Paepcke, Alexander

Ehemann von Lisbeth Cresspahls Schwester Hilde, geb. Papenbrock, Vater von Ulrike (Alexandra), geb. 1933, Eberhardt, geb. 1935, und Christine, geb. 1937. Promovierter Jurist, ehemals Rechtsanwalt und Notar in Krakow am See. Hatte (wohl Anfang der dreißiger Jahre) Geld veruntreut und wurde daraufhin aus der Anwaltskammer ausgeschlossen. Trinkt oft und reichlich. Von den Darlehen seines Schwiegervaters Albert Papenbrock tilgt er nicht seine Schulden aus der Veruntreuung, sondern pachtet eine Ziegelei in Krakow, die 1932 abbrennt. Wird daraufhin der Brandstiftung und des Versicherungsbetrugs verdächtigt. Ende 1933 Umzug nach Jerichow, mit Papenbrocks Hilfe Pächter der Ziegelei in Jerichow, die schon bald rote Zahlen schreibt. Wenige Jahre später (wohl Ende 1935 oder Anfang 1936) Umzug mit der Familie nach Podejuch bei Stettin, Arbeit in der Heeresintendantur Stettin. Im Laufe des Krieges wird er für die Zivilverwaltung im besetzten Frankreich eingesetzt, wechselt dann zur Organisation Todt, Einsatz in der Gegend um Kiew; im Sommer 1944 wird er zur Wehrmacht zurückgeschickt und nach Südfrankreich beordert, wo er im September 1944 fällt.

50 Imaginiertes Gespräch zwischen Heinrich Cresspahl und Lisbeth Papenbrock im Sommer 1931: »Meine Schwester ist verheiratet in Krakow mit einem Rechtsanwalt, der Geld veruntreut

112 Kommt betrunken zu Lisbeth und Heinrich Cresspahls Hochzeit am 31. Oktober 1931.

114 Auf einem der Hochzeitsfotos sieht man den Bräutigam Heinrich Cresspahl »im Gespräch mit einem Rechtsanwalt aus Krakow, der Hilde Papenbrocks Erbteil vertrunken hat und ihr ein Unglück nach dem andern beibringt; und diesem Menschen, ausgestoßen aus der Mecklenburgischen Anwaltskammer, der unerschrocken seinen schwarzen Scheitel hinhält, vergnügt und womöglich nur verschmitzt mit seinen verkniffenen Augen, seinem festen Backenfleisch, dem trinkt Cresspahl zu mit Cognac«.

158 Hilde Papenbrock »stellte sich nicht gegen ihren Dr. Paepcke, ehemals Rechtsanwalt und Notar, nicht einmal wenn er mit Schwiegervaters unwiderruflich letztem Darlehen nicht seine Veruntreuungen bereinigte, sondern eine Ziegelei in Pacht nahm. Sie hatte sich einreden lassen, daß da genug Gewinne gegen die Schulden ins Haus standen, und ließ sich für die Angst entschädigen mit Ausflügen nach Berlin, Besuchsfahrten von Gut zu Gut, Festen im Kurhotel Krasemann am See. Das Gerücht beschrieb sie in einer anbetenden Haltung vor ihrem Alexander; wirklich mochte sie ihn nur keinen Spaß entbehren lassen.«

159 Über den Brand der Ziegelei in Krakow. Die Kriminalpolizei »wollte den Herrschaften aus der eben erst angehobenen Versicherung eine Anwesenheit und Brandstiftung nachsagen. Hilde Paepcke wurde gefragt: ob sie Hindenburglichter kenne. Sie hatte das dann zu rasch und rundheraus abgestritten.« – Heinrich Cresspahl in einem (imaginierten) Gespräch mit seiner Frau Lisbeth: »Die stellen ein Hindenburglicht auf Ziegelboden. Den Brandherd erkennt ein Kind.« – Vgl. auch Anhang XV: Danach hat Hilde den Brand gelegt, weil sie nicht mit ansehen konnte, »daß Alexander in Verlegenheit war«.

261-262 Im Frühjahr 1933 ist Hilde Paepcke schwanger (mit Alexandra): »Sie wollte noch Kinder haben, ehe Alexander sich ganz und gar durch den Boden des Bürgertums gescheuert hatte; sie wollte etwas ›aus der Konkursmasse retten‹.«

281 Bei der Beerdigung von Cresspahls Mutter Berta im März 1933 in Malchow am See ist Alexander Paepcke einer der Sargträger.

