Rosny, Mr. de
Vizepräsident der New Yorker Bank, in der Gesine Cresspahl arbeitet. Er gibt ihr den Auftrag, in der ČSSR ein Kreditgeschäft vorzubereiten, und befördert sie vom 10. (11.) in den 16. Stock.
78-82, 84-85 Kommt am 12. September 1967 zurück von einer Dienstreise und bestellt Gesine Cresspahl zum Flughafen Kennedy; sie soll einen Brief übersetzen. Sein Chauffeur Arthur fährt sie zum Flughafen. Sie kennt de Rosny vom Anstellungsgespräch vor drei Jahren und erwartet »einen Weißen, etwa sechzig Jahre alt, ein schwammiggraues, hängendes, undeutliches Gesicht, einen Mann in grauen schlotternden Stoffen«. Der Mann, den sie dann in Empfang nimmt, »ist ein beweglicher Herr in einem Anzug von sehr blauem Leinen, eine hagere bückichte Figur, dem feste Muskeln sein Backenfleisch in Falten aufhängen, ein Sprecher von langen vielförmigen Sätzen«. Gesine begleitet ihn in seine Suite im Waldorf Astoria, wo sie Überstunden macht »für die Übersetzung eines Briefes aus Prag, in polnischem Französisch, über Nachtlokale, Schmalfilm, ein Mädchen namens Maria-Sofia, über Staatskredite auf Dollarbasis«.
419-420 Am 8. Dezember 1967 trifft Gesine den verschlafenen de Rosny im Aufzug. Wenig später übermittelt sein Sekretariat ihr eine Einladung zum Essen.
460-466 Am 16. Dezember 1967 sind Gesine und Marie Cresspahl zu Gast in de Rosnys Privathaus in Connecticut. Arthur holt sie mit de Rosnys Nobelkarosse ab. Sein »Haus ist aufgestellt dicht am Long Island-Sund in einer parkähnlichen Gegend, in der noch die Straßen privates Eigentum sind. [...] Das Haus hat nicht weniger als fünf weiß angestrichene Säulen vor seinen zwei Stockwerken stehen, die nichts halten als den Vorsprung des Daches.« Marie hält »de Rosny, diesen schlaksigen, wetterfesten Herrn, einfach für einen freundlichen Menschen mit besonders glaubwürdigen Umgangsformen. Sie begreift nicht, daß wir von diesem Menschen abhängen.« – Mrs. de Rosny lässt sich nicht sehen, Marie hört sie im ersten Stock »mit ziemlich schwerem Schritt durch ihre Räume« gehen. – Das Gespräch vor dem Essen ist »eine rasante, unbarmherzige Prüfung«, bei der Gesine unter Beweis stellen muss, dass sie »das Finanzsystem der Č.S.S.R. richtig und vollständig verstanden« hat. – Beim Essen interessiert de Rosny sich für Gesines Lebensgeschichte. »Was er abhält, ist ein Verhör. [...] Er will schlicht alles wissen, was ich der Personalabteilung nicht mitgeteilt habe«. – Gesine besteht die Prüfungen: »Offenbar habe ich, alles in allem, die passenden Kenntnisse und das passende Leben für den Fischzug, den unser verehrter Chef de Rosny auf dem osteuropäischen Kreditmarkt vorhat.« – Maries Frage, ob es zutreffe, dass die Banken am Vietnam-Krieg verdienen, stürzt Gesine in Peinlichkeiten; de Rosny beantwortet die Frage mit der »Mühe eines Schauspielers, der den Arzt am Bett eines Schwerkranken darstellen soll«. – Zum Abschied schenkt er Marie eine teure Weihnachtskrippe. Er verpflichtet beide zu Stillschweigen über das Projekt, weist Gesine an, auf Fragen »nach der Haltung der Bank zu Krediten an Länder Osteuropas« zu antworten: »Die Politik des Unternehmens in dieser Richtung ist als nicht aggressiv zu bezeichnen.« – Dabei fällt ihr ein, dass Dmitri Weiszand sie bei einem gemeinsamen Essen am 2. Oktober 1967 zu genau dieser Frage »auszuholen« versucht hat. (Am 30. Januar 1968 versucht er es noch einmal; Gesine gibt ihm die von de Rosny formulierte Antwort; vgl. 658-662).
619-622 Über das tschechoslowakische Projekt.
679-683 Am 5. Februar 1968 ist Gesine in de Rosnys Büro bestellt, das einem Salon gleicht. Er spricht mit ihr über den Vietnam-Krieg statt über das Prager Projekt, äußert Erschütterung über die Erschießung eines gefesselten Vietcong vor laufenden Kameras durch den Polizeichef von Saigon Nguyen Ngoc Loan, die er im Fernsehen gesehen hat. – Gesine informiert ihn über Dmitri Weiszands Versuche, sie über das Prag-Projekt auszuhorchen (vgl. 658-662). De Rosny reagiert auf die Nachricht mit einem bloßen »Tja«, »genüßlich, befriedigt wie über einen gelungenen Plan. Unverhofft war er nicht mehr der gelernte Gastgeber, sondern ein Jäger, der verhängten Blicks, mit listigem Stirnrunzeln die nächste Schlinge auswählt.« Dann gibt er zu, dass er davon weiß, worauf Gesine ihm eine »Standpauke« hält, »sie verbitte sich, daß man sie überwache!«
717-718 Nach Gesines Beförderung und Umzug in ein Büro im 16. Stock der Bank am 13. Februar 1968 besucht de Rosny sie in ihrem neuen Büro, »ein fröhlicher Patenonkel, der an der Freude über seine Geschenke teilnehmen will«.
