Papenbrock, Louise (geb. Utecht)

Gesine Cresspahls Großmutter mütterlicherseits, geboren 1871 in Güstrow; Ehefrau von Albert Papenbrock, Mutter von Robert und Horst Papenbrock, Hilde Paepcke und Lisbeth Cresspahl. Steht der Bäckerei ihres Mannes am Markt in Jerichow vor. Mitbegründerin der Jerichower CDU nach 1945. Geht nach dem Tod ihres Mannes 1950 in den Westen, in die Nähe von Lüneburg.

17-18 Als Heinrich Cresspahl sich im August 1931 in Lisbeth Papenbrock verguckt, die mit ihrer Familie in einem Gartenlokal in Travemünde sitzt, beobachtet er auch seine künftigen Schwiegereltern: Papenbrock »quengelte mit dem Kellner, oder mit seiner Frau, wenn die Bedienung an anderen Tischen stand. Meine Großmutter, das Schaf, sagte wie in der Kirche: Ja, Albert. Gewiß, Albert.«

33 Am Tag darauf sieht Cresspahl, der sich in Lisbeths Heimatstadt Jerichow umschaut, »meine Großmutter in der Bäckerei verkaufen helfen, eine ergebene flinke Alte mit einer etwas süßlichen Redeweise, besonders zu Kindern«.

33 In einem Totengespräch mit ihrer Enkelin sagt sie: »und ich war nie ein Schaf, Gesine«. Darauf Gesine: »Dich haben sie auf die Seite geschmissen, dir haben sie die Pfoten zusammengebunden, dir haben sie den Hals mit Knien gegen die Tenne gedrückt, dir haben sie mit einer stumpfen Schere die Wolle abgerissen, und du hast das Maul nicht aufgemacht, Louise, geborene Utecht aus der Hageböcker Straße in Güstrow, du Schaf

34 Ihr Mann ist »mit seiner Getreidehandlung, seiner Bäckerei, seinen Lieferungen aufs Land der reichste Mann in Jerichow«.

57 In einem der Zwiegespräche Gesines mit ihrer toten Mutter spricht Lisbeth über die Zeit in Vietsen: »In Vietsen hatten wir Mädchen jedes für sich ein Dienstmädchen. / Dann gab es noch die von der Plättstube, der Küche, der Waschküche, die zum Saubermachen, und die Mamsell. / Eine Zeit lang hatte Louise Papenbrock einen Hausgeistlichen.« 

204 Marie Cresspahl möchte die »Geschichte mit der Tassenwanne« erzählt bekommen, die sie in Zusammenhang mit der Geburt ihrer Mutter bringt. Gesine stellt richtig: »Das war Louise Utecht, die so winzig ausgefallen war, und es war 1871 in der Hageböcker Straße in Güstrow. Das ist nicht meine Geschichte.«

262 »Papenbrock mochte sich noch so unschuldig als Vorstand seines Haushalts begreifen, es war Louise, die ihn lenkte, den Alten an langer Leine, die Kinder an kurzer. Die Kümmelflasche, die Papenbrock in großer Heimlichkeit leertrank, wechselte Louise gegen eine neue aus. Wieviel das Haus Papenbrock der Kirche spendete, bestimmte Louise, und sie ließ den neuen Pastor Brüshaver spüren, daß sie seinen Mangel an Innigkeit beim Predigen mißbilligte. Auf den Tisch kam, was sie für gut hielt, und beten tat sie so lange wie ihr danach war.«

319 Als Papenbrock bei seiner Tischrede an Gesines Tauftag am 19. März 1933 auf seinen ›verschollenen‹ Sohn Robert zu sprechen kommt, sieht Louise Papenbrock »etwas kommen. Sie krümmte sich ein wenig, sie legte die Hände im Schoß zusammen, um notfalls fürs Beten vorbereitet zu sein.« Gleich darauf erteilt Papenbrock dem jüngeren Sohn Horst den Auftrag, seinen Bruder Robert in Südamerika zu suchen und nach Hause zu holen.