367 Im Sommer 1933 holt Albert Papenbrock seine Tochter Hilde nach Hause: »Alexander Paepcke sollte erst einmal etwas Solides vorweisen, ehe er sie hier wieder abholen durfte.«

401 Hilde Paepcke meint, ihr Vater sollte Alexander für die Jerichower Bürgermeisterwahl im Oktober 1933 vorschlagen. Was der alte Papenbrock »der fürsorglichen Ehefrau Paepckes nicht antworten mochte«, sieht man ihm an der Nasenspitze an. »Dr. Paepcke als oberster Herr über die Stadtkasse von Jerichow gesetzt, es war auch für Cresspahl erheiternd, solange es dazu nicht kam.«

412 Geburt des ersten Kindes Ulrike, genannt Alexandra, 1933. – Gerede der Jerichower im Dezember 1933: »Denn weißt du wohl, was Hilde Papenbrock, Hilde Paepcke, zu Weihnachten und zur Geburt ihres Kindes geschenkt gekricht hat? Jawohl, die Pacht der Ziegelei. [...] Paepcke, Hildes Mann, der hatte ja wohl was angestellt. Wenn sie einen nich einsperren, dann war nichts. Na, wart du man. Wart du man, bis die Ziegelei auch in Jerichow brennt.«

417-418 Zu Cresspahls ›Wünschen an das Jahr 1934‹ zählt auch der, dass Schwager Paepcke keinen »Unfug« anstellen möge mit der Ziegeleipacht. In seinen Augen ist Alexander ein »umgänglicher Mann, ein gut erträglicher Nachbar, aber kein Geschäftsmann. Seine Bücher waren in einem Zustand, es konnte einem angst und bange werden.« Alexander verspielt ganze Nachmittage mit seiner Familie im Garten, und »die Ziegeleiarbeiter brauchten nur ans Tor zu treten, da konnten sie auf der anderen Seite der Straße sehen, wie ihr Chef den lieben Gott einen guten Mann sein ließ. Da war Alexander gar nicht empfindlich. Und er fuhr nach Gneez zu gar nichts als zum Tennisspielen.« – »Es war angenehm, den beiden [Alexander und Hilde] zuzusehen, wie sie lebten, so unbefangen wie Kinder; es war unheimlich, daß die jetzt schon vergessen hatten, mit welch genauer Not sie durch Papenbrock gerettet worden waren. Cresspahl wünschte sich also, die Ziegelei möge nicht unverhofft abbrennen.«

473 Geburt des zweiten Kindes Eberhardt im August 1935. – Von dem Bau des Flugplatzes Jerichow Nord 1935 profitiert auch Alexander: »Sogar aus Alexander Paepcke hatte die aufgeregte Nachfrage nach Baumaterial für Jerichow Nord einen Geschäftsmann gemacht, der verbrachte die Tage im Ziegeleihof und im Büro und nicht auf dem Gneezer Tennisplatz.«

507 Rückblick: Alexander und Hilde Paepcke haben im Juni 1928 in Jerichow geheiratet; damals studierte Alexander noch.

530-531 Der Umzug nach Podejuch aus der Sicht der Jerichower 1937: »Alexander Paepcke hatte es fertig gebracht, bei einem auf Jahre gesicherten, unersättlichen Ziegelbedarf für den Flugplatz Jerichow Nord rote Flecken in seine Bücher zu bekommen, rote Löcher geradezu, und hatte sich eingeschüchtert verzogen in den östlichsten Zipfel des Wehrbereichs II, in die Heeresintendantur Stettin [...]. Podejuch, wie das schon hieß, wenn es das überhaupt gab, wenn das am Ende nicht ein ›Rio de Janeiro‹ [wie bei Hildes Bruder Robert Papenbrock] war.«

570 Besorgt seinem Schwager Horst Papenbrock 1937 über Korpsbrüder seiner Studentenverbindung Leonia eine Stelle bei der Landesbauernschaft in Güstrow.

631-635 Über Ostern 1938 besuchen Heinrich, Lisbeth und Gesine Cresspahl die Paepckes in Podejuch. Ein Jahr vorher wurde Paepckes drittes Kind, Christine, geboren. – Alexander ist nun Major der Reserve, redet zu Lisbeths Bedrückung von einem kommenden Krieg. – Bei einem Ausflug in die Buchheide liegen in einer Lichtung »mit einem Mal unterhaltsam versteckt bunt bemalte Ostereier; Alexander Paepcke, der Künstler im Leben wie im Zaubern«. – Am zweiten Abend »bei Bier, Mosel und Aussichten des nächsten Krieges« setzt Hilde »die jeweils neuen Gläser etwas hart auf den Tisch«.

767 Auf Lisbeth Cresspahls Beerdigung hadert Alexander mit sich selbst, »weil er die Uniform aus Eitelkeit angezogen hatte und ihn doch jeder als einen Verwaltungsoffizier erkannte«.

