Marwood (Lady Solmes)
Frühere Geliebte des Mellefont. Um Saras willen hat Mellefont das »länger als zehn Jahr« (IV, 8; LM II, 333) bestehende Verhältnis gelöst und die gemeinsame Tochter Arabella der Obhut ihrer Mutter entzogen (II,1; LM II, 282). Marwood, die mit der Flatterhaftigkeit ihres Liebhabers ausgiebige Erfahrungen hat (IV, 8; LM II, 333), nimmt auch dieses Mal den Kampf auf: Sie setzt den Vater ihrer Konkurrentin, Sir William, über den Aufenthaltsort seiner Tochter in Kenntnis (II, 4; LM II, 291) in der – wie sich später zeigt, irrigen – Annahme, er werde Sara von Mellefont trennen. Sie holt sich ihre Tochter zurück und reist mit ihr und ihrer Bedienten Hannah dem flüchtigen Liebespaar nach, um Mellefont nach allen Regeln der Kunst unter Druck zu setzen.
Obwohl reizbar und leidenschaftlich, setzt sie ihre Affekte zunächst mit kühler Berechnung ein, um ihr Ziel zu erreichen (II, 1-6). Als das alles nicht verfängt und Mellefont sie zudem aufs Übelste demütigt, gerät sie in »Raserey«, kündigt ihm an, Arabella qualvoll töten zu wollen (»Sieh in mir eine neue Medea!« II, 7; LM II, 295), geht mit einem Dolch auf den Geliebten los und möchte schließlich sich selber töten (II, 7). Damit verliert sie kostbares Terrain und greift zu einer letzten List: Sie erklärt sich zum Schein mit der Trennung einverstanden unter der Bedingung, dass sie ihre Rivalin »wenigstens einmal sehen« darf (II, 7; LM II, 297). Mellefont gibt ihrem Wunsch statt und führt sie als seine Verwandte Lady Solmes bei Sara ein.
Nachdem es ihr gelungen ist, Mellefont von dieser Begegnung fortzulocken (IV, 7; V, 2; V, 3) und allein mit Sara zu sprechen, wird deutlich, was sie mit diesem Zusammentreffen bezweckt: Sie will Sara über Mellefonts treulosen Charakter aufklären, um sie zur Aufgabe der Verbindung zu bewegen. Sie erzählt ihr, immer in der Maske der Lady Solmes, ihre eigene Geschichte, die in der Tat geeignet ist, Mellefonts Charakterschwächen zu enthüllen, denn es zeigt sich, dass er Marwood seit mehr als zehn Jahren mit derselben Erbschaftsgeschichte hingehalten hat, mit der er auch Sara die Heirat verweigert (IV, 8; LM II, 331 f.; vgl. I, 7; LM II, 277). Außerdem lässt sie Sara wissen, dass Mellefont mit Marwood eine Tochter hat, richtig vermutend, dass Mellefont ihr das verschwiegen hat (ebd.; LM II, 332 f.).
Es gelingt ihr, die Rivalin zutiefst zu verunsichern, sie muss aber feststellen, dass Sara Mellefont gleichwohl nicht aufgeben will, vielmehr von ihr einen Rat erbittet, wie sie den flatterhaften Liebhaber in den Ehehafen bringen kann (IV, 8; LM II, 333). Marwood verliert für einen Moment die Kontrolle über ihre Gefühle und fordert Sara unwirsch auf, »ihre Ansprüche auf einen Mann aufzugeben, auf den Marwood die ersten und stärksten hat« (ebd.; LM II, 334).
Damit erreicht sie das genaue Gegenteil: Sara stellt sich ganz auf Mellefonts Seite, lässt jedes Mitgefühl für die betrogene Rivalin vermissen und erkennt auch die ›Ähnlichkeit‹ zwischen ihrer und Marwoods Geschichte nicht, die sie in der Nacht zuvor in ihrem Traum gesehen hatte (vgl. I, 7; LM II, 275). Vielmehr verbittet sie sich hochmütig, mit Marwood »in einen Rang« gesetzt zu werden. Dies und die selbstgefällige Feststellung, die Verzeihung des Vaters (die sie tatsächlich Marwood zu verdanken hat) sei ein Zeichen, dass ihr »der Himmel selbst« verziehen habe, bringt die Marwood zur Weißglut (ebd.; LM II, 334-337). Sie gibt sich Sara zu erkennen.
Wenig später vertauscht sie das Gift, das sie ursprünglich für sich selbst vorgesehen hatte (IV, 9; LM II, 337), mit dem »Kordialpulver«, das Betty für die ohnmächtige Sara bereitgelegt hat. Sie flieht, ihre Tochter Arabella als Geisel nehmend, nach Dover und hinterlässt Mellefont ein Schreiben, in dem sie ihre Tat bekennt: »Rache und Wut haben mich zu einer Mörderinn gemacht«(V, 10; LM II, 349).
Der sprechende Name der Figur (engl. »to mar« und »would«: ›Die gern schaden würde‹) wurde schon von William Congreve in seinem Stück »The Way of the World« (1700) verwendet. – Zu den Namen in »Miss Sara Sampson« vgl. den Hinweis bei Sir William Sampson.