Kurigalzu

Josephs Jugend wird zu Beginn des Romans auf die Regierungszeit des babylonischen Herrschers Kurigalzu datiert: Sie fällt in die Zeit, »als Kurigalzu, der Kossäer, zu Babel saß«. Kurigalzu nennt sich »Herr der vier Gegenden, König von Schumir und Akkad« und ist »ein zugleich strenger und üppiger Gebieter, dessen Bartlöckchen so künstlich gereiht erschienen, daß sie einer Abteilung gut ausgerichteter Schildträger glichen (IV, 10). – Der »Kassit von Babel« hat, wie Jebsche zu berichten weiß, einigen Anlass, »vor dem Priesterfürsten von Assur zu zittern [...], welcher seine Macht aus dem Reiche des Gesetzgebers [d.i. Hammurapi] zu lösen und am Strome Tigris ein besonderes Staatswesen zu gründen strebe« (IV, 77). – Jaakob trägt »gegen den Nimrod von Babel [...] eine tiefe, vom Urwanderer her vererbte Ironie im Herzen« (IV, 343).

Die Titulatur des Königs übernimmt TM vermutlich von Hommels Beschreibung Kurigalzus I. (Hommel, 429). Dessen Regierungszeit datiert Hommel allerdings auf die Zeit um 1570 v. Chr., also weit vor Josephs (vom Erzähler vermutete) Lebenszeit (um 1400). Mit dem ›Kassiten von Babel‹ scheint demnach Kurigalzu II. gemeint zu sein, dessen Regierungszeit nach Hommel auf die Jahre um 1400 fällt (Hommel, 427, Anm. 1, und 435). Meissner (II, 447) datiert seine Regierungszeit auf die Jahre 1407-1389. Für Kurigalzu II. spricht auch, dass er (wiederum nach Hommel) deutlich mehr Anlass hatte, vor Assur zu ›zittern‹: Der assyrische Fürst Bel-Nirârî bereitete ihm um 1390 v. Chr. eine bittere Niederlage (Hommel, 435). 

Die ›Kossäer‹ oder Kassiten, ursprünglich wohl ein Bergvolk aus dem Zagros-Gebirge, drangen nach dem Sturz der altbabylonischen Dynastie (um 1530 v. Chr.) nach Babylonien ein und begründeten die lange Periode der Kassitenherrschaft in Babylon, die bis ca. 1155 v. Chr. dauerte. Jebsches Rede über die Bedrohung des babylonischen Reiches durch Assur spielt auf die wiederkehrenden Kämpfe zwischen Babyloniern, Hethitern und Assyrern um die Vorherrschaft in Mesopotamien an.

Die auffällige Beschreibung der Bartlöckchen des Kurigalzu dürfte durch die zahlreichen Abbildungen babylonischer und assyrischer Herrscher inspiriert sein, die TM in seinen Quellenwerken zur babylonischen und assyrischen Kultur (Meissner I, Bezold, Hommel u.a.) vorlagen (vgl. Abb.).

Abb.: Ausschnitt aus einem (bei Hommel, 457 u.a. abgebildeten) Stich nach einem Kudurru aus der Zeit des Marduk-nadin-ahhe (reg. 1099-1082 v. Chr.). – Näheres zu diesem Bild bei den Bildvorlagen zur Ketônet passîm.

Letzte Änderung: 03.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück