Theben (Wêse, Weset, Weset-per-Amun, No, No-Amun, Nowet-Amun, Per-Amun)

Das ›hunderttorige Theben‹, die große ägyptische Königsstadt im Süden, ist das politische und kulturelle Zentrum des Neuen Reiches und Reiseziel der Midianiter, die ihren in Kanaan erworbenen Jungsklaven Joseph-Usarsiph hier gewinnbringend verkaufen wollen.

Theben ist die Stadt des »Reichsgottes« Amun und Sitz seiner politisch einflussreichen Priesterschaft, des »schweren Kollegiums von Karnak« (V, 1376) unter der Führung des »Ersten Propheten« Beknechons (V, 945). Amun, seine Gattin Mut und sein Sohn Chonsu bilden die »Dreiheit von Weset« (IV, 776).

Schon von dem Lastkahn aus, in dem die Midianiter den Weg von Memphis nach Theben zurücklegen, kann Joseph die imposanten Bauwerke der Stadt sehen, die große Tempelanlage des Amun-Rê, Epet-Esowet in Karnak, die »göttlichen Werften«, den Palast Amenhoteps III., seinen Totentempel im Westen, Amuns Südliches Frauenhaus (Luxor) und vieles mehr. Er findet das alles »mehr als nett«, über welch »lächerlich fehlgehende« Worte sich der alte Midianiter, der ihm die Bauwerke voller Bewunderung erklärt, ereifert (IV, 766 f.).

Die »Idee der Vieltorigkeit« verbinde sich zu Recht mit der Amunsstadt, meint der Erzähler (IV, 771 f.), auch wenn es »weder jetzt noch später« wirklich hundert Tore gewesen seien. Aber allein der Amun-Tempel zu Karnak habe »jetzt«, d. h. zu Josephs Zeit, schon sechs oder sieben Tore, »die kleineren Tempel in seiner Nähe, die Häuser des Chonsu, der Mut, des Mont, des Min, der nilpferdgestaltigen Epet wiederum eine Anzahl«, und der zweite Großtempel der Stadt, Amuns ›Südliches Frauenhaus‹, weise weitere Turmtore auf, wozu noch die »kleineren Wohnungen hier nicht besonders beheimateter, doch immerhin ansässiger [...] Gottheiten« kämen wie die Häuser »des Usir und der Eset, des Ptach von Menfe, des Thot und anderer mehr« (IV, 772).

Die von »Gärten, Hainen und Seen« umgebenen Tempelbezirke bilden den Kern der Stadt, »sie waren im Grunde diese selbst, und was profan an ihr war und Menschenbehausung, füllte die Räume zwischen ihnen«. Die ›Stadt der Lebenden‹ am Ostufer des Nils erstreckt sich von dem südlichen Hafenviertel bis zum Amuns-Tempel in Karnak im Nordosten und ist »der Länge nach durchzogen von des Gottes großer Feststraße, der Widder-Sphinxallee«, die Karnak mit  Amuns ›Südlichem Frauenhaus‹ verbindet und »fünftausend Ellen« (also rund 2,5 Kilometer) lang ist (IV, 772). Östlich von dieser Allee liegen die Gärten und Villen der Vornehmen (IV, 773), der »locker und lieblich wohnenden Reichen« (IV, 767). Dort befindet sich auch Potiphars Anwesen. In den »ausgedehnten Quartieren des armen Volkes« dagegen sind die Gassen gerade so »eng, krumm, schmutzig und übelriechend«, wie sie es überall sind »unter diesem Himmelsstrich« (IV, 771).

Am westlichen Ufer des Nils liegt Amenhoteps III. großer Palast Merimat in »lichter Pracht« (V, 972), ansonsten aber ist das Westufer der Stadt der Toten mit ihren Gräbern und Totentempeln vorbehalten. Doch beherbergt die Totenstadt nicht nur Tote, sondern auch Lebende, »die dort von ernsten Berufes wegen wohnten, weil sie zum Dienste der Abgeschiedenen, die über das Wasser gefahren waren, in irgendeiner handwerklichen oder kultischen Beziehung standen« (IV, 773).

Die Stadt ist sehr groß. In ihr leben einige hunderttausend Menschen (IV, 773), ein bunt gemischtes Volk unterschiedlicher Herkunft, so dass Joseph und die Midianiter nicht auffallen, »Fremdheit [war] hier alltäglich« (IV, 774). Hinzu kommen Händler aus allen Weltgegenden. Die Straßen und Gassen sind angefüllt mit Menschen aller Hautfarben und in unterschiedlichsten Trachten (IV, 775 f.). Auf den großen Straßen wie der ›Straße des Chonsu‹ (IV, 776) sieht Joseph prachtvolle Wagen der Vornehmen, vergoldete Sänften und eine Tempeltruppe des Amun (IV, 777).

Joseph und die Midianiter übernachten in einer einfachen Herberge, in dem von einem Chaldäer betriebenen »Sipparer Hof«. Am nächsten Morgen ziehen sie in das östliche Villenviertel vor Potiphars Haus, um Joseph zu verkaufen (IV, 778 ff.).

Vgl. Karte von Ägypten. – Die Beschreibung Thebens stützt sich u.a. auf Erman/Ranke (25-27). – Abb.: (1) Dreiheit von Theben auf dem Papyrus Harris. – (2) Pylon vom Chons-Tempel in Karnak. – (3) Widder-Sphinx-Allee bei Karnak.

Letzte Änderung: 10.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück