Lew Tolstoi: Krieg und Frieden (1867-69)

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Achrossimowa, Marja Dmitrijewna

Freundin der Rostows und Patin Nataschas (2/V,VI,970), eine in der ersten Gesellschaft Moskaus wie Petersburgs für ihre direkten und unverblümten Umgangsformen bekannte, auch »le terrible dragon« genannte Dame, die zwar wegen ihrer Neigung zu Grobheiten heimlich belächelt, gleichwohl allseits verehrt und gefürchtet wird (1/I,XV,101). Sie ist zu Beginn der Geschichte 50 Jahre alt, hat graue Locken, einen fülligen Körper und eine tiefe, laute Stimme, mit der sie ausschließlich russisch spricht (1/I,XV,105). Sie hat vier Söhne, die alle in der Armee dienen (1/I,XVI,111).

Bei dem Fest zum Namenstag Nataschas und ihrer Mutter im Juli 1805 ist Marja Dmitrijewna zu Gast und tanzt mit dem alten Grafen Rostow den ›Danilo Kupor‹ (1/I,XVII,119f.). Zu Beginn des Jahres 1811 wohnen Graf Rostow, Natascha und Sonja bei ihr (2/V,VI,968), sie besorgt mit Natascha deren Aussteuer bei Madame Auber-Chalmé (2/V,VI,970). Sie vereitelt Nataschas Entführung durch Anatole Kuragin, trifft Vorkehrungen, den Vorfall geheimzuhalten, und sorgt mit Pierres Hilfe dafür, dass Kuragin die Stadt verlässt (2/V,XIX,1034f.). Nach Nataschas Selbstmordversuch kommt auch Gräfin Rostowa nach Moskau, und die Familie richtet sich für einen längeren Aufenthalt in ihrem eigenen Moskauer Haus ein (3/I,XVI,99).

Ihren letzten Auftritt im Roman hat Marja Dmitrijewna bei einem Ball in Petersburg im Sommer 1812, wo sie der mit ihren bigamistischen Heiratsplänen beschäftigten Hélène vor allen Gästen drastisch die Meinung sagt (3/III,VII,419).

Akinfi, Vater

Ein Mönch und Geistlicher, dem Prinzessin Marja ihren Wunsch anvertraut, als Wanderpilgerin durchs Land zu ziehen. Er heißt ihren Wunsch gut, und sie besorgt sich heimlich die nötige Ausstattung (2/III,XXVI,853).

Alexander I.

Der »schöne junge Kaiser« (1/III,VIII,430) wird vornehmlich aus der Perspektive seiner Verehrer, etwa Nikolai oder Petja Rostows, charakterisiert, die seine »junge, freundliche Stimme« (1/III,VIII,429) und sein »angenehme[s] Gesicht« in hingebungsvolle Begeisterung versetzen (1/III,VIII,430). Aber auch der Erzähler rühmt seinen »ritterlich-edlen und empfindsamen Charakter« (3/I,V,32).

Alexander I. Pawlowitsch Romanow (1777-1825) regierte von 1801-1825.

Anissja Fjodorowna (Anissjuschka)

Haushälterin und Geliebte des ›Onkels‹ der Rostows, Michail Nikanoritsch, eine »dicke, rotbackige, schöne Frau von etwa vierzig Jahren«, die die Rostowschen Geschwister nach der Parforcejagd im September 1810 mit »gastfreundlicher Würde« bewirtet (2/IV,VII,893) und besonders Natascha tief beeindruckt: »wie schön Anissjuschka aufgetreten ist, wie schön …« (2/IV,VII,901). Auf das Gesicht des ›Onkels‹ zaubert ihr Erscheinen ein glückliches Lächeln (2/IV,VII,893).

Apraxin, Stepan Stepanowitsch

Bekannter Pierres, ein alter, »ihm immer gewogener Bostonspieler«, der ihn bei der Adelsversammlung im Juli 1812 heftig attackiert (3/I,XXII,140).

In den älteren Übersetzungen erscheint die Figur unter dem Namen Adraxin. Die Übersetzerin scheint davon auszugehen, dass es sich um den Generalgouverneur von Smolensk und General der Kavallerie Graf Stepan Stepanowitsch Apraxin (1757-1827) handelt (vgl. Kommentar Bd. 2,1132).

Araktschejew, Graf (Sila Andrejitsch)

General der russischen Armee und Kriegsminister, der nach dem Frieden von Tilsit (1807) neben Speranski engster Berater des Kaisers Alexander bei dessen liberalen Reformplänen ist (2/III,IV,744). In Petersburg hat er den Spitznamen Sila Andrejitsch (2/III,IV,746). Er verbreitet Angst (2/III,IV,746), denn er ist »pedantisch, grausam und unfähig, seine Ergebenheit anders auszudrücken als durch Grausamkeit«, dabei aber selbst ein »Feigling«, der Gefahrensituationen meidet (3/I,V,32). Dass dieser »ungebildete, ungeschliffene« Mann bei einem kultivierten und sensiblen Herrscher wie Alexander I. zu so hoher Position gelangen kann, erklärt der Erzähler damit, dass solche Menschen im »Mechanismus eines Staatsorganismus« gebraucht werden wie »Wölfe im Organismus der Natur« (ebd.). Er ist ein »Mann mit langer Taille, einem länglichen, kurzgeschorenen Kopf und dicken Runzeln, finster zusammengezogenen Brauen über braungrünen, stumpfen Augen und einer roten Hängenase« (2/III,IV,747).

Er behandelt Andrej Bolkonski, der ihn im August 1809 wegen seines Memorandums zum Militärstatut aufsucht, mit demonstrativer Herablassung (2/III,IV,747f.).

Graf Alexej Andrejewitsch Araktschejew (1769-1834) war von 1808 bis 1825 Kriegsminister und enger Vertrauter Alexanders I.

Armfelt

Schwedischer General, Mitglied der Entourage des russischen Kaisers bei der Armee zu Beginn des Vaterländischen Krieges, ein »boshafter Napoleon-Hasser« (3/I,IX,61), in Napoleons Augen ein »Wüstling und Intrigant« (3/I,VI,41). Bei den Beratungen im Hauptquartier an der Drissa im Juni 1812 eröffnet er die Diskussion mit Vorschlägen, die ausschließlich dem Wunsch entspringen, »zu zeigen, dass auch er eine Meinung haben konnte« (3/I,XI,75).

Der aus Finnland stammende schwedische General Gustav Mauritz Armfeldt (1757-1814) trat nach seiner Ausweisung aus Schweden 1811 in russische Dienste, war Mitglied des Reichsrats und setzte sich als Präsident des Komitees für finnische Angelegenheiten für die Belange seiner Heimat ein.

Arzt

Russischer Militärarzt in einem Lazarett in Preußen, in dem Denissow im Frühjahr 1807 liegt. Er warnt Nikolai Rostow, der Denissow besuchen will, vor dem grassierenden Typhus und macht sarkastische Bemerkungen über die schlechte Versorgung des Lazaretts (2/II,XVII,706).

Asch, Baron

Zivilgouverneur von Smolensk, dem Alpatytsch am 4. August 1812 die Briefe des alten Bolkonski und Prinzessin Marjas überreicht. Er lässt dem Fürsten ausrichten, dass er über die Bedrohung der Stadt nicht aufgeklärt worden sei, übergibt Alpatytsch zum Beweis eine Order Barclay de Tollys und bittet Alpatytsch, dem Fürsten seinen Rat zu übermitteln, sich möglichst umgehend nach Moskau in Sicherheit zu bringen (3/II,IV,169).

Kasimir Iwanowitsch Baron von Asch war von 1807 bis 1822 Generalgouverneur von Smolensk (Kommentar Bd.2,1096).

Auber-Chalmé, Madame (Ober-Schelmin)

Inhaberin eines Modehauses in Moskau und »Mittelpunkt der gesamten französischen Gesellschaft Moskaus« (3/III,VI,411). Marja Dmitrijewna nennt sie scherzhaft »Ober-Schelmin« (2/V,VI,970). Natascha kauft bei ihr Ende Januar 1811 fast ihre gesamte Aussteuer. Dass Marja Dmitrijewna sie dabei begleitet, hat Vorteile, denn Madame Auber-Chalmé fürchtet die resolute Dame so sehr, dass sie ihr die Kleider immer mit Verlust überlässt, um sie schnell wieder loszuwerden (2/V,VI,970f.).

Marie-Rose Auber-Chalmé »besaß das größte Modekaufhaus in Moskau Anfang des 19. Jahrhunderts, wo alles, was Rang und Namen hatte, seine Einkäufe machte, der tüchtigen Geschäftsfrau aber auch den Spitznamen ›Oberschelmin‹ gab« (Kommentar, Bd. 1,1098f.).

Auditor

Ein Zivilbeamter, der aus Neugier mit in die Schlacht bei Schöngrabern reitet und mit seinem Kamelottmantel unter den Offizieren eine komische Figur macht (1/II,XVII,312f.).

