Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (1954)
Andromache
nennt sich die »Tochter der Lüfte« in dem Pariser Zirkus, den Felix besucht – er betet sie an (III, 1., 458f.).
Armand
Name Felix Krulls während seiner Zeit als Liftboy und Kellner des Hotels »St. James and Albany« in Paris (s. Krull, Felix).
Carlos I., König von Portugal
Der König gewährt dem »Marquis de Venosta« eine Audienz zusammen mit dem luxemburgischen Gesandten Herrn von Hüon. Er ist Anfang dreißig, dicklich, hat schon gelichtetes Haar und trotz schwarzer Brauen einen ergrauenden Schnurrbart (III, 9., 602 ff.). Ihm gegenüber entfaltet der Hochstapler seine Redekunst zum Ruhm Lissabons, preist die Ständegesellschaft und verdammt die Umstürzler wie ein alter Royalist. Am Ende unterhält er den König mit seinen schon bewährten grotesken Hundegeschichten. Dafür bekommt Venosta/Krull den portugiesischen Orden vom Roten Löwen 2. Klasse.
1911 wurde in Portugal die Monarchie abgeschafft.
Chateau
Geistlicher Rat, klein, dick, elegant und genussfreudig, der ein katholisches Begräbnis für Engelbert Krull ermöglicht (II, 2, S. 327f.)
Düsing, Dr.
Den Hausarzt der Familie sieht Felix Krull als professionellen Hohlkopf, der sich den Wohlsituierten anbiedert und Felix' Krankspielen nicht durchschaut oder nicht durchschauen will.
Eustache
Liftboy im Pariser Hotel.
Genovefa
Mit sechzehn hat Felix Krull ein Verhältnis mit dem Zimmermädchen Genovefa, einer »großen, wohlgenährten Blondine« Anfang Dreißig (I, 8., 315).
Hector
Kellner im Pariser Hotel »St. James and Albany« (III, 2., 479).
Houpflé, Diane
Felix Krull hat bei der Zollkontrolle in Paris seiner eleganten Nachbarin Schmuck gestohlen, ohne dass sie es bemerkt hat. An seinem zweiten Arbeitstag als Liftboy im Hotel trifft er die etwa vierzigjährige Dame mit den goldbraunen Augen wieder: Madame Houpflé heißt sie.
Er hilft ihr aus der Nerzjacke, worauf sie spricht: »Du entkleidest mich, kühner Knecht?« (II, 9., 438). Ein heftiger Kuss besiegelt die Verabredung für die Nacht. Sie erweist sich auch dann als »sehr ausdrucksvoll«, denn sie begleitet das Geschehen mit vielen Worten. (Ihr Gatte, ein elsässischer Fabrikant ist nur reich).
Schließlich gesteht er ihr den Diebstahl, was sie nun vollends begeistert; auf ihren Wunsch nimmt er weitere Juwelen und Geld, um seine Hermes-Rolle ganz zu erfüllen. Von ihr lernt er, wer Hermes war, denn sie schreibt Romane unter dem Namen Diane Philibert.
Hüon, Herr und Frau Irmingard von
Luxemburgischer Gesandter in Lissabon. Felix Krull alias Louis de Venosta wird zum Herrenabend eingeladen (III, 9., 610) und hat in Hüons Begleitung eine Audienz beim König (III, 9., 630 ff.). Frau Irmingard von Hüon schreibt Louis de Venostas Mutter über die gesellschaftlichen Erfolge ihres »Sohnes« (III, 9., 634).
Hurtado, Miguel
Er arbeitet für Professor Kuckuck und hat es vom Tierausstopfer zum Dermoplastiker gebracht (III, 7., 571 ff.). Außerdem fungiert er als Begleiter der Damen Kuckuck: bebrillt, mit scharfem Profil und etwas ungepflegten langen Haaren. Er nimmt an allen Besichtigungen und Ausflügen, die Felix Krull/Venosta angeboten werden, mit vielen Erklärungen teil. Hurtado werde ihre Tochter heiraten, erklärt die Mutter Kuckuck (III, 11., 661).
Jean-Pierre, Pierre
Ein Hehler in Paris, der Felix Krull den gestohlenen Schmuck, der 18.000 wert ist, für 4500 Franken abkauft (427 ff.).
