Die Hochzeit der Sobeide. Dramatisches Gedicht in einem Act (1897)
Kaufmann, Ein reicher
Am Rande seines eigenen Hochzeitsfestes wundert sich der Kaufmann im Gespräch mit seinem Diener Bahram über die melancholische Stimmung seiner Braut Sobeide und der anderen Gäste: »Sie lächelten wie Masken, und ich fing / mitleidige Blicke auf.« (V, 10) Während er sich selbst im Spiegel betrachtet, überkommt auch ihn ein melancholisches Gefühl. Er zweifelt daran, sich selbst zu kennen und die Wahrheit über das Ich und dessen Verhältnis zum Dasein überhaupt je erkennen zu können (vgl. V, 12). Als er mit seiner sehr viel jüngeren Braut allein ist, sagt er ihr, was ihn bewegt, und hofft, seine Lebenseinstellung mit ihr teilen zu können. Er erklärt, dass »Prunk und Lärm« ihm nichts bedeuten (V, 15), »Gemeines« habe er deshalb von sich »abgethan« (ebd.). Er liebt Sobeide und möchte in ihr ein ihn ergänzendes und ihn spiegelndes Gegenüber erkennen. Sobeide aber gesteht ihm, dass sie ihn nur wegen der Geldnot ihres Vaters geheiratet hat und Ganem, den Sohn des Teppichhändlers Schalnassar liebt. Der tief getroffene Kaufmann stellt zunächst Ganems Aufrichtigkeit in Frage. Dass er Sobeide nicht habe heiraten können, weil auch sein Vater finanziell schlecht dastehe, macht ihn stutzig, denn er weiß von Schalnassars Wohlstand: »Ein schlechter alter Mensch!« (V, 21) sei er, aber »gar nicht arm, nichts weniger als arm!« (V, 22) Auch Ganems abweisendes und kühles Verhalten, das Sobeide als Rücksichtnahme deutet, lässt den Kaufmann aufhorchen: »Sehr grosse Güte, wenn es wirklich / nichts war, als nur angenomm'ner Schein.« (V, 23) Da aber Sobeide unbeirrt an ihrer Liebe zu Ganem festhält, lässt er sie schließlich noch am selben Abend gehen. Sie soll für sich und ihr Leben Klarheit gewinnen: »Ich nenn' es Leben, jenes Ungeheure, / Und Leben ist auch dies, wer dürft' es trennen? / Was ist denn reif-sein, wenn nicht: ein Gesetz / für sich und für die Sterne anerkennen!« (V, 29) In düsterer Stimmung, voll enttäuschter Liebe, spaziert der Kaufmann am nächsten Morgen durch seinen Garten, empfindet sich innerlich als tot und stellt nun trotzig-resigniert fest: »Besitz ist alles! Welch' ein Narr ist das, / der das Gemeine schmäht, da doch das Leben / gemacht ist aus Gemeinem durch und durch!« (V, 62). Als er sieht, wie sich Sobeide von seinem Gartenturm stürzt, versucht er die Sterbende verzweifelt zu einem gemeinsamen Leben zu überreden. Er muss aber schließlich einsehen, dass »der falsche Hauch des Lebens« sie ums Leben gebracht hat (V, 65).
Sobeide (Die Hochzeit der Sobeide)
Ehefrau des reichen Kaufmanns. Sie empfindet den Moment zwischen dem Abschied von ihren Eltern und der Aufnahme in das Haus ihres Ehemanns als den einzigen freien Augenblick ihres Lebens (vgl. V, 14). Als sie erstmals mit ihrem Mann allein ist, beichtet sie ihm aufrichtig, dass sie ihn aufgrund der Geldsorgen ihres Vaters geheiratet hat und in Wahrheit Ganem, den Sohn des Teppichhändlers Schalnassar, liebt, den sie seit einem Jahr nicht mehr gesehen hat. Diese Liebe macht sie, wie sich bald zeigt, blind für Ganems Charakter: Sie glaubt, Ganem habe sie nicht heiraten können, weil sein Vater ebenfalls mittellos sei, und erklärt sich sein kaltes, abweisendes Verhalten damit, dass er ihr den Abschied habe erleichtern wollen (vgl. V, 23). Ihr Leben sieht Sobeide trotz ihres jungen Alters bereits von Enttäuschung und Entsagung geprägt. Sie will sich zwar an ihre neue Rolle als ›Besitztum‹ des reichen Kaufmanns anpassen, aber innerlich rebelliert sie. Das Angebot ihres Mannes, sie gehen zu lassen, nimmt sie dankbar an, um zu Ganem zu gehen. Als sie dann Schalnassars Haus betritt, wird sie bitter enttäuscht, denn Ganem gibt ihr zu verstehen, dass er sie nur begehrt, aber nicht liebt. Dennoch bettelt sie unterwürfig um Verständnis und Liebe. Erst als Ganem, außer sich vor Eifersucht, wütend auf seinen Vater einpeitscht, weil dieser sich mit Gülistane vergnügt, versteht sie: »Sein Vater! beide, um das Weib! die beiden!