Baggowut

Ein »alter kampferfahrender ruhiger General« der russischen Armee, der in der Schlacht bei Tarutino ganz gegen seinen Charakter in Zorn über ungerechtfertigte Vorwürfe Tolls gerät und mit nur einer Division seines Korps ins Feuer marschiert, in dem er und viele Soldaten fallen (4/II,VI,699f.).

Karl Fjodorowitsch Baggowut (1761-1812), eigtl. Karl Gustav von Baggehufwudt, schwedisch-baltischer Herkunft, General der russischen Armee, hatte im Vaterländischen Krieg 1812 das Kommando über ein Infanteriecorps, fiel in der Schlacht bei Tarutino.

Bagration, Fürst Pjotr Iwanowitsch

General der russischen Armee, ein kleiner hagerer Mann »mit straffem und unbeweglichem Gesicht orientalischen Typs« (1/II,XIII,292). Im Dritten Koalitionskrieg 1805 hält er die französischen Truppen durch die verlustreiche Schlacht bei Schöngrabern im November 1805 solange in Schach, bis die nachrückenden russischen Truppen mit Kutusows Armee vereinigt sind (1/II,XIV-XXI). Fürst Andrej, der kurz vor der Schlacht zu Bagrations Abteilung wechselt, stellt fest, dass Bagration kaum Befehle erteilt, dabei aber den Eindruck zu erwecken sucht, dass alles, was während der Schlacht geschieht, seinen Absichten entspricht (1/II,XVII,316). Mit zunehmender Gefahr aber verändert sich sein bis dahin unbewegliches Gesicht, er marschiert zu Fuß vor einem Regiment her und überträgt seine Entschlossenheit und Kampfbereitschaft auf die Soldaten, die ihm begeistert folgen (1/II,XVIII,322f.).

Nach der Niederlage von Austerlitz halten die Moskauer Bagration für den wahren Helden der Schlacht und rechnen es ihm besonders hoch an, dass er als Fremder keine Verbindungen hat und »ohne Beziehungen und Intrigen« aufgestiegen ist (2/I,II,536). Im Englischen Klub gibt man ihm zu Ehren ein festliches Diner, dessen Vorbereitung Graf Ilja Rostow übertragen wird (2/I,III-IV).

Im Vaterländischen Krieg 1812 kommandiert Bagration die zweite Armee (3/I,IX,60). Als er den Befehl erhält, sich mit der ersten Armee Barclay de Tollys zu vereinigen und sich Barclays Oberbefehl zu unterstellen, verzögert er die Vereinigung der Armeen, weil er Barclay de Tolly hasst (3/II,I,151f.). Erst bei Smolensk kommen beide Armeen zusammen, und Bagration bittet in einem Brief an Kriegsminister Araktschejew um Versetzung (3/II,I,153f.). Nach dem Verlust Smolensks schreibt er dem Kriegsminister am 7. August 1812 einen weiteren Brief mit bitteren Beschwerden über Barclay de Tolly, dem er die alleinige Schuld am Fall Smolensks gibt (3/II,V,186f.). In der Schlacht bei Borodino wird er verwundet (3/II,XXXV,363). Bald darauf erreicht die Nachricht von seinem Tod Petersburg (4/I,II,594).

Fürst Pjotr Iwanowitsch Bagration (1765-1812), aus Georgien stammender General der russischen Armee, erwarb sich militärische Verdienste in zahlreichen Schlachten, führte im Vaterländischen Krieg 1812 die zweite Westarmee und erlitt während der Schlacht bei Borodino eine Verletzung, an der er einige Wochen später starb.

Balaga

Moskauer Troika-Kutscher, der Dolochow und Anatole Kuragin seit Jahren mit Kutschfahrten zu Diensten ist und dabei Zeuge ihrer üblen Streiche wird, die ihm gefallen. Er geht mit ihnen durch dick und dünn und wird auch für die Entführung Nataschas geordert (2/V,XVI,1021). Er ist ein »stämmiger, stupsnasiger Kerl von etwa siebenundzwanzig Jahren«, hat ein rotes Gesicht, einen roten dicken Hals und blitzende kleine Augen (2/V,XVI,1022). Bei seinen wilden Fahrten bringt er auch mal andere Kutschen zu Fall oder überfährt einen Passanten, was ihm besonderes Vergnügen macht (2/V,XVI,1021).

Balaschow

Generaladjutant Alexanders I. Während eines Balls am 13. Juni 1812 in Wilna überbringt er dem Kaiser die Nachricht vom Übertritt der französischen Armee über den Njemen (3/I,III,22f.). Am darauffolgenden Tag schickt der Kaiser ihn mit einem Schreiben zu Napoleon (3/I,IV,26). Von den französischen Vorposten aufgehalten, wird er schließlich nach Wilna gebracht, das Napoleon inzwischen besetzt hat, und erhält eine Audienz beim französischen Kaiser in demselben Kabinett, aus dem ihn der russische Kaiser einige Tage zuvor verabschiedet hatte (3/I,VI,35). Die Audienz verläuft ergebnislos; Napoleon redet sich in Rage und lässt Balaschow kaum zu Wort kommen (3/I,VI,36-45). Am Abend wird er zum Diner geladen, bei dem Napoleon ihn wie einen Gefolgsmann und Verehrer behandelt (3(I,VII,48). Mit einem belanglosen Antwortschreiben an den Zaren wird er schließlich entlassen.

Alexander Dmitrijewitsch Balaschow (1770-1837) war u.a. Militärgouverneur in St. Petersburg und Polizeiminister. 1812 begleitete er Alexander I. nach Wilna als Generaladjutant.

Barclay de Tolly (Minister)

Deutschstämmiger General der russischen Armee, zeitweilig Kriegsminister, im Vaterländischen Krieg 1812 Befehlshaber der ersten Armee (3/I,IX,60) und zeitweilig Oberkommandierender der Armeen, eine Funktion, die ihm nach dem Verlust Smolensks entzogen und an Kutusow übertragen wird (3/II,VI,192). In der Armee ist er der »unpopuläre Deutsche«, viele hohe Offiziere, darunter besonders Bagration, hassen ihn und intrigieren gegen ihn (3/II,I,151-154). Sein Rückzugsbefehl bei der Schlacht um Smolensk wird ihm von vielen als Verrat verübelt. Andrej Bolkonski, der 1812 unter ihm dient, hält zwar den Rückzug ebenfalls für einen schweren Fehler, widerspricht aber dem Vorwurf des Verrats mit aller Entschiedenheit: Barclay sei ein »rechtschaffener und sehr akkurater Deutscher« (3/II,XXV,306), der »alles so gut wie irgend möglich zu machen« versucht habe, dabei aber als Deutscher nicht verstanden habe, was es bedeutet habe, »dass wir dort zum ersten Mal um russische Erde kämpften«, habe daher den Kampfgeist der Truppen unterschätzt (3/II,XXV,305).

Während der Schlacht bei Borodino lässt Barclay dem Oberkommandierenden die Niederlage melden, was Kutusow zornig zurückweist (3/II,XXXV,365f.). Kutusows Befehl zum Angriff lässt er sich schriftlich geben, um »aller persönlichen Verantwortung enthoben zu sein« (3/II,XXXV,367). Nach der Schlacht und der Aufgabe Moskaus zieht er sich ›gekränkt‹ zurück (4/II,III,687).

Fürst Michail Bogdanowitsch Barclay de Tolly (1761-1818), deutsch-baltischer Herkunft, trat früh in russische Dienste und zeichnete sich in zahlreichen Schlachten aus. 1810 Kriegsminister. Im Vaterländischen Krieg 1812 befehligte er die 1. Armee und war bis zu seiner Ablösung durch Kutusow auch Oberkommandierender. In den Befreiungskriegen 1813-1815 befehligte er die russisch-preußische Armee. Nach der Einnahme von Paris erhob Alexander I. ihn in den Fürstenstand. – Bagration nennt ihn in seinen Beschwerdebriefen über Barclay nicht beim Namen, sondern tituliert ihn als »Minister«.

Basdejew, Makar Alexejewitsch

Der »halbwahnsinnige« Bruder von Ossip Alexejewitsch Basdejew, ein »großer, kahlköpfiger alter Mann« (3/III,XVIII,473). Er lebt auch nach dem Tod seines Bruders weiter in dessen Moskauer Haus, wo Pierre ihn nach seiner Flucht aus seinem eigenen Haus Ende August 1812 antrifft. Einige Tage später macht Makar Alexejewitsch Anstalten, den französischen Hauptmann Ramballe, der sich nach dem Einmarsch der Franzosen in Moskau am 2. September 1812 in dem Haus einquartiert, zu erschießen, was Pierre mit knapper Not verhindern kann (3/III,XXVIII,531).