Joan-Ferdinand
Ein rumänischer Prinz. Krull/Venosta gelingt es, das »müde Milchgesicht« mit albernen Anekdoten zum Lachen zu bringen (III, 9., 599).
Kilmarnock, Lord Nectan
Gast im Pariser Hotel, den Felix Krull bedient. Er »war ein Mann von sichtlicher Vornehmheit, um die Fünfzig, mäßig hoch gewachsen, schlank, äußerst akkurat gekleidet«, mit grauem Haar und Schnurrbart, einem »bis zur Anmut feinen Schnitt des Mundes« und, im Kontrast dazu, einer überstarken, fast klobigen Nase, außerdem »etwas schräg gesträubten Brauen« und grün-grauen Augen: ein Selbstporträt des Autors (III, 2., 480 – vgl. Dieckmann).
Sein Benehmen ist befangen, fast gehemmt. Er ist allein, genießt die Bedienung durch Felix und dessen besorgte Ratschläge, er möge doch mehr essen. Seine Unlust dazu erklärt er mit »einer gewissen Selbstverneinung« (III, 2., 482). Am Ende seiner zweiten Woche spricht er von seiner Einsamkeit und seinem Wunsch, Felix als Kammerdiener mit auf seine schottischen Besitztümer zu nehmen. Felix tut der melancholische Lord leid (obwohl das Behagen bei Kaffee und Zigarre doch auch nicht zu verachten sei – III, 2, 485), aber er kommt nicht in Versuchung, auch nicht, als Kilmarnock ihm eine Adoption in Aussicht stellt. Zum Abschied hält Felix dem Betrübten eine nahezu väterliche Rede, in der er darlegt, dass es ihm doch nicht um die Person, sondern um das Genre des Jünglings gehe, und in Schottland gebe es doch so reizende! Er bekommt den Smaragdring des Lords zum Geschenk (III, 2., 491).
Abbildung aus Hoffmeister/Gernhardt (293) – © Robert Gernhardt.
Krull, Engelbert und Frau
Eltern von Felix Krull. Der rheinische Schaumwein-Fabrikant Engelbert Krull ist enorm fett, aber graziös, mit weißem Spitzbart; er liebt den materiellen Lebensgenuss und hält gerne große »Schmäuse« mit Gästen in seiner Villa. Sein Sekt ist eine abscheuliche Mixtur, erscheint aber in besonders vornehmer Verpackung. Essen, Trinken und andere fleischliche Genüsse stehen im Mittelpunkt des Lebens der Familie; die Gastereien dauern nächtelang und werden mitunter von Feuerwerk gekrönt (I,3.).
Der Erzähler Felix Krull spricht konstant von seinem »armen Vater«, denn eines Tages erweist sich die Üppigkeit als Schein, die Firma macht Bankrott, aller Besitz wird versteigert. Dies erträgt das »sanfte Herz« Engelbert Krulls nicht, er erschießt sich (I, 9., 321).
Felix' Mutter wird von ihm als unscheinbar, geistlos und dumm beschrieben (I, 3., 276). Im Hause Krull herrscht eine Atmosphäre von »gutmütiger Fleischeslust« (I, 1., 3.). Als Witwe zieht Felix' Mutter nach Frankfurt und betreibt eine kleine Pension (II, 4.).
Krull, Felix
»Indem ich die Feder ergreife«... beginnt der Ich-Erzähler, der zugleich der Held seiner »Geständnisse« ist. Er schreibe »in völliger Muße und Zurückgezogenheit«, sei sehr müde und nun 40 Jahre alt (I, 1., 265). Über seinen Aufenthaltsort lässt er die Leser im Unklaren – eine psychiatrische Anstalt? Bald ist von seinem »trügerischen Leben« die Rede (266), bald auch von Zuchthaus-Jahren. Dennoch stellt er sich als begabten, heiteren, lebenszugewandten Menschen vor, der »aus feinbürgerlichem, wenn auch liederlichem Hause« im Rheingau stamme (265). Felix ist 1874 im Rheingau geboren, im Mai, als Sonntagskind. (»Der Rheingau hat mich hervorgebracht. Thomas Mann«, lautete eine Sektwerbung in den 80er Jahren).