« (V, 53) Auf die Rivalität von Vater und Sohn um dieselbe Frau reagiert sie »wie von Sinnen«: »Ja! ja! wir wollen einen Reigen tanzen! / Gieb mir die Hand! und ihm! und ich dem Alten! / Wir wollen unser Haar auflösen: welche / das länger Haar hat, soll den Jungen haben für heut – und morgen wieder umgekehrt! / Gemeinheit hat den Thron!« (V, 53) Tief enttäuscht von sich und dem Leben beschließt sie, dass der Tod der einzige Ausweg für sie ist, und verlässt Schalnassars Haus in Begleitung des alten Kameltreibers, der ihr den Weg zurück zum Haus des Kaufmanns weist. In dessen Garten angekommen, will sie sich im Teich ertränken, erfährt aber von der Frau des Gärtners, dass sich der Kaufmann in der Nähe des Teichs aufhält. Kurzerhand wählt sie den Freitod durch den Sprung vom Gartenturm. Sterbend bittet sie ihren Ehemann, ihre Eltern und den alten Kameltreiber bei sich aufzunehmen. In der für sie vorgesehenen Rolle als Tochter und Frau habe sie versagt (»Wir hätten lang / zusammen sein und Kinder haben sollen, / nun ist es schrecklich – für die Eltern!« V, 65) und ihre Seele fühle sie erst jetzt frei, wo »der Käfig / zerschlagen wird« (ebd.).
Vater, Der (Bachtjar)
Sobeides Vater, ein Juwelier namens Bachtjar. Der Abschied von der Tochter, die er nach der Hochzeit im Haus des Ehemanns zurücklassen muss, fällt ihm übermäßig schwer: »Ich geb' Dir, was ich nicht benennen kann, / denn jeder Name fasst nur einen Theil – / sie aber war mir Alles!« (V, 13)
Mutter, Die
Sobeides Mutter. Auf den übermäßigen Schmerz ihres Mannes um den Verlust der Tochter, dem Sobeide mit dem Einwand begegnet, ihm stehe nach ihrer Hochzeit ja noch die Mutter zur Seite, reagiert sie gelassen: »O lass ihn doch: / er hat ganz recht, dass er mich übersieht; / Ich bin ein Theil von seinem Selbst geworden« (V, 13).
Schalnassar
Ein Teppichhändler, Vater von Ganem. Er ist von Alter, Taubheit und Krankheit gezeichnet und führt ein verschwenderisches Leben. Der kaltherzige und gebieterische Mann behandelt sein Gesinde schlecht, ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und vor allem am Besitz schöner Frauen interessiert: »Ich bin alt / und weiss, wie viel ich Macht hab' über Euch.« (V, 41) Erstmals tritt Schalnassar im zweiten Bild im Gespräch mit dem Schuldner auf, den er herablassend und entwürdigend behandelt. Er will ihm einen weiteren Kredit gewähren, wenn er seine schöne Frau zu ihm schickt. Als sein Sclave berichtet, eine schöne Frau habe um Einlass gefleht, vermutet er zunächst die Frau des Schuldners und schickt Gülistane, die er im Begriff ist mit teuren Geschenken zu verführen, kurzerhand fort (vgl. V, 41). Als sich aber herausstellt, dass es sich bei der schönen Frau nicht um die Frau des Schuldners, sondern um Sobeide handelt, die Ganem zu sehen wünscht, verliert er das Interesse und widmet sich wieder Gülistane.
Ganem
Sohn des Schalnassar. Er begehrt Gülistane und unterwirft sich ihr willenlos. Das Werben seines Vaters um die Angebetete erträgt er nicht. Er will sie vor dem Vater schützen und ersinnt einen Mordplan. Als Sobeide auftaucht, begegnet er ihren Liebesschwüren kalt und überlegen. Dass er tatsächlich einmal verliebt in sie war, ist nur aus Gülistanes Mund zu erfahren (vgl. V, 53). Für Ganem ist Sobeide nicht mehr als ein reizvolles Liebesspielzeug: »Vortrefflich! wie Du Dich verstellen kannst, / wo's die Gelegenheit erheischt! bei Gott, / es steht Dir prächtig! und es soll uns nützen! / Jetzt wird's am freien Spielraum nicht mehr fehlen, uns furchtlos unsrer Lust zu überlassen – / Wann soll ich zu Dir kommen?« (V, 49 f.) Als er dann seinen Vater mit Gülistane schäkern sieht, wird er rasend vor Eifersucht, schlägt mit einer Peitsche um sich und beschimpft seinen Vater. Die am Boden zerstörte Sobeide lässt er fortschaffen, »mitleidig spöttisch« (V, 54) kommentiert er ihre missliche Lage: »Ihr seid doch allzu gläubig. Doch daran / ist Eure Art mehr schuld als unsre Kunst. / Nein, steh' nur auf, ich will Dich nicht mehr ärgern.« (ebd.)
