wir wußten, daß es umsonst war. Nun erlebst du ein Wunder am lebendigen Leibe. Wie wir damals mit dir traurig waren, so sind wir heute mit dir fröhlich. Groß sind die Wunder, die der Ewige vollbringt, heute noch wie vor einigen tausend Jahren« (130).
Auch im Buch Hiob diskutieren die Freunde Hiobs mit ihm über die möglichen Gründe für seine Schicksalsschläge (vgl. Hiob 4 ff.).
Rabbi
Rabbi in Kluczýsk, den die Menschen mit ihren Leiden von weit her aufsuchen, weil sie sich von ihm wundersame Heilung erhoffen: »Sie schliefen auf Pritschen neben den Betten der Einheimischen, die Siechen, die Krummen, die Lahmen, die Wahnsinnigen […] alle, alle, alle…« (9). Als Deborah mit ihrem kranken Kind Menuchim zu ihm kommt, prophezeit er, dieser werde nach langer Zeit genesen: »Seinesgleichen wird es nicht viele geben in Israel. Der Schmerz wird ihn weise machen, die Häßlichkeit gütig, die Bitternis milde und die Krankheit stark. Seine Augen werden weit sein und tief, seine Ohren hell und voller Widerhall. Sein Mund wird schweigen, aber wenn er die Lippen auftun wird, werden sie Gutes künden« (11). Er gibt ihr auf, den Sohn nicht zu verlassen.
Rottenberg
Bibelschreiber und einer der jüdischen Freunde Mendels in New York. Als Mendel nach all seinen Schicksalsschlägen mit der Ungerechtigkeit Gottes hadert, verweist Rottenberg auf die Geschichte Hiobs: »Vielleicht kam der Böse vor Gott und sagte wie damals: Man muß einen Gerechten verführen. Und der Herr sagte: Versuch es nur mit Mendel, meinem Knecht« (103). Er hält es aber auch für möglich, dass Mendel von Gott gestraft wird, weil er Menuchim zurückgelassen hat: »Ein kranker Sohn war dir beschieden, und ihr habt getan, als wäre es ein böser Sohn« (103).
Auch im Buch Hiob diskutieren die Freunde Hiobs mit ihm über die möglichen Gründe für seine Schicksalsschläge (vgl. Hiob 4 ff.).
Sameschkin, Kutscher
Russischer Bauer in Zuchnow. Er bringt Deborah mit seinem Pferdegespann nach Kluczýsk zum Rabbi, bei dem sie für den kranken Menuchim um Fürsprache bitten möchte.
Als Deborah das nächste Mal zu ihm kommt, damit er sie zu Kapturak fährt, wo sie ihre Söhne vom Militärdienst freikaufen will, lehnt er mit dem Argument ab, er sei auch sieben Jahre beim Militär gewesen, von denen er zwei im Zuchthaus habe verbringen müssen, da er eine »Kleinigkeit« gestohlen habe (30). Außerdem seien Pferde und Wagen in einem schlechten Zustand. Er stimmt erst zu, als Deborah ihm verspricht, Jonas werde die Pferde neu beschlagen und den Wagen reparieren. Jonas zieht nach seiner Musterung zu ihm und kümmert sich um die Tiere.
Bei der dritten Fahrt, die Deborah mit ihm absolvieren will, diesmal nach Dubno, um die Dokumente für die Reise nach Amerika zu organisieren, ist er noch schwerer zu überzeugen, da er betrunken ist: »Es ist schon keine Kleinigkeit den nüchternen Sameschkin herumzukriegen« (48). Er kommt mit einer »Bärenmütze, zottelig und an einigen Stellen räudig« und einem »kurzen Pelz über schmutzigen Leinenhosen« vom Schweinemarkt und antwortet Deborah, er werde sie nach Dubno bringen, wenn sie unterwegs mit ihm schlafen würde (48). Ihre Drohung, seiner Frau davon zu erzählen, scheint ihn nicht zu beeindrucken, er bietet ihr sogar noch einmal an, den Preis für die Fahrt von 50 auf 30 Kopeken zu senken, wenn sie mit ihm schlafe: »Ein Kindchen wird er dir machen, bekommen wirst du es in Amerika, ein Andenken an Sameschkin« (49). Mendel, der schließlich an Deborahs Stelle fährt, sagt er offen, seine Frau, die einen »anständigen Busen« habe, wäre ihm lieber gewesen (53). Auf der Rückfahrt bricht die Achse, da Sameschkin auf dem Kutschbock einschläft, doch er gibt dem Juden Mendel die Schuld: »Der Teufel schickt euch von einem Ort zum andern. Unsereins bleibt, wo er geboren ist, und nur wenn Krieg ist, zieht man nach Japan!« (57) Er erkundigt sich nach Jonas, der verstehe etwas von Pferden und sei »ganz anders« als Mendel (58). Mendel denkt in Amerika wieder an ihn, als Schemarjah und Deborah gestorben sind und Mirjam verrückt geworden ist: »›Was geht ihr nur immer in der Welt herum?‹ hatte Sameschkin gesagt. [...] Er war ein Bauer, Sameschkin, ein kluger Bauer« (99).
