Westphal, Julie (Jule)
Organistin in Jerichow, Lehrerin für Mathematik am Gustav Adolf-Lyzeum in Gneez, später für Musik an der Fritz Reuter-Oberschule in Gneez.
316 Spielt beim Gottesdienst am 19. März 1933, Gesines Tauftag, in der Jerichower Petrikirche. Unter »den verschlafenen Orgelklängen« am Ende des Gottesdienstes blieben einige Besucher zur anschließenden Taufe sitzen.
386 Der Schülerin Cresspahl attestiert sie eine Stimme wie »ein Glas mit einem winzigen Sprung«.
762 Bei Lisbeths Cresspahls Beerdigung im November 1938 sagt sie voraus, dass Pastor Brüshaver nicht den Mut haben wird, am Grab der Selbstmörderin den Segen zu sprechen: »Den Segen traut er sich nich. Den traut er sich nich.« Sie bekommt zur Antwort: »Wer sich hier nichs traut, bist du, Julie.«
934-935 Eine Ohrfeige, die sie Gesine gibt, weil sie das Rechenheft vergessen hat, kränkt Gesine »heute noch, und, und ich will sie Julie Westphal nicht vergeben. Sie hat nicht verstanden, es mir zu erklären: warum keine Hefte vergessen werden dürfen. Ich hatte bloß Angst vor ihr, nicht Achtung.« – Wird »nicht durch Verdienst, sondern wegen des Lehrermangels« von Jerichow nach Gneez versetzt.
1251 Unter sowjetischer Besatzung tritt sie gar nicht erst als Lehrerin an. Ist ab Juli 1945 zweite Vorsitzende des »Kulturbunds« in Gneez. »Da gab sie musikalische Abende mit Sprüchen aus dem siebzehnten Jahrhundert, sie soll von innen heraus zerflossen sein am Flügel, den Hals hoch wie ein schluckendes Huhn, und Karten für Schwerarbeiter bezog sie als Künstlerin.«
1629 Lässt sich dann 1949 doch noch ausbilden »für den Beruf eines Neuen Lehrers«.
1631 Bei der Schulfeier zu Stalins 70. Geburtstag am 21. Dezember 1949 übernimmt sie die Choreographie der Rezitationen und dirigiert einen Mädchenchor aus Schülerinnen der 9. und 10. Klasse mit einem sentimentalen Lied. »Julie Westphal, von starrer Innigkeit beengt in den Augenhöhlen, die Stirn mit steinernen Fransen verhängt, bebenden Busens in männlich geschnittenem Jackett, die Olsch auf der schlimmen Seite der Fünfzig hatte in Güstrow sich verjüngen lassen in künstlerischer Leitung«.
1815 Gesine Cresspahl bekommt von ihr eine Zwei in Musik, unter anderem weil ihr von Gabriel Manfras zugetragen worden ist, dass Gesine eine ihrer »Lehrmeinungen« als »dumm Tüch« [dummes Zeug] bezeichnet hat. Diese »Lehrmeinung« besagt, dass das Lied »Der Mond ist aufgegangen« aus dem Repertoire der »demokratischen Musikpflege« verschwinden müsse, weil die »Bitte, auch unser kranker Nachbar möge ruhig schlafen dürfen [...] die ideologische Wachsamkeit des klassenbewußten Menschen unterhöhle, indem der Nachbar durchaus ein getarnter Volksfeind sein könne, den ruhig schlafen zu lassen ein Vergehen wäre«.
Vgl. auch 1659.