Jebsche

Ein Reisender aus Taanakh, der für seinen Stadtfürsten Aschirat-jaschur einen tönernen Brief zum Fürsten von Gaza bringen soll. Jebsche, »spitzbärtig und vom Halse bis zu den Knöcheln in bunte Wolle gewickelt«, kehrt bei Jaakob ein, »um seine Meinungen zu erfahren, sein Brot zu brechen und vor der Weiterreise gegen das Meer hinab bei ihm zu übernachten« (IV, 73). Jaakob nimmt ihn gastlich auf, bittet sich allerdings aus, er möge das Götzenbildchen der Astarte, das er mit sich führt, »nicht in seine Nähe bringen, sondern abseits halten« (73).

Beim reichhaltigen Abendessen, an dem die meisten Jaakobssöhne teilnehmen (IV, 72), zieht Jaakob seinen Gast in ein religionskritisches Gespräch über den Kult der Aschera (Ischtar), der in Jebsches Heimatstadt Taanakh besonders gepflegt wird. Doch mit seinen theologisch-moralischen Spitzfindigkeiten stößt Jaakob bei seinem Gast »nur auf geringes Verständnis« (75). Bei der dann folgenden Diskussion über die Vielgötterei, der Jebsche anhängt, konfrontiert Jaakob ihn mit seinen monotheistischen Überzeugungen, worin er, »die halbe oder auch ganze Nacht würde fortgefahren haben«, wenn Jebsche das Gespräch nicht auf andere, weltliche Gegenstände gebracht hätte (76), was wiederum »des Wirtes Teilnahme an der Unterhaltung« stark herabsetzt, so dass man bald auseinandergeht (IV, 77). Danach findet das lange Gespräch zwischen Jaakob und Joseph am Brunnen statt (IV, 59-71, 79-120). Es ist der Abend, mit dessen Schilderung der Roman beginnt.

Der »Ziegelstein«, mit dem Jebsche nach Gaza unterwegs ist, eine Tontafel, die sein Stadtherr »Aschiratjaschur, übertriebenerweise König genannt, auf allen Seiten beschrieben hatte für seinen ›Bruder‹, den Fürsten von Gaza« (IV, 73), ist zweifellos angeregt durch die Tontafeln, die der Theologe und Archäologe Ernst Sellin (1867-1946) in den Jahren 1902-1904 bei Ausgrabungen in Tell Ta'anek gefunden hatte. Darüber hat TM vermutlich bei Jeremias I (227-230) gelesen. Auch der Name des Königs von Taanakh ist nicht erfunden: Vier der keilschriftlichen Briefe sind an den Fürsten »Aširat-jašur von Ta'anek« gerichtet (Jeremias I, 227).

In diesen Briefen ist von allerlei Forderungen an Aširat-jašur die Rede, u.a. von überfälligen Holzlieferungen, die ein gewisser Ahijami von Aširat-jašur verlangt (Jeremias I, 228): Der Brief, den Jebsche nach Gaza bringen soll und in dem Aschirat-jaschur seinem ›Bruder‹ Riphat-Baal bedeutet, dass er ihm »das Holz und das Geld, das jener mit mehr oder weniger Recht von ihm fordere, nicht senden (könne), da er es teils nicht habe, teils selber dringend benötige« (IV, 73), ist offenkundig (auch in seinen Grußformeln) durch die Tontafeln von Tell Ta'anek inspiriert, nachgerade als Antwort auf den zweiten Brief (Sellin Nr. 2; vgl. Jeremias I, 228) fingiert.

Schließlich ist auch die Beschreibung des Götzenbildes der Aschera-Astarte, das Jebsche bei sich führt, nach einer bei Tell Ta'anek gefundenen Astarte-Figur gestaltet. Sie ist bei Jeremias I abgebildet (228, Abb. 104) und zeigt eine Astarte-Darstellung, die TM sehr genau übernimmt: »eine Frauenfigur in Hosen, mit Krone und Schleier, die ihre winzigen Brüste mit beiden Händen erfaßt hielt« (IV, 73). Während Jeremias I diese Darstellung als »sonst nicht nachweisbaren Typus« der Astarte bezeichnet (229), ist sie für ihren Ausgräber Sellin ein ›gewöhnlicher Astartetypus‹ (s.u.).

Zu den Funden von Tell Ta'anek vgl. Friedrich Schipper: Ernst Sellin. Ein Pionier der biblischen Archäologie in Wien. 100 Jahre »Nachlese auf dem Tell Ta'annek in Palästina«. In: Forum Archaeologiae 40/IX/2006.

Abb.: (1) Keilschriftlicher Brief aus Tell Ta'anek. – (2) Astarte-Bildnis aus Tell Ta'anek.

Letzte Änderung: 03.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück