Vorwort

Ulrich über »große Schriftsteller«: »Aber was haben sie eigentlich gesagt? Kein Mensch weiß es. Sie selbst haben es niemals ganz in einem gewußt. Sie sind wie ein Feld, über dem die Bienen fliegen; zugleich sind sie selbst ein Hin- und Herfliegen [...]. Es ist unmöglich, den Gedanken eines Buchs aus der Seite zu lösen, die ihn umgibt« (114., 574).

Der Autor Musil gibt den Lesern vorausweisende, oft ironische Überschriften der 123 + 38 Kapitel an die Hand. Der Erzähler kennt das Innenleben aller Personen und nimmt wechselnd ihre Perspektiven ein. Er gibt die Zeitdiagnosen (z.B. Kapitel 15), blickt auch gelegentlich voraus (90., 408) oder spricht die Leser warnend an (III, 12.). Zwischen den Roman-Personen finden geistige und seelische Auseinandersetzungen um Sinn und Ziel der Menschen statt, festgemacht an der »Parallelaktion«.

Die Figuren kommen vor allem im Reden zur Geltung und sie werden mit ihren Milieus sprachlich abgebildet, einige in satirischer Absicht: es gibt den legeren Ton der Aristokraten (Leinsdorf), den Kanzleistil der hohen Beamten, den Kasinoton der Offiziere (gemildert bei Stumm), Diotimas gehobenen Salonstil, Ulrichs analytischen oder auch spekulativen Stil und den schwärmerischen von Clarisse. Zur genauen Personencharakteristik gehört die Kleidung, und auch die Körper werden beschrieben, die sich gelegentlich in sexuellen Situationen begegnen. Dagegen kommt Essen nur sehr beiläufig vor, Beschreibungen von Mahlzeiten fehlen.

Die »Parallelaktion«, die dem Untergang »Kakaniens« präludiert, stellt die satirisch geschilderte komische Seite der Ideenkämpfe dar, der Mörder Moosbrugger die dunkle. Stichworte zur »Parallelaktion« sind vor allem bei den Figuren Graf Leinsdorf, Diotima und General Stumm zu finden. Unter den verzeichneten Personen findet sich auch ein Begriff, »Seele«, der in den beiden ersten Teilen des Romans eine wichtige Rolle spielt.

Einige Figuren hatten Modelle in der Realität, so Moosbrugger, Arnheim, Meingast, Feuermaul und der »Großschriftsteller«. Darüber gibt unter anderem Helmut Arntzen Auskunft (1), zu Musil allgemein Matthias Luserke (2). – Näheres zur Gliederung des Romans, zur verwendeten Ausgabe und zur Zitierweise bei den Hinweisen.

Saarbrücken, den 13. April 2009                                Eva D. Becker

 

(1) Helmut Arntzen: Musil-Kommentar zu dem Roman »Der Mann ohne Eigenschaften«. München 1982.

(2) Matthias Luserke: Robert Musil. Stuttgart 1995