Peeperkorn, Pieter
Mynheer Peeperkorn erscheint im letzten, siebten Kapitel des »Zauberberg« in Begleitung von Madame Chauchat. Er ist laut Dr. Behrens »Kaffeekönig im Ruhestand«, Kolonialholländer, schwer reich, mit Tropenfieber (VII, 829f ). Castorp sieht ihn als sehr großen, breiten Mann von etwa 60 Jahren, mit mächtiger, »idolhaft« in Falten gelegter Stirn (VII, 846), wehenden weißen Haaren, fahlen kleinen Augen und weißem Kinnbart. Sein majestätisches Auftreten zieht alle in seinen Bann, vor allem durch die großartigen Gebärden, mit denen er seine Reden einleitet, denen aber meistens nur abgebrochene Sätze folgen, z.B. »Wir werden fühlen, dass wir – Absolut, junger Mann!« (Das Modell Gerhart Hauptmann verzieh TM wohl oder übel. Kommentar S.119).
Peeperkorn nimmt große Mengen Wein und Genever zu sich. Zu einem ausgedehnten Mahl, das zum »Bacchanal« wird, lädt er an dem Abend, an dem er Castorp kennenlernt, ausgewählte Gäste ein. Die bedienende Zwergin Emerentia, auch sie in Peeperkorns Bann, muss enorme Mengen von Speisen und Alkoholika aus der Küche herbeischaffen, dazwischen spielt man Karten. Castorp erkennt einfühlend, dass hinter den großen Gesten der cholerischen »Persönlichkeit« panischer Schrecken flackert (VII, 853). Der betrunkene Alte malt dem Jungen eine metaphorische Vision vom Versagen der Manneskraft, der Niederlage des Gefühls vor dem Leben (VII, 800f.).
Zu später Stunde beschwört er seine zwölf Gäste, bei ihm auszuharren, mit den Worten von Jesus in Gethsemane ( VII, 860). Dann gibt es weitere Schlemmereien und geistige Getränke. Um 2 Uhr schließlich lässt er sich von Clawdia und Castorp zu seinem Zimmer bringen. Trotz seiner Trunkenheit stutzt er aber, als Castorp sich weigert, wie geboten, Clawdia Chauchat auf die Stirn zu küssen (VII, 867).
Später (im Frühjahr 1910), als Peeperkorn oft krank ist und Castorp ihn besucht, sagt er unvermittelt: »Und Sie lieben Madame?« (VII, 914). Castorp gibt die Ausflüchte auf und erklärt, was an jenem »Schaltabend«, der »Traumnacht« (VII, 903) des 29. Februar (1908), geschah. Peeperkorn erkennt an, dass er und Clawdia Hans Castorp Unbill zugefügt haben. Statt eines Duells bietet er deshalb Castorp nun das »Du« an: »wir sind Brüder«. »Unsere Geliebte«, nennt er Clawdia (VII, 927f.).
Im Mai (1910) macht man zu siebt einen Ausflug zum Wasserfall, in dessen Brausen Peeperkorn unverständliche Reden an die Anwesenden hält. In der Nacht stirbt er durch Selbstmord mit einem raffinierten Giftinstrument (über exotische Gifte sprach er schon früher), wohl mit Hilfe seines geheimnisvollen malaiischen Dieners. An seinem Totenbett erlaubt Clawdia Hans Castorp, sie auf die Stirn zu küssen (VII, 943).