Singer, Deborah
Mendel Singers Frau und Mutter von Jonas, Schemarjah, Mirjam und Menuchim. Als sie mit dem vierten Kind, Menuchim, schwanger ist, und das Leben immer teurer wird, gibt sie ihrem Mann, der ihr »viel zu gering« ist, die Schuld: »Die Kinder warf sie ihm vor, die Schwangerschaft, die Teuerung, die niedrigen Honorare und oft sogar das schlechte Wetter« (4). Als Doktor Soltysiuk anbietet, den kranken Menuchim kostenlos heilen zu lassen, versucht sie Mendel davon zu überzeugen, das Angebot anzunehmen. Doch sie akzeptiert seine Meinung, dass Gottes Hilfe wichtiger ist, und pilgert von nun an jeden Tag auf den Friedhof, um die »Gebeine der Ahnen anzurufen« (7). Sie verabscheut die Gesundheit ihrer älteren Kinder, und erst, als der Rabbi in Kluczýsk prophezeit, Menuchim werde gesund werden, wenn sie bei ihm bleibe, gewinnt sie ihre Hoffnung wieder (11). Ihr größtes Glück ist der Moment, als Menuchim zum ersten Mal »Mama« sagt, es bleibt zwar lange sein einziges Wort, aber er erscheint ihr »beredt wie ein Priester« (16). Dafür vernachlässigt sie weiterhin ihre anderen Kinder: »Sie hatte nur einen Sohn, den einzigen: Menuchim« (16).
Als sie ihrem Körper das Altern ansieht, hört die »Lust auf zwischen Mendel Singer und seiner Frau« (15). In Bezug auf den anstehenden Militärdienst der älteren Söhne kritisiert sie Mendels Schicksalsergebenheit und kontert mit einem Bibelzitat: »Der Mensch muß sich zu helfen suchen, und Gott wird ihm helfen« (26). So spart sie seit Jahren unter einem losen Dielenbrett Geld, um Kapturaks Dienste zu bezahlen, der die Söhne außer Landes bringen soll. Sie kann jedoch mit dem gesparten Geld nur einen Sohn freikaufen. Da Menuchims Zustand sich nicht bessert, verliert sie mehr und mehr den Glauben an die Prophezeiung des Rabbiners. Als sie und Mendel wegen Mirjams Liebesaffären beschließen, nach Amerika zu gehen, hofft sie bis zum letzten Tag, dass Menuchim doch noch überraschend gesund wird. Als sie ihn zurücklassen müssen, wirft sie sich vor Verzweiflung schreiend vor Menuchim auf den Boden.
In Amerika, das sie sich als »gesegnetes Land« vorgestellt hatte (48), passt sie sich zwar der Kultur an – geht ins Kino und Theater und trägt amerikanische Kleidung –, ist aber enttäuscht, dass die Welt dort doch nicht so anders ist, dass sie Menuchim hätte vergessen können: »es war eigentlich ein größeres Kluczýsk« (78). Sie kann auch hier nicht vom Sparen lassen, ihr Leben ist kärglich und ihrer Schwiegertochter Vega wirft sie vor, sie »treibe Luxus« (77). Sie bereut die Reise nach Amerika, da sie Menuchim vermisst, und schlägt Mendel die Heimreise vor. Als sie schließlich von Schemarjahs Tod hört, bleiben ihre Augen erst »trocken und leer«, dann beginnt sie, sich die Haare auszureißen, und bricht schließlich tot zusammen (93).
Singer, Jonas
Der älteste Sohn von Mendel Singer ist schon als Junge »stark wie ein Bär«, aber bewundert seinen Bruder Schemarjah für seine Geschicklichkeit (12). Er und seine Geschwister Schemarjah und Mirjam ertragen nur schwer die Schmach, ihren kranken Bruder Menuchim im Dorf herumtragen zu müssen, deshalb lassen sie ihn schließlich in einer schmutzigen Ecke liegen und versuchen sogar ihn zu ertränken (13).
