Ziemßen, Joachim
Der Hamburger Vetter Hans Castorps, der schon einige Monate auf dem Berghof ist, als er dort ankommt. »Joachim war größer und breiter als er, ein Bild der Jugendkraft und wie für die Uniform geschaffen.« Er ist schwarzäugig und braungebrannt und wäre »geradezu schön gewesen, wenn er nicht abstehende Ohren gehabt hätte« (I, 16). Den preußisch anmutenden Namen trägt er zu Recht: er übt strenge Disziplin, gemäß der »Dienstvorschrift« der Klinik, um sie bald wieder mit der militärischen vertauschen zu können.
»Der redliche Joachim«, dessen Augen einen zunehmend traurigen Ausdruck annehmen (IV, 224f.), wird ohne jede Ironie geschildert. Die Vettern sprechen sich nur mit »du« an, ohne Namensnennung, aus einer gewissen Scheu vor zuviel Intimität. Ihr Umgang miteinander ist freundschaftlich und zurückhaltend.
Anders als Castorp verhält sich Joachim wortkarg und besonnen. Er verbirgt seine Bewegtheit von Marusja, der Hochbusigen mit dem Apfelsinenparfüm, die so gern kichert (III, 112). Er »sah Marusja an – und zwar in einer Haltung, mit einem Augenausdruck, die unmöglich militärisch genannt werden konnten, vielmehr so trüb und selbstvergessen erschienen« (IV, 177).
Joachim scheint diese Neigung als Schwäche, als Verstoß gegen die Disziplin zu empfinden und schämt sich (VI, 225). Nie, bis kurz vor seinem Ende, lässt er etwas davon merken, aber Castorp weiß es durch Sympathie (V, 315); auch lernt Joachim heimlich Russisch.
Joachim hält sich bei seines Vetters Geistesabenteuern getreulich und still an dessen Seite. Settembrini nennt ihn, im Unterschied zu Castorp, »eine respektable, aber einfache und geistig unbedrohte Natur« (V, 467). Bei der Durchleuchtung sieht Castorp Joachims »Grabesgestalt« (V, 332). Im winterlichen September (1908), nach eineinhalb Jahren Aufenthalt reist Joachim ohne Zustimmung des Arztes ab, aber der plötzlich für gesund erklärte Castorp bleibt (VI, 521, 629f.). Bei der Abreise nennt Joachim ihn zum ersten Mal »Hans«, was Castorp als zu gefühlvoll und peinlich empfindet – »komm bald nach!« (VI, 640).
Joachim schreibt glücklich von seinem militärischen Dienst, im April (1909) ist er Leutnant. Aber im Mai wird er wieder krank, und im Juli kehrt er, von seiner Mutter begleitet, zurück (VI, 751 ff.). Nun ist er, der an Kehlkopf-Tuberkulose leidet, »der arme Joachim«. Castorp unterstützt ihn nach Kräften und respektiert seine Scheu. Aber einmal im November bricht Joachim sein Schweigen. Hans sieht, wie er zu Marusja von seiner ordnungswidrigen Liebe spricht (VI, 803f.). Vom nächsten Tag an wird Joachim bettlägerig; »er gehörte der Erde« (801). Seine Mutter kehrt zurück und pflegt ihn. Joachim hat nun einen schwarzen Vollbart und sein Aussehen altert rasch. Der Tod des Leidenden ist still, durch Herzschwäche, wie Behrens vorausgesagt hatte.