827-830 Nach Lisbeth Cresspahls Tod bringt Cresspahl die fünfjährige Gesine zu den Paepckes nach Podejuch, wo sie mehr als ein halbes Jahr bleibt (vgl. 836). – Alexander »war nun geradezu feist im Gesicht, hatte früher so abgearbeitet nicht ausgesehen, war langsamer; aber er mußte sich nur Mühe geben, dann war er für Kinder der Zauberer, Spaßmacher und Spaßopfer in einem«. – In den ersten Tagen versucht Alexander vergebens, Gesine aufzuheitern, und beschwört Cresspahl am Telefon, sie wieder nach Hause zu holen. Er »traute sich eine Tröstung des Kindes nicht zu, weil es nach Cresspahl schlug und eigensinnig bleiben würde auch in der Trauer«. – In der Nacht findet er Gesine auf dem Dachboden, »wo sie im Dunklen zwischen Koffern und Körben hockte, um in Ruhe weinen zu können. Paepcke war so aufgebracht, er schrie außer dem Kind alle ohne Unterschied an, auch das Dienstmädchen holte er dazu aus dem Bett, und am Morgen erzählte die Regierungsratswitwe Heinricius im ›Kolonialwaren‹laden, daß Paepcke in der Nacht habe seine Frau umbringen wollen, es seien Schüsse gefallen, und die Feuerwehr sei gekommen.« – Am darauffolgenden Abend kommt er nicht nach Hause und betrinkt sich in der Bahnhofswirtschaft von Podejuch. »Paepcke mochte nicht zusehen, wenn es Kindern übel geht. Es war so; es hat ihm später den Tod eingebracht. Und wenn gesoffen werden mußte, tat er es noch lieber auswärts.« 

836-841 Über Gesines Leben bei den Paepckes 1938/1939. – »Bei Paepckes hatte ein Kind keine Pflichten, keine Beschwernis.« – »Mit ihrem Alexander hatte Hilde es, so habe ich es nicht wieder gesehen.« Sie versteht ihn wortlos. Er revidiert seine Bemerkung, sie habe schöne Beine: »Lebendige Beine hast du! Den beiden machte es nichts, daß die Kinder das anhörten. Übriggeblieben ist ein Gefühl ansteckender Begeisterung, von dem Vergnügen, bei solchem Leben dabeizusein.« – Liest den Kindern aus Fontane vor. – »Bei Paepckes lernten die Kinder fühlen, wer sie waren.« – Im Sommer 1939 verbringen die Paepckes ihre Ferien mit Gesine auf dem Fischland in Althagen. Am letzten Tag holt Cresspahl Gesine ab und nimmt sie wieder mit nach Jerichow.

860 Im März 1942 besuchen Cresspahl und Gesine die Paepckes in Podejuch. Cresspahl und Alexander hören Sendungen des BBC. »Wohl wurden die Kinder weggeschickt, wohl blieb er am Empfänger stehen, um die Nadel unverzüglich auf eine andere Station schieben zu können; aber wenn Heinrich mal wissen wollte, wie das war, London hören, den Gefallen sollte er haben.«

878-887 Im Sommer 1942 verbringen die Paepckes ihre Ferien mit Gesine und dem siebenjährigen Klaus Niebuhr in Althagen auf dem Fischland. – Alexander Paepcke »bediente [...] den Krieg nun in der Zivilverwaltung der besetzten französischen Gebiete«. – »Alexander brachte den Kindern das Schwimmen bei, auch indem er ihnen einredete, sie könnten es bereits.« – Bei Regen spielt er »mit ›seinen‹ Kindern Mensch Ärgere Dich Nicht«, lässt die Kinder gewinnen, und »am Ende starrte er wortlos mit bösem Blick auf seine verlorene Partie, und war ein Mensch, Der Sich Ärgert«. – Hat seine Ferien seit seinem sechsten Lebensjahr in Althagen verbracht, das Haus gehört der Familie, wurde schon 1902 von seinem Großonkel gekauft (880). Alexander »sprach das Fischländer Platt wie die Fischländer und duzte sich durchs ganze Dorf«. – Ende Juli kommt Cresspahl für eine Woche nach Althagen. Alexander beobachtet sein Treffen mit seinem Verbindungsmann Fritz. – Cresspahl leiht Alexander Geld. »Sie sprachen obenhin von Rückzahlungen. Cresspahl verließ sich darauf, daß Gesine ein Anteil an Paepckes althäger Haus überschrieben würde, wenn Alexander es von seinem Großonkel erben sollte. Es galt nicht, aber Alexander hat sich daran gehalten und schrieb es in Kiew in sein Testament.« – Kurz vor Ende der Ferien bekommen die Kinder Geschenke, die Alexander aus Frankreich mitgebracht hat.

