Barnhelm, Minna von
Die zwanzigjährige Minna, Nichte des Grafen von Bruchsall und Verlobte Tellheims, stammt aus einem thüringischen Landesteil Sachsens. Sie ist schön, klug und beherzt, ihre Selbstständigkeit und die Entschlossenheit, ihr Schicksal nicht männlicher Willkür zu überlassen, sind bemerkenswert.
Nachdem Tellheim sie seit dem Ende des Krieges ohne Nachricht gelassen hat, ist sie kurzentschlossen nach Berlin gereist, um ihn zu suchen. Sie findet einen verbissen mit seiner verletzten Ehre beschäftigten Mann (vgl. Tellheim), der sich »einen abgedankten, an seiner Ehre gekränkten Officier, einen Krüppel, einen Bettler« nennt (IV, 6; LM II, 237) und ihr erklärt, sie unmöglich heiraten zu können. Minna ist zwar getroffen von der Egozentrik seines Ehrgefühls, das der Liebe keinen Raum lässt, zweifelt aber dennoch keinen Moment an seiner Liebe.
Mit einer Komödie bringt sie ihn dazu, dieser Liebe in seinem von der Ehrenkränkung ›umnebelten‹ Herzen wieder Platz zu schaffen, indem sie vorgibt, ihr Onkel habe sie wegen ihrer Verbindung mit ihm enterbt, sie sei also genauso mittellos wie er (IV, 6-7). Mit dem sogleich erfolgenden Beweis seiner Liebe (V, 1-5) gibt sie sich allerdings nicht zufrieden. Als ein Handschreiben des Königs ihn rehabilitiert und auch seine Vermögensverhältnisse auf einen Schlag kuriert, konfrontiert sie ihn mit seinen exaltierten Ehrbegriffen, indem sie ihm mit seinen eigenen Argumenten und Worten die Ehe verweigert (V, 9).
Tellheim besteht auch diese Liebesprobe, aber ein gar zu besitzheischender Ton (V, 9; LM II, 256) reizt Minna, den »Scherz« noch weiter zu treiben, »zu weit«, wie sie kurz darauf einsieht (V, 11; LM II, 259), denn nun droht ihr das Spiel zu entgleiten: Als Tellheim erfährt, dass sie seinen Verlobungsring, den er beim Gastwirt versetzt hatte, an sich genommen hat, glaubt er, sie wolle sich seiner auf elegante Art entledigen (V, 10; LM II, 258). Er ahnt nicht, dass Minna ihm den Ring schon längst erneut übergeben hat (IV, 6; LM II, 243), denn er hält diesen Ring für den ihren und muss ihre Weigerung, sich ihn an den Finger stecken zu lassen, missverstehen (vgl. V, 5).
Ihr Mädchen Franciska, die sie zuvor schon einige Male ermahnt hatte, das Spiel zu beenden, kommentiert den Vorgang trocken: »Nun mag sie es haben!« (ebd.). Tatsächlich muss Minna nun rasch alles aufklären, wobei ihr die Ankunft ihres Onkels hilft. Trotz schlechten Gewissens wegen des zu weit getriebenen Spiels, kann sie Tellheims Wunsch, sie möge bereuen, nicht entsprechen: »Nein, ich kann es nicht bereuen, mir den Anblick Ihres ganzen Herzens verschafft zu haben!« (V, 12; LM II, 260)