Basdejew, Ossip (Iossif) Alexejewitsch (Wohltäter)

Einer der »bekanntesten Freimaurer und Martinisten« (2/II,II,617), ein alter Mann, den Pierre Besuchow nach seinem Bruch mit Hélène auf seiner Reise nach Petersburg in der Poststation Torschok kennenlernt und der ihn zur Freimaurerei bringt. Er hat ein Gut nahe Torschok und ein Haus in Moskau, in dem neben Frau und Kindern auch sein »halbwahnsinniger« Bruder Makar Alexejewitsch lebt (3/III,XVIII,473). Im November 1809 besucht Pierre seinen »Wohltäter«, wie er ihn nennt, in Moskau; er lebt in selbstgewählter Armut und ist schwer krank (2/III,VIII,767). Er stirbt zu Beginn des Jahres 1810 (2/V,I,937). Zwei Jahre später, während der französischen Besatzung Moskaus, quartiert Pierre sich für einige Wochen in Basdejews Moskauer Haus ein, in dem nur noch Makar Alexejewitsch und der alte Diener Gerassim leben (3/III,XVIII,475).

Beausset, Monsieur de

Der Präfekt des kaiserlichen Palastes in Paris überbringt Napoleon am Vortag der Schlacht bei Borodino ein Geschenk der Kaiserin, ein Porträt seines Sohnes (3/II,XXVI,317). Napoleon nötigt den von der langen Reise Erschöpften zu einem Spazierritt (3/II,XXVI,319) und trinkt am Abend mit ihm Punsch (3/II,XXIX,328f.). Am Tag der Schlacht muss er den Kaiser schon vor dem Frühstück auf die Schewardino-Redoute begleiten, wo er ihn vergeblich zur Einnahme eines Frühstücks zu bewegen sucht (3/II,XXXIV,358). Von dem ungünstigen Verlauf der Schlacht und der gedrückten Stimmung in der Umgebung des Kaisers bekommt er nichts mit (3/II,XXXIV,359).

Louis-François-Joseph Baron de Bausset (1770-1824) war seit 1805 Palastpräfekt und Kammerherr Napoleons (Kommentar Bd. 2,1133).

Bekleschow

Bekleschow und Uwarow begleiten Bagration in den Englischen Klub, in dem im März 1806 ihm zu Ehren ein Diner stattfindet (2/I,III,540).

Alexander Andrejewitsch Bekleschow (1745-1808), hoher russischer Verwaltungsbeamter, 1804-06 Generalgouverneur von Moskau (Kommentar Bd.2,1133f.).

Belliard

Französischer General, reitet während der Schlacht bei Borodino zu Napoleon und verlangt hitzig eine Division zur Verstärkung (3/II,XXXIV,356).

Augustin Belliard (1769-1832), General der französischen Armee.

Belowa, Agrafjona Iwanowna

Nachbarin der Rostows in Otradnoje, die während Nataschas Krankheit nach Moskau kommt, um zu den Moskauer Heiligen zu beten. Sie nimmt Natascha zu den Messen mit und befördert damit ihre Gesundung (3/I,XVII,106f.).

Belowa, Anna Timofejewna

Ein altes Fräulein, das zu den ständig im Haushalt der Rostows lebenden Gästen gehört (2/IV,VIII,902). Auch nach dem Tod des alten Grafen und der Heirat Nikolai Rostows und Prinzessin Marjas lebt sie im Rostowschen Haus, nun in Lyssyje Gory, und leistet der Gräfin Rostowa Gesellschaft (E/I,IX,964), der sie mit ihrer zunehmenden Taubheit einen willkommenen Vorwand bietet, sich ohne Anlass zu ärgern (E/I,XII,988).

Bennigsen

Deutschstämmiger General der russischen Armee, Gutsbesitzer im Gouvernement Wilna. Im 4. Koalitionskrieg (1806/07) konkurriert er mit Buxhoeveden um die Position des Oberkommandierenden, die ihm nach der Schlacht bei Pultusk zufällt (2/II,IX,651-658), und befehligt die Truppen bei der Schlacht von Preußisch-Eylau (2/II,VIII,649).

Im Juni 1812 findet in seinem Landhaus bei Wilna der Ball statt, auf dem der Kaiser die Nachricht vom Übertritt der napoleonischen Truppen über den Njemen erhält (3/I,III,20). Zu Beginn des Vaterländischen Krieges gehört er zur Entourage des Kaisers im Hauptquartier und steht dort als »vorzüglicher General« für die Ablösung von Barclay de Tolly »immer in Bereitschaft« (3/I,IX,61). Dasselbe gilt nach der Übertragung des Oberkommandos an Kutusow (3/II,XXII). Am Tag vor der Schlacht bei Borodino beobachtet Pierre, der in seinem Gefolge die Stellungen abreitet (3/II,XXII,296), dass Bennigsen Tutschkows Truppen, die nach Kutusows Willen hinter einer Anhöhe im Hinterhalt liegen sollen, eigenmächtig auf die Anhöhe verlegt (3/II,XXIII,298).

Er spricht sich für eine Verteidigung Moskaus aus, um im Fall ihres Misslingens Kutusow die Schuld zuschieben und im Fall ihres Gelingens den Erfolg für sich zu beanspruchen (3/III,III,401). Beim Kriegsrat in Fili lässt er Kutusow und die Generäle wegen eines Diners stundenlang warten (3/III,IV,404). Seit der Schlacht bei Tarutino ist er mit Kutusow »bis aufs Messer verfeindet« (4/II,XVI,745) und korrepondiert regelmäßig mit dem Kaiser (4/II,XVII,746).

Graf Leonti Leontjewitsch Bennigsen (1745-1826), eigtl. Levin August Gottlieb von Bennigsen, entstammte einem hannoverschen Adelsgeschlecht, trat 1773 in russische Dienste, war in verschiedenen Funktionen an den Koalitionskriegen beteiligt, 1807 als Oberkommandierender, im Vaterländischen Krieg 1812 Chef des Generalstabs.

Berg, Alfons Karlowitsch (Alfons Karlytsch)

Russischer Offizier deutsch-livländischer Herkunft, späterer Ehemann von Vera Rostowa. Er ist Gast bei dem Diner zum Namenstag der Gräfin Rostowa im Sommer 1805, ein »frischer, rosiger Gardeoffizier, tadellos gewaschen, zugeknöpft und gekämmt« (1/I,XV,101) und ein ausgeprägter Egozentriker, der sich an Unterhaltungen nur beteiligt, wenn es um seine persönlichen Belange geht, und dann weitschweifig und mit naivem Eifer von seinen Angelegenheiten redet, ohne Spott oder Desinteresse seiner Gesprächspartner zu bemerken (1/I,XV,102f.).

Anfangs Offizier im Semjonowski-Regiment, ist er schon Ende des Jahres 1805 Kompanieführer im Ismailowski-Regiment und dort viel mit Boris Drubezkoi zusammen. Beide haben im Krieg nicht viel auszustehen, weil die Leibgarden des Kaisers kaum Feindberührung haben (1/III,VII,416). Bei der Schlacht von Austerlitz verletzt er sich leicht an der Hand (1/III,XVII,498) und renommiert damit später in Petersburg so wirkungsvoll, dass er dafür sogar Auszeichnungen erhält (2/III,XI,781).

Nachdem er erfolgreich um Vera Rostowa angehalten hat (2/III,XI,781), erweist er sich als harter Verhandler um die Mitgift seiner Zukünftigen (2/III,XI,784f.). Sein »naiver und gutmütiger Egoismus« (2/III,XI,782), die genaue Beachtung der Verhaltensregeln des Militärs (vgl. 1/III,VII,422) und eine ins Groteske gehende restlose Anpassung an die Lebensgewohnheiten der feinen Gesellschaft (vgl. 2/III,XX-XXI) sind die Schlüssel seiner Karriere. 1812 ist er bereits Oberst und trägt den Wladimir- und Annenorden (3/III,XVI,458).

An einer Stelle wird Berg mit dem Vornamen Adolf (statt Alfons) versehen (2/III,XX,819).

Berthier

Stabschef der napoleonischen Armee, nimmt an dem Essen teil, zu dem Napoleon Alexanders Kurier Balaschow geladen hat (3/I,VII,45). Er verhört den gefangengenommenen Lawruschka und bringt ihn zu Napoleon (3/II,VII,196). In der Schlacht bei Borodino hält er sich stets in der Nähe Napoleons auf, der ihn später einen »oison que j’ai fait aigle« nennt (3/II,XXXIV,357). Während des Rückzugs der französischen Armee schreibt er dem Kaiser einen Bericht über den desolaten Zustand der Grande Armée (4/III,XVI,820f.).

Louis Alexandre Berthier, Fürst von Neuchâtel (1753-1815), französischer Marschall und Stabschef der napoleonischen Armeen (Kommentar Bd.2,1134).

Bessier

Nimmt an dem Essen teil, zu dem Napoleon Alexanders Kurier Balaschow geladen hat (3/I,VII,45).

