Rostow, Graf Ilja Andrejewitsch (Ilja Andrejitsch, Elie, der alte Graf)

Ehemann der Gräfin Natalja Rostowa, Vater von Vera, Nikolai, Natascha und Petja, Onkel von Sonja. Er lebt mit seiner Familie teils in dem großen Haus an der Powarskaja-Straße in Moskau, teils auf dem Gut Otradnoje; nur 1809/10 zieht er für einige Monate nach Petersburg, wo die Rostows, anders als in Moskau, als »Provinzler« gelten (2/III,XI,780f.).

Graf Ilja ist ein gutmütiger, nicht eben willensstarker Mensch, »der das Leben liebt und zu leben versteht« (1/I,VII,63). Seine Freude an großzügiger Gastlichkeit und am Glücksspiel sorgt aber auch dafür, dass das größtenteils dem Erbe seiner Frau entstammende Vermögen der Familie mehr und mehr dahinschwindet. Das bereitet ihm zwar zunehmende Gewissensbisse, vermag ihn aber nicht zu entschlossenen Gegenmaßnahmen zu bewegen. Seine äußere Erscheinung ist geprägt von einem fülligem Körper, einem »vollen, vergnügten und glattrasierten Gesicht«, wenigen »dünnen grauen Haare[n]« (1/I,VII,63) und einem »klangvollen tiefen Lachen«, wie es Menschen haben, »die immer gut gegessen und vor allem getrunken haben« (1/I,VII,67). Abgesehen von Fürst Wassili, der ihn für »complètement stupide et ridicule« hält (1/I,XII,88), wird er in der Moskauer Gesellschaft – schon wegen seiner Freigebigkeit – durchaus geschätzt.

Nach der Schlacht bei Austerlitz, im März 1806, organisiert er das Diner zu Ehren Bagrations im Englischen Klub (2/I,II,531), zieht sich bald danach für zwei Jahre aufs Land nach Otradnoje zurück, um Geld zu sparen, was aber nicht gelingt (2/III,XI,780). 1809 geht er mit der Familie nach Petersburg, um sich eine Stelle im Staatsdienst zu suchen (ebd.), offenbar erfolglos, denn schon im Frühjahr 1810 lebt die Familie wieder in Otradnoje. Dort gibt der Graf seine Funktion als Adelsmarschall auf, um die Kosten der damit verbundenen Repräsentationspflichten einzusparen. Auch das kann den fortschreitenden Ruin seiner Vermögensverhältnisse nicht aufhalten, weshalb er Anfang 1811 mit Natascha und Sonja nach Moskau reist, um das Moskauer Haus und ein bei Moskau gelegenes Gut zu verkaufen; die kränkelnde Gräfin bleibt zunächst in Otradnoje zurück (2/IV,XIII,935f.).

In Moskau wohnt Graf Ilja mit den beiden Mädchen bei Marja Dmitrijewna (2/V,VI,968). Anatole Kuragins Versuch, Natascha zu entführen, wird ihm verheimlicht, und obwohl er ahnt, dass sich etwas Schlimmes zugetragen hat, stellt er keine Fragen, »so sehr liebte er seine heitere Ruhe« (2/V,XVIII,1031). Nach Nataschas Selbstmordversuch kommt auch die Gräfin nach Moskau, und die Familie richtet sich für einen längeren Aufenthalt in ihrem eigenen Moskauer Haus ein (3/I,XVI,99). Der Verkauf des Hauses und des Gutes bei Moskau ist auch im Jahr darauf noch nicht gelungen, man erzählt, dass der Graf zuviel Geld haben will (3/II,XVII,263). Am 1. September 1812, einen Tag vor der Besetzung Moskaus durch französische Truppen, verlässt der Graf mit seiner Familie die Stadt (3/III,XVII,467). Zwei Tage später sieht seine Dienerschaft in der Nacht von ferne die ersten Brände in Moskau (3/III,XXX,552). Die Reise führt die Rostows bis Jaroslawl, wo sie im Spätherbst 1812 die Nachricht vom Tod des jüngsten Sohnes Petja erreicht (4/IV,II,841).

Im darauffolgenden Jahr lebt die Familie wieder in Moskau, nun in einer Mietwohnung. Graf Ilja hat die Schicksalsschläge des Jahres 1812 nicht verkraftet. Kurz nach Nataschas Hochzeit mit Pierre im Frühjahr 1813 wird er krank und stirbt nach zweiwöchigem Krankenlager (E/I,V,944f.). Die Schulden, die er seinem Sohn Nikolai hinterlässt, sind »zweimal höher als der Besitz« (E/I,V,945).