Großmann, Hugo
Untermieter bei Möhrings und Mathildes späterer Ehemann. Zu Beginn der Romanhandlung ist er 26 Jahre alt und Jurastudent vor dem ersten Examen; bei seinem Tod ca. anderthalb Jahre später ist er Bürgermeister im preußischen Provinzstädtchen Woldenstein.
Hugo hat einen schwarzen Vollbart, der ihn älter erscheinen lässt, als er ist; er ist breitschultrig, »und überhaupt so recht das was gewöhnliche Menschen einen schönen Mann nennen« (2/9).
Sein Studium, für das er mit 26 Jahren auch schon recht alt ist, interessiert ihn nicht und das Lernen fürs Examen macht ihm große Mühe. Mathilde stellt schon am ersten Tag fest, dass seine Fachbücher »fast zu gut« eingebunden sind und so »sonntagsch« aussehen, »als ob sie nicht viel gebraucht wären«, während ein Schiller »voller Lesezeichen und Eselsohren« steckt (3/19 f.). Statt der juristischen Fachbücher, die jeden Morgen von einer dünnen Staubschicht überzogen sind, liest er Romane und Theaterstücke, die er mit Bleistiftmarkierungen und Kommentaren versieht. Besonders angetan hat es ihm Calderóns »Das Leben ein Traum« (5/28). Sein Freund Rybinski attestiert ihm, »ganz das schwärmerisch Schwabblige« zu haben, das einen guten Karl Moor abgeben würde (4/25), und Mathilde hält Hugo später in Woldenstein einmal vor: »Du bist immer wie im Traum, Hugo.« (12/92)
Von Beginn an nimmt Mathilde an Hugo seine Schwäche und den Hang zur Bequemlichkeit wahr. Die Bedenkzeit, die er sich ausbittet, bevor er das Zimmer mietet, erkennt sie als bloßes Aufschieben der Entscheidung; sie sagt der Mutter voraus, dass er das Zimmer mieten wird, weil es ihm zu lästig ist, weitere Zimmer zu besichtigen, und »weil er keinen Muck hat, weil er ein Schlappier ist« (2/12). Auch Rybinski warnt seinen Freund Hugo nicht zufällig vor »Schlapperei« und »Bequemlichkeit« (4/26).
Aus dem Gespräch mit Rybinski wird deutlich, dass Hugos verstorbener Vater auch schon Probleme mit seinem Jura-Studium hatte und auf das zweite Examen verzichtet hat, um stattdessen eine Bürgermeisterstelle in einer Provinzstadt anzunehmen (bgl. 4/23). Hugo wird denselben Weg gehen.
Wiewohl selbst aus eher bescheidenen Verhältnissen, ist Hugo nicht frei von Dünkel. So stört ihn an seiner Mutter und seiner Schwester die mangelnde kulturelle Bildung; ebenso ist es ihm unangenehm, mit Möhrings zusammen ins Theater zu gehen. Rybinskis spöttische Bemerkung, er wolle sich bei Mathilde einschmeicheln, kontert er mit den Worten: »So weit sind wir doch noch nicht 'runter.« (4/27) Die alte und etwas ungepflegte Runtschen ist ihm vollends zuwider, was Mathilde jedoch als Ablehnung des Niederen und damit als gutes Zeichen wertet.
Zu seiner Bequemlichkeit und Entscheidungsschwäche gesellt sich eine labile Konstitution, er kränkelt leicht und erholt sich nur langsam. Nach nicht einmal einem Jahr Ehe mit Mathilde stirbt er. Zunächst liefert jedoch seine Masern-Erkrankung den Grund für seine vorübergehende Umquartierung in die Möhringsche Stube, wo Mathilde sich wochenlang um ihn kümmert und ihm vorliest. Am Ende seiner Rekonvaleszenz steht »es bei Hugo fest, daß Thilde die Frau sei, die für ihn passe« (8/45). Denn Hugo hält sich zwar für »einen aesthetisch fühlenden und mit einer latenten Dichterkraft ausgerüsteten Menschen«, ist aber doch auch bescheiden und hat »kein rechtes Vertrauen zu seinem Wissen und Können« (ebd.). Nach wochenlanger Pflege durch Mathilde ist er sich sicher, dass sie genau das hat, was ihm fehlt, und macht ihr den Heiratsantrag. Auch Mathilde ist später davon überzeugt, aus Hugo das gemacht zu haben, was er geworden ist und was er werden konnte – Jurist mit erstem Examen und schließlich Bürgermeister. Sie hält ihn zum Lernen für das Examen an, und auch in Woldenstein ist sie es, die seine Schritte leitet und dafür sorgt, dass er sich einen guten Namen macht und allseits beliebt wird.
Hugo würde sich zwar manchmal eine etwas lebensfreudigere und leidenschaftlichere Frau wünschen, auch merkt er schnell, dass sie den Ton angibt, und spürt das »Unheldische« seiner Situation, andererseits ist er aber froh, jemanden zu haben, der ihn leitet, da es ihm selbst an der nötigen Willenskraft fehlt (11a/74). Auf dem Sterbebett sind seine früheren Bedenken geschwunden, er sieht in Mathilde nun »nichts als die rührige, kräftige Natur, die sein Leben bestimmt und das Bischen was er war durch ihre Kraft und Umsicht aus ihm gemacht hatte« (15/111 f.). Sie wird später darüber sinnieren, ob er vielleicht »lieber nicht hätte heirathen sollen. Er sah so stark aus mit seinem Vollbart, aber er war nur schwach auf der Brust und ich bin ganz sicher, es hat ihm geschadet« (17/123).
Nach Hugos Tod behält Mathilde gegen den Willen ihrer Mutter seinen Namen mit der Begründung, sie sei stolz auf ihren Status als Frau und Witwe. Und doch wird im Hause Möhring von Hugo »selten gesprochen, seine Photographie hängt aber mit einer schwarzen Schleife über der Chaise longue, und 2 mal im Jahre kriegt er nach Woldenstein hin einen Kranz« (17/125).