Tonio Kröger (1903)

Hansen, Hans

Sohn eines Holzhändlers, blond, mit stahlblauen Augen, den Tonio Kröger mit 14 Jahren liebt. Als über Dreißigjähriger beobachtet Tonio in einem dänischen Badeort ein junges dänisches Paar, das die Erinnerung an Hans Hansen (und Ingeborg Holm, die er liebte, als er sechzehn war) wachruft.

Holm, Ingeborg

Die blonde, wohlgestalte Tochter von Dr. Holm, die Tonio Kröger mit 16 Jahren von fern liebt. Sie hat so wenig Sinn für seine Sensibilität wie vorher sein Freund Hans Hansen. Als über Dreißigjähriger beobachtet Tonio in einem dänischen Badeort ein junges dänisches Paar, das die Erinnerung an Ingeborg Holm und Hans Hansen wachruft.

Iwanowna, Lisaweta

Malerin mit Atelier in der Münchner Schellingstraße, etwa 30, mit einem »brünetten, slavisch geformten, unendlich sympathischen Gesicht« (267), der Tonio Kröger in einem langen Monolog seine Auffassung über das Verhältnis von Kunst und Leben darlegt. Am Ende sagt sie ihm, er sei ein »verirrter Bürger« (281). Mit einem langen Brief an Lisaweta, in dem Tonio Kröger ihr seine neugewonnene Identität als Künstler auseinandersetzt, endet die Erzählung.

Eine Figur gleichen Namens gibt es in Puschkins »Pique-Dame« (1834) und in Dostojewskis »Schuld und Sühne« (1866).

Jimmerthal, Erwin

Mitschüler von Tonio Kröger, der dessen Gespräch mit Hans Hansen über »Don Carlos« unterbricht (251 ff.).

Im »Doktor Faustus« heißt ein kluger Musikkritiker aus Lübeck so.

Knaak, François

Ballettmeister und Anstandslehrer aus Hamburg, von bewundernswerter Gewandtheit; er kennt nur das Äußere und ist wohl ziemlich dumm (256 ff.). Als Tonio Kröger bei der Quadrille unter die Damen gerät, verspottet er ihn als »Fräulein Kröger« (259).

In »Wie Jappe und Do Escobar sich prügelten« (1911) taucht die Figur erneut auf, braun, schön und mit fetten Hüften (491), wenig männlich; er gibt den Unparteiischen beim Faustkampf von Jappe und Do Escobar ab. – Uwe Johnson hat ihn (bzw. einen Nachfahren von ihm) im vierten Teil von »Jahrestage« (1970-1983) als Tanzlehrer Franz Knaak wiederauferstehen lassen (Jahrestage, S. 1462; Eintrag vom 30.6.1968).

Kröger, Tonio

Sein Vater ist Getreidehändler und Konsul, die Mutter stammt aus Südamerika. Tonio, ein zarter, brünetter Knabe, der dichtet und Geige spielt, empfindet sich als fremd unter den derberen, blonden Schulkameraden. Aber er liebt mit 14 einen solchen, Hans Hansen, und mit 16 eine blonde, ahnungslose Ingeborg Holm. »Damals lebte sein Herz«, heißt es im Rückblick (254, 261).

Nach dem Tod des Vaters geht er auf Reisen in den Süden und lebt ein Bohème-Leben. Er ist ein erfolgreicher Dichter geworden; er sieht hinter die Worte, erkennt Komik und Elend (264). Später, mit etwa 30 Jahren, lebt er in München. Immer noch leidet er unter der Unzugehörigkeit zum normalen Leben, spricht von »Erkenntnisekel« (276) und sehnt sich nach den »Wonnen der Gewöhnlichkeit« (278, 317 – so auch in »Die Hungernden«). Menschlichkeit und Kunst widersprächen sich, klagt er in einem langen Monolog-Gespräch mit der Malerin Lisaweta Iwanowna. Sie nennt ihn einen »verirrten Bürger« (281). Im September geht er wieder auf Reisen, diesmal in den heimatlichen Norden. Seiner Vaterstadt (dem ungenannten Lübeck) und dem Elternhaus macht er einen traumhaft-angeregten Besuch und wird dabei von der Polizei mit einem gesuchten Hochstapler verwechselt. Er reagiert gelassen, denn was ist er sonst? (293).

Zu Schiff reist er abends weiter nach Kopenhagen und fühlt sich glücklich auf dem Meer – »sein Herz lebte« (300). Nach einem touristischen Aufenthalt in der Hauptstadt lässt er sich für einige Zeit in einem kleinen Badeort am Sund nahe Helsingör nieder. Dort genießt er Meer, Ruhe und Vergessen.

Doch eines Tages kommt eine Gesellschaft von Ausflüglern ins Hotel, die dort das Wochenende verbringen. Tonio Kröger gerät in freudige Erregung, denn unter ihnen glaubt er in einem jungen dänischen Liebes- oder Geschwisterpaar seine Jugendlieben Hans Hansen und Ingeborg Holm zu erkennen. Abends wird getanzt. Tonio Kröger beobachtet ungesehen die Ebenbilder seiner Jugendlieben und wird plötzlich von Heimweh erfasst nach dem unkomplizierten Glück (311). In einem Brief an Lisaweta verteidigt er seine Liebe zum Leben, die allein ihn zum Dichter mache (318).

Petersen, Herr

Polizist in Tonio Krögers Vaterstadt, mit »ehrlichem Soldatengesicht«, der Tonio Kröger beinahe festnimmt (292).

Reisender

Auf dem Schiff, das ihn von seiner Vaterstadt nach Dänemark bringt, unterhält sich Tonio Kröger mit einem jungen Kaufmann aus Hamburg: er ist rotblond und schlicht gekleidet »mit einem feuchtkalten Aussehen, als habe er soeben gebadet«. Mit einer Stimme, die »aus dem Innern einer Tonne zu kommen schien«, macht er »tief erlebte Bemerkungen« wie: »Sehen Sie, Herr, doch bloß die Sderne an« und »Ja, wir sind Gewürm!« Leider wird er später seekrank, nachdem er »erstaunliche Mengen von Hummer-Omelette zu sich genommen« hat (295f.).

Abbildung aus Hoffmeister/Gernhardt (92) – © Robert Gernhardt.

Seehase, Herr

Besitzer eines Hotels in Tonio Krögers Heimatstadt, »klein, fett und krummbeinig« (292).

Vermehren, Magdalena

Tochter eines Rechtsanwalts, mit großen dunklen Augen, die in der Tanzstunde öfter hinfällt (258). Sie fühlt sich zu Tonio Kröger hingezogen, der aber in Ingeborg Holm verliebt ist. Jahre später beobachtet der über dreißigjährige Tonio Kröger in einem dänischen Badeort ein Mädchen mit »dunklen, schwimmenden Augen«, das beim Tanzen hinfällt (312, 315) – eine Wiederkehr der Gestalt Magdalena Vermehrens, ähnlich wie das junge dänische Paar, das die Erinnerung an Ingeborg Holm und Hans Hansen wachruft.