Seraphim (Saraph)
Die Seraphim gehören mit den Cherubim zu den höchsten Engeln, sie tun in nächster Umgebung des Thrones ihren Dienst (IV, 465), erheben ihre Stimmen zu ›dröhnendem‹ Lobgesang (IV, 90) und tragen zum Zeichen ihres hohen Ranges sechs Flügelpaare (IV, 47).
In Josephs Himmelstraum bewachen sie mit ihren ›Schlangenschwertern‹ die Himmelsfeste (IV, 463) und drängen sich um den Gottesthron, wobei sie mit zwei Flügeln ihre Füße und mit zwei weiteren ihr Gesicht bedecken (vgl. Jesaja 6,2), »aber sie lugten etwas hindurch durch das Gefieder«, wie auch Joseph selbst durch die Finger (IV, 465).
Schon vor der Ankunft am Himmelsthron sieht Joseph in seinem Traum zwei Seraphim, Aza und Azaël, die ihren Widerwillen gegen den »vom Weibe Geborenen« kaum verhehlen (IV, 463). Sie gehören der heimlichen, seit Semaels Sturz zwar verschüchterten, aber zäh sich haltenden Opposition im himmlischen Staatswesen an, die sich von Anfang an gegen die Erschaffung des Menschen ausgesprochen hatte und Gottes besondere Schwäche für das Menschengeschlecht eifersüchtig beäugt (vgl. V, 46-48; V, 1279-1290).
Als Gott den Menschensohn dann traumweise zum Metatron erhöht, treten Aza und Azaël denn auch vor und erlauben sich Nachfragen, was ihnen Gottes heiligen Zorn einbringt, so dass »ein Rauschen und Tosen durch die Heere« geht, die Cherubim mit ihren Flügeln schlagen »und alles Himmelsgesinde rief, daß es schallte: ›Gelobt sei die Herrlichkeit des Herrn an ihrem Ort!‹« (IV, 466). Benjamin, der atemlose Zuhörer von Josephs Traumerzählung, findet die Erhöhung seines Bruders völlig »angemessen« und hat »einen Ärger auf Aza und Azaël, die da dazwischenredeten« (IV, 469).
Dass Joseph seinem Vater wie ein »Engel aus der Nähe des Sitzes« (also mindestens wie ein Seraph) vorkommt, versteht sich (IV, 107).
TM folgt hier Gorion (I, 93), bei dem die Seraphim nicht, wie Jesaja berichtet, sechs Flügel, sondern sogar sechs Flügelpaare haben. Auch die (aus dem apokryphen Henoch-Buch stammende) Episode mit Aza und Azaël dürfte TM aus Gorion I (296 f.) bezogen haben (vgl. auch den hier verfügbaren Auszug). Im hebräischen Henoch-Buch sind Aza und Azaël ähnlich wie Semael gefallene Engel, ehemals hochrangige Himmelsfürsten, die zu Agenten des Bösen wurden (vgl. im hebräischen Henoch-Buch die Kap. 4, 6-10 und Kap. 5, 9).
Aza, der sich auch als »Blitzengel« bezeichnet (IV, 464), wird einmal »Aza, der Saraph« genannt (IV, 466), möglicherweise eine Anspielung auf die (unsichere) Etymologie des Wortes ›Seraph/Seraf‹, das vielleicht aus dem hebr. Verb ›srp‹ (brennen, verbrennen) abgeleitet ist (vgl. Jeremias II, 379), was dann auf einen Zusammenhang mit den feurigen Schlangen (Sarafen) hinweisen könnte, mit denen Gott das Volk Israel in der Wüste straft (Numeri 21,6).
Jeremias I (593) macht zwischen Seraphim und Cherubim keinen Unterschied, hält beide für eine allgemeine Bezeichnung himmlischer Genien.