Der Misogyne (1748/1755)

Verfasser: Helmut Berthold

Wumshäter, Zacharias Maria

Der Witwer mit dem sprechenden Namen ist nach der Erfahrung dreier Ehen zum Weiberfeind geworden. Verbittert und rechthaberisch bleibt er dem Vorurteil treu, der Grund allen Übels seien die Frauen.

Mit dem wohlhabenden Bürger Leander, der um seine Tochter Laura wirbt, liegt Wumshäter im Rechtsstreit. Als Leander ihm durch Solbist das Angebot macht, auf seine Rechtsansprüche verzichten zu wollen, wenn er ihm Laura zur Frau gebe, muss er sich nicht lange besinnen (II, 5; LM II, 31). Er ist froh, die Tochter loszuwerden, und sieht sich augenblicklich »von zwey beschwerlichen Dingen auf einmal befreyet; von einem Weibsbilde und einem Processe« (III, 2; LM II, 37). Die Aussicht auf das Ehekreuz, das Leander nach seiner Überzeugung unfehlbar erwartet, stimmt ihn zudem schadenfroh: »Wie soll sie ihm das Leben so sauer machen! Leander, Leander, er soll den Verdruß zehnfach wieder empfinden, den er mir verursacht hat.« (II, 5; LM II, 31)

Seinen Sohn Valer aber, der Hilaria liebt und heiraten möchte, versucht er, vor der Ehe zu bewahren und verweigert ihm seine Zustimmung. Valers vermeintlichen Freund Lelio, der ihm als Bruder von Hilaria vorgestellt wird, schätzt Wumshäter dagegen sehr, ohne zu ahnen, dass es sich in Wahrheit um die in Männerkleidung auftretende Hilaria handelt.

Zu dem Versprechen verleitet, Valer freie Hand zu lassen für den Fall, dass Hilaria ihrem Bruder Lelio vollkommen gleiche (III, 8; LM II, 45), gibt er schließlich resigniert auf, als sich die Identität beider, die sein vorurteilsvoller Blick lange leugnet (III, 4; LM II, 39-41), herausstellt und Valer und Hilaria ihn fußfällig um Verzeihung für ihre Maskerade bitten: »Ich sehe wohl, der Mensch soll verliebt, er soll närrisch seyn. Was kann ich wider das Schicksal? Sey es, mein Sohn, nur auch. Sey närrisch!« (III, 9; LM II, 47) – Auch sein Weiberhass hat am Ende (leichte) Blessuren erlitten. Hilarias Hoffnung auf väterliche Liebe ist zwar zuviel verlangt, aber hassen kann er sie nun nicht mehr: »Daß ich Sie nicht hasse, das wird alles seyn, was ich thun kann.« (ebd.).

Der Name Wumshäter ist eine Verballhornung von engl. ›Woman Hater‹ und Anspielung auf Francis Beaumonts und John Fletchers Komödie »The Woman Hater« (1607).

Laura

Tochter des Wumshäter. Nach Hilarias/Lelios Worten ist sie »munter und schön« (I, 3; LM II, 11). Sie ist ebenso geistreich wie wankelmütig. Anfangs in Leander verliebt, verfällt sie zwischenzeitlich den Komplimenten Lelios, um am Ende doch Leander zu heiraten. 

Valer

Sohn des ›Misogyns‹ Wumshäter. Obwohl er die Vorurteile und Rechthabereien seines Vaters ablehnt, ist er ihm doch gehorsam ergeben. Er liebt Hilaria und versucht, seinen Vater zur Einwilligung in die Heirat mit ihr zu bewegen.

Da Bitten gegen Wumshäters Weiberhass nichts vermögen, rücken Valer und Hilaria seinem misogynen Vorurteil mit einer Maskerade zu Leibe: Hilaria tritt zunächst unter dem Namen Lelio als ihr eigener Bruder auf und erwirbt Wumshäters Sympathie. Valer liegt dem Vater unterdessen mit der Behauptung in den Ohren, seine Hilaria gleiche ihrem angenehmen Bruder Lelio aufs Haar, und provoziert damit schließlich sein Versprechen, ihn von seiner Gehorsamspflicht entbinden zu wollen, »im Falle er die Gleichheit selbst zugestehen muß« (III, 8; LM II, 45). Als der Weiberfeind nach langem Sträuben nicht mehr umhin kann, die Identität des geschätzten Mannes (Lelio) und der verabscheuten Frau (Hilaria) zuzugestehen, ist das Spiel gewonnen.