Bei der Musterung in Targi werden er und sein Bruder für tauglich befunden, obwohl sie die Wochen zuvor kaum gegessen und geschlafen haben, um ihren Zustand zu verschlechtern (19). Auf der Rückfahrt beginnt Jonas, mit den russischen Bauern im Zug zu trinken, und erklärt seinem Bruder, dass er nun doch auch ein Bauer und ein Soldat werden wolle (22). Er zieht für den Sommer, bis der Wehrdienst beginnt, bei seiner Familie aus und wird Pferdeknecht beim Kutscher Sameschkin. Er sagt ihnen, er habe es nicht mehr ausgehalten, habe sie aber alle »recht gern« (32). Er kümmert sich nun um die Pferde, bei denen er im Stall schläft, »trank Samogonka mit Sameschkin, war betrunken und befruchtete die Mägde« (32). In der Trunkenheit erkennt er selbst seinen eigenen Vater nicht wieder.
Während sein Bruder Schemarjah nach Amerika auswandert, um dem Militärdienst zu entfliehen, rückt Jonas nach Pskow ein und schickt seiner Familie ab und zu kurze Briefe, dass es ihm gutgehe und er »keine Schwierigkeiten mit den Vorgesetzten« habe (36). Von Sameschkin wird er auch später noch wegen seiner Leidenschaft für Pferde respektiert (58). Dass seine Familie Schemarjah nach Amerika gefolgt ist, erfährt er erst Jahre später, als er einmal im Urlaub in sein Heimatdorf zurückkehrt. Er schreibt von dort aus einen Brief an seine Familie, in dem er berichtet, dass er reiten könne »wie der beste Kosak« und die Pferde und das Militär liebe. Er hat vor, dort zu bleiben, da ihm das Soldatenleben liegt: »Man ist versorgt, man hat zu essen, alles befiehlt man von oben, was nötig ist, man braucht nicht selbst zu denken« (83). Bei seinen Vorgesetzten scheint er beliebt zu sein, er könne als »guter Soldat« mit einem Schreiben beim Zaren sogar eine Begnadigung für Schemarjahs Desertation erwirken, seinen Bruder wiederzusehen wäre seine »größte Freude« (83). Für den Fall des Krieges ist er als Soldat darauf vorbereitet, zu sterben.
Tatsächlich ist er ab 1915 verschollen, wie das Rote Kreuz meldet, und Mendel rechnet fest damit, dass er gefallen ist, und gesteht sich letzten Endes ein, dass das »dümmste meiner Kinder« mit seiner Entscheidung, zum Militär zu gehen, richtig gehandelt hat: »Jonas, ich werde dich nie mehr wiedersehen, ich werde dir nicht sagen können, daß du recht hattest, ein Kosak zu werden« (99). Menuchim findet über einen ehemaligen Regimentskameraden noch heraus, dass er wohl nach der Revolution zu den Weißgardisten geflohen ist und im Untergrund weiterkämpft, doch ist es damit »ganz schwer geworden, etwas über ihn zu erfahren«. Trotzdem dürfe man die »Hoffnung immer noch nicht aufgeben« (126).
Singer, Mendel
Ehemann Deborahs und Vater von Jonas, Schemarjah, Mirjam und Menuchim. Der jüdische Lehrer aus Zuchnow, einem Dorf in Wolhynien in Südwestrussland, ist die Hauptperson des Romans, dessen Handlung um 1900 einsetzt. Er ist »fromm, gottesfürchtig und gewöhnlich« (S. 3). In seinem Haus, das nur aus einer Küche besteht, gibt er einer kleinen Gruppe 6-jähriger Kinder Bibelunterricht, wofür er ein bescheidenes Gehalt bekommt (3). Sein Leben ist »zuweilen eine Plage«, da er seine drei Kinder und seine zu Beginn des Romans schwangere Frau versorgen muss, doch er vertraut auf Gott: »Sein Gewissen war rein. Seine Seele war keusch« (3). Er belächelt die Hoffnung seiner Frau Deborah, dass der Rabbi Wunder wirken kann, er braucht keine Instanz zwischen sich und Gott. Er versteckt sich auch nicht, wie die meisten anderen Juden im Dorf, als die staatlich angeordnete Pockenimpfung bevorsteht, er »floh vor keiner Strafe Gottes« (6). So nimmt er auch die Epilepsie seines inzwischen geborenen jüngsten Sohnes Menuchim hin und lehnt das Angebot des Doktors Soltysiuk, das Kind in einem Krankenhaus kostenlos zu behandeln, aus religiösen Gründen ab: »Soll er unter russischen Kindern aufwachsen? Kein heiliges Wort hören?« (7). Auch als seinen älteren Söhnen Jonas und Schemarjah die Einberufung zum Militär droht, beunruhigt ihn vor allem die Vorstellung, dass sie dort nicht nach den jüdischen Vorschriften leben können.