Felix der Glückliche! Dem Programm dieses Namens ist er entschlossen zu folgen, begünstigt durch eine ungewöhnlich angenehme Erscheinung, liebenswürdig für beide Geschlechter, mit blauen Augen, blondem Haar und goldbrauner Haut. Er führt seine Besonderheit auf Natur zurück, auf den »edleren Stoff«, aus dem er gemacht sei (I, 2., 273). Schon früh entwickelt der Knabe eine starke Abneigung gegen die Normalität, vor allem die Schule. Er frönt seinem Hang zum schöneren, süßeren Leben, z.B. durch das Auftreten als Wunderkind von 8 Jahren mit präparierter Geige (281 f.) und das Stehlen von »Malzbonbons zum Privatgebrauch« aus einem Laden (I, 7., 309 f.). Sein liederliches Elternhaus nimmt er hin, während er sich der »feindseligen« Schule durch perfektes Krankspielen oft zu entziehen weiß (I, 6., 298 ff.).
Schauspielerische Fähigkeiten übt der Halbwüchsige auch als Modell bei seinem Paten, dem Maler Felix Schimmelpreester, der ihn in dekorative Verkleidungen steckt, da er einen schönen Wuchs und einen »Kostümkopf« habe (I, 4., 284). Ein bedeutendes Ereignis ist für den Vierzehnjährigen die Begegnung mit dem Schauspieler Müller-Rosé bei einer Operetten-Aufführung in Wiesbaden (I, 5.) Nach dem bezaubernden Bühnenauftritt sieht er einen ekelhaft-hässlichen Menschen; gerade dies überzeugt Felix aber von der Macht des Künstlichen, des Scheins.
Mit etwa 16 genießt er ein Verhältnis mit dem Zimmermädchen Genovefa. Bei dieser Gelegenheit spricht der Ich-Erzähler über seine »Begabung zur Liebeslust«, die ans Wunderbare grenze (I, 8., 312).
Nach dem Tod des Vaters verlässt Felix die Oberrealschule ohne Abschluss. Ihm ist längst klar, dass bürgerliche Examina und Berechtigungen für sein zukünftiges Leben keine Bedeutung haben werden (I, 9., 319 f.). Dass er »amtlich zum Denken nicht befugt« ist, weiß er – er verfügt über natürliche Gaben (I, 7., 309). Mit 18 Jahren zieht Felix mit der Mutter nach Frankfurt und hilft ihr beim Betreiben einer kleinen Pension. In der großen Stadt fördert er seine persönliche Bildung, indem er abends die Schaufenster studiert und so jede Art von feiner Ausstattung gründlich und gedächtnisstark in sich aufnimmt, während er selbst noch in ärmlicher Kleidung friert (II, 4.).
Bevor er als Kellner nach Paris gehen kann, wie es sein Pate für ihn eingefädelt hat, muss Felix die Musterung für den Militärdienst bestehen, auf die er sich mit Verstand – durch medizinische Lektüre – und schauspielerische Einübung gründlich vorbereitet hat (II, 5.). »Auf Dampfes Schwingen« fährt er im nächsten Mai nach Wiesbaden zur Rekrutierungskommission (II, 5., 352 ff.). Er behauptet, völlig tauglich zu sein, erwähnt dann ungern »Migräne« (»Verzagtheit des Körpers«!) und Absenzen während der Schulzeit und muss zugeben, dass sein Vater viel trank und sich umbrachte. Die Kommission nimmt Anstoß an seiner gehobenen Redeweise – die sich hier zur doppelten Selbstparodie steigert. Am Ende kulminiert seine Darbietung in der perfekten Imitation eines epileptischen Anfalls. Wieder hat die Kunst über die Natur gesiegt.
In der Großstadt widersteht er erotischen Lockungen so lange, bis das »Freudenmädchen« Rozsa aus Ungarn ihm ihre private Gunst anbietet (II, 6., 379 ff.). Sie bildet in den nächsten Monaten Felix' Naturbegabung zur Liebe aus – er sei durch sie »benervt« worden, schreibt er. Wenn er gelegentlich als Beobachter und Beschützer ihrer professionellen Tätigkeit fungiert, lehnt er das gängige Etikett dafür als unzutreffend ab: es gibt für ihn nur die persönliche Tat, die keinem objektiven Maßstab unterliegt.
