Marx
Der Halbfranzose mit dem Spitznamen Lavendel – zurückzuführen auf seinen Hang zu Parfum – ist ein junger Mann »von gelblicher Gesichtsfarbe«, mit »schlichtem schwarzen Haar« und »dunklen Augen« (III, 296). Sein Vater ist ursprünglich Schwabe und ein angesehener Gelehrter in Metz; seine Mutter ist Französin. Marx ist kein einfacher Mensch, was insbesondere an seiner Reizbarkeit liegt. Außerdem ist er, wie der Erzähler findet, in unangenehmer Weise und über alle Maßen auf die Bestätigung und Anerkennung anderer aus. Damit geht auch ein überspannter Ehrgeiz einher. Es scheint, als seien diese Charaktereigenschaften – wie auch ein gewisser gesellschaftlicher Hochmut – darauf zurückzuführen, dass er die gesellschaftliche Stellung der Eltern und deren Erziehung zur Gänze verinnerlicht hat.
Dieses Bewusstsein der eigenen gesellschaftlichen Überlegenheit gerät schließlich – und das ist der zentrale Handlungsstrang der Binnenhandlung – in Konflikt mit seiner Liebe zu Linele, einer wenn auch einfachen, so doch tadellosen Handwerkstochter. Zu Beginn der Liebelei scheint er tatsächlich sehr glücklich zu sein, was sich vor allem an seinem zu dieser Zeit brillanten Klavierspiel zeigt. Doch allmählich bedrücken ihn die Unterschiede zwischen sich und Linele immer mehr. Schließlich lässt er offenbar, wie der Erzähler vermutet, Linele sein Standesbewusstsein eines Tages spüren. Das nimmt sie zum Anlass, die Liebschaft zu beenden. Das Lied der Königskinder, das Marx mit seiner Beziehung zu Linele in Verbindung bringt – und das deswegen der Novelle den Titel gibt –, spiegelt Marx’ Empfinden wider, dass seine Liebe von vornherein aussichtslos ist.
Marx, der abgewiesene Liebhaber, betrinkt sich daraufhin in der Stammkneipe der vier Freunde. Er tut dies derart gründlich, dass er von seinen Freunden nach Hause geschafft werden muss. Unterwegs beschimpft Marx einen Soldaten: Er sei ein »dummer deutscher Söldling« (III, 319). Im Rausch, so scheint es dem Erzähler, tritt die »Nationalität der Mutter« eben hervor (ebd.). Diese Episode führt schließlich dazu, dass Marx inhaftiert wird, wobei ihm die Soldaten übel mitspielen. Er hat jedenfalls mit einem juristischen Nachspiel zu rechnen, was bei Marx zu einem regelrechten Verfolgungswahn führt. Außerdem hat er das Gefühl, dass er seine gesellschaftliche Stellung nun endgültig verspielt hat. Das zeigt sich auch an seiner Erscheinung. Sein »Gang wurde schleichend, sein Gesicht magerer und seine Augen größer« (III, 321). Außerdem wird er sehr reizbar.
Schließlich erhält er tatsächlich eine Vorladung vor Gericht, was aus der Sicht des Erzählers begrüßenswert ist, weil Marx so »die Torheit endlich mal los« (III, 325) werden würde. Unterdessen hat Marx selbst sich aber von der Ausweglosigkeit seiner Situation vollends überzeugt. Es ist allein der Selbstmord, der ihm als legitime Lösung erscheint – und den er am 24. Oktober vollzieht. An seiner Beerdigung ist auch Linele zugegen. Wie es scheint, wären Marx’ Eltern mit ihr als Schwiegertochter durchaus einverstanden gewesen. Sie jedenfalls kümmert sich um Marx’ Grab.