Mit der Zeit entfremdet er sich mehr und mehr von seiner Frau Deborah, besonders ihre Kritik an ihm als Lehrer »zernagten seine Gutmütigkeit« (27). Auch seinen ältesten Sohn Jonas, der, anders als sein Bruder Schemarjah, gern zum Militär will, viel trinkt und im Alkoholrausch seinen Vater nicht mehr erkennt, sieht er als einen »Verlorenen« an (32). Als er dann auch noch miterleben muss, dass seine Tochter Mirjam sich mit den Kosaken einlässt, beschließt er die Übersiedelung der Familie nach Amerika, wohin schon sein zweitältester Sohn Schemarjah vor der Einberufung geflohen ist. Dass er den kranken Menuchim, den er am meisten von seinen Kindern liebt, zurücklassen muss, nimmt er schweren Herzens in Kauf: »Ein Unglück schwebt über uns, wenn wir bleiben« (47). Um die nötigen Papiere zu bekommen, muss er persönlich auf das Amt in Dubno, was er lieber seiner Frau überlassen hätte, weil er Angst vor der russischen Obrigkeit hat (50). Als es zu Misshelligkeiten mit dem Schreiber kommt, vertraut er sich blind Kapturak an, der verspricht, alles für ihn zu organisieren.
Trotz seiner Angst vor dem Wasser gelingt die Überfahrt problemlos, doch als sie nach zwei Wochen New York erreichen, bereut er es schon, Menuchim zurückgelassen zu haben: »Bin ich noch Mendel Singer? Wo ist mein Sohn Menuchim? [...] Schon war er einsam, Mendel Singer: Schon war er in Amerika...« (75). Er versteht mit der Zeit ein paar englische Floskeln, hat aber größere Schwierigkeiten als der Rest der Familie, sich in die amerikanische Gesellschaft zu integrieren. Er findet zwar eine neue Ruhe, denn er »hatte in Amerika, wo alles eilte, erst gelernt, langsam zu wandern«, doch gehen ihm der Gedanke an die Heimkehr und der Wunsch, Menuchim wiederzusehen, nicht aus dem Kopf. Die Nachricht, dass Schemarjah, der sich jetzt Sam nennt, viel Geld verdient hat, berührt ihn nicht, doch als er in einem Brief von seinen Söhnen Jonas und Menuchim hört, ist er zum ersten Mal optimistisch: »Das Glück hat angefangen. Ein Glück bringt das andere, gelobt sei Gott« (83). Dennoch lebt er weiterhin in der ständigen Angst, eine Strafe Gottes zu provozieren. Deshalb zieht er auch nicht aus seiner von Wanzen befallenen Wohnung aus: »Er hatte Angst. Er wollte nicht übermütig werden. Jetzt, wo alles gutzugehen begann, durfte man nicht Gottes Zorn hervorrufen« (87).
Als bald darauf der Erste Weltkrieg losbricht, plagen ihn wieder die Sorgen um seine Kinder in Russland, und er bereut es, Schemarjah nicht an seiner freiwilligen Meldung zum amerikanischen Militär gehindert zu haben: »Die Kanonen, dachte er, sind laut, die Flammen sind gewaltig, meine Kinder verbrennen, meine Schuld ist es, meine Schuld!« (89) Bei der Nachricht, dass Schemarjah gefallen ist, bricht Mendels Frau tot zusammen.Wenig später wird Mirjam nach einem psychischen Zusammenbruch in eine Anstalt eingeliefert. Als der Anstaltsarzt ihm rät, auf Gott zu vertrauen, wird er wütend und fragt seine Schwiegertochter ironisch: »Sag, Vega, hast du schon gesehn, daß Gott einem Mendel Singer geholfen hätte?« (100) Sein Glaube, dass Gott ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen werde, ist endgültig erschöpft, und er beschließt, auch noch diese letzte »Beziehung zu kündigen« (101). Er macht ein Feuer in seiner Wohnung und will seine religiösen Utensilien verbrennen, bringt es aber nicht über sich. »Sein Herz war böse auf Gott, aber in seinen Muskeln wohnte noch die Furcht vor Gott.« Als er sich vor seinen Freunden von Gott lossagt, erinnern sie ihn an die Geschichte von Hiob, doch Mendel fühlt sich zu Unrecht gestraft und glaubt nicht an eine positive Wendung wie bei Hiob: »Alle Jahre habe ich Gott geliebt, und er hat mich gehaßt« (105).