Im Herbst reist der nun Zwanzigjährige nach Paris, um eine Stelle im Hotel »St. James and Albany« anzutreten: zum letzten Mal dritter Klasse in der Eisenbahn, »als Fahrtgenosse der Unerquicklichkeit« (II, 7., 386). Den Zollbeamten an der Grenze gewinnt er durch seine französische Rhetorik – wobei er fast absichtslos ein Schmuckkästchen aus dem Nachbarkoffer in den seinen gleiten lässt. Das vornehme Hotel empfängt ihn unwirsch, doch muss man Pate Schimmelpreesters Abmachung mit Hoteldirektor Stürzli zur Kenntnis nehmen.
Felix tritt als unbezahlter Liftboy »Armand« in den Dienst des Hotels (II, 8., 416 f.). Im Personal-Schlafraum wird er bei der Besichtigung der Juwelen, die er sich angeeignet hat, von Stanko beobachtet. Der Kollege schickt ihn zu einem Hehler, Monsieur Jean-Pierre, von dem er 4500 Franken, etwa ein Viertel des eigentlichen Wertes, erhandelt.
Am zweiten Tag trifft er bei der Bedienung des Paternosters die Dame wieder, der der gestohlene Schmuck gehört, Madame Houpflé (II, 9.). Das macht ihn nicht verlegen, er genießt vielmehr das »zarte Geheimnis« zwischen ihnen (II, 9., 435f.) – ein heftiger Kuss besiegelt ihre Verabredung für die Nacht. Felix ist natürlich dem geforderten Liebesdienst vollkommen gewachsen; schließlich gesteht er ihr den Diebstahl, und sie ist begeistert; auf ihren Wunsch nimmt er weitere Juwelen und Geld, um seine Hermes-Rolle zu erfüllen. Für die mit Erlaubnis entwendeten Juwelen und Geldscheine bekommt er 12.350 Franken, ein kleines Vermögen (III, 1.).
Nachdem Felix/Armand die Gäste ein halbes Jahr lang als Liftboy bedient hat, eröffnet ihm der Maitre d'hotel, Monsieur Machatschek, er könne sich nun als Teller-Abkratzer in der Küche versuchen. Bald aber darf er die Tische abräumen und avanciert dann zum Kellner. Kaum hat er damit begonnen, fallen schon die ersten Opfer seiner Bezauberungskunst (III, 2., 474 ff.). So geschieht es Miss Twentyman, der 17-18jährigen Tochter eines reichen Paares aus Birmingham. Das »Zicklein« ist so maßlos in Felix verliebt, dass er sich ihrer kaum erwehren kann.
Zugleich erliegt ihm Lord Kilmarnock (III, 2., 480 ff.). Nach einer Woche spricht er von seiner Einsamkeit und seinem Wunsch, Felix als Kammerdiener mit auf seine schottischen Besitztümer zu nehmen. Felix tut der melancholische Lord leid, aber er kommt nicht in Versuchung, auch nicht, als Kilmarnock ihm eine Adoption in Aussicht stellt. Er bekommt den Smaragdring des Lords zum Geschenk – und trägt ihn »jetzt« (III, 2., 491).
Im Hotel speist öfter der junge Marquis de Venosta, auch mit seiner Pariser Freundin Zaza, einer Soubrette (III, 3.). Felix trifft ihn eines Abends außerhalb seiner Kellner-Rolle in einem vornehmen Hotel (III, 4.). Venosta klagt Krull sein Leid: seine Eltern wollen ihn von Zaza trennen und ihn auf eine einjährige Weltreise schicken – sonst wird er enterbt. Krull sei ein Weltmann, wie seine abendliche Verwandlung beweise. Sie vereinbaren, dass Krull anstelle von Venosta reist und dessen Identität annimmt. Nun wird seinem Sein der passende Schein hinzugefügt. »Mitfühlender Leser! Ich war sehr glücklich. Ich war mir kostbar und liebte mich« (III, 5., 523). Felix eignet sich die Informationen über Venostas Familie gründlich an, sie tauschen Geld und Kreditbriefe. Er verlässt das Hotel noch vor Monatsende, macht die notwendigen Einkäufe und fährt dann erster Klasse nach Lissabon, von wo am 15. August sein Schiff nach Argentinien abgehen soll.
