Spoelmann, Imma
Tochter von Samuel N. Spoelmann, bei ihrem ersten Aufenthalt im Residenzstädtchen 19 Jahre alt, klein, mit blauschwarzem Haar und übergroßen schwarzen Augen, die »eine ernste, fließende, aber nicht allgemein verständliche« Sprache führen (›Imma‹, 201, vgl. 230 und ›Die Erfüllung‹, 359). Als sie mit ihrem Vater ein Jahr nach seiner Kur zurückkehrt, um zu bleiben, nimmt sie ihr Mathematikstudium – bei Professor Klinghammer – wieder auf.
Klaus Heinrich sieht sie zum ersten Mal, als sie, um den Weg abzukürzen, quer durch eine Gewehr bei Fuß aufgestellte Wachmannschaft des Leibgrenadier-Regiments geht und die Drohung des Unteroffiziers entrüstet zurückweist (›Imma‹, 221 ff.). Die Szene spielt auf eine Begebenheit mit Katia Pringsheim in der Münchener Straßenbahn an (wie denn Imma viele Züge von Katia hat).
Klaus Heinrich trifft Imma im Dorotheen-Kinderspital wieder, dem ihr Vater eine große Spende zukommen ließ. Dort fällt sie durch ihre spöttisch scharfe Redeweise auf, zugleich wirkt sie kindlich (›Imma‹, 234). Sie beobachtet den Prinzen unbefangen (ebd. 233). »Ihre Stimme war doppelt; sie bestand aus einer tiefen und einer hohen, mit einem Bruch in der Mitte« (ebd. 230).
Sie ist immer kostbar und originell gekleidet, auch bei einem Teebesuch, den Klaus Heinrich ihr macht (ebd. 247). Widerspruch, mit behendem Witz, ist ihr Element, so dass er sich schwerfällig vorkommt, – aber er bedarf »der Wehr des Witzes« auch nicht (ebd. 257). Imma hängt treu an ihrem halb wahnsinnigen Hund Perceval und an der gleichfalls geistesgestörten Gräfin Löwenjoul (ebd. 274ff.), deren schweres Schicksal ihr Einsicht in das wirkliche Leben gebe (ebd. 282) – denn auch Imma führt ein Prinzessinnen-Dasein (ebd. 301). Allerdings ein gelehrtes, wie Klaus Heinrich staunend bemerkt, wenn er sie bei ihrer luftig-kühlen Mathematik antrifft (ebd. 250). Sie spricht auch zu ihm über ihren »Makel« – sie sei eine »Quinterone«, denn sie habe durch ihre Ururgroßmutter indianisches Blut im fünften Glied (ebd. 291). Herr von Knobelsdorff erklärt das indianische Blut für »uradlig« (›Die Erfüllung‹, 374).
Endlich fragt sie ihn, was mit seiner verkrüppelten Hand sei, und küßt die Hand, als er vor ihr auf die Knie sinkt und sie »kleine Schwester« nennt (›Imma‹, 313). Danach jedoch kehrt Imma zu der kühlen Haltung zurück, die sie auch ihm als erlernte vorwirft. Aber sie beteiligt sich an seinen neuen volkswirtschaftlichen Studien (›Die Erfüllung‹, 357f.). Sie nimmt auch eine Einladung zum Hofball im November an. Beim Tanz fragt Klaus Heinrich, ob sie nun vielleicht Vertrauen zu ihm gefaßt habe? Ja, antwortet sie, und das ist eine Art von Verlobung. (ebd. 369f.)
Auch Imma bedarf der Erlösung zum Leben – Thomas Mann spielt hier, wie so oft, auf Märchen von H. C. Andersen an, deren Kälte- und Einsamkeitsmotive fast sein ganzes Werk durchziehen (vgl. Kommentar, 141 ff. und die grundlegende Studie von Michael Maar: Geister und Kunst. 1995). Immas Vater schüttet einen Geldsegen über das Land aus und im Mai wird Hochzeit gefeiert. Das Paar bereitet sich auf »ein strenges Glück« vor (›Der Rosenstock‹, 399).
Abbildung aus Hoffmeister/Gernhardt (119) – © Robert Gernhardt.