Jean-Baptiste Bessières (1768-1813), französischer Maréchal d'Empire, befehligte im Russlandfeldzug 1812 die Kavallerie.

Besuchow, Graf Kirill Wladimirowitsch

Vater Pierres, ein ›angesehener Würdenträger‹ (1/I,II,18) und einer der »reichsten und schönsten Männer aus den Zeiten Katharinas« der Großen, der zu Beginn der Geschichte in Moskau im Sterben liegt (1/I,VII,64). Selbst noch kurz vor seinem Tod ist er eine imposante Erscheinung mit grauer Löwenmähne und ausdrucksvollem Gesicht (1/I,XX,138), einer »ungewöhnlich breiten Stirn« und einem »schönen sensiblen Mund« (1/I,XX,141). Nach seinem Tod zeigt sich, dass er seinen unehelichen Sohn Pierre legitimiert und ihm damit seinen Titel und sein gesamtes Vermögen vermacht hat, woran auch Fürst Wassili, der durch seine Frau Aline mit ihm verwandt ist und sein direkter Erbe wäre (1/I,VII,67), nichts ändern kann.

Besuchow, Graf Pjotr Kirillowitsch (Pierre, Petruscha, Pjotr Kirillytsch)

Unehelicher Sohn des Grafen Kirill Besuchow, der ihn kurz vor seinem Tod legitimiert, so dass er Titel und Vermögen des Vaters erbt; später Ehemann von Prinzessin Hélene, nach deren Tod von Natascha Rostowa; Freund von Andrej Bolkonski.

Pierre ist erst drei Monate vor Beginn der Geschichte aus dem Ausland zurückgekehrt, wo er auf Geheiß seines Vaters zehn Jahre lang erzogen wurde. Bei Anna Pawlownas Soirée im Juli 1805, mit der der Roman beginnt, erscheint er zum ersten Mal in der Gesellschaft, in der er sich unbeholfen bewegt (1/I,II,18f.) und, die Grenzen der Konversation überschreitend, in hitzige Debatten stürzt. Er ist ein »massiger, dicker junger Mann« mit »kurzgeschorenem Kopf« und Brille, der sich durch seinen »klugen und zugleich schüchternen, beobachtenden und natürlichen Blick« von allen übrigen Gästen unterscheidet (1/I,II,18), die in ihm nur einen ungehobelten Menschen sehen. In den Augen seines Freundes Andrej Bolkonski ist er »der einzig lebendige Mensch […] in unserer ganzen Gesellschaft« (1/I,VI,53), und Prinzessin Marja, Bolkonskis Schwester, die ihn seit Kindertagen kennt, weiß, dass er immer schon »un cœur excellent« gehabt hat (1/I,XXII,163).

In Petersburg, wo er bei Fürst Wassili Kuragin wohnt (1/I,III,28), gerät der Zwanzigjährige in die Gesellschaft Anatole Kuragins und Dolochows, die ihre Zeit mit ausschweifenden Trinkgelagen und allerlei üblen Streichen zubringen. Nach Moskau ins Haus seines sterbenden Vaters zurückgekehrt, sieht er dem Gerangel um das Erbe seines Vaters taten- und verständnislos zu. Dass er schließlich das gesamte Erbe erhält, verdankt er Anna Michailowna, die die testamentarischen Schriftstücke des alten Grafen – aus durchaus eigennützigen Gründen – vor dem Zugriff des Fürsten Wassili bewahrt (1/I,XXI,148 und 150). Dies wie auch die seit Antritt des Erbes allseitige Freundlichkeit der Menschen durchschaut Pierre nicht, nimmt alles für bare Münze und empfindet es als ganz natürlich, »dass alle ihn liebten« (1/III,I,354).

Die Verwaltung seines Vermögens überfordert ihn (1/III,I,352f.), er überlässt sie ausgerechnet Fürst Wassili, der ihn übervorteilt (1/III,I,356) und seine Verheiratung mit seiner Tochter Hélène betreibt. Obwohl Pierre Hélènes »Nichtswürdigkeit« ahnt und undeutlich spürt, dass er sie nicht liebt, sondern nur von ihrer außerordentlichen Schönheit betört ist (1/III,I,363), gibt er seinem Begehren und Kuragins Drängen nach (1/III,II,374). Sechs Wochen nach der Verlobung (November 1805) findet die Hochzeit statt (1/III,II,375). Schon kurz danach betrügt Hélène ihn mit Dolochow (2/I,II,534). Pierre fordert Dolochow zum Duell (2/I,IV,547), bei dem er ihn verwundet (2/I,V,552), bricht mit Hélène, überlässt ihr die Verfügung über den größeren Teil seines Besitzes und geht nach Petersburg (2/I,VI,560).

Auf der Reise dorthin vergräbt er sich ergebnislos in moralische Grundfragen. Der alte Freimaurer Basdejew, den er an der Poststation Torschok kennenlernt, erscheint ihm als Wegweiser in eine »gesegnete, makellose und tugendhafte Zukunft« (2/II,II,617). Kurz darauf wird er in den Freimaurer-Orden aufgenommen (2/II,III-IV,620-652) und macht sich sogleich mit Feuereifer daran, ein tugendhafter Mensch zu werden. Auf einer Monate dauernden Reise besucht er seine Güter und befiehlt den Gutsverwaltern, die Leibeigenschaft aufzuheben und Schulen einzurichten. Da er sich mit den wirtschaftlichen Details nicht befassen mag, wird er von den Gutsverwaltern hintergangen, und die Bauern sind am Ende schwerer belastet als vorher (2/II,X,664-667).

Auf der Rückreise im Frühjahr 1807 besucht er den vom Tod seiner Frau Lise verstörten Andrej Bolkonski auf seinem Gut Bogutscharowo. Die Freunde disputieren über Sinn- und moralische Fragen (2/II,XI,673ff.). Auf dem Weg nach Lyssyje Gory, wo sie Prinzessin Marja und den alten Fürsten Bolkonski besuchen, haben sie auf der Fähre ein intensives Gespräch über das Leben nach dem Tode, das Bolkonski tief berührt (2/II,XII,680-683).

Wieder in Petersburg, rückt Pierre an die Spitze der Petersburger Freimaurer, hat aber immer stärkere Zweifel an der Freimaurerei. Er reist 1809 ins Ausland, um sich mit hochgestellten Vertretern des Ordens in Preußen und Schottland auszutauschen, und konfrontiert seine Ordensbrüder danach mit einem Programm der moralischen und politischen Erneuerung der russischen Gesellschaft, das die Brüder unumwunden ablehnen (2/III,VII,765). Auch sein Mentor Basdejew verwirft seine Ideen und tadelt im übrigen seine Trennung von Hélène (2/III,VIII768).

Hélène, ihre Mutter und ein Logenbruder drängen ihn zur Versöhnung, er gibt schweren Herzens nach und lebt wieder mit seiner Frau zusammen (2/III,VIII,769). Schon bald hat er neuen Anlass, an ihrer Treue zu zweifeln, denn Hélène hat sehr engen Umgang mit Boris Drubezkoi (2/III,IX,772f.). Er nimmt nur sporadisch an ihren zahlreichen Abendgesellschaften teil, widmet sich seinen Lektüren und durchläuft in dieser Zeit, in der er oft und intensiv träumt, eine innere Entwicklung, »die ihm vieles offenbarte und viele geistige Zweifel und Freuden brachte« (2/III,IX,773).

Als Bolkonski sich in Natascha Rostowa verliebt, rät Pierre ihm dringend und fast zornig, Natascha zu heiraten. Sein Loblied auf ihren Charakter verrät, dass er sie ebenfalls liebt, was er hier selbst noch nicht weiß (2/III,XXII,832f.). Nach der Verlobung der beiden und dem fast zu derselben Zeit erfolgten Tod seines Mentors Basdejew verfällt er in Melancholie, zieht sich von den Freimaurern zurück und führt wieder ein ausschweifendes Leben. Um seine Frau nicht zu kompromittieren, geht er nach Moskau (2/V,I,937) und führt dort das früher von ihm verachtete müßige Leben eines Kammerherrn außer Dienst (2/V,I,940). Ein Jahr später folgt Hélène ihm nach Moskau (2/V,VI,970).

Als ihm bewusst wird, dass er Natascha liebt, geht er ihr aus dem Weg (2/V,XIX,1032). Nach ihrer fehlgeschlagenen Entführung durch Anatole Kuragin sorgt er auf Wunsch Marja Dmitrijewnas dafür, dass Anatole aus Moskau verschwindet (2/V,XIX-XX), und gibt der verzweifelten Natascha, die die Verbindung mit Bolkonski gelöst hat, zu verstehen, dass er augenblicklich um ihre Hand anhalten würde, wenn er frei und »der allerschönste, klügste und beste Mensch auf der Welt« wäre (2/V,XII,1049). Nach ihrem Selbstmordversuch kümmert er sich liebevoll um sie. Durch den Umgang mit ihr fühlt er sich von den quälenden Sinnfragen befreit, die ihn vorher bedrängt haben, lebt in einer »Sphäre von Schönheit und Liebe, für die es sich zu leben lohnte« (3/I,XIX,115). Als er spürt, dass Natascha seine Liebe erwidert, stellt er seine häufigen Besuche im Rostowschen Haus ein (3/I,XX,128).

