Tod, Der
Tritt auf, nachdem der Kammerdiener seinen Herrn Claudio darüber informiert hat, dass sich im Garten unheimliche Gestalten tummeln. Der Tod ist zunächst nur akustisch in Form seines Geigenspiels präsent und versetzt Claudio in einen dionysischen Taumel. Nach Verstummen der Musik tritt der Tod hinter dem Vorhang hervor und stellt sich als »großer Gott der Seele« aus »des Dionysos, der Venus Sippe« vor (III, 70). Indem er aber nicht nur das dionysische Prinzip, sondern auch die anthropologische Grenze des Menschen verkörpert, legt er Claudios Sehnsucht nach der Unmittelbarkeit des Lebens als Todessehnsucht offen: »Wenn sich im plötzlichen Durchzucken / Das Ungeheure als verwandt enthüllte, / Und du, hingebend dich im großen Reigen, / Die Welt empfingest als dein eigen: / […] Hab ich dich angerührt im Seelengrunde / Mit heiliger, geheimnisvoller Macht.« (III, 71) Claudios Einwand, er könne jetzt nicht sterben, weil er noch gar nicht gelebt habe (vgl. III, 71), lässt der Tod nicht gelten (vgl. III, 75). Er gemahnt ihn an die verpasste Chance eines immanenten Lebensentwurfs (vgl. III, 72), indem er ihn mit drei Verstorbenen konfrontiert. Seine von ihm vernachlässigte Mutter, seine von ihm schändlich behandelte Geliebte und sein schmerzlich von ihm betrogener Freund führen dem Ästhetizisten sein amoralisches Verhalten vor Augen. Nachdem Claudio hiernach »tot zu den Füßen des Todes« niedergesunken ist, geht der Tod »kopfschüttelnd« ab (III, 79).