Singer, Menuchim
Das jüngste der vier Kinder von Mendel und Deborah Singer. Als Säugling liegt er in einem Korb, der von der Decke des einzigen Raumes der Familie hängt, und stört mit seinem Krächzen Mendels Unterricht. Mit einem Jahr beginnen seine Krampfanfälle und es wird deutlich, dass er sich nicht normal entwickelt: »Sein großer Schädel hing schwer wie ein Kürbis an seinem dünnen Hals […]. Seine Beine waren gekrümmt und ohne Leben wie zwei hölzerne Bögen« (6). Doch seine Eltern glauben daran, dass es sich auswachsen werde. Erst der Doktor Soltysiuk, der wegen der Pockenimpfung in das Dorf kommt, diagnostiziert, dass das Kind ein »Epileptiker« sei, Heilung sei aber möglich, denn er sieht »Leben in seinen Augen« (7). Doch Mendel will ihn nicht in ein russisches Krankenhaus geben, wo er fern vom jüdischen Glauben aufwachsen würde. Stattdessen sollen die Geschwister sich um ihn kümmern, die sich jedoch schämen, das schwere, bewegungsunfähige Kind herumzutragen, und ihn schließlich in einer Ecke liegen lassen. Dort spielt er mit »Hundekot, Pferdeäpfeln, Kieselsteinen«, die er sich in den Mund steckt, und wird von seiner Schwester Mirjam, die ihn trösten soll, noch zusätzlich gequält (13). Schließlich versuchen die Geschwister sogar, ihn in einer Regentonne zu ertränken, doch er überlebt alles, ein »mächtiger Krüppel« (14).
Zehn Jahre später hat er laufen gelernt, kann jedoch außer dem Wort ›Mama‹ nichts sagen. Als Mendel und Deborah sich entschließen, nach Amerika zu gehen und Menuchim bei der jungen Familie Billes zurückzulassen, und beginnen, alles zusammenzupacken, bekommt er Angst: »Er war ein Idiot, dieser Menuchim! Ein Idiot! Wie leicht sagt man das! Aber wer kann sagen, was für einen Sturm von Ängsten und Sorgen die Seele Menuchims in diesen Tagen auszuhalten hatte, die Seele Menuchims, die Gott verborgen hatte in dem undurchdringlichen Gewande der Blödheit!« (65)
Als er Jahre später unter dem Namen Alexej Kossak als berühmter Komponist und Dirigent eines Orchesters in New York auftritt, sucht er seinen inzwischen verwitweten und bei den Skowronneks lebenden Vater auf und erzählt den Anwesenden, dass er als Kind in eine Klinik in St. Petersburg gekommen und dort von seiner Krankheit geheilt worden ist. Danach hat ihn der behandelnde Arzt bei sich zu Hause aufgenommen, wo er begonnen hat, mit Hilfe der Frau des Doktors am Klavier zu komponieren. Der Krieg verhalf ihm dann zu seiner musikalischen Karriere. Er wurde Dirigent in einer Militärkapelle, mit der er einige Male beim Zaren auftrat, und nach der Revolution ging er mit der Kapelle nach England, wo er von einer Konzertagentur unter Vertrag genommen wurde, »und so ist mein Orchester entstanden« (126).
Erst anschließend eröffnet er den Anwesenden, dass er Menuchim ist, und nimmt seinen Vater mit ins Astor Hotel, in dem er untergebracht ist. Dort erzählt er ihm unter vier Augen, dass er sich nur an eine einzige Situation aus seiner Kindheit mit Mendel erinnern könne, nämlich wie sein Vater mit einem Löffel an ein Glas geschlagen habe. Von der Mutter wisse er nur noch, dass es bei ihr »warm und weich« gewesen sei, an die Geschwister hat er keine Erinnerungen behalten (133). Bald darauf fährt er zu Mirjam, um sie mit nach Europa zu nehmen, damit sie dort geheilt werde. Mendel, der auf einer Fotographie sieht, dass Menuchim inzwischen verheiratet ist und zwei Kinder hat, ist stolz auf ihn: »Er war ein wunderbarer Mensch, der Segen ruhte auf ihm, gesund würde er Mirjam machen« (135).