Kempowski, Grete (geb. de Bonsac)

Walters Mutter. Früher hat sie viel gelesen. Sie ist stolz auf ihre Herkunft und das Familienwappen der Bonsacs: »Bonum bono, dem Guten das Gute« (11). Ihr Vorname bleibt lange ungenannt, sie heißt Grete (231). Sie erfüllt alle traditionellen Hausfrauen-Pflichten, abends betet sie mit dem Jüngsten und singt gern. »Wie isses schön!« ist eine typische Wendung von ihr. Sie hofft immer auf einen glücklichen Ausgang, wenn es anders kommt, sagt sie: »Nein, wie isses nun bloß möglich« (193 u.ö.), und bei Unerfreulichem: es habe doch auch seine guten Seiten oder »Das wird nachher noch ganz schön« (278).

Ihr Umgang mit Mann und Kindern ist liebevoll und kritisch. Den Mann findet sie überkorrekt – andere hätten aus dem feindlichen Ausland Pelzmäntel und Schokolade mitgebracht (131). Sie gehört zur anti-nazistischen ›Bekennenden Kirche‹ und fragt einmal Prof. Knesel, wie der Krieg zu rechtfertigen sei. Er: Es sei »wie ein Reinwaschen« (156). Ähnlich bei Pastor Vorndran in Gartz (191). Sie bevorzugt die Klosterkirche und Weihnachten besucht sie mit der Familie den Gottesdienst von Prof. Knesel.

Sie amüsierte sich früher über den Gesang von SA-Männern. »Ich dachte, das wär’n Ascheimerleute« (143). Während des ersten Bombenangriffs auf Rostock 1942 bewährt sie sich im Haus, sie ist auch Luftschutzwart (159 ff.). Da ihr Haus stehen geblieben ist und die Kinder leben, sagt sie: »Uns geht’s ja noch gold« (172). Aber sie beklagt sich auch oft, vor allem über untätige Männer. Immer wieder sagt sie: »Man bittet, man fleht, aber ihr, nein, ihr tut es nicht« (394 u.ö.).

Für wenige Tage flüchtet sie mit dem 13-jährigen Walter aus der zerstörten Stadt, über Stettin nach Gartz, wo ihr Mann Ortskommandant ist. Er erzählt allen Leuten stolz von ihren Taten beim Luftangriff (181 f.). Nach ihrer Rückkehr findet sie chaotische Zustände vor. Aber die Schiffs-Firma funktioniert weiter mit kriegswichtigen Transporten. Als ein dänischer Mitarbeiter, Sörensen, verhaftet wird, geht Frau Kempowski zur Gestapo und erwirkt, dass er freigelassen wird (196 ff.). Als ihr Mann einmal unangemeldet und gereizt nach Hause kommt, setzt sie sich wütend zur Wehr: »Zieh doch ins Hotel!« (221 ff.). Später versöhnt Tochter Ulla ihn ironisch mit Lorbeer und Fahne (223). »Frauen müssen immer nachgeben, immer«, sagt sie, als Tochter Ulla bei der Heirat auf ihren Geburtsnamen verzichten muss (286).

Ihr wird allmählich alles zuviel, sie hat ein Magengeschwür, das von Prof. Peters operiert wird (296 f.). Nach dem Klinikaufenthalt fährt sie zur Erholung nach Graal und schickt Walter zu ihrem Vater nach Hamburg.

Als ihr Mann nach einem kurzen Urlaub im Oktober 1944 wieder abfahren muss, fragt sie ihn, ob sie, wenn er falle, »einen extra Gedenkgottesdienst« halten sollten. Danach weint sie und tröstet sich mit seiner guten Gesundheit und seiner Korrektheit (380). Den Krieg versteht sie nicht: »Nein! Die Menschen, die Menschen! Oh, sie könne die Großen so mit den Köpfen aneinanderknallen. Hier alles in Dutt zu schmeißen.« (420)

Im Winter 1944/45 gibt es mehr Mangel als Waren, aber Frau Kempowski hat Lebensmittel gehortet (das ist verboten und wird mit KZ bedroht, 422). Im Februar 1945 wird Walter eingezogen (429), ist aber im April bei Kriegsende wieder zu Hause. Seine Mutter: »›Und wenn die Russen kommen und dich mit nach Sibirien nehmen: ich pack‘ dir ein schönes Bündel warmer Sachen.‹ Es gebe überall gute Menschen.« (464) Kommunismus – warum nicht? (467). Aber am liebsten wäre ihr die Rückkehr zum Kaiserreich (470). Sie verweigert die Flucht in den Westen, während viele Bekannte noch mit dem Schiff abreisen. Was sollte denn ihr Mann sagen, wenn sie weg wären (466). Als die deutschen Soldaten geflohen sind und die Russen tatsächlich kommen, findet sie: »›den Krieg haben wir gewonnen! Die Kirche und die guten Kräfte!‹ Das wär ein Grund zum Feiern! Prost!« (475)