Kilmarnock, Lord Nectan
Gast im Pariser Hotel, den Felix Krull bedient. Er »war ein Mann von sichtlicher Vornehmheit, um die Fünfzig, mäßig hoch gewachsen, schlank, äußerst akkurat gekleidet«, mit grauem Haar und Schnurrbart, einem »bis zur Anmut feinen Schnitt des Mundes« und, im Kontrast dazu, einer überstarken, fast klobigen Nase, außerdem »etwas schräg gesträubten Brauen« und grün-grauen Augen: ein Selbstporträt des Autors (III, 2., 480 – vgl. Dieckmann).
Sein Benehmen ist befangen, fast gehemmt. Er ist allein, genießt die Bedienung durch Felix und dessen besorgte Ratschläge, er möge doch mehr essen. Seine Unlust dazu erklärt er mit »einer gewissen Selbstverneinung« (III, 2., 482). Am Ende seiner zweiten Woche spricht er von seiner Einsamkeit und seinem Wunsch, Felix als Kammerdiener mit auf seine schottischen Besitztümer zu nehmen. Felix tut der melancholische Lord leid (obwohl das Behagen bei Kaffee und Zigarre doch auch nicht zu verachten sei – III, 2, 485), aber er kommt nicht in Versuchung, auch nicht, als Kilmarnock ihm eine Adoption in Aussicht stellt. Zum Abschied hält Felix dem Betrübten eine nahezu väterliche Rede, in der er darlegt, dass es ihm doch nicht um die Person, sondern um das Genre des Jünglings gehe, und in Schottland gebe es doch so reizende! Er bekommt den Smaragdring des Lords zum Geschenk (III, 2., 491).
Abbildung aus Hoffmeister/Gernhardt (293) – © Robert Gernhardt.