Er zieht darauf zu den Skowronneks, hört auf zu beten und bricht absichtlich religiöse Regeln, indem er zum Beispiel »in das italienische Viertel hinüberging, um Schweinefleisch zu essen und Gott zu ärgern« (106). Erst eine Schallplatte mit »Menuchims Lied« weckt in ihm wieder Hoffnung, und als er schon seine Heimreise vorbereitet, um Menuchim zu suchen, erfährt er, dass der Komponist von »Menuchims Lied«, ein gewisser Alexej Kossak, ihn sucht. Während einer Begegnung bei Skowronnek offenbart der berühmte Komponist Mendel, dass er der geheilte Sohn Menuchim ist, und Mendel macht seinen Frieden mit Gott: »Schwere Sünden hab’ ich begangen, der Herr hat die Augen zugedrückt. […] Er ist so groß, daß unsere Schlechtigkeit ganz klein wird« (131).
Das Buch Hiob im Alten Testament erzählt die Geschichte der gleichnamigen Hauptfigur, eines gottesfürchtigen und wohlhabenden Mannes, der nach einer Wette zwischen Gott und dem Satan von diesem auf die Probe gestellt wird. Nach und nach verliert er all seine Besitztümer, seine Familie und schließlich auch seine Gesundheit, aber bleibt nichtsdestotrotz standhaft in seiner Gottesfurcht, wofür er schließlich von Gott mit mehr belohnt wird, als er zu Anfang besessen hatte.
Singer, Menuchim
Das jüngste der vier Kinder von Mendel und Deborah Singer. Als Säugling liegt er in einem Korb, der von der Decke des einzigen Raumes der Familie hängt, und stört mit seinem Krächzen Mendels Unterricht. Mit einem Jahr beginnen seine Krampfanfälle und es wird deutlich, dass er sich nicht normal entwickelt: »Sein großer Schädel hing schwer wie ein Kürbis an seinem dünnen Hals […]. Seine Beine waren gekrümmt und ohne Leben wie zwei hölzerne Bögen« (6). Doch seine Eltern glauben daran, dass es sich auswachsen werde. Erst der Doktor Soltysiuk, der wegen der Pockenimpfung in das Dorf kommt, diagnostiziert, dass das Kind ein »Epileptiker« sei, Heilung sei aber möglich, denn er sieht »Leben in seinen Augen« (7). Doch Mendel will ihn nicht in ein russisches Krankenhaus geben, wo er fern vom jüdischen Glauben aufwachsen würde. Stattdessen sollen die Geschwister sich um ihn kümmern, die sich jedoch schämen, das schwere, bewegungsunfähige Kind herumzutragen, und ihn schließlich in einer Ecke liegen lassen. Dort spielt er mit »Hundekot, Pferdeäpfeln, Kieselsteinen«, die er sich in den Mund steckt, und wird von seiner Schwester Mirjam, die ihn trösten soll, noch zusätzlich gequält (13). Schließlich versuchen die Geschwister sogar, ihn in einer Regentonne zu ertränken, doch er überlebt alles, ein »mächtiger Krüppel« (14).
Zehn Jahre später hat er laufen gelernt, kann jedoch außer dem Wort ›Mama‹ nichts sagen. Als Mendel und Deborah sich entschließen, nach Amerika zu gehen und Menuchim bei der jungen Familie Billes zurückzulassen, und beginnen, alles zusammenzupacken, bekommt er Angst: »Er war ein Idiot, dieser Menuchim! Ein Idiot! Wie leicht sagt man das! Aber wer kann sagen, was für einen Sturm von Ängsten und Sorgen die Seele Menuchims in diesen Tagen auszuhalten hatte, die Seele Menuchims, die Gott verborgen hatte in dem undurchdringlichen Gewande der Blödheit!« (65)
Als er Jahre später unter dem Namen Alexej Kossak als berühmter Komponist und Dirigent eines Orchesters in New York auftritt, sucht er seinen inzwischen verwitweten und bei den Skowronneks lebenden Vater auf und erzählt den Anwesenden, dass er als Kind in eine Klinik in St. Petersburg gekommen und dort von seiner Krankheit geheilt worden ist. Danach hat ihn der behandelnde Arzt bei sich zu Hause aufgenommen, wo er begonnen hat, mit Hilfe der Frau des Doktors am Klavier zu komponieren. Der Krieg verhalf ihm dann zu seiner musikalischen Karriere. Er wurde Dirigent in einer Militärkapelle, mit der er einige Male beim Zaren auftrat, und nach der Revolution ging er mit der Kapelle nach England, wo er von einer Konzertagentur unter Vertrag genommen wurde, »und so ist mein Orchester entstanden« (126).
