Gesell, Guter
Jedermanns guter Gesell sieht seinen Freund aufgrund seines Reichtums grundsätzlich im Recht und im Vorteil: »Hast Fortunati Säckel in der Hand, / Dann ist die Sach schon recht bewandt. / Ja, bei dir gilts: gewünscht ist schon getan, / Du hasts danach, drum steht dirs an.« (IX, 38) Er genießt das Leben an der Seite seines mächtigen und vermögenden Freundes, fungiert als dessen kapitalistisches Gewissen, ist immer »zur Stell« (IX, 62) und kommentiert das Geschehen aus rationaler Sicht. Er hat weder Mitleid mit dem armen Nachbarn noch mit dem Schuldknecht, für dessen Lage er nur sarkastische Worte findet (vgl. IX, 44).
Als er am Schluss der Bankettszene versteht, dass Jedermann sterben wird, zeigt er sich betrübt und verspricht leichtfertig, dass er ihn »geradewegs hinab zur Höll« begleiten würde (IX, 67). An Jedermanns wahrem Anliegen gehen seine Freundschaftsbekundungen aber vorbei. Während Jedermann darauf aus ist, ihn mit in den Tod zu nehmen, verspricht er ihm, sich vertrauensvoll um sein Erbe zu kümmern, das, wie er vermutet, auf die Buhlschaft übergehen soll (IX, 67 f.). Als Jedermann seine Bitte deutlicher formuliert und ihn an seine Beteuerung erinnert, ihn sogar auf dem Weg in die Hölle begleiten zu wollen, verweigert er ihm sein Geleit und zieht das dahergesagte Versprechen zurück: »Richtig, so war meine Red, Hand aufs Herz! / Aber die Wahrheit zu vermelden / Ist jetzo nicht Zeit für dergleichen Scherz, / Ist fast bereits ernsthaft die Sachlag. « (IX, 69) Jedermanns Versuche, ihn doch noch zu überzeugen, prallen an ihm ab. Schließlich reißt er sich von ihm los und rennt mit der Erkenntnis davon, dass »Scheiden« »recht weh« tut (IX, 71).