Gülistane
Witwe eines Schiffshauptmanns, der vier Jahre zuvor starb. Sie lebt seit drei Jahren im Haus des Teppichhändlers und weiß ihre Reize selbstbewusst und berechnend einzusetzen. Dass sowohl der alte Schalnassar als auch sein Sohn Ganem ihr nachstellen, gefällt ihr. Sie lässt sich von Schalnassar mit großzügigen Geschenken umwerben, erhebt im Gespräch mit Sobeide aber auch Besitzansprüche auf den Sohn. Sie lässt Ganem zunächst in dem Glauben, dass er sie besitzen könne, wenn er nur seinen Vater aus dem Weg schaffe. Als sie aber merkt, dass Sobeide um Ganem wirbt, straft sie ihren Geliebten mit Geringschätzung und weist ihn brüsk ab: »Geh doch selber zu Bett, jähzorniger Ganem, / und lass beisammen, was beisamm' sein will! / Schilt Deinen Vater nicht! Ein alter Mann / weiss richtiger zu schätzen, und ist treuer / als eitle Jugend. Hast Du nicht Gesellschaft? / Des Bachtjar Tochter steht doch da im Dunkeln: / Ich hab' oft sagen hören, sie wär' schön. Auch weiss ich wohl, Du warst verliebt in sie. / Nun gute Nacht.« (V, 53)
Sclave, Ein armenischer
Ist seinem Herrn, dem Teppichhändler Schalnassar, ergeben und berichtet ihm von der Ankunft der völlig verstörten Sobeide.
Kameltreiber, Ein alter (Der Alte)
Ist in Schalnassars Diensten und begleitet Sobeide nach ihrem schreckensvollen Aufenthalt in Schalnassars Haus zurück zum Haus des reichen Kaufmanns. Als sie ihm als Dank ihre Perlenohrringe gibt, bittet er sie, ihm Geld zu geben und berichtet, dass er beim Teppichhändler Hunger leide. Die sterbende Sobeide bittet ihren Mann, den alten Kameltreiber in sein Haus aufzunehmen (vgl. V, 64).
Gärtner, Der
Arbeitet mit seiner viel jüngeren Frau im Garten, als er am Morgen nach der Hochzeit verwundert feststellt, dass sein Herr alleine spazieren geht. Vom Kaufmann zu seiner Frau befragt, erzählt er ihm, dass sie einst mit einem Eseltreiber davon gelaufen, dann jedoch zu ihm zurückgekehrt war.
Frau, Die
Ehefrau des Gärtners. Sie hat sich für das gemeinsame Leben mit ihrem Mann entschieden, nachdem sie einst mit einem Eseltreiber davongelaufen war. Sie entdeckt am Morgen nach der Hochzeit die völlig verwirrte Sobeide an der verschlossenen Gartentür und weist ihr nichtsahnend zunächst den Weg zum Teich, dann zum Gartenturm. Wenig später sieht sie entsetzt, wie Sobeide sich vom Turm stürzt.
Diener (Bahram)
Diener des reichen Kaufmanns. Als sein Herr sich über die melancholische Stimmung während des Hochzeitsfests wundert, erklärt er ihm, dass sich die Menschen an Wendepunkten des Lebens mit sich selbst konfrontiert sehen: »Aus einem Spiegel sehen wir unser eig'nes / vergessenes Gesicht entgegenkommen / und sind dem Weinen näher als dem Lachen.« (V, 10)
Schuldner, Der
Bittet Schalnassar zu Beginn des zweiten Bildes unterwürfig um einen weiteren Kredit. Schalnassar lehnt zunächst ab, aber nachdem der Schuldner ihm die Schönheit seiner Frau geschildert hat, verlangt er, dass er sie zu ihm bringt, damit er sich einen Begriff von ihrer Schönheit machen könne. Der Schuldner willigt ein: »Lebt wohl, doch lasst / wenn Euer Wunsch gewährt ist, die Erfüllung / des meinen, Schalnassar, nicht lange anstehn!« (V,32).