Seydlitz, Gräfin (Mrs. Albert Seydlitz)
Alte Dame, lebt am Riverside Drive in New York; Bekannte von Marie und Gesine Cresspahl.
75 »Mrs. Albert Seydlitz« bezeichnet Gesine Cresspahl als naiv, weil sie die Berichterstattung der New York Times für halbwegs unabhängig hält. Sie meint, »daß Gesine in ihrem Mißtrauen gegen bürgerliche Traditionen versehentlich auch bloß mißbrauchte, im Grunde menschennötige schwarz malt. Wir müssen unser Leben nicht nur mit Brot ernähren; auch mit Beweisen, Kind.«
628 Marie Cresspahl verdankt ihren geschätzten Kinderarzt Dr. Brewster einer Empfehlung der Gräfin Seydlitz.
873-878 Rückblick auf den Beginn der Bekanntschaft mit Mrs. Albert Seydlitz im Riverside Park im Jahr 1962. »Sie war einmal eine Deutsche, sie kennt sich befremdlich aus in Schwerin-Vorwerk, und sie könnte wohl da zur Welt gekommen sein, nicht aber am Schweriner Jungfernstieg. Eisgraue Augen hat sie, schmale Lippen, wie ein Mann. Von einem Grafen Seydlitz ist nichts bekannt. Manche nennen sie eine geborene Emma Borsfeld, andere sagen ihr als Mädchennamen Erna Bloemsdorf nach.« – Nachdem sie sich »mehrmals streng Belehrendes ohne Gegenwehr angehört« hatte, bekam Gesine Cresspahl »die Einladung zu jedem dritten Sonnabend im Monat (außer im Sommer, den verbringt sie in Cannes)«.
Am 16. März 1968 ist Gesine zum vierten Mal Gast im Penthouse der Gräfin am Riverside Drive. Die Gastgeberin macht Anselm Kristlein mit Norman Podhoretz bekannt. – »Die Getränke besorgt ein dunkelhäutiger Herr, den die meisten mit Joseph anreden, er heißt aber nicht so. Das Gerücht will von ihm, er sei Boxer gewesen, Liebhaber der Gräfin Seydlitz, Zugführer bei den Marineinfanteristen, Barmann.« – Zu den Gästen gehört auch Dr. Weiszand, der Mrs. Cresspahl sein Erstaunen darüber ausdrückt, »ihr in diesem Abbild einer verrottenden Gesellschaft zu begegnen«. Gesine verlässt die Gesellschaft frühzeitig.
Vgl. auch 53. 648. 1449. 1663. 1739.
Die Figur ist ein verstecktes Porträt von Hannah Arendt, die seit 1967 bis zu ihrem Tod 1975 am Riverside Drive wohnte; zu den Hintergründen der Namengebung vgl. Jahrestage-Kommentar zu 53, 14. – Auf dem Umweg über ein Zeitungszitat erscheint sie einmal auch mit ihrem eigenen Namen (467).