Behrend, Frau

Mutter von Carla und Ehefrau des ehemaligen Obermusikmeisters Behrend, »der sich in irgendeiner vom Führer besetzten und dann wieder verlorenen Gegend Europas an eine bemalte Schlampe gehängt hatte und nun in Gott weiß was für Kaffeehäusern für Neger und Veronikas Wenn-ich-nach-Alabama-komm spielte« (II, 19).

Frau Behrend liest Heftchenromane (II, 21) und träumt von ihrer heilen Vergangenheit. Sie hält sich für ein unschuldiges Opfer des Krieges. »Frau Behrend hatte den Krieg nicht gewollt. Der Krieg verseuchte die Männer« (II, 19). Der Zusammenhang zwischen dem Krieg und den nationalistischen und rassistischen Normen, denen sie selbst weiterhin anhängt, bleibt ihr verborgen (II, 19-21).

Ihr Rassismus bestimmt auch ihr Verhältnis zur Tochter. Bei der Vorstellung, dass Carla sich mit einem Schwarzen, Washington, eingelassen hat, graust es ihr (II, 117). Sie kann sich nicht entscheiden, was schlimmer wäre: Das Kind eines Schwarzen auszutragen oder es abtreiben zu lassen. Schließlich kommt sie zu dem Ergebnis, dass eine Abtreibung die bessere Lösung sei. Den in ihren Augen losen Lebenswandel der Tochter hält sie für ein Erbteil ihres untreuen Ehemannes, den Carla stets verteidigt hat: »sie mußte ihn verteidigen, mußte ihn mit seinem Flitscherl verteidigen, sie hat das von ihm, das Musikerblut, sie sind Zigeuner, nur die Wehrmacht hielt sie in Zucht« (II, 117).

Als sie vom Domcafé, ihrem »Nachmittagssitz« (II, 110), nach Hause zurückkehrt, erfährt sie vom Besuch Richard Kirschs, eines entfernten Verwandten aus Amerika, dessen Vater, Wilhelm Kirsch, ihr nach Kriegsende Pakete geschickt hatte (II, 138). Sie bedauert, ihn verfehlt zu haben, und gibt Carla die Schuld an seinem Verschwinden: »der Ariernachweis war lückenlos gewesen, und nun diese Schande! […] Der junge Kirsch war vor der Unmoral geflohen, er war davongelaufen vor der Schande und der Verkommenheit« (II, 138). Der Lebensmittelhändlerin, die ihr ausrichtet, dass Richard sie im Bräuhaus erwartet, glaubt sie zunächst nicht, sucht dann aber doch nach ihm, ohne ihn zu kennen. Sie sieht ihn mit dem »Fräulein« im Bräuhaus sitzen und es küssen und ist überzeugt, dass der junge Mann nicht Richard sein kann: »›er würde sich nie so benehmen, auch wenn er in Amerika groß geworden ist, würde er sich nie so benehmen‹« (II, 194).

Im Bräuhaus hört sie von dem Mord eines Schwarzen (Odysseus) an dem Dienstmann Josef, den das Gerücht inzwischen zu einem Taxifahrer gemacht hat: »Ein Neger hatte gemordet, Neger waren Verbrecher, die Polizeisirenen kreischten, man suchte den Neger. ›Es ist eine Schande‹, sagte Frau Behrend. ›Sie sind wie die wilden Tiere‹« (II, 198). Inmitten der aufgebrachten Menge vor dem Bräuhaus sieht sie Carla mit Washington aus dem Klub der amerikanischen Soldaten kommen. Sie ruft »Da ist er!« (II, 210) und meint damit den Freund ihrer Tochter. Ihre beiden Begleiter aber, zwei Geschäftsmänner, glauben, dass sie den ›Taximörder‹ identifiziert hat, und setzen das Gerücht in Umlauf, so dass die Menge von einer neuen »Welle der Wut« erfasst wird und beginnt, mit Steinen nach Washington zu werfen. Frau Behrend stellt die Situation nicht klar, sondern schweigt.