Zur Einübung bekommt er bald Gelegenheit, denn im Speisewagen teilt er den Tisch mit Professor Kuckuck, dessen Hobby Stammbäume sind: er kennt alle Namen der weitverzweigten Venosta-Familie (III, 5., 534). Durch den Paläontologen lernt Felix aber noch ganz andere Stammbäume kennen, er wird belehrt über die Vor- und Frühgeschichte der Erde und des Menschen: Welten eröffnen sich ihm durch des Professors Rede, der er mit »Neubegierde« und einem sich steigernden Gefühl »bedeutsamer Weitläufigkeit« lauscht.
Als Marquis de Venosta genießt er in Lissabons bestem Hotel einen exquisiten Empfang. Zufällig sitzt er dann in einem Café neben Frau und Tochter von Professors Kuckuck (III, 6., 558 ff.). Am nächsten Vormittag besichtigt er dessen Museum. Er ist ergriffen, denn alle frühen Werke der Natur sind Vorversuche, um zu ihm, dem Menschen, zu gelangen (III, 7.). Nach gemeinsam mit der Familie verbrachtem Mittag und Nachmittag wird er aufgefordert, wiederzukommen (III, 8.).
In einem langen Brief an die »Eltern« vom 25. August 1895 schildert er einen Herrenabend beim luxemburgischen Gesandten von Hüon, an dem es ihm gelang, die ganze Gesellschaft mit albernen Anekdoten von den Hunden »seiner Mutter« zum Lachen zu bringen (III, 9.). Das verschafft ihm eine Einladung zur Audienz bei König Carlos I., so dass er nun guten Grund hat, seine Abreise um 6-7 Wochen zu verschieben. Er entdeckt seine »freudig royalistische Gesinnung« und unterhält den König so gut, dass er am Ende einen Orden bekommt.
In den folgenden Wochen fährt er öfter die beiden Damen Kuckuck und deren Begleiter Hurtado aus (III, 10.). Dabei kann er fortfahren, der kratzbürstigen Zouzou die Liebe zu erklären, die sie für ein »Bubenlaster« hält. Beredt setzt er poetische Beschreibungen der Liebe gegen ihre drastischen. Er erlebt vor seiner Abreise noch einen Stierkampf als feierlich-leidenschaftliches Volksfest (III, 11., 659 ff.). Dabei interessiert ihn die Hingabe der würdevollen Maria Pia Kuckuck mehr als Zouzou, und so kommt es, dass sein letzter Besuch bei Familie Kuckuck mit Tränen Zouzous und der Liebesumarmung mit der Mutter endet.
Was danach aus Venosta/Krull wird, erfahren wir nicht mehr – sein nächstes Reiseziel war Buenos Aires. Es gibt Andeutungen im Text über luxuriöse Lebensumstände, Einbrüche und mehrere Verhaftungen.
Krull, Olympia
Felix Krulls Schwester – der Pate nennt sie »Lympchen« (III, 1.). Sie ist älter als Felix, »ein dickes und außerordentlich fleischlich gesinntes Geschöpf, das später nicht ohne Erfolg die Operettenbühne beschritt« (I, 3., 276). Sie verlobt sich mit einem kränklichen Secondelieutenant Übel, verlässt aber den Heimatort nach dem Tod des Vaters und bewirbt sich auf Rat Schimmelpreesters bei einer Theateragentur in Wiesbaden.
Kuckuck, Antonio José
Professor Kuckuck, »ein älterer Herr, zierlich von Figur, etwas altmodisch gekleidet«, mit grauem Bärtchen und Sternenaugen.
