Trotta, Franz von (Bezirkshauptmann Trotta)
Der Sohn Joseph Trottas, des »Helden von Solferino«, und Vater von Carl Joseph.
Während er durch das Engagement seiner Mutter schon mit fünf Jahren von einem Privatlehrer unterrichtet wird, erzieht sein Vater ihn zu äußerster Sparsamkeit. Die jährlich gesparten drei Gulden muss er seinem Vater durch Unterschrift quittieren, ohne sie jemals auf das Wiener Pensionat, das er besucht, mitnehmen zu dürfen. Erst mit achtzehn Jahren bekommt er einmal neun Gulden zur freien Verfügung. Den Wünschen seines Vaters, er möge mit den Mädchen achtgeben, da die meisten »krank« seien, und eine Karriere als Jurist einschlagen, fügt er sich gehorsam (153). Sein bester Freund ist der Maler Moser, der ihm bei den Mädchen hat »Kurasch machen müssen«, da er selbst ein rechter »Traumichnicht« gewesen sei, wie Moser später erzählt (179). Während des Studiums ist Franz öfter auf dem Hof seines Vater, bis er schließlich Lust bekommt, statt der Juristenkarriere das Gut zu übernehmen, doch der Entschluss seines Vaters steht fest: »Du wirst ein tüchtiger Beamter, nichts mehr!« (154)
Da die Behörden von den 5000 Gulden wissen, die der Kaiser zu seiner Ausbildung gezahlt hat, ist ihm eine »ständige wohlwollende Beobachtung und Förderung unbekannter höherer Stellen« (154) sicher und seine Karriere geht zügig voran. So wird er, nachdem er erst Bezirkskommissär in Schlesien ist, bald zum Bezirkshauptmann des Bezirks W. in Schlesien befördert und lässt sich für den Rest seines Lebens in der Bezirksstadt W. nieder. Er ist stolz auf seinen Sohn, der Leutnant geworden ist, und offenbart ihm, dass er selbst immer Soldat werden wollte, aber sein Vater es ihm verboten habe. Nun sei er selbst froh, dass Carl Joseph nicht auch Beamter geworden sei (171).
Seine Strenge und Unnachgiebigkeit drückt sich darin aus, dass seine linke Hand »mit lauernder Ungeduld auf die Tischkannte trommelte«, wenn es nicht nach seinem Willen geht (177). Dass Stransky, der Bruder seiner Frau, neunzehn Jahre zuvor eine Bürgerliche heiratete, sieht er als »fatal« an und hilft ihm finanziell nicht aus: »Sie konnten die Kaution natürlich nicht aufbringen. Deine Mutter hätt’ mich beinah dazu gebracht, die Hälfte herzugeben« (181). Auch für seinen Sohn, dessen Freund Demant bei einem Duell ums Leben kommt, hat er kein Mitleid übrig: »Zu meiner Zeit waren Duelle noch häufiger und die Ehre weit kostbarer als das Leben« (245).
Die Sehnsucht seines Sohnes nach der slowenischen Heimat ihrer Vorfahren ist ihm fremd: »Er war ein Österreicher, Diener und Beamter der Habsburger, und seine Heimat war die Kaiserliche Burg zu Wien« (255). Nicht nur in seinem strikt geregelten Alltag sind ihm Unregelmäßigkeiten zuwider, sondern genauso in der Politik. Am meisten hasst er das Wort »Revolution«, welches er in seinem Sprachgebrauch »vollends ausgerottet« hat (271).
Erst als sein alter Diener Jacques krank wird, wird diese Regelmäßigkeit durchbrochen und es kommt dazu, dass der Bezirkshauptmann zum ersten Mal, seit er Beamter ist, »am hellichten Wochentag gar nichts« tut (278). Nach dem Tod Jacques’ besucht er seinen Sohn an der Grenze, um der Einsamkeit zu entgehen, überraschenderweise »erfrischte jede Unregelmäßigkeit sein Herz« (282). So kann er am Ende sogar Chojnickis Einschätzung akzeptieren, dass das Reich dem Untergang geweiht ist: »Er sah die Welt untergehen und es war seine Welt« (293). Der Zustand seines offensichtlich alkoholabhängigen Sohnes bereitet ihm Sorgen und dabei hatte er selbst auf Trost gehofft: »Er war an die Grenze gekommen, um selbst ein bißchen Hilfe zu finden. Denn er war ganz allein in dieser Welt! […] und der Sohn war ebenfalls allein und vielleicht, weil er jünger war, dem Untergang der Welt näher« (297).
Im Alter wird er immer verbitterter, die neuen Diener, die er allesamt mit Jacques anspricht, können das Original nicht ersetzen. Auch die Gesellschaft im Ganzen befindet sich im Niedergang, was er daran festmacht, dass die »Nationalen Minoritäten« sich im Gegensatz zu dem, was er die »staatstreuen Elemente« nennt, in einer »widernatürlichen Weise vermehrten« (356). Durch den Sohn des Kapellmeisters Nechwal bekommt er zu hören, dass selbst in der Armee der Glaube an die Monarchie verloren gegangen sei (359), was jedoch den Schock über das geplante Ausscheiden seines Sohnes aus der Armee nicht mildert. Erst sein Freund Skowronnek bringt ihn dazu, seinem Sohn die Entscheidung selbst zu überlassen, und er legt die »Befehlsgewalt« über seinen Sohn nieder (368). Ab diesem Zeitpunkt hat er selbst nun auch den Glauben in die Monarchie und damit in seinen Beruf des österreichischen Beamten verloren, er erfüllt zwar seine Aufgaben so gründlich wie immer, aber er gleicht einem »Virtuosen, in dem das Feuer erloschen, in dessen Seele es taub und leer geworden ist« (370).
Als er auch noch erfährt, dass sein Sohn wegen einer Schuldenaffäre die Verletzung seiner Ehre hingenommen hat, ist er nahe daran seine Ämter niederzulegen, doch er beschließt diese Schande nicht zu akzeptieren und die Ehre der Trottas wiederherzustellen und spürt dadurch wieder einen Sinn in seinem Leben. Da es ihm nicht gelingt, das Geld aufzutreiben, fährt er nach Wien und organisiert mit Hilfe alter Schulfreunde eine Privataudienz beim Kaiser. Den Freunden erscheint er als eine »Persönlichkeit, nicht einer geographischen, sondern einer geschichtlich entfernten Provinz entstiegen, Gespenst vaterländischer Historie und verkörperte Mahnung des patriotischen Gewissens« (402). Sie bemerken auch, dass er dem Kaiser verblüffend ähnlich sieht, und als er selbst den Kaiser sieht, ist ihm, als »stünde hinter dem Schreibtisch sein älterer Bruder« (405).
Bald nachdem die Affäre erledigt ist, beginnt der Erste Weltkrieg und über den Tod seines Sohnes in den ersten Gefechten kommt der alte Bezirkshauptmann nie hinweg: »Sein Sohn war tot. Sein Amt war beendet. Seine Welt war untergegangen« (447). Der weitere Fortgang des Krieges interessiert ihn nicht, erst als er hört, dass der Kaiser stirbt, fährt er nach Wien und steht beim Tod des alten Kaisers unter den »Leuten des niederen Gesindes« vor dem Schloss von Schönbrunn (451). Drei Tage später stirbt er selbst und sein Freund Skowronnek bemerkt, Trotta und der Kaiser konnten »beide Österreich nicht überleben« (455).