Posthuma (1851)
Er
Ein junger Mann aus gutem Hause mit »schönen, vornehmen Händen« (I, 331). Ein Jahr nachdem »Sie«, die andere Figur der Novelle, gestorben ist, geht er nachts zu ihrem Grab. Dort erinnert er sich der gemeinsamen Geschichte: »Er lebte in einer Stunde, die nicht mehr war, umfangen von zwei Mädchenarmen« (I, 330). Ein Jahr, zwei Monate und acht Tage zuvor stehen er und sie nachts im Garten und küssen sich. »Er liebte sie nicht, er begehrte sie nur und nahm achtlos das ängstliche Feuer von ihren Lippen« (I, 331). Als die beiden von Vorübergehenden gestört werden, tritt er ein Stück zurück, um nicht mit ihr gesehen zu werden. Anschließend setzt er sich auf eine Bank und zieht sie auf seinen Schoß. Zwar ist sie in »seiner Gewalt«, aber »er schonte ihrer, nicht weil es ihn ihrer erbarmte oder weil er es als Sünde empfunden hätte, sie ohne Liebe sein zu nennen« (I, 332). Eine fremde Macht scheint ihn vielmehr zurückzuhalten; der Erzähler weiß, es ist »der Tod« (I, 332), den das kranke Mädchen schon in sich trägt. Eine Frau bloß als ›Objekt der Begierde‹ zu betrachten, zahlt sich für den jungen Mann nicht aus: Denn »seit ihrem Tod ist seine Begierde [nicht nur] erloschen« (I, 332), sie hat sich sogar in Liebe verwandelt. Freilich zu spät, denn er sieht sich »gezwungen, eine Tote zu lieben« (I, 332).
Sie
Mädchen aus dem Armenviertel, das einen jungen Mann, die andere Figur der Novelle, liebt. Sie ist »jung und schön« (I, 330-331) und wird nicht nur von ihm begehrt. Sie ist sich durchaus bewusst, dass der junge Mann in ihr nur das Objekt seiner Begierde sieht, sie belügt und mit seiner Eroberung prahlt: »Sie glaubte nicht, daß er sie für die Schönste halte, sie glaubte auch nicht, daß er [von ihrem Stelldichein] schweigen werde« (I, 331). Ganz deutlich wird das, als die Küssenden von Passanten gestört werden: Er tritt zurück, um nicht erkannt zu werden; ihr ist es »einerlei« (I, 331). Anschließend stellt sie ohne Vorwurf fest: »Du schämst dich!« (I, 331). Obgleich sie in jener Nacht bestimmt mit ihm geschlafen hätte, denn »sie wollte nichts mehr für sich allein« (I, 332), kommt es nicht dazu. Der junge Mann wird nicht von Gewissensbissen, sondern von einem unbestimmten Gefühl zurückgehalten. Acht Tage nach dieser Nacht ist sie bettlägerig, zwei Monate später tot.