Eset (Isis)

Eset oder Isis, Schwester und Gattin des Usir (Osiris) und Mutter des Horus, ist neben Hathor die ägyptische Entsprechung der babylonischen bzw. westsemitischen Ischtar-Astarte als Liebes- und als Muttergöttin.

Die Legende von Usir und Eset wird im Roman in einem Jaakobs-Traum von Anubis erzählt (IV, 288-293): Usir und Eset, Set (Seth) und Nebthot (Nephthys) sind Geschwister und zugleich ehelich verbundene Paare. Eines Nachts zeugt Usir, im Glauben, seine Gattin Eset zu umarmen, mit seiner Schwester Nebthot den Anubis, erst am Morgen bemerken beide ihr »Versehen« und fliehen entsetzt voneinander. Set entdeckt den Ehebruch und verfolgt seinen Bruder, lockt ihn in eine »Lade«, wirft ihn in den Nil und wird alsbald »König aller Länder auf dem Throne Gebs«. Später zerreißt er den toten Bruder in vierzehn Stücke, und Eset, Nebthot und Anup suchen klagend nach den Teilen des Toten, die sie auch finden bis auf eines, »sein heilig Geschlecht«. Sie setzen den Körper wieder zusammen, ersetzen das fehlende Teil durch eine »Nachbildung aus Sykomorenholz« und wickeln den Toten. Schließlich empfängt Eset, in der Gestalt eines Geierweibchens über dem Gewickelten schwebend, von dem toten Gatten den Horus, denn, so Anubis, »im Geschlecht ist der Tod und im Tod das Geschlecht, das ist das Geheimnis der Grabkammer, und das Geschlecht zerreißt die Wickelbinden des Todes und steht auf gegen den Tod«. Der träumende Jaakob findet die Geschichte »unflätig«: »Da tut man am besten, zu erwachen« (IV, 293).

Potiphars Eltern Huij und Tuij verstehen sich als Wiederholung des geschwisterlichen Ehepaars Usir und Eset (IV, 862, 865, 867) und nennen ihren Sohn »unseren Hor« (IV, 867). Ihre Schwiegertochter Mut-em-enet vergleicht sich in ihrer Liebesraserei der Isis mit der Geierhaube (V, 1165, 1175, 1208). Auch Joseph-Osarsiph sieht in ihr mehr als einmal das Geierweibchen und vergleicht sich selbst dem toten Osiris (V, 969, 1085, 1129).

Als Mutter des Horus ist Eset Imago aller Mütter des jeweiligen ›Hor im Palaste‹, der Mütter der Pharaonen. Echnatôns Mutter Teje wird mehrfach als Isis tituliert (V, 976, 1375). Bei öffentlichen Auftritten trägt sie die Geierhaube der Isis, und das verzückte Volk ruft in ihr die »Gottesgebärerin« und (auf Hathor verweisend) die ›himmlische Mutterkuh‹ an (V, 976). Tejes Regentschaft ist von mütterlicher Sorge um das praktische Wohl des Landes geprägt und erscheint Echnatôn als »Fittich der mütterlichen Nacht«, nach dem er später, als regierender Pharao, »Heimweh« hat. Denn er selbst hat zum Leben und seinen »heilig-notwendige[n] Vorgänge[n]« keine Beziehung, hält sie für Frauensache, eine Überzeugung, die ihm »wohl der Geist Ägyptenlandes selbst, der Isisglaube der Schwarzen Erde [...] einflößte« (V, 1384 f.).

Obwohl Jaakob dem »äffischen Ägypterland« mehr als distanziert gegenübersteht, nutzt er doch bei seiner Werbung um Rahel den Vergleich mit ägyptischen Göttinnen für Komplimente. Sie sei »reizend wie Hathor von Ägypterland, wie Eset, schön wie eine junge Kuh«, sagt er ihr. Der Erzähler findet das galant  (IV, 257; vgl. auch 264). – Nachdem Rahel Joseph zur Welt gebracht hat, versteift Jaakob sich darauf, in ihr »eine himmlische Jungfrau und Muttergöttin zu sehen, eine Hathor und Eset mit dem Kind an der Brust – in dem Kinde aber einen Wunderknaben und Gesalbten, mit dessen Auftreten der Anbruch gelächtervoller Segenszeit verbunden war« (IV, 349).

Der Erzähler selbst vergleicht sein erzählerisches Unternehmen mit Esets (und Ischtars) Unterweltsfahrt: Sein Gegenstand sei das  »Menschenwesen«, das er »in der Unterwelt und im Tode« aufsuche, »gleichwie Ischtar den Tammuz dort suchte und Eset den Usiri, um es zu erkennen dort, wo das Vergangene ist« (IV, 53 f.).

Die Verschwörung gegen Echnatôns greisen Vater Amenhotep III. (V, 1347-1352) wird in der ›Geschichte von Isis und Re‹ gespiegelt (V, 1348 f.). Darin ist ein greiser König Ägyptens, dem Isis seinen ›letzten und geheimsten Namen‹ entlockt, um dadurch Gewalt über ihn zu gewinnen. Sie erschafft einen »stechenden Wurm« (offenbar den Skorpion), dessen Stich Rê zur Preisgabe seines Namens zwingt. Danach heilt sie ihn von dem Stich, »doch genas er nur kümmerlich [...] und wählte bald darauf das himmlische Altenteil« (V, 1349).

Eset gehört neben Amun, UsirAnup, Chnum, Thot, Set und Ptach zu den Göttern, deren Gedächtnis Echnatôn ausradieren möchte (V, 1812).

Band IV: 53, 75, 257, 264, 290-293, 349, 732, 753, 756, 772, 862, 865, 867.
Band V: 968, 976, 1085, 1129, 1154, 1165, 1175, 1208, 1244, 1348-1352, 1375, 1384 f., 1402, 1412, 1812.

Die durch den sog. ›Papyrus Turin‹ überlieferte Geschichte von Isis und Re kannte TM vermutlich aus Erman/Ranke (300-304). – Isis und Hathor sind nah verwandte Gottheiten, das ist wohl der Grund, warum Jaakob bei seiner Courmacherei stets beide zusammen nennt. – Abb: Isis mit der Geierhaube.

Letzte Änderung: 02.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück