Vittoria

Die Sängerin Vittoria ist Lorenzo Veniers Frau und die verflossene Liebe des Barons, den sie nicht vergessen kann. Das Wunder ihrer viel gelobten Stimme versteht sie selbst als kompensatorische Reaktion auf den Trennungsschmerz. So bleibt ihr Gesang immer eine Reminiszenz an ihre tiefe Liebe zu dem Abenteurer (vgl. V, 131), den sie bei einem ihrer Auftritte in der Loge wiedererkennt. Der Anblick des ehemaligen Geliebten, den sie als einzige mit seinem wahren Namen Antonio kennt (vgl. V, 173), bringt sie völlig aus der Fassung. Sie besucht ihn daraufhin abends in seinem Haus. Seine Versuche, sie zurückzugewinnen, wehrt sie aber ab. Als Antonio ihr mitteilt, dass er sich mit ihrem Mann Lorenzo angefreundet hat, der ihn für den nächsten Tag zu sich eingeladen hat, beklagt sie die ewige Heuchelei, erklärt sich aber bereit, das Spiel mitzuspielen. Als ihr Mann sie unter Berufung auf ein Jugendbildnis des angeblichen Barons mit seinem dringenden Verdacht konfrontiert, dass Cesarino in Wahrheit gar nicht ihr jüngerer Bruder, sondern ihr gemeinsamer Sohn mit dem Baron sei, gesteht sie nicht. Sie gibt vor, Cesarino sei aus einer Liaison ihrer Mutter mit dem Baron hervorgegangen. Mit einem perfekt inszenierten Lügenszenario kann sie ihren Mann schließlich von ihrer Redlichkeit überzeugen. Vittorias Handeln ist von ambivalenten Motiven geleitet, die sie selbst nicht recht durchschaut. Einerseits vermag sie sich nicht von ihrer Lebenslüge zu befreien, weil sie Angst hat, Lorenzo und Cesarino zu verlieren. Andererseits sehnt sie sich danach, in ihrem ehemaligen Geliebten Antonio doch noch einen fürsorglichen Vater entdecken zu können, der sich in der Nähe seiner Familie aufhält: »Er geht und dreht den Kopf nicht noch einmal, / das Haus zu sehn, in dem sein Kind zurückbleibt. / Mich dünkt, das wollt' ich doch, was jetzt geschah! / Wie? oder log ich auch mich selber an? Wie leicht und lustig ging alles aus!« (V, 176) Bevor der Vorhang fällt, bestaunen Lorenzo und Cesarino, wie »wundervoll« Vittoria »das große Lied der Ariadne« singt, »das sie seit Jahren hat nicht singen woll'n!« (V, 177)