Hilaria (Lelio)

Geliebte des Valer, der sie als »edel« und »aufrichtig« beschreibt (I, 2; LM II, 7). Sie agiert aber auch spöttisch und kritisch. Es ist ihre Idee, in Männerkleidung und unter dem Namen ihres Bruders Lelio aufzutreten, um Valers Vater, den Weiberfeind Wumshäter, für sich einzunehmen (I, 4; LM II, 12). Tatsächlich erwirbt sie sich dessen Sympathie; dazu genügt es, ihm nach dem Mund zu reden. Valers Schwester Laura macht sie als Lelio so erfolgreich den Hof, dass diese sich vorübergehend in Lelio verliebt.

Als sie Wumshäter ihre Doppelrolle eingesteht, verliert sie augenblicklich die als Lelio erworbenen Sympathien, aber hassen kann der seiner Vorurteilshaftigkeit überführte Misogyn sie nun immerhin nicht mehr: »Daß ich Sie nicht hasse, das wird alles seyn, was ich thun kann« (III, 9; LM II, 47).

Hilaria bedeutet ›Die Heitere‹ (lat. hilarus/hilaris). Lelio/Lélio ist ein gebräuchlicher Liebhabername der Comedia dell’arte und der Pariser Comédie italienne.

Abb.: Darstellung des Lélio in Maurice Sand, Masques et bouffons (Comédie Italienne). Teil I. Paris 1860, S. 337 (Tafel 24). - Bildquelle: WikimediaCommons.

Solbist

Der eitle, großsprecherische und windige Advokat hat einen Nebenerwerb als Kuppler. In dieser Eigenschaft führt er ein Inventar aller unverheirateten Personen der Stadt. Einen »Packt Akten unter dem Arme« und mit einer großen »Zipfelperuque« herausgeputzt (II, 4; LM II, 25), geriert er sich als Künstler und Gelehrter, gibt aber nur burleskes Geschwätz von sich. Seinen Klienten Wumshäter bewegt er im Auftrag Leanders dazu, der Heirat zwischen seiner Tochter Laura und seinem Prozeßgegner Leander zuzustimmen (II, 5).

Die »Spitzenkrause« (II, 5; LM II, 28) und die Gelehrsamkeit prätendierende Attitüde spielen auf die Figur des ›Dottore‹ Balanzone der Commedia dell’arte (bzw. Baloardo der Pariser Comédie italienne) an, die bei der Gestaltung Solbists Pate gestanden haben dürfte. – Eine »Zipfelperuque« ist eine Perücke, »an welcher hinten mehrere haarzipfel oder knoten herabhangen« (Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bde. Leipzig 1854-1960, Bd. 31, Sp. 1560). – Abb: Darstellung des ›Dottore‹ (Baloardo) in Maurice Sand, Masques et bouffons (Comédie Italienne). Teil II. Paris 1860, Tafel 27 (nach S. 26). - Bildquelle: WikimediaCommons.

Leander

Ein wohlhabender Bürger, der mit Wumshäter in einen Prozeß verwickelt ist. Dabei unterscheidet er zwischen Person und Sache, sicher auch, weil er dessen Tochter Laura heiraten will. Er korrespondiert mit Laura, läßt aber zu ihrem Unwillen seine Heiratsabsichten über den Advokaten Solbist bei Wumshäter vortragen. Durch den Verzicht auf seine Rechtsansprüche gegen Wumshäter erlangt er dessen Einwilligung in die Heirat mit Laura (II, 5). 

Lisette

Wie in den meisten Jugendkomödien Lessings das schlaue, freche, mit Urteilsvermögen und gesundem Menschenverstand ausgestattete Dienstmädchen. Es macht ihr großes Vergnügen, den Hausvater und Weiberfeind Wumshäter zu ärgern. Den großspurigen Advokaten und Kuppler Solbist durchschaut sie vollkommen, ebenso wie den Opportunismus Lelios, und auch die Identität von Lelio und Hilaria erkennt sie als erste.