Kirch, Heinz
Hans Adams Sohn und Projektionsfläche für dessen Zukunftswünsche. Darunter hat Heinz Zeit seines Lebens zu leiden. Der erste tatsächliche Bruch im Vater-Sohn-Verhältnis ereignet sich, als Heinz sechs Jahre alt ist. Auf einer Schiffsfahrt kommt es fast dazu, dass Hans seinen Sohn schlägt, weil dieser sich unwissend selbst in Gefahr bringt.
Heinz wächst zu einem klugen Jungen heran. Deswegen schickt ihn sein Vater auch in den Unterricht des Pastors. Zugleich ist Heinz ein Rabauke. Er wirft die Fensterscheiben des Pastors ein, stiehlt Äpfel, prügelt sich und ätzt sich einen Anker in den Arm. Manche seiner vermeintlichen Untaten stehen allerdings in engem Zusammenhang zu Wieb. Seine Beziehung zu diesem Kind aus schlechtem Hause wird beider Leben nachhaltig bestimmen. In jener Zeit erlernt Heinz das Handwerk seines Vaters zu dessen Zufriedenheit. Er wird zu solch einem schmucken Schiffersjungen, dass »selbst die Pastorstöchter durch den Zaun lugten, wenn sie ihn nebenan im elterlichen Garten mit seiner Schwester spielen hörten« (III, 69). Bevor er zu seiner ersten großen Fahrt in See sticht, trifft er sich abends ein letztes Mal mit Wieb.
Der Leser erfährt wenig davon, was nach Heinz’ Abreise mit ihm geschieht. Der Kontakt zwischen Vater und Sohn beschränkt sich auf nur sehr wenige Briefe, die über Jahre hinweg gewechselt werden und immer zu beiderseitigem Zorn führen. Wie sich später herausstellt, ist Heinz in jener Zeit bis Rio und »San Jago« gefahren (III, 103). Er scheint dort an Pocken erkrankt zu sein. Einige weitere Details seiner Fahrt werden in Gesprächen deutlich: So hat Heinz offenbar auch auf Piratenschiffen angeheuert und mitunter auch auf Schiffen, die Sklaven transportieren. Eine Narbe, die sich über Stirn und Auge zieht, zeugt davon, dass es dabei gefährlich zuging.
Als Heinz nach siebzehn Jahren dann doch zurückkehrt, ist er seiner Heimat völlig entfremdet. Sein Erfahrungshorizont und sein Verhalten stehen zudem der Normativität seines Vaters völlig entgegen. Während der sich eigentlich erhofft, dass Heinz wieder ins Geschäft einsteigt, sieht Heinz keinerlei Veranlassung dazu. Vielmehr wünscht er sich aufs Meer zurück – gerade weil er auch Wieb auf immer verloren hat. Den Erbteil, mit dem ihn sein Vater abzuspeisen versucht, rührt er kaum an, bevor er seine Familie erneut und diesmal endgültig verlässt.
Über den weiteren Verbleib von Heinz erfährt der Leser nur mittelbar. Sein Vater hat einen Alptraum, der ihm das Gefühl gibt, Heinz sei in dieser stürmischen Nacht gestorben. Über den Wahrheitsgehalt dieses Traums wird heftig diskutiert. Allerdings, ob Heinz tatsächlich tot ist oder ob der Traum für etwas anderes steht, bleibt offen. Der letzte Satz der Novelle ist: Wo »aber ist Heinz Kirch geblieben«? (III, 130)