Er ist 57 Jahre alt und stammt aus Deutschland (III, 5., 529). Kuckuck ist Paläontologe und Direktor eines naturhistorischen Museums in Lissabon. Während des Essens im Zug informiert er Venosta/Krull über die Seelilie, den Tapir als Vorläufer des Pferdes im Eozän und die Entstehung des Lebens. »Das Leben ist eine Episode, und zwar, im Maßstabe der Äonen, eine sehr flüchtige.« Felix: »Das nimmt mich ein für dasselbe« (III, 5., 538). Zum Schluss weist er auf das Besondere des Menschen hin, es sei das Wissen von Anfang und Ende, seine Sache die »Allsympathie«, auch mit der unbelebten Natur (III, 5., 547f.).
Bei den Beziehungen des »Marquis« zu seiner Familie, die sich dann entwickeln, bleibt der Professor im Hintergrund und schaut allem aus »Siriusferne« zu (III, 10., 630).
Kuckuck, Zouzou (Zuzanna)
Die etwa 18jährige Tochter der Kuckucks sieht hübsch aus, ist mit zwei Haarzipfeln neben den Ohren geschmückt und benimmt sich natürlich und jungenhaft. »Schweigen ist nicht gesund«, behauptet sie auf die Ermahnung der Mutter (III, 6., 566) und fordert Felix alias Louis unentwegt mit backfischhaften Frechheiten heraus. Ihre »Stachlichkeit« reizt Felix durchaus. Heimlich zeichnet er sie, was sie empört.
Bei den Familienausflügen bietet er seine ganze Beredsamkeit auf, um Zouzou vom Wunder der körperlichen Liebe, die sie für eklig hält, zu überzeugen (III, 10., 640).
An seinem letzten Tag, nach dem Stierkampf, zeigt er ihr seine Aktzeichnungen mit ihrem Kopf und dem Körper der Pariser Zaza. Dann aber weint sie an seiner Brust, er küsst sie, und ihre Mutter übernimmt (III, 11.).
Kuckuck-la Cruz, Maria Pia
Gattin von Professor Kuckuck. Schon bei der ersten Begegnung erwacht Venostas alias Krulls Doppelinteresse für Frau und Tochter des Professors (III, 6.). Beide gehören zum südlichen Typus, die Mutter wirkt majestätisch und streng. Nach dem Museumsbesuch ist er zum Mittagessen bei der Familie eingeladen. Maria Pia präsentiert sich dabei in einem »Kleid aus sehr feinem weißem Moiré mit schön tailliertem, an Überfällen reichem Rock, engen, aber faltigen Ärmeln und einer schwarzen Sammetschärpe hoch unter dem Busen« (III, 8., 582). Felix bewundert ihre stolze Würde und »rassige Hoheit«.
Als er dann endlich die Tochter Zouzou küssen darf, tritt die hoheitsvolle Mutter erzürnt hinzu, von deren Erregung beim Stierkampf Felix/Louis am Tag zuvor gebannt war. Darum erschrickt er auch nicht zu sehr, sondern folgt ihr ins Haus, und wieder empfiehlt sie ihm den Umgang mit reiferen Personen – er müsse nicht ungetröstet von dannen ziehen. »›Maria!‹ rief ich. Und: ›Holé! Heho! Ahé!‹ rief sie mit mächtigem Jubel« – wie beim Stierkampf. »Ein Wirbelsturm urtümlicher Kräfte trug mich ins Reich der Wonne« (III, 11., 661).
Machatschek, Monsieur
Maître d'hotel in Paris. »M. Machatschek war ein Mann von großer Stellung, der mit viel Autorität und in täglich frischer Stärkwäsche sein Bauchgewölbe im Speisesaal herumtrug« (III, 2., 467). Er bestimmt über Felix Krulls Karriere vom Liftboy zum Kellner. »Es ist übrigens nicht üblich, im Gespräch mit mir zu lächeln, bevor ich es selbst tue« (468). Als Machatschek Felix empfiehlt, von Oberkellner Hector zu lernen, sagt Felix keck: »Tausend Dank, Maître, aber ich kann es schon und besser als er. Ich kann es nämlich, verzeihen Sie, von Natur.« »Blageur!« sagt darauf Machatschek und ruckt »kurz auflachend den Bauch«, wie er öfter tut (III, 2., 472). Später weigert er sich, Krulls Kündigung anzunehmen, und Felix geht ohne Erlaubnis (III, 4.).