Erst anschließend eröffnet er den Anwesenden, dass er Menuchim ist, und nimmt seinen Vater mit ins Astor Hotel, in dem er untergebracht ist. Dort erzählt er ihm unter vier Augen, dass er sich nur an eine einzige Situation aus seiner Kindheit mit Mendel erinnern könne, nämlich wie sein Vater mit einem Löffel an ein Glas geschlagen habe. Von der Mutter wisse er nur noch, dass es bei ihr »warm und weich« gewesen sei, an die Geschwister hat er keine Erinnerungen behalten (133). Bald darauf fährt er zu Mirjam, um sie mit nach Europa zu nehmen, damit sie dort geheilt werde. Mendel, der auf einer Fotographie sieht, dass Menuchim inzwischen verheiratet ist und zwei Kinder hat, ist stolz auf ihn: »Er war ein wunderbarer Mensch, der Segen ruhte auf ihm, gesund würde er Mirjam machen« (135).
Singer, Mirjam
Mendel Singers einzige Tochter hat sein »schwarzes Haar und seine schwarzen, trägen und sanften Augen« und gleicht einer jungen »Gazelle« (4). Wegen ihres reizenden Aussehens bemerkt keiner ihr sadistisches Verhalten gegenüber ihrem jüngeren Bruder Menuchim, gegen den sie einen »häßlichen und hassenden Abscheu im Herzen« trägt (13). Sie ist auch an dem Versuch der Geschwister beteiligt, den ungeliebten, kranken Bruder zu ertränken.
Schon als junges Mädchen fällt sie den Soldaten der nahegelegenen russischen Kaserne auf und genießt in einer »süßen und heißen Furcht« die Flucht vor den ihr nachstellenden »Verfolgern« (18). In der Zeit, als Jonas einrückt und Schemarjah nach Amerika flieht, ist sie immer weniger zu Hause und trifft sich mit Kosaken. Ihr Freund heißt Stepan, doch sie »liebte alle Männer« und trifft sich manchmal auch mit zwei oder drei Kosaken zugleich (51). Als Mac Schemarjahs Nachricht bringt, er werde ihnen die Überfahrt nach Amerika bezahlen, ist sie begeistert, obwohl sie von der »Freiheit der Liebe« in Amerika nur eine vage Vorstellung hat (51). Bei der Auseinandersetzung mit ihren Eltern, die wegen Menuchim nicht fahren wollen, versucht sie, die Mutter gegen ihren Vater auszuspielen: »Laß Mendel Singer und Menuchim, den Idioten, hier« (61). Bevor sie letztlich doch abreisen, da Mendel sie mit einem Kosaken gesehen hat, trifft sie sich noch einmal mit ihrem derzeitigen Liebhaber Iwan und ist beim Abschied froh, dass nicht sie diejenige ist, die zurückbleibt. Auf der Fahrt über die Grenze schmiegt sie sich an den Boten Kapturaks und verbringt offenbar die Nacht mit ihm.
In Amerika arbeitet sie als Verkäuferin in Schemarjahs Kaufhaus. Während sie mit ihrem Vater kaum spricht, versteht sie sich gut mit ihrer Mutter, mit der sie oft bis in die Nacht hinein flüsternd Gespräche führt (77). Sie bewundert Mac, und wenn sie sein Englisch nicht immer versteht, denkt sie, er »spreche zu klug, um verstanden zu werden« (82). Sie gehen öfter gemeinsam aus, und nach einiger Zeit sind sie ein Paar, was von den Eltern akzeptiert wird, obwohl Mac kein Jude ist. Als Sam und Mac in den Krieg ziehen, übernimmt sie mit Vega gemeinsam die Verantwortung für das Kaufhaus und hat eine Affäre mit dessen erstem Direktor Mister Glück. Als Mac aus dem Krieg zurückkehrt, gesteht sie ihm die Affäre. Der Zwiespalt zwischen ihrer Liebe zu Mac und der sie beherrschenden Promiskuität lässt sie buchstäblich verrückt werden: »Glück ist mein Glück, Mac ist mein Mac. Mendel Singer gefällt mir auch, und wenn du willst – « (97). Der Arzt der Nervenheilanstalt diagnostiziert bei ihr eine unheilbare »degenerative Psychose«, an ihrem Zustand ändert sich auch in den folgenden Wochen nichts (99). Menuchim geht sie nach seinem Auftauchen besuchen in der Hoffnung, sie mitnehmen zu können: »Vielleicht wird sie in Europa gesund!« (135)
Singer, Schemarjah
Der zweitälteste Sohn von Mendel Singer und jüngere Bruder Jonas Singers wird im Gegensatz zu diesem als »schlau wie ein Fuchs« beschrieben. Obwohl er sich mit seinen »hellen Augen, dünnen Armen« und seiner »zarten Geschicklichkeit« auch körperlich stark von seinem Bruder unterscheidet, gibt es selten Streit zwischen ihnen (12). Gemeinsam mit Jonas und der Schwester Mirjam leidet er unter der Aufgabe, sich um den kranken Bruder Menuchim zu kümmern, so dass sie einmal sogar versuchen, ihn in einem Regenfass zu ertränken.