915-917 Über de Rosnys Charakter, seine Arbeit, seine Sicht auf die Geschäfte mit den Ostblockstaaten, seine Frau.
932-933 Im März 1968 verlangt die Parteizeitung der KPČ von den USA »die Rückgabe von 18,4 Tonnen Gold an die Č.S.S.R.«. Daraufhin reist de Rosny nach Washington und »versucht die Sache sowohl diskret als auch auf Taubenfüßen ins Reine zu bringen«.
980 De Rosnys »Freunde im Finanzministerium scheinen weniger zuverlässig als er wünschen mag. Die Regierung will nicht von sich aus verhandeln über die Rückgabe der tschechoslowakischen 20 Millionen Dollar in Gold«.
1003-1007 Lädt Gesine und Marie Cresspahl am 18. April 1968 zu einem Baseballspiel ins Shea Stadion ein, wo er sich mit einem »Gott namens Rutherford« treffen will. Während er Marie von dem Spieler Willie Mays erzählt, verwandelt er sich »aus dem Mann der Welt in einen kleinen Jungen«. Nachdem er mit Rutherford in einer leeren Loge verhandelt hat, will er den Rest des Spiels nicht mehr ansehen.
1049-1058 Über die Geschichte der Bank, über de Rosnys Werdegang und sein Wirken in der Bank und eine Unterredung über das tschechoslowakische Projekt mit Gesine Cresspahl am 25. April 1968.
1121-1123 De Rosnys Dialog mit dem Praktikanten Henri Roche-Faubourg.
1155-1159 Er beordert Gesine am 13. Mai 1968 zu der Jahresversammlung von Aktionären einer befreundeten Firma, über die sie einen Bericht schreiben soll. Er ist außerordentlich zufrieden mit ihr.
1463-1473 Arbeitsessen mit Gesine Cresspahl und leitenden Angestellten der Bank. »Wie de Rosny es will, läuft es heute wieder einmal ab in der Art einer Prüfung. Ihm scheint kaum tückisch zumute, eher behaglich stellt er sich dar, der Chef, der philosophiert.« – De Rosny aus Gesines Sicht: »Sie sieht da einen Herrn, der hat für seinen Körper gesorgt von Jugend an, an dem wird er nicht sterben. [...] Kaum Falten in der Stirn. Meliertes Haar, aber nicht greisenweiß, dicht, kräftige Bürste. [...] er ist einer von denen, vor denen sind wir gewarnt worden auf der Schule. Er ist das feindselige Geld. Es hat ihn aufgezogen, er dient ihm; er meint nicht die Verbesserung des Sozialismus, wenn er der Č.S.S.R. einen Kredit beschaffen will. Von Politik versteht er, was dem Gelde schädlich ist.«
1516-1521 Lässt Gesine einer Prüfung durch den Lügendetektor unterziehen. »Nie hätte sie für möglich gehalten, daß de Rosny ihr das zumuten würde, es sei denn mit Entschuldigungen. Die Hauptaktionäre mögen es durchgesetzt haben im Vorstand der Bank«. – Am Ende sagt der Mann am Gerät: »In Ihrem Falle habe ich die Erlaubnis, Ihnen die Prozente Ihrer Wahrheitstreue mitzuteilen. Wenn Sie fragen sollten. Ein sehr gebildeter Herr, ein wirklicher Gentleman, so ein französischer Name, de Rosny ...«
1561-1566 Lotst Gesine zu einer Ehrung von Angestellten der Bank, bei der sie selbst ausgezeichnet wird.
1738 Im Zorn über de Rosny, von dem sie sich weiterhin überwacht glaubt, wendet Gesine Cresspahl ihre neu erworbenen Tschechisch-Kenntnisse auf de Rosnys Namen an: »Was alles bedeutet im Tschechischen das Wort hrozný? furchtbar, schrecklich, gräßlich, entsetzlich, schauerlich, grauenhaft, grauenvoll. Und nach welchem Personennamen klingt hrozný? Hrozná doba, die Schreckenszeit. Hrozná bída, namenloses Elend. Hrozná zima, furchtbare Kälte. Hrozné pocasí, schauderhaftes Wetter.«
1745-1746 Nach D.E.'s Tod schickt er Gesine am 7. August 1968 unter dem Vorwand, ihr Büro müsse nach einem Kabelschaden renoviert werden, bis zum 19. August 1968 in den Urlaub (»keine Anrechnung auf Urlaubsanspruch«). Gesines Deutung: »de Rosny hat investiert in diese Angestellte. Für ihn wäre es tatsächlich ein kleiner Verlust, wenn sie kaputt ginge. Eine überlastete Maschine schaltet er für eine Weile ab. [...] Hroznýš, die Riesenschlange! Hrozitánský, ungeheuer!«
Vgl. auch 162. 659. 696. 734. 799. 819-822. 827. 876. 939. 1037-1039. 1132. 1257. 1264. 1312-1314. 1335. 1359. 1446. 1538. 1555-1556. 1579. 1592. 1643. 1734. 1748. 1754. 1766. 1879.