Füßli, Else
Else, auch genannt Elsi, ist Franz Jebes schlanke und blonde Ehefrau. Die beiden lernen sich bei den Lenthes kennen, bei denen Franz schon länger verkehrt. Eines Abends ist eine Franz »unbekannte junge Dame im aschfarbenen Linnenkleid zugegen« (III, 592), »eine Schweizerin […] aus der Familie, der auch Heinrich Füßli angehörte, dem zuerst die Darstellung des Unheimlichen in der deutschen Kunst gelang« (III, 592). Sie ist »Waise« (III, 593). Ihr Vater hat sich »nach den Sonderkriegen auf eidgenössischer Seite« hervorgetan (III, 593). Franz und Else verlieben sich direkt ineinander und heiraten bald. Die Liebesehe ist zunächst glücklich. Ein Haus mit Garten wird gekauft. Eine Fehlgeburt am Ende des ersten Ehejahres scheint das Ehepaar gut zu verkraften. Mitunter ist Franz wegen einer Eigenart Elses leicht irritiert: »Immer wieder tauchte von Zeit zu Zeit von dem nur ihr so Eigenen auf; aber es war stets anmutig, und wenn ich eben aus der nüchternen Welt zurückkam, so war mir oft, als stamme es aus anderen Existenzen.« (III, 601; Näheres dazu weiter unten) Gleichwohl erfreut sich Franz, wie sich insbesondere an einem Ballabend zeigt, an Elses schlichtem, aber doch apartem Auftreten, bei dem sie zugleich gesellschaftliche Gepflogenheiten hinter sich lässt (vgl. 602-603).
Zerstört wird das Eheglück schließlich, als Else an Gebärmutterkrebs erkrankt. Das ist für sie besonders schlimm, weil sie noch »nie von Schmerz gelitten« hat und »mit einer Todesangst vor aller Körperqual behaftet« ist (III, 597). Auch der frühere Versuch, dieser Angst durch Krankenbesuche zu begegnen, glückte nicht gänzlich. Die Krankheit schreitet schnell fort. In einer kurzen Erholungsphase versucht Else Franz zu überreden, dass er ihr Sterbehilfe leistet. Nach einigem Zögern tötet Franz schließlich seine Frau.
Die letzten Sekunden vor Elses Tod beschreibt Franz so: Es »mag ja eine Täuschung gewesen sein, mir aber war es, als säh ich in das Antlitz meines Nachtgesichts, wie es einstmals verschwindend von mir Abschied nahm; jenes und meines Weibes Züge waren mir in diesem Augenblick eins«. (III, 614) Dieses ›Nachtgesicht‹ (vgl. auch III, 589 und III, 593) ist die »Gestalt eines dreizehnjährigen Mädchens« (III, 588), die Franz in seiner Jugend im Traum erscheint, wie Else bei ihrer ersten Begegnung ein »aschfarbenes Gewand« (III, 588) trägt und gleichfalls »fahlblondes Haar« (III, 588) hat. Franz ist es als Jüngling »unmöglich, jenes Nachtgesicht nur für ein Erzeugnis des eigenen Innern anzusehen« (III, 589). Die Erscheinung des Mädchens wird im Traum zudem mit dem Tod verknüpft. Das Mädchen und die Gruppe Jungen, die es umringt, stehen »in einem Dunst«, der »aus dem Hügel eines Frischbegrabenen« (III, 587) aufsteigen könnte. Damit nimmt der Traum in Form einer Vision den Verlauf des kommenden Lebens vorweg.
Die Möglichkeit, dass es eine rational nicht zu erklärende, tiefere Verbindung zwischen ihnen gibt, wird auch von Else angesprochen. Franz beobachtet einmal, wie sie in einem »halbvisionären Zustand« dasteht (III, 606). Auf Franz’ Frage, was los sei, antwortet sie: »Du Franz, wir müssen uns früher schon gesehen haben! […] Ich mein es ernsthaft, du sollst keinen Scherz daraus machen! Nein, weit, viel weiter zurück – aber ich kann mich nicht entsinnen; es war vielleicht im Traum nur; ich muß noch ein halbes Kind gewesen sein.« (III, 606) Franz ist zu diesem Zeitpunkt nicht willens, diese tiefe Verbindung als wahr zu akzeptieren, und sucht nach einer anderen Erklärung, die er in einer möglichen Schwangerschaft (fälschlicherweise) zu finden meint. Insgesamt bleibt somit offen, ob es diese tiefe innere Verbindung nun wirklich gibt oder ob es »eine Täuschung gewesen« (III, 614) ist.
Allerdings könnte ein Wesenszug Elses dafür sprechen, den Franz an ihr immer wieder hervorhebt. Sie erscheint ihm »unergründlich« (III, 595) und er fragt sich, ob sie eine »Undine«, »Fee« oder »Elbe« (III, 595), ein übersinnliches Wesen ist. Anlass dafür ist etwa seine Beobachtung, dass Else Tiere magisch anzuziehen scheint. In einer als »Märchenbild« (III, 595) beschriebenen Szene lässt sich ein Schmetterling in Elses Haar nieder und eine Katze begleitet sie, was, wie Franz extra hervorhebt, mehrmals geschieht.