Als er mit Jonas zur Musterung nach Targi fährt und sich dieser betrinkt, entbrennt ein Streit zwischen ihnen, da Jonas Soldat werden will, während Schemarjah das Leben in den großen Städten kennen lernen und als jüdischer Händler ein »reicher Mann« werden will (20). Als nur einer von ihnen der Einberufung durch die Flucht nach Amerika entgehen kann und Jonas freiwillig verzichtet, glaubt Schemarjah bei seiner Abreise dennoch, dass Jonas sich für ihn »freiwillig geopfert« hat (34). Mit zwei Rubeln in der Tasche wird er von einem Boten Kapturaks über die Grenze geschleust und gelangt nach Triest, wo er als »Unteragent« einer Schiffsgesellschaft etwas Geld verdient (38). Dort lernt er auch seine spätere Ehefrau Vega kennen, deren Vater ihn unterstützt, damit er ein Geschäft eröffnen kann. Doch er reist von dem Geld nach Amerika, Vega folgt ihm wenig später, sie heiraten und leben glücklich in New York.
Zu Anfang flickt er, der sich nun Sam nennt, Hosen und wird beinahe Schneider »wie alle Juden in Amerika« (38). Doch als er auf Long Island Mac kennen lernt, beginnen sie, gemeinsam Versicherungen zu verkaufen. Er schickt seiner Familie über Mac einen Brief und verspricht ihnen, dass er »mit Gottes Hilfe« auch Schiffskarten schicken werde, so dass sie ihm nach Amerika folgen könnten (39). Als er seine Eltern und seine Schwester am Hafen abholt, erscheint er ihnen als der alte Schemarjah und der neue Sam zugleich, der in seiner bunten, amerikanischen Kleidung »beinahe Mac« war (72). Zwei Wochen später kommt sein Sohn MacLincoln zur Welt. Um zur gehobenen Gesellschaft in New York zu gehören, möchte Schemarjah bald in eine Wohnung am »River« ziehen (77). Er übergeht immer wieder die Gewohnheit seines Vaters, nicht außer Haus zu essen, da er sich »von den Sitten seiner Heimat« distanzieren möchte. Er ist ganz in die amerikanische Gesellschaft integriert und geht in seiner Rolle als Geschäftsmann auf, was von Mendel mit ironischer Bewunderung zur Kenntnis genommen wird: »wie fließend sprach er Englisch, wie konnte er auf Klingelknöpfe drücken, Laufjungen anschnauzen, er war ein Boß« (80). Er hat inzwischen ein großes Kaufhaus eröffnet, in dem er auch Mirjam beschäftigt, und spekuliert nebenbei »in Bauplätzen«, wodurch er 15.000 Dollar auf einen Schlag verdient (79).
Als Amerika in den Krieg eintritt, meldet er sich aus Liebe für sein neues »Vaterland« zum Kriegsdienst und singt mit Mac ein amerikanisches Lied auf der Straße, bevor er einrückt (91). Entgegen der Meinung Mirjams, dass ihm beim Regimentsstab nichts zustoßen könne, kommt eines Tages Mac alleine zurück und bringt der Familie Schemarjahs Uhr und seine letzten Grüße.
Skowronnek
Jüdischer Besitzer einer Musikalienhandlung in New York, die »Grammophonapparate, Platten, Notenhefte und Gesangstexte« verkauft (80). Dort treffen sich Mendel und die anderen Juden des Viertels abends, um über Politik oder die Heimat zu sprechen.