Anfänglich ein glühender Bewunderer Napoleons (1/I,IV,34-39), schlägt Pierres Haltung nach Beginn des Russlandfeldzugs in Hass um, und er versteigt sich zu der Idee, dass er ausersehen ist, den Eroberer zu Fall zu bringen (3/I,XIX,116-118). Er stellt 1000 Mann für die Landwehr (3/I,XXIII,145) und fährt Ende August 1812 als ›Schlachtenbummler‹ zum Kriegsschauplatz, wo er in das Kampfgeschehen der Schlacht bei Borodino gerät (3/II,XXX-XXXII). Er flieht voller Furcht nach Moschaisk (3/III,VIII-IX) und kehrt am 30. August nach Moskau zurück (3/III,X,431).

Zu Hause findet er Hélènes Brief mit der Bitte um Scheidung vor (3/III,XI,438). Um dem »Wirrwarr der Anforderungen des Lebens zu entgehen« (3/III,XXVII,524), verlässt er ungesehen sein Haus (3/III,XI,439) und quartiert sich, während die meisten Moskauer wegen der anrückenden französischen Truppen die Stadt verlassen, in der Wohnung des verstorbenen Basdejew ein (3/III,XVIII,471). Von dessen altem Diener Gerassim lässt er sich einen einfachen Kaftan und eine Pistole besorgen und nimmt sich in einem Zustand seelischer Zerrüttung vor, Napoleon zu töten (3/III,XXVII,525), dessen Truppen am 2. September 1812 in die weitgehend leere Stadt einmarschieren.

Am nächsten Tag, in den Straßen lodern schon die ersten Brände, rettet er ein Kind und wird bei dem Versuch, einer von plündernden Soldaten bedrängten Frau zu helfen, von einer französischen Patrouille festgenommen (3/III,XXXIV,582f.). Man beschuldigt ihn der Brandstiftung (4/IX,632), er wird von Marschall Davout verhört (4/I,X,637f.), muss Hinrichtungen beiwohnen (4/I,XI), die ihn tief verstören (4/I,XII,646f.), und wird schließlich in einen Schuppen mit Kriegsgefangenen gesperrt. Dort lernt er den Bauern Platon Karatajew kennen (4/I,XII,648), dessen Güte und Lebensklugheit seine Verzweiflung an der Welt heilen (4/I,XII,653). In der Gefangenschaft gewinnt er allmählich Spannkraft und Ruhe zurück (4/II,XII).

Als die Franzosen vier Wochen später Moskau verlassen, müssen die Gefangenen mit ihnen marschieren (4/III,XII), geschwächte Gefangene werden am Wegesrand erschossen, darunter auch Karatajew, dessen stummen Ruf Pierre aus Angst ignoriert (4/III,XIV,814f.). In der nächsten Nacht träumt er von ihm (4/III,XV,816f.). Wie Natascha noch viele Jahre später feststellt, »ehrte er keinen [...] Menschen so wie Platon Karatajew« (E/I,XVI,1011).

Am Morgen danach werden die russischen Gefangenen von Partisanen unter der Führung von Denissow und Dolochow befreit (4/III,XV,818f.). Danach wird Pierre krank und liegt drei Monate in Orjol (4/IV,XII,883). Noch am Tag der Befreiung erfährt er von Andrej Bolkonskis und Hélènes Tod (ebd.).

In Orjol fühlt er sich von der quälenden Suche nach einem Lebenssinn entbunden, was ihm ein glückliches Gefühl der Freiheit gibt, und hat nur noch den festen Glauben an Gott, den er in allem Seienden erfährt (4/IV,885f.). Das öffnet ihm den Weg zu einem gelassenen, von Toleranz und Menschenliebe geprägten Blick auf die Menschen und zu einer ruhigen Sicherheit bei Entscheidungen, die ihm bis dahin gefehlt hat (4/IV,XIII,891f.).

Ende Januar 1813 kehrt er nach Moskau zurück (4/IV,XV,897). Er besucht Prinzessin Marja und sieht dort Natascha wieder (4/IV,XV,900). Der Epilog berichtet, dass beide noch im selben Jahr heiraten (E/I,V,944). Sieben Jahre später (1820) haben sie drei Kinder und führen eine glückliche Ehe (E/I,X,975-978; XVI,1007-1013).

Bilibin

Russischer Diplomat am österreichischen Hof, zu Beginn der Geschichte 35 Jahre alt. Er ist schon mit 16 Jahren in den diplomatischen Dienst eingetreten und genießt allseits Hochschätzung. Seine Berichte und Memoranden zeichnen sich durch einen eleganten Stil aus. Er schätzt die geistreiche Unterhaltung und liebt es, seine Rede mit »wohlformulierten originellen, geistreichen Bemerkungen« zu würzen, die dann als vielzitierte Bonmots die Runde machen (1/II,X,266f.). Er hat ein »hageres, ausgemergeltes, gelbliches Gesicht« mit markanten Falten, seine »tiefsitzenden, kleinen Augen« blicken stets »geradeaus und heiter« (1/II,X,267f.).

Nach der Schlacht bei Dürnstein (1805) kommt Andrej Bolkonski als Kutusows Kurier nach Brünn und übernachtet bei Bilibin, den er von Petersburg und von einer Wienreise her kennt (1/II,X, 266). Während des Vierten Koalitionskriegs (1806/07) ist Bilibin Diplomat im Hauptquartier der Armee (2/II,IX,651) und schreibt in einem Brief an Andrej Bolkonski einen bissigen Bericht über die desolaten Zustände im russischen Heer (2/II,IX,651-658).

Einige Jahre später (1812) ist er ständiger Hausgast in Hélènes (franzosenfreundlichem) Salon (3/II,VI,190) und berät sie in der Frage, welchen ihrer beiden Verehrer sie heiraten sollte (3/III,VII,420f.).

Bizki

Mitglied verschiedener Kommissionen und leidenschaftlicher Anhänger Speranskis. Er besucht Andrej Bolkonski am Tag nach dem Silvesterball 1809 und berichtet ihm begeistert von der Eröffnung des Reichsrats. Er gehört zu den Menschen, »die ihre Gesinnung wählen wie ein Kleid – nach der Mode nämlich« (2/III,XVIII,811).

Bolchowitinow

Offizier der russischen Armee, den Dochturow im Oktober 1812 mit der Nachricht zu Kutusow schickt, dass in Fominskoje, wo nur eine kleine französische Einheit vermutet wurde, inzwischen die gesamte französische Armee eingetroffen ist (4/II,XV,742).

Der tatsächliche Name des Kuriers war D.H. Bologowski (vgl. Kommentar Bd.2,1119).

Bolkonskaja, Fürstin Lisa (die kleine Fürstin, Lise, Lisaweta Karlowna) – geb. Meinen

Gattin von Andrej Bolkonski, den sie »im vergangenen Winter« (d.h. etwa ein halbes Jahr vor Beginn der Geschichte) geheiratet hat (1/I,II,15). Sie ist schwanger, ihr Mann bringt sie, bevor er zur Armee geht, nach Lyssyje Gory in die Obhut seiner Schwester Marja und seines Vaters, wo sie nach der Geburt des Kindes, Nikolai, stirbt.

Sie gilt als »la femme la plus séduisante de Péterbourg« (ebd.); ihre Oberlippe mit einem »kaum sichtbaren schwarzen Schnurrbärtchen« ist etwas zu kurz geraten, so dass ihr Mund meist leicht geöffnet ist und ihre »glänzenden weißen Zähne« sehen lässt, ein »Fehler«, der ihr eine »besondere, ihr eigene Schönheit« verleiht (1/I,II,16f.). In ihrer Gesellschaft fühlt jedermann auch sich selbst »besonders liebenswert« (1/I,II,17)) mit Ausnahme ihres Ehemanns, den ihre stets gleichbleibende Lebhaftigkeit und Schwatzhaftigkeit schon nach wenig mehr als einem halben Ehejahr verdrießt (1/I,III,26f.). Sie leidet unter seiner Kälte und beklagt sich im Beisein Pierres bitter über die Veränderung seines Verhaltens (1/I,VI,48f.). Ihre Schwägerin Marja sieht in ihr »ein ganzes Kind, so ein liebes, vergnügtes Kind« (1/I,XXV,183).

Angst und Antipathie bestimmen ihr Verhältnis zu dem alten Fürsten, unter dessen Launen sie in Lyssyje Gory leidet (1/III,III,379). Beim Besuch von Fürst Wassili und Anatole Kuragin lebt sie auf und kokettiert mit Anatole (1/III,IV,396).