Maurocordato, Fürst und Fürstin
Griechisches Diplomatenpaar, bei dem Venosta/Krull zweimal zu Diners eingeladen ist. Die »göttlich edlen Gesichtszüge« der Fürstin kontrastieren mit ihrem herausfordernden Benehmen einer Soubrette (III, 10., 629).
Mecum, Dr.
Hausarzt bei Krulls und Geburtshelfer bei Felix' Geburt (I, 2., 269f.).
Meyer-Novaro
Familie in Argentinien, die Venosta/Krull besuchen soll (III, 8., 587).
Müller-Rosé
Ein bedeutendes Ereignis ist für den vierzehnjährigen Felix Krull die Begegnung mit dem Schauspieler Müller-Rosé nach einer Operetten-Aufführung in Wiesbaden (I, 5.) Hinter der entzückenden Anmut seiner Bühnenpräsenz steckt ein schmieriger, von Pickeln bedeckter Mensch; doch gerade dies überzeugt Felix als Demonstration des Willens zu gefallen und Beweis für den Zauber des Künstlichen.
Oberstabsarzt
Arzt, der in der Musterungskommission Felix Krull begutachtet. Eine ziemlich grotesk wirkende Amtsperson, mager, mit zu großem Uniformrock, spärlichem Vollbart und verbogenem Zwicker (II, 5., 358).
Rozsa
Das »Freudenmädchen« Rosza aus Ungarn widmet Krull ihre private Gunst, ihr Zuhälter ist gerade im Gefängnis (II, 6., 379 ff.). Die »kühne« junge Frau mit schrägen Augen und fremder Sprache bildet in einigen Monaten Felix' Naturbegabung zur Liebe aus und wird seine leidenschaftlich-ernste Lehrmeisterin – sie habe ihn »benervt«. Gelegentlich betätigt er sich auch als Beobachter und Beschützer ihrer professionellen Tätigkeit.
Schimmelpreester, Felix
Pate von Felix Krull. Ein »nicht alltäglicher Mann«, untersetzt, früh ergraut, ohne Bart und Augenbrauen, mit scharfer Nase und gekniffenen Lippen (I, 4., 282 ff.). In Köln war er Festordner im Karneval, musste die Stadt dann verlassen - warum, bleibt dunkel – und betätigt sich nun als Maler, vor allem von kostümierten Figuren aus Mythologie und Geschichte. Felix steht ihm öfter Modell.
Trotz seiner etwas zweideutigen Erscheinung erweist er sich als treuer Freund der Familie Krull, vor allem als sie wegen Bankrotts die Heimat am Rhein verlassen muss. Er hilft den drei Hinterbliebenen, sich eine neue Existenz zu schaffen, und steht ihnen auch mit kleinen Geldbeträgen bei. Als die Krulls nach Frankfurt ziehen, erwähnt der Ich-Erzähler, dass er seinen Paten nur noch einmal gesehen habe – das kommt jedoch im »Ersten Teil« nicht vor.
Abbildung aus Hoffmeister/Gernhardt (283) – © Robert Gernhardt.
Stanko
Hotelarbeiter aus Kroatien, der im Personal-Schlafraum Krull beobachtet, als er die gestohlenen Juwelen betrachtet. Stanko erweist sich als erfahren und zuverlässig und schickt ihn am folgenden Tag zu einem Hehler, Monsieur Jean-Pierre, von dem Krull 4500 Franken, etwa ein Viertel des eigentlichen Wertes, erhandelt (II, 8., 422ff.). Da er Stanko ein Drittel des erhofften Erlöses von 9000 versprochen hat, gibt Felix ihm aus Stolz 3000, doch der Kollege durchschaut ihn und gibt 1000 zurück.
