Marthe

Marthe, »beschränkten bürgerlichen Verhältnissen« entstammend, lebt als »alternde, unverheiratete« Jungfer vereinsamt in ihrem Elternhaus (I, 281). Ihre Eltern und zwei Brüder sind tot, ihre Schwestern sind bis auf die jüngste, Hanne, fortgezogen. Mit dem Erlös aus der Vermietung des ehemaligen »Familienzimmers« und »mit Hülfe einer kleinen Rente« (I, 281) fristet sie ein spärliches Leben, was ihr dank ihrer strengen und sparsamen Erziehung nicht schwerfällt. Nur fehlt ihr ein Mensch, »für den sie hätte arbeiten und sorgen können«, um dem »Gefühl der Zwecklosigkeit ihres Lebens« zu begegnen, das sie hin und wieder bedrückt (I, 282). Dieser »löbliche Trieb« kommt ihren Mietern zugute (I, 282).

Sie verbringt ihre einsamen Stunden, indem sie nachdenkt und Bücher »geschichtlichen und poetischen Inhalts« (darunter Mörikes »Maler Nolten«) liest (I, 281). Dadurch erlangt sie eine für Frauen ihres Standes »ungewöhnlich hohe Bildungsstufe« und ästhetische Urteilskraft (I, 281).

Ihrer Einsamkeit begegnet sie durch ihre »regsame und gestaltende Phantasie«, die das Mobiliar in ihrer Kammer mit »Leben und Bewußtsein« ausstattet und zu Partnern stummer Gespräche macht (I, 282). Ihre »beredteste Gesellschaft« ist eine vom Vater ererbte alte Stutzuhr, die mit ihrem »tick! tack!«, mit rasselnden Geräuschen und Stundenschlägen ihre Gedanken und Entschlüsse kommentiert, manchmal auch steuert (I, 283). An einem Weihnachtsabend evoziert sie die Erinnerung an Kindertage und an den Tod der Mutter (I, 284-287).