Das Kleine Welttheater oder Die Glücklichen (1897)

Arzt, Der

Leitet im Anschluss an den Monolog des Dieners den Monolog des Wahnsinnigen ein, indem er die Grundsituation menschlichen Daseins skizziert. Dem Menschen seien Übel, Gefahr und Unglück existenziell zu eigen: »Denn eingeboren ist ihr eignes Weh den Menschen« (III, 147).

Dichter, Der

Der Dichter ist die erste Figur, die auf der »gewölbten Brücke« über dem Fluß einen lyrischen Monolog hält (III, 133). Von der Abendsonne ins Freie hinaus gelockt, sucht er nach »ungewissen Schatten« (ebd.). Den Gestalten, die im Folgenden vor sein Auge treten, fühlt er sich geheimnisvoll-schicksalhaft verbunden. Er genießt den ergreifenden Anblick ihres bacchantischen Treibens. Als die Nacht hereinbricht, lässt er sich am Waldrand nieder, um das Empfundene in Dichtung zu fassen. Er möchte die »Knaben in den dumpfen Städten« an »jenen Abenteuern« teilhaben lassen (III, 135), die Traum und Leben zusammenführen und den Menschen in das schattenhafte Treiben verweben.

Diener, Der

Schildert in seinem Monolog, der sich an den des Mädchens anschließt, das Schicksal seines Herrn, eines Prinzen, der den väterlichen Reichtum mit vollen Händen ausgibt. Der Prinz sei von einnehmendem, bezauberndem Wesen und vereine zwei konträre Verlangen in sich: Den Drang nach Selbstaufgabe in der Liebe und die Sehnsucht nach königlicher Einsamkeit. Liebestoll und rastlos, wie von einer »Gottheit« getrieben (III, 144), hänge er nicht an den äußeren Erscheinungen, die ihm »nur Schale« seien (ebd.). Er wolle zu »Kern und Wesen aller Dinge« vordringen (III, 146), möchte inneres und äußeres Leben vereint wissen. Vom »Wahnsinn« getrieben, lasse er sich in den »Abgrund« nieder und gehe in dionysischem Erleben auf, ohne darin ganz unterzugehen (ebd.). So lebe der Prinz immer am Rande des Selbstverlusts. Den Preis der Selbstaufgabe zahle er aber nicht: »einem Spiel zuliebe, meint er, bleibt er noch in seinem Leibe, den er lassen könnte, wenn er wollte« (ebd.).

Fremde, Der

Der Monolog des Fremden schließt sich an den des jungen Herrn an. Seit seiner Kindheit hat er das unbedingte Verlangen, auf den Grund des (Lebens-) Flusses zu schauen. Als Kind war er »zu klein und durfte nie hinab« (III, 140). Nun, als erwachsener Goldschmied, kann er dem starken und schnellen Lebensstrom zwar nicht die ganze Fülle der Formen entnehmen, erkennt sein Glück aber in der Auswahl. Durch den Verzicht, durch die Beschränkung auf ein Wesen – »sei's Jüngling oder Mädchen oder Kind« (ebd.) – wähnt er sich »in geheimer Nähe« des Lebensquells (III, 141).

Gärtner

Der Gärtner ist die zweite Figur, die in der Abenddämmerung auf der Brücke einen Monolog hält. Er ist ein greiser ehemaliger Kaiser, der freiwillig auf Macht und Ruhm verzichtet hat, um sich den Pflanzen zu widmen. Sein Gärtnerdasein erlebt er als »Trost« und »Befreiung« (III, 136). Erst mit seiner neuen Tätigkeit fernab von Verstellung und Machtspiel meint er das reine Leben wahrzunehmen. Hier erfährt er unmittelbar das Wahre, Eigentliche und Zusammenhängende aller Existenz.

Herr, Der junge

Sein Monolog schließt sich an den des Gärtners an. Er berichtet von seinem einsamen Ausritt im Morgengrauen und von seiner wundersamen Begegnung mit dem Greis, der die Krone aufgegeben hat, um eine Existenz als Bettler zu führen. Während einer mittäglichen Rast träumt er von einer Jagd und von Tieren, die panisch vor ihm fliehen. In einem Brunnen sieht er plötzlich das weiße Haar seines Vaters. Der Traum verursacht gleichermaßen Taumel und Beklommenheit. Von den heftigen Bewegungen des Pferdes aus seinem Traum aufgeschreckt, erschlägt der junge Herr mit der Trense zwei Hühner und eine Wachtel. Das Bedürfnis, den Brunnen aus seinem Traum aufzusuchen, führt ihn schließlich zu einem Brunnen, aus dem ihm sein gealtertes Spiegelbild entgegen blickt. Das hat aber nicht Zukunftsängste zur Folge, sondern lässt ihn das momentane Glück des Alleinseins empfinden. Der junge Herr ist zuversichtlich, dass die vielen geheimnisvollen Wege und Prüfungen, so »wunderbar verschlungen« sie auch sein mögen (III, 139), ihn doch schließlich immer wieder zu seiner Geliebten zurückführen werden.

Mädchen, Das

Das Mädchen ergreift im Anschluss an den Monolog des Fremden das Wort. Allein in der Nacht sitzend, wünscht es sich, dass ihm ein trauriges Lied vorgetragen werde. »Von fern« hört sie »gern so traurig singen« (III, 142). Das Lied des Bänkelsängers erscheint ihr aber »dumm« (ebd.). Es handelt von den wehmütigen Erinnerungen einer Sterbenden, die ihren Zustand mit dem eines Kindes vergleicht, das abends heimkehrt. Mit dem Gedanken an die große weite Welt, in der ihr alle Möglichkeiten noch offen stehen und »alles noch geschehn« kann (ebd.), zieht das Mädchen sich zum Schlafen ins Haus zurück.

Wahnsinnige, Der

Der Monolog des Wahnsinnigen beschließt das Stück. Er erklärt, dass der Mensch sich nach absoluter Identifizierung mit dem Leben sehnt, die Einheit und Ganzheit des Daseins aber immer nur erahnen kann. Das Wirkliche ist nie ganz fassbar. Der einzige Weg, dem Drang nach Totalität vollkommen nachzukommen, ist die Aufhebung aller Begrenzungen von Identität, Zeit und Raum im Tod. Als der Wahnsinnige sich über das Brückengeländer hinabstürzen will, verhindern der Diener und der Arzt die Selbstauflösung, indem sie ihn festhalten. Zwar wird der Wahnsinnige für dieses Mal ins Leben zurückgebracht, seine dionysische Todessehnsucht aber bleibt.

© Katharina Meiser 2012 – Alle Rechte vorbehalten.