417 Zu Cresspahls ›Wünschen an das Jahr 1934‹ gehört auch, dass Papenbrock seine Frau an den ständigen Besuchen bei Cresspahls hindern möge. »Wenn sie wenigstens wegen des Kindes [...] kommen würde! Sie kam aber, um ihre frommen Sprüche zu verbreiten. Für all und jedes Unrecht wußte sie einen biblischen Befehl zur Geduld und eine kommende Richtigstellung durch das gerechte Wirken Gottes.« Cresspahl befürchtet (zu Recht) einen unguten Einfluss auf Lisbeths Gemütsverfassung.

504-507 Rückblick auf die Ansiedelung der Papenbrocks in Jerichow und ihren Einzug in den »Palast« der Adelsfamilie Lassewitz am Markt im Dezember 1923 aus der Sicht der Jerichower. Louise Papenbrock, die für »herrschaftlich« gehalten wurde, erwarb sich Respekt dadurch, dass sie sich nicht zu schade war, in ihrem Bäckerladen selbst Hand anzulegen: »Die konnte ja arbeiten!«

530-531 Louise Papenbrock im Urteil der Jerichower 1937: »Und Papenbrocks Louise tat nicht nur, als gehöre ihr die Stadt, sondern obendrein, als könne die Petrikirche ohne sie den Turm nicht halten.«

579 Ihre Einflussnahme auf Lisbeth vor dem Prozess gegen Hagemeister und Warning.

760 Bei Pastor Brüshavers Predigt am 13. November 1938, dem Sonntag vor Lisbeth Cresspahls Beerdigung, kann Louise »es auch jetzt nicht lassen [...], mit steifer Haltung und angehobenem Kinn Stolz zu zeigen darauf, daß schließlich niemand Anderem die jüngste Tochter gestorben war«.

767-768 Beim Leichenschmaus nach Lisbeths Beerdigung ärgert sie sich über die »Niebuhrs aus Wendisch Burg, weil sie so niedergeschlagen und still dasaßen, als verstünden sie das Trauern doch besser als eine Gastgeberin, die immerhin die Ohren vollhat«. Behandelt die Niebuhrs bei der Unterbringung in ihrem Haus als zweitrangige Gäste.

829 Cresspahl will die fünfjährige Gesine nach Lisbeths Tod nicht »unter die Fuchtel von Oma Papenbrocks Religion« geben, weil er meint, »daß die eigene Frau davon gelernt hatte, zu Grunde zu gehen; es war der Papenbrockschen zu gönnen, daß sie das hatte anhören müssen, ohne daß der Alte oder Hilde ihr geholfen hätten. Sie hatte dagesessen wie ein großer gekränkter Vogel, fett und gesträubt. Geweint hatte sie obendrein«.

869-870 Nach dem schweren Bombenangriff auf Lübeck im März 1942 muss sie auf Druck von Bürgermeister Tamms Ausgebombte aufnehmen. Sie kümmert sich um die ungebetenen Gäste »auf eine fromme, barmende Art, und es war nicht leicht, ihr dankbar zu sein«.

910 Behandelt Slata, die russische Freundin ihres Sohnes Robert, als Dienstmädchen.

1194 Nach Kriegsende, aus Sicht von Frau Abs, die sich auf Cresspahls angeheiratete Verwandtschaft einen Reim zu machen versucht: »Nun war der reiche Mann Papenbrock abkommandiert als Verwalter auf ein Sowjetgut südlich von Gneez, und seiner Frau war das Haus aus der Hand genommen von Flüchtlingen und russischen Soldaten, die in den Nächten das große Gesellschaftszimmer als Tanzsaal einrichteten. Cresspahl war Bürgermeister, er hätte der Schwiegermutter beistehen können; sie kam ihn um nichts bitten, er ging an ihrem Haus vorbei. Cresspahls Kind hatte ein paar Jahre lang seine Großmutter nicht besuchen dürfen. So hieß es.«