Er nimmt Mendel nach Deborahs Tod und Mirjams Einlieferung in eine Nervenheilanstalt bei sich auf und lässt ihn für sich arbeiten. Er respektiert ihn und beteiligt sich nicht am Gerede über Mendels Alter: »Skowronnek, der ihn am besten kannte, schwieg« (114). Auch gegen die Erniedrigungen seiner Frau verteidigt er ihn und nimmt dafür Streit mit ihr in Kauf: »Ich bin genauso alt wie Mendel – und du wirst auch nicht jünger« (115). In dem Gespräch mit dem Komponisten Alexej Kossak, das am Osterabend in seinem Haus stattfindet, greift er Mendel immer wieder mit Fragen vor, um ihm die entscheidende Frage nach dem Schicksal Menuchims zu ersparen: »Mendel, sein Freund, sollte zu dem Weh, das ihm die Antwort bereiten würde, nicht auch noch die Qual zu fragen auf sich nehmen müssen« (128). Als der Komponist sich schließlich als Menuchim zu erkennen gibt, läuft er sofort los, um Mendels Freunde zu holen: »Ein Wunder ist geschehen! Kommt zu mir und seht es an!« (130)
Auch im Buch Hiob diskutieren die Freunde Hiobs mit ihm über die möglichen Gründe für seine Schicksalsschläge (vgl. Hiob 4 ff.).
Skowronnek, Frau
Skowronneks Frau. Als Mendel bei ihnen einzieht, ist sie zunächst zurückhaltend, verliert aber schon bald den Respekt vor ihm, nennt ihn nicht mehr Mister Singer, sondern Mendel, und ihr Mitgefühl für ihn lässt nach, »denn ihr Herz war klein« (114). So beginnt sie, ihm »ungeduldig zu befehlen«, und kränkt ihn, indem sie die Stimme erhebt, wenn sie mit ihm spricht, obwohl er nicht schwerhörig ist (115). Als er ihr deshalb widerspricht, erniedrigt sie ihn vor den Kunden des Ladens, und als ihr Mann verteidigend eingreift, ist sie »glücklich« über die Gelegenheit zu einem Ehestreit (115). Als sie von Mister Frisch hört, dass ein Verwandter Mendels ihn besuchen möchte, verrät sie ihm nur, dass dieser ihm »etwas sehr Wichtiges« zu sagen habe: »Sie weidete sich an seiner Neugier und schwieg« (117).
Soltysiuk, Doktor
Zuständig für die Pockenimpfungen der Juden in Zuchnow. Er muss »nicht weniger als hundertsechsundsiebzig« Juden impfen und ist froh über jeden, dem es gelingt, sich zu verbergen (6). Doch der Polizist, der ihn begleitet, holt »Frauen und Kinder aus tiefen Kellern und hohen Dachböden« (6). Als er den kranken Menuchim sieht, sagt er Mendel Singer voraus, dass sein Sohn ein Epileptiker werde. Er könne ihn jedoch umsonst in einem Krankenhaus heilen: »ich könnte ihn vielleicht gesund machen. Es ist Leben in seinen Augen« (7). Doch Mendel Singer lehnt die Behandlung aus Glaubensgründen ab. Aus einem Brief der Familie Billes, bei der Menuchim nach der Abreise der Singers nach Amerika lebt, geht hervor, dass der Doktor Menuchim später noch einmal untersucht und angekündigt hat, ihn zur Behandlung nach Petersburg schicken zu wollen (83). Menuchims Schicksal zeigt, dass Doktor Soltysiuk, was die Heilungschance betrifft, Recht behalten hat. Es wird aus dem Text jedoch nicht deutlich, ob er auch der Arzt ist, der ihn behandelt und dann bei sich aufnimmt.
Vega
Schemarjahs Frau. Sie lernt ihn in Triest bei seinem Hauswirt kennen und folgt ihm nach Amerika, wo sie heiraten. Sie ist blond, sanft, und ihre blauen Augen zeigen Mendel »mehr Güte als Klugheit« (76). Deborah wirft ihr vor, sie »treibe Luxus«, aber Mendel verteidigt sie, weil sie ihre Schwiegereltern respektiere (77). Als Schemarjah, der sich jetzt Sam nennt, und Mac auf einen Schlag 15000 Dollar verdienen, stellt sie sich vor, dass sie umziehen und neue Möbel und ein Klavier für ihren inzwischen geborenen Sohn MacLincoln kaufen. Während Sam und Mac im Krieg sind, übernimmt sie mit Mirjam die Leitung des Kaufhauses, mit dessen Direktor Glück auch sie (wie Mirjam) eine Affäre hat. Nach Sams Tod und Mirjams Einweisung in die Psychiatrie heiratet sie Mac, wie Mendel es ihr geraten hat.