Im März 1806 kommt sie mit ihrem Kind nieder und stirbt. Kurz vor ihrem Tod kehrt der totgeglaubte Andrej heim, doch sie kann die Bedeutung seiner Rückkehr nicht erfassen. Ihr Gesicht trägt noch im Tod einen kindlichen Ausdruck des Vorwurfs, als wollte sie sagen: »›Ich habe euch alle geliebt und habe niemandem etwas Schlechtes zugefügt, und was habt ihr mir angetan?‹« (2/I,IX,573)

Bolkonskaja, Prinzessin Marja (Marie, Mascha, Maschenka)

Tochter des alten Fürsten Bolkonski, Schwester von Andrej Bolkonski, Tante des kleinen Nikolai, dessen Betreuung sie nach dem frühen Tod ihrer Schwägerin Lise übernimmt (2/II,VIII,646), später Ehefrau von Nikolai Rostow (seit Herbst 1814).

Prinzessin Marja lebt mit ihrem Vater und ihrer Gesellschafterin Mademoiselle Bourienne auf dem Gut Lyssyje Gory. Sie steht beständig in der Furcht des strengen Vaters, der ihr »ganzes Leben« beherrscht (1/I,XXII,152) und selten ein liebevolles Wort für sie hat. Tag für Tag traktiert er sie mit Mathematikunterricht, dem sie aus Angst vor ihm kaum folgen kann, und begegnet ihr schroff und ungeduldig (1/I,XXII,154f.). Dank ihrer tiefen Religiösität, ihrer ausgeprägten Duldsamkeit und ihrer unerschütterlichen Liebe zum Vater gelingt es ihr, sich mit ihrem freudlosen Alltag zu versöhnen. Ihr einziger Umgang, den sie allerdings vor dem Vater verheimlichen muss, sind ihre »Gottesleute«, Wanderpilger, die hin und wieder bei ihr einkehren (2/III,XXVI,852).

Sie hat einen »unschönen, schwachen Körper« (1/I,XXII,157) und ein wenig anziehendes »kränkliches Gesicht« (1/I,XXII,156), dabei aber Augen, die in bestimmten Momenten »groß, tief und strahlend […] und so gütig« sind, dass von ihnen oft eine größere Anziehungskraft ausgeht als von einem makellos schönen Gesicht (1/I,XXII,157). Da sie von diesem Vorzug selbst nichts weiß, macht sie sich wenig Hoffnung auf Verehrer und vertieft sich ganz in ihr Leben für den Vater und für die Religion.

Als sie dann durch einen Brief von Julie Karagina, einer Freundin »seit Kindertagen« (1/I,XXII,156), von Fürst Wassili Kuragins Plan erfährt, sie mit seinem Sohn Anatole zu verheiraten (1/I,XXII,160f.), und Vater und Sohn im Dezember 1805 tatsächlich nach Lyssyje Gory kommen, bricht ihre verhehlte Sehnsucht nach »irdische[r] Liebe«, Ehe und Mutterschaft hervor (1/III,III,386). Sie verliebt sich augenblicklich in den schönen Anatole (1/III,IV,395), überrascht ihn aber schon am nächsten Morgen bei einem Tête-à-Tête mit Mademoiselle Bourienne. Sie verzichtet in dem Glauben, dem Glück der Bourienne nicht im Weg stehen zu dürfen (1/III,V,406), ohne die Verlogenheit der Bourienne und die Charakterlosigkeit Anatoles zu durchschauen.

In den darauffolgenden Jahren quält der Vater sie immer mehr (2/III,XV,845f.); sie träumt nicht mehr von Liebe und Ehe, sondern von einem Leben als Wanderpilgerin (2/III,XXVI,853). Ein längerer Aufenthalt mit dem Vater in Moskau seit Beginn des Winters 1810/11 beraubt sie der Gespräche mit ihren »Gottesleuten« und verstärkt ihre Einsamkeit, zumal der Vater sie von der Gesellschaft fernhält und junge Männer, die als Heiratskandidaten in Frage kommen, grimmig hinauskomplimentiert (2/V,II,945); seine weiter zunehmende Grausamkeit und seine Bevorzugung der Bourienne setzen ihr hart zu (2/V,II,947).

Die Verlobung ihres Bruders mit Natascha Rostowa missfällt ihr, was sie Natascha bei ihrem Besuch im Moskauer Haus auch spüren lässt (2/V,VII,973). Der kurz darauf folgende Bruch zwischen Natascha und Andrej ist ihr sehr recht (2/V,XXI,1043; 2/V,XXI,1046).

Zurück in Lyssyje Gory, droht schon bald Gefahr durch die von Smolensk her anrückenden Franzosen. Da der alte Fürst sich weigert, Lyssyje Gory zu verlassen, schickt Prinzessin Marja ihren Neffen Nikolai mit seinem Erzieher Dessalles nach Moskau und bleibt bei ihrem Vater (3/II,VIII,201), der kurz darauf, im August 1812, einen Schlaganfall erleidet. Sie flieht mit ihm nach Bogutscharowo. Dabei hat sie mit Gedanken an ein von der väterlichen Fessel befreites Leben und neu erwachenden Wünschen nach Liebe und Glück zu kämpfen, die sie für ein Werk des Teufels hält (3/II,VIII,203f.). Dass der Vater sie sterbend um Verzeihung bittet und ihr Zeichen der Liebe gibt (3/II,VIII,208), verstärkt ihre Gewissensbisse (3/II,VIII,209). Als er stirbt, verliert sie vollends die Fassung (3/II,VIII,211).

Nach der Beerdigung reist sie nach Moskau, nachdem der zufällig hinzukommende Nikolai Rostow ihre aufsässigen Bauern, die ihr keine Fuhrwerke stellen wollen, zur Raison gebracht hat. Dabei verliebt sie sich in ihren Retter (3/II,XIV,244). Da auch Moskau kein sicherer Aufenthalt mehr ist, flieht sie mit ihrem kleinen Neffen weiter und kommt bei ihrer Tante Anna Ignatjewna Malwinzewa in Woronesch unter, wo sie Nikolai Rostow im August 1812 wiedersieht (4/I,VI,616), der sie seinerseits nicht vergessen kann.

Nachdem sie von Nikolai erfahren hat, dass ihr Bruder mit einer tödlichen Verwundung in Jaroslawl bei den Rostows liegt, reist sie mit ihrem kleinen Neffen zu ihm und pflegt ihn zusammen mit Natascha, mit der sie schon bald eine innige Freundschaft verbindet (4/I,XIV-XVI). Nach dem Tod des Bruders zieht sie im Januar 1813 nach Moskau um, begleitet von Natascha, die in Moskau Ärzte konsultieren muss (4/IV,III,847). Dort bekommen sie bald häufigen Besuch von Pierre, der von seinem mehrmonatigen Krankenlager in Orjol ebenfalls nach Moskau zurückgekehrt ist. Pierre gesteht der Prinzessin seine Liebe zu Natascha, sie vermittelt zwischen den beiden Liebenden (4/IV,XIII,917-919), die noch im selben Jahr heiraten.

Im Herbst des darauffolgenden Jahres (1814) heiratet sie Nikolai Rostow. Das Paar lebt mit Marjas Neffen Nikolai, mit der alten Gräfin Rostowa und Sonja in Lyssyje Gory (E/I,VII,954). Sechs Jahre später hat es drei Kinder (E/I,IX,964) und führt ein glückliches Eheleben (E/I,XV).

Bolkonski, Fürst Andrej Nikolajewitsch (André, Andrjuscha)

Sohn des alten Fürsten Bolkonski, Bruder von Prinzessin Marja, Ehemann der ›kleinen Fürstin‹ Lisa, Freund von Pierre. Er zieht 1805 als Adjutant Kutusows in den Krieg und wird bei Austerlitz verwundet. Danach und nach dem Tod seiner Frau lebt er mehrere Jahre auf dem Land, geht 1809 nach Petersburg und nach seiner Verlobung mit Natascha Rostowa im Frühjahr 1810 für ein Jahr ins Ausland. Nach dem Bruch mit Natascha tritt er wieder in die Armee ein und wird in der Schlacht bei Borodino schwer verwundet. Er wird zunächst nach Moskau und von dort im Wagenzug der Rostows nach Jaroslawl gebracht, wo er, nachdem er sich mit Natascha versöhnt hat, stirbt.

Andrej Bolkonski ist ein »nicht sehr großer, recht gutaussehender junger Mann« mit einem »müden, gelangweilten Blick« und »scharfen und abweisenden Gesichtszügen« (1/I,III,26), die sich allerdings in bestimmten Momenten – etwa bei der Begegnung mit Freund Pierre – in »ein überraschend gütiges und angenehmes Lächeln« verwandeln können (1/I,III,27).