1351-1352 Bewirtschaftet auch nach Papenbrocks Festnahme ihren Bäckerladen und Papenbrocks Getreidespeicher (mit Kägebeins Hilfe) weiter. »Wenn Louise für das Brot nur 43 Reichspfennige kassieren durfte, ließ sie eben Kleie untermischen, bis sie auf einen Anteil kam von dem Preis.« Sie rechnet fest mit Papenbrocks Rückkehr und befürchtet von der sowjetischen Besatzungsmacht weniger als von einem heimkehrenden Papenbrock, dem sie »hatte das Eigentum nicht bewahrt, geschweige denn abbröckeln lassen«. Für alle Fälle holt sie sich Horst Papenbrocks Witwe Ilse ins Haus, um ein Familienmitglied in der »Hinterhand« zu haben »zum Nachrücken in der Verwaltung des Erbes«. – Sie erkennt schnell, dass es unter den Sowjets nicht mehr opportun ist, Umgang mit dem Adel des Winkels zu pflegen, auf den sie früher so erpicht war. Nun verhält sie sich distanziert und »sprach mit frommer Stimme von der Gerechtigkeit«.

1357-1358 Mitbegründerin der Ortsgruppe der CDU.

1369 »In diese Union war sie eingetreten ihrem Papenbrock zuliebe, seinem eingebildeten Befehl folgend, bloß ihm wollte sie einen Platz halten darin.« – Sie muss den gerade erst von den Besatzungssoldaten zurückeroberten großen Saal im Erdgeschoss für CDU-Versammlungen hergeben, »die herrschaftliche Halle« mit der »halbmannshohen Eichentäfelung, den lassewitzschen Faunen und Nymphen darüber, dem hohen Jagdszenenstuck, dem rückwärtigen Erker ganz aus Kristallglastüren und dem gartengrünen Licht überall«. – Mit Pastor Brüshaver, der auch Mitglied der CDU ist, kommt sie nicht zurecht, weil er ständig »von deutschen Fehlern, von ehrlicher Besserung« redet. »Louise wollte ihm vergeben, er hatte sich das im Nazilager so ausdenken müssen; wie aber kam es, daß sie immerfort sich gemeint fühlte?«

1402 Ihre Enkelin Gesine weicht vor ihr bei Begegnungen auf die andere Straßenseite aus.

1526 Nach Cresspahls Rückkehr aus sowjetischer Haft im Mai 1948 grüßt Gesine »die Olsch Papenbrock« wieder.

1534-1535 Als ihre Bankguthaben am Tag vor der Währungsreform eingezogen werden, überwindet sie ihre »Verachtung« gegen Cresspahl und bittet ihn um Rat. Cresspahl »versicherte ihr wider bessere Vermutung, daß die Sowjetmacht nur von lebenden Angeklagten das Guthaben einziehe und verschonte sie mit der Aussicht, daß sie an Alberts Freilassung nicht im Traum denken durfte. [...] mit zierlich angehobenem Doppelkinn drehte sie sich um, fast genau auf der Stelle, gab ihm nicht die Hand, befriedigt über ihre vorausgesehene Enttäuschung, für die allerdings beschreibende Worte gefehlt hätten. (Sie war zum ersten Mal seit 1943 im Haus.)«

1601-1602 Verweigert Brüshaver ihren Saal für den Konfirmandenunterricht: »Frau Albert Papenbrock hatte den größten Saal von Jerichow (und den steilsten Glauben an die evangelische Landeskirche, hörte man sie); mit Anwärtern auf die Kirche in ihrem Haus fürchtete sie den Unwillen von Alberts Gefängniswärtern aufzurühren. Sie rang die Hände vor ihren Bedenken, sie barmte, leise jaulend: immer werde es von ihr verlangt, immer mehr als von den anderen...«

1750 Nach Albert Papenbrocks Hinrichtung im November 1950 werden »Stadtpalast samt Speicher« eingezogen. Sie rechnet darauf, in Cresspahls Haus unterzukommen, aber dafür »riskierte Cresspahl keinen Finger. Wir hätten ja kirchliche Herrschaft ins Haus bekommen.« Daraufhin geht Louise Papenbrock in den Westen, »nach Lüneburg, da war noch übrig von Alberts Grundbesitz«. Cresspahl und Gesine bringen sie an die Eisenbahn: »Die wollte mir wenig wohl, dennoch sagte sie wider Willen: Wenigstens hast du unser Haar.«

Vgl. auch 48-49. 58. 72. 112. 203-204. 214-215. 260. 400. 467. 525. 556. 561. 760. 853. 1236. 1252.