Stürzli, Direktor
Der Hoteldirektor in Paris nimmt Krull wegen einer alten Bekanntschaft mit dessen Paten Schimmelpreester zum Erstaunen von Concierge und Empfangschef in den Dienst. Er wird »das Rhinozeros« genannt, denn er ist »ein Mann von ungewöhnlicher Körperfülle, mit grauem Spitzbärtchen, der [sic] an seinem wulstigen Doppelkinn kein rechtes Unterkommen fand«, mit massig gewölbtem Rücken und speckig gedrungenem Nacken, dazu einer hornartig erhabenen Warze auf der Nase (II, 8., 410f.). Im Gespräch irritiert Felix den Direktor auf verschiedene Weise: die Frage nach Fremdsprachen-Kenntnissen beantwortet er mit Wort-Kaskaden in Englisch, Französisch und Italienisch, vor allem aber ist auch dieser mächtige Mann so von dem hermaphroditischen Jüngling bezaubert, dass er auf die »Beklemmung seiner Instinkte« durch Grimassen reagiert (411).
Twentyman, Eleanor
Ein Opfer von Felix Krulls Charme und Schönheit wird Miss Twentyman, die 17-18jährige Tochter eines reichen Paares aus Birmingham, Gäste des Pariser Hotels. Der Vater ist gutmütig und schwerhörig, die Mutter freudlos und ständig mit der Kontrolle der Tochter beschäftigt. Das »Zicklein« möchte sich Felix an den Hals werfen, was er vorläufig zu verhindern weiß (III, 2., 475). Am Ende tut sie es wirklich und will mit ihm fliehen; seine Abwehr quittiert sie mit vielen Tränen (486).
Übel, Leutnant
Olympia, die »fleischlich gesinnte« (I, 3., 276) Schwester von Felix Krull, verlobt sich mit dem kränklichen Seconde-Leutnant Übel. Er nimmt am Begräbnis ihres Vaters teil.
Venosta, Louis Marquis de
Im Pariser Hotel, in dem Felix/Armand als Kellner bedient, speist öfter der junge Marquis de Venosta aus Luxemburg, auch mit seiner Freundin Zaza, einer Soubrette (III, 3.). Er hat rote Kinderbacken und lustige verschmitzte Äuglein und will Maler werden. An einem Juliabend trifft er auf der Dachterrasse eines vornehmen Hotels Krull in Kavaliersgarderobe (III, 4., 500 ff.). Venosta, genannt Loulou, klagt ihm kindlich sein Leid: seine reichen Eltern, Schlossbesitzer und mit der Stahlindustrie verbunden, wollen ihn von Zaza »loseisen« und ihn auf eine einjährige Weltreise schicken - sonst werde er enterbt (507). Er sei zwar adlig, aber gar kein Weltmann, sondern eingehüllt in Dummheit, d.h. Unerfahrenheit. Krull dagegen sei ein Gentleman, wie seine abendliche Verwandlung beweise. Bildung brauche man als Adliger kaum – »Sind Sie stark in der Mythologie?« Krull: er habe von Hermes gehört. Venosta: das genüge vollkommen (514). Sie vereinbaren, dass Krull anstelle von Venosta reist und dessen Identität annimmt. Felix eignet sich die Informationen über Venostas Familie an und reist bald an Louis' Stelle nach Lissabon.
Venosta, Victoria Marquise de
Mutter des Louis Marquis de Venosta, an dessen Stelle und mit dessen Identität Felix eine Weltreise unternimmt. Mit ihren Hunde-Erlebnissen, von denen er durch ihren Sohn unterrichtet wurde, erheitert er mehrere Gesellschaften in Lissabon und berichtet ihr am 25. August 1895 in einem sehr langen Brief darüber (III, 9., 595 ff.). Sie antwortet am 3. September von Schloss Monrefuge in Luxemburg (III, 9., 622), entzückt von der Aufnahme ihres vermeintlichen Sohnes in Lissabon, die ihr auch von Frau von Hüon bestätigt wurde (III, 9., 623). Dass Louis mit seinen Apfelbacken und Schlitzäuglein allgemein als »schön« angesehen wird, wundert sie aber doch etwas (III, 9., 624).
Zaza
Pariser Freundin von Louis de Venosta, die öfter mit ihm im Hotel diniert, wo Felix/Armand sie zuvorkommend bedient (III, 3.). Sie ist eine reizende Soubrette, mit der Felix gern flirtet; besonders liebt sie es, »Madame« tituliert zu werden (III, 3., 495). Um sie nicht zu verlieren, lässt der Marquis Felix an seiner Stelle reisen.