Zu Beginn des Romans ist er ungefähr 27 Jahre alt (2/III,III,742) und steht im Begriff, als Adjutant Kutusows zur Armee zu gehen. Seine schwangere Frau bringt er zuvor in die Obhut seines Vaters und seiner Schwester Marja nach Lyssyje Gory. Er ist ihrer schon nach einem halben Ehejahr überdrüssig und begegnet ihr kühl und distanziert. Wie er Pierre gesteht, bereut er die Eheschließung, sieht sich aller Entfaltungsmöglichkeiten beraubt, weil alles, was »gut und edel« in ihm sei, »an Nichtigkeiten vergeudet« werde (1/I,VI,50): »Salons, Klatsch, Bälle, Eitelkeit und Trivialität – das ist der Teufelskreis, aus dem ich nicht herauskann.« (1/I,VI,51)

Der Dienst in der Armee verändert seine Gemütsverfassung, von seiner »früheren Blasiertheit, Mattigkeit und Schlaffheit« ist nichts mehr zu bemerken (1/II,III,215). Er ist ehrgeizig, hofft auf Ruhm und einen glänzenden Aufstieg. Am Vorabend der Schlacht bei Austerlitz malt er sich sein persönliches »Toulon« aus und gesteht sich ein, dass er dem Ruhm alles opfern würde (1/III,XII,462f.). In der Schlacht hält er die fliehenden Soldaten eines Bataillons auf, indem er eine sinkende Fahne ergreift und mit Hurrageschrei voranmarschiert (1/III,XVI,490f.). Von einem feindlichen Geschoss getroffen, sinkt er rücklings zu Boden. Der Blick in den »hohen, unendlichen Himmel« verändert schlagartig sein Denken (1/III,XVI,492). Nach der Schlacht findet Napoleon höchstpersönlich den Schwerverletzten und lässt ihn in ärztliche Obhut bringen (1/III,XIX,511). Bolkonski erscheint sein einstiger Held Napoleon nun – unter dem Eindruck der »strengen und erhabenen« Gedanken, zu denen er beim Anblick des »hohen, gerechten und gütigen Himmel[s]« gelangt ist – klein und unbedeutend (1/III,XIX,513).

Nach langer Genesungszeit kehrt er erst unmittelbar vor der Geburt seines Sohnes Nikolai heim (2/I,VIII,570) und erlebt den Tod seiner Frau (2/I,IX,573), der ihn tief verstört (2/I,IX,573f.; 2/II,XII,682f.). Entschlossen, nicht wieder in der Armee zu dienen, übernimmt er das Gut Bogutscharowo, vierzig Werst von Lyssyje Gory entfernt (2/,VIII,646), und bei Beginn des Vierten Koalitionskrieges 1806/07 nimmt er eine Stelle zur Aushebung der Landwehr unter dem Befehl seines Vaters an, der zum Oberkommandierenden der Landwehr für drei Gouvernements ernannt worden ist (2/II,VIII,647). Bei einem Besuch Pierres in Bogutscharowo disputieren die Freunde ausgiebig über Sinn- und moralische Fragen (2/II,XI,673ff.), darunter auch über das Leben nach dem Tode, ein Gespräch, das Bolkonski tief berührt (2/II,XII,680-683).

In den folgenden zwei Jahren arbeitet er auf seinem Gut an der Verbesserung der sozialen Lage der Bauern und realisiert als einer der ersten adeligen Grundbesitzer in Russland die Bauernbefreiung (2/III,I,734). Daneben arbeitet er an einem Entwurf zur Veränderung militärischer Statuten und Reglements (2/III,I,735). Bei alledem hat er die Hoffnung auf persönliches Glück aufgegeben, hält »Frühling und Liebe und Glück« für Illusionen und ist überzeugt, dass sein Leben vorbei und zu nichts mehr nutze sei (2/III,I,736f.). Das ändert sich nach einem Besuch bei den Rostows auf Gut Otradnoje im Frühjahr 1809, bei dem er die 16-jährige Natascha kennenlernt und unfreiwillig ihr nächtliches Gespräch mit Sonja hört (2/III,II,739f.). Schon auf der Rückreise empfindet er plötzlich neue Lebenslust und wünscht sich, wieder Anteil am Leben anderer Menschen zu haben und für sie eine Rolle zu spielen (2/III,III,741f.).

Er gibt sein Landleben auf, reist im August 1809 nach Petersburg (2/III,IV,744), tritt seinen Dienst als Kammerherr wieder an, reicht sein Memorandum zum Militärstatut ein und wird in das »Komitee für das Militärstatut« berufen (2/III,IV,748). Er lernt Speranski kennen, der ihn stark beeindruckt (2/III,V,751f.) und in dem er eine Zeit lang sein Ideal »eines vollkommen vernünftigen und untadeligen Menschen« gefunden zu haben glaubt (2/III,VI,756). Speranski macht ihn zum Abteilungsleiter in der Gesetzgebungskommission (2/III,VI,759).

Nach einer zweiten Begegnung mit Natascha auf dem Silvesterball 1809, bei dem beide sich ineinander verlieben, verändert sich sein Blick erneut: Speranski erscheint ihm nun befremdlich und unangenehm (2/III,XVIII,813f.) und seine Arbeit im Staatsdienst nutzlos (2/III,XVIII,816). Er möchte Natascha heiraten, stößt aber auf die heftige Gegenwehr seines Vaters, der ein Jahr Wartezeit verlangt, das er auf Reisen im Auslang verbringen soll (2/III,XXIII,833f.). Mit Rücksicht auf Natascha, die seinen Antrag gleichwohl annimmt, möchte er das Verlöbnis bis zu seiner Rückkehr geheimhalten, damit sie während der Wartezeit die Freiheit behält, ihr Wort zurückzunehmen (2/III,XXIV,841).

Er kehrt am Tag nach Nataschas Selbstmordversuch nach Moskau zurück (2/V,XXI,1042). Die Nachricht von ihrer Affäre mit Anatole Kuragin trifft ihn tief. Er überspielt seine Gefühle mit kalter Ruhe, auch vor Freund Pierre (2/V,XXI,1045), unternimmt aber in der Folgezeit alles, um Kuragin zu stellen. Er reist ihm nach Petersburg nach, trifft ihn dort aber nicht mehr an, wird Stabsoffizier bei Kutusow in der Moldau-Armee, der auch Kuragin beigetreten ist, verfehlt ihn aber auch dort (3/I,VIII,50f.). Schließlich verdrängt er den Schmerz, stürzt sich in die Arbeit in Kutusows Stab, um zu vergessen (3/I,VIII,51).

1812 lässt er sich in die Westarmee versetzen, um am Vaterländischen Krieg teilzunehmen. Auf dem Weg dorthin sieht er seinen Vater bei einem Besuch in Lyssyje Gory zum letzten Mal (3/I,VIII,52), gerät mit ihm aneinander und reist unversöhnt ab (3/I,VIII,58). Im Juni 1812 trifft er im Hauptquartier an der Drissa ein, wo er nun Barclay de Tolly untersteht (3/I,IX,59). Er wird Kommandeur eines Jägerregiments (3/I,XIX,119). Mit seiner kritischen Sicht auf die Planungen des Kriegsrats fungiert er als Sprachrohr des Erzählers (vgl. (3/I,XI,79f.; 3/II,XXV,306-308). Eine Rückkehr in den Stab, die Kutusow, nun Oberkommandierender, wünscht, lehnt er ab (3/II,XVI,255).

Am Vorabend der Schlacht bei Borodino lässt er sein Leben Revue passieren (3/II,XXIV,300-303), wobei ihn der unverhoffte Besuch Pierres (3/II,XXIV-XXV) eher stört als erfreut. In der Schlacht wird er schwer verwundet (3/II,XXXVI,372). Im Feldlazarett liegt er neben Anatole Kuragin, dem ein Bein abgenommen wird; sein Hass auf den Nebenbuhler ist geschwunden, er empfindet Mitleid mit ihm und Liebe zu Natascha (3/II,XXXVII,378f.).

Er wird nach Moskau gebracht, verbringt die Nacht, ohne es zu wissen, im Haus der Rostows, die im Begriff stehen, Moskau wegen der anrückenden französischen Truppen zu verlassen; am nächsten Tag schließt sich seine Kalesche dem Wagenzug der Rostows an, wovon zunächst weder er noch Natascha Kenntnis haben. In seinen nächtlichen Gedanken und Fieberphantasien entwickelt sich die versöhnliche Grundstimmung, die ihn beim Anblick des leidenden Kuragin überkam, weiter zu einer religiös grundierten, von Liebe, auch Feindesliebe bestimmten Haltung, die er als ein »neues Glück« empfindet (3/III,XXXII,562) und die ihn befähigt, die »Grausamkeit« zu erkennen, die sein Bruch mit Natascha bedeutet (3/III,XXXII,564). Als Natascha seine Gegenwart schließlich entdeckt und ihn aufsucht, ist er zutiefst beglückt (3/III,XXXII,565f.).