951-956 Sommer 1944: Alexander Paepcke ist inzwischen zur Organisation Todt gewechselt mit Einsatz in der Gegend um Kiew. Als er dort »Zivilpersonen zur Arbeit einweisen« muss und sich »ein wenig gegen die Annahme eines Trupps von fünfzig Juden wehrt, weil darunter Kinder waren«, wird er im Sommer 1944 zur Wehrmacht zurückgeschickt, die ihn nach Südfrankreich beordert. Entgegen seinem Befehl steigt er in Ribnitz aus, um seine Familie und die aus Jerichow anreisende Gesine nach Althagen zu bringen. Er verbringt eine Nacht mit seiner Familie in Althagen und reist in den Morgenstunden nach Frankreich weiter. Die Kinder erfahren nichts über die Gründe seiner Abreise. Seine Abwesenheit irritiert sie: »Es erwies sich, daß Ferien zu erfinden waren, hatte man sie einmal von Alexander gelernt.«

1000-1001 Die Nachricht von Alexander Paepckes Tod im September 1944 erreicht Cresspahl im Sommer 1945: Ein »wandernder Soldat« bringt ihm einen Brief, den Alexander schon im Juni 1944 in Kiew geschrieben hat. Darin verspricht er seiner Nichte Gesine einen Anteil am althäger Haus »für den Fall, daß er es erben würde«. Im September 1944 hat er »den Brief noch einmal geöffnet und Cresspahl dringlich gebeten, er möge Hilde dazu bringen, daß sie mit den Kindern vom rechten Ufer der Oder auf das linke ziehe, am besten zurück nach Mecklenburg. Alexander bat Cresspahl, seine Familie ins Haus zu nehmen, wenn er gefallen sei. Um die Blutflecken auf dem Brief herum war von einem Franzosen geschrieben, der Inhaber sei am 29. September 1944 gestorben, aber nicht, wo er begraben ist.«

1619-1620 Gesine erzählt ihrer Freundin Anita Gantlik eine Nacht lang von »Alexander Paepcke, zum Trösten gut noch im Verstorbensein«.

Anhang XIV-XVI Cresspahls Erinnerungen an Alexander Paepcke. »Einer von den großmächtigen Paepckes aus Schwerin. In der Familie habe es einen Bankier gegeben, auch Abgeordnete zum Deutschen Reichstag vor dem Ersten Krieg. Die Paepckes gingen zu Hofe bei ihrem Großherzog. Unverhofft war die Familie mit ihrem Alexander, Jahrgang 1898, an einem Ende.« – Heiratete Hilde Papenbrock 1928. – Über seine Veruntreuung und den Ausschluss aus der Anwaltskammer: »Einmal vergaß Alexander eine Verlegenheit rechtzeitig nach Schwerin zu melden, und er konnte einem Mandanten nicht gleich den Prozeßvorschuss auszahlen, der wegen Vergleichs fällig geworden war. Der Mandant war ein Großgrundbesitzer und gab sich mit einer verspäteten Zahlung nicht zufrieden. Alex wurde durch eine Saumseligkeit seiner Kumpane in der Burschenschaft Leonia wahrhaftig aus der Anwaltskammer von Mecklenburg ausgeschlossen«. – »Alexander sei zugrunde gegangen, weil er im besetzten Rußland fremden Kindern habe helfen wollen. Seine eigenen starben mit Hilde im Frühjahr 1945 in Vorpommern in einem Militärlastwagen, der unter dem Beschuß von Tieffliegern ausbrannte.«

Vgl. auch 298. 355-356. 467. 762. 767. 835. 930. 1489. 1494. 1593. Anhang V, XVII-XVIII.

Dass Paepckes schon zu Ostern 1935 in Podejuch wohnen, wie Hildes Einladungen an ihre Schwester Lisbeth »zu Ostern 35, 36, 37« implizieren (631), widerspricht der Auskunft, dass Alexander Paepcke zunächst von dem Bau des Flugplatzes in Jerichow Nord, der 1935 beginnt, profitiert und die Ziegelei zum Zeitpunkt der Geburt des Sohnes Eberhardt im August 1935 noch betreibt (473). – Einige der im Anhang XIV-XVI zu Band 2 (»Mit den Augen Cresspahls«) genannten Zeitangaben stimmen nicht mit den in Gesines Erzählungen genannten Daten überein (Alexandras Geburt: 1934 vs. 1933; Übernahme der Ziegeleipacht in Jerichow: 1931 vs. 1935).