Fortan weicht Natascha nicht mehr von seiner Seite, sie übernimmt seine Pflege, zuletzt, in Jaroslawl, gemeinsam mit Prinzessin Marja. Nataschas Gegenwart weckt noch einmal den Lebenswillen des Leidenden, doch ein Todestraum (4/I,XVI,675f.) entfernt ihn endgültig vom Leben und nimmt ihm die Angst vorm Tod, der einige Tage später eintritt (4/I,XVI,677).

Bolkonski, Fürst Nikolai Andrejewitsch (Nikolai Andrejitsch; der alte Fürst, »König von Preußen)

Vater von Fürst Andrej und Prinzessin Marja. Der ehemalige General en chef, der in der Gesellschaft den Spitznamen »le roi de Prusse« trägt, wurde von dem vorigen russischen Kaiser Paul aufs Land verbannt; seither – und auch nach der Aufhebung der Verbannung durch Alexander I. – lebt er mit seiner Tochter und deren Gesellschafterin Mademoiselle Bourienne auf seinem Gut Lyssyje Gory, 150 Werst von Moskau entfernt (1/I,XXII,151). Dort beschäftigt er sich mit der Niederschrift seiner Memoiren, mit Aufgaben der höheren Mathematik, mit dem Drechseln von Tabaksdosen, mit Gartenarbeit und mit immer neuen Bauprojekten auf seinem Besitz, für die er den Architekten Michail Iwanowitsch angestellt hat (1/I,XXII,152). Während des Vierten Koalitionskriegs 1806/07 ist er als Oberkommandierender der Landwehr seines Gouvernements viel auf Reisen, den Winter 1810/11 verbringt er in seinem Moskauer Haus, danach lebt er wieder in Lyssyje Gory, wo er im August 1812 einen Schlaganfall erleidet. Er stirbt am 15. August 1812 in Bogutscharowo.

Fürst Nikolai ist klein von Gestalt und rüstig, der Glanz seiner »klugen und jugendlich funkelnden Augen« unter den buschigen Augenbrauen verrät einen wachen Geist; er trägt eine gepuderte Perücke (1/I,XXII,151) und »nach alter Sitte« einen Kaftan (1/I,XXIII,173). Wenn er lacht, so stets nur mit dem Mund, nicht mit den Augen (1/I,XXIV,178). In seinem Haus führt er ein strenges Regiment, behandelt die Menschen in seiner Umgebung »barsch und gleichbleibend anspruchsvoll« und flößt ihnen damit Furcht und Respekt ein (1/I,XXII,152). Das gilt auch für seine Tochter, deren Leben er vollständig bestimmt und die er, obgleich er sie liebt, schroff und lieblos behandelt (1/I,XXII,154f.). Egoismus, Eifersucht und der Wunsch, nicht von seiner Tochter getrennt leben zu müssen (1/III,V,399f.), bewegen ihn dazu, mögliche Heiratskandidaten möglichst umgehend zu vergraulen (1/III,IV,392f.; 2/V,II,945). Mit zunehmendem Alter steigert sich seine Lieblosigkeit zu Grausamkeit (vgl. 2/III,XXV,845f.; 2/III,XXVI,851f.; 2/V,II,947f.), die der Erzähler gleichwohl als Ausdruck verhehlter Vaterliebe verstanden wissen will (2/V,II,947).

Auch das Verhältnis zum Sohn ist ambivalent, changiert zwischen Vaterstolz, Sorge und Rücksichtslosigkeit. Er missgönnt Andrej ein neues Glück mit Natascha, macht ein Jahr Wartezeit zur Bedingung für seine Zustimmung zur Eheschließung (2/III,XXIII,833f.) und brüskiert Natascha bei ihrem Antrittsbesuch in Moskau mit einem alle Regeln des Anstands missachtenden Auftritt (2/V,VII,974f.). Als Andrej ihm bei seinem letzten Besuch in Lyssyje Gory seinen üblen Umgang mit Prinzessin Marja und sein Kokettieren mit Mademoiselle Bourienne vorhält, wirft er ihn wutschnaubend aus dem Haus (3/I,VIII,55).

In den letzten Monaten seines Lebens leidet er unter zunehmender Unruhe und Verwirrung, kann nicht schlafen und wechselt ständig seine Schlafstatt (3/II,III,162f.), schreibt an seinem Testament und ist des Lebens überdrüssig (3/II,III,162f.). In den ersten Augusttagen 1812 erleidet er einen Schlaganfall. Prinzessin Marja bringt ihn wegen der bedrohlich näherrückenden Franzosen nach Bogutscharowo (3/II,VIII,202), wo er am 15. August stirbt (3/II,VIII,211). Kurz zuvor bittet er sie um Verzeihung und gibt ihr Zeichen seiner Liebe (3/II,VIII,208).

Bolkonski, Nikolai (Nikolenka, Nikoluschka)

Sohn des Fürsten Andrej Bolkonski und seiner Frau Lisa, die bei der Geburt des Kindes im März 1806 stirbt (2/I,IX,573). Er wächst in der Obhut seiner Tante, Prinzessin Marja, auf, sein Hauslehrer und Erzieher ist der Schweizer Dessalles. Beim Tod seines Vaters ist er sieben Jahre alt (4/I,XV,669f.). Nach der Heirat seiner Tante mit Nikolai Rostow lebt er mit ihr und ihren Kindern auf Lyssyje Gory. Im Epilog begegnet er dem Leser als nun fünfzehnjähriger »magerer Junge […] mit lockigem blondem Haar und wunderschönen Augen, kränklich und gescheit«, der den Freund seines Vaters, Pierre Besuchow, den er ›Onkel‹ nennt, schwärmerisch verehrt (E/I,XII,983f.). Der erste Teil des Epilogs und mit ihm der erzählerische Teil des Romans endet mit einem Angsttraum des Jungen, in dem sein Onkel Nikolai Rostow eine bedrohliche, der Vater dagegen eine tröstliche Rolle spielt, und mit dem Schwur des Erwachten, später eine Heldentat zu vollbringen, mit der »sogar er [der Vater] zufrieden wäre« (E/I,XVI,1013f.).

Bondarenko

Ein Ordonnanzoffizier der Pawlograder Husaren, ein »Chochol« (Ukrainer), der auf Nikolai Rostows Ruf hin »Hals über Kopf« zu ihm stürzt, um sein Pferd nach einem Ritt trockenzuführen, ein Zeichen, »dass der Junker gut Trinkgeld gab« (1/II,IV,222).

Bosse, Vincent (Wessenny, Wissenja)

Französischer Tambour, den Denissows Partisanen Im Oktober 1812 bei dem Dorf Schamschewo gefangennehmen (3/III,III,768), ein ängstlicher Junge, den die Kosaken Wessenny und die Bauern und Soldaten Wissenja nennen (4/III,VII,786). Petja Rostow fühlt sich ihm verwandt und sorgt dafür, dass er etwas zu essen bekommt (4/III,VII,786f.). Denissow behält ihn bei sich und lässt ihm einen Kaftan geben (4/III,VIII,787).

Bourienne, Mademoiselle (Amélie, Amalia Jewgenjewna, Amalia Karlowna)

Gesellschafterin Prinzessin Marjas, eine »hübsche blonde Französin« (1/I,XXIII,169f.) mit einer »angenehm raschen, klangvollen Stimme« (1/I,XXII,167). Sie spricht zwar gelegentlich von ihrer alten, armen Mutter, scheint aber Waise zu sein, als die sie der alte Fürst Bolkonski von der Straße geholt hat (1/I,XXV,185). Prinzessin Marja empfindet sie eher als lästig, verteidigt sie aber nachdrücklich gegen ihren Bruder Andrej, der sie nicht mag (1/I,XXV, 184f.) und ihren Avancen mit Verachtung begegnet (1/I,XXV,189).

Nach dem Muster einer Geschichte, die sie einmal von ihrer Tante gehört hat, träumt die junge Frau davon, eines Tages von einem russischen Fürsten entführt zu werden (1/III,IV,396), und sieht ihre Stunde gekommen, als Anatole Kuragin mit seinem Vater in Lyssyje Gory erscheint in der Absicht, um Prinzessin Marja zu werben. Nachdem die Prinzessin sie beim Tête-à-Tête mit Anatole überrascht hat, spielt sie die Zerknirschte (1/III,V,403f.), und Prinzessin Marja, die das Spiel nicht durchschaut, verzichtet, weil sie glaubt, dem Glück ihrer ›Freundin‹ nicht im Wege stehen zu dürfen (1/III,V,406).

Auch später lässt sie jegliche Loyalität gegen Prinzessin Marja vermissen. Als der alte Fürst ihr, um seine Tochter zu quälen, Avancen macht (2/III,XXVI,851f.; 2/V,II,947f.) und die Dienerschaft anweist, sie bei Tisch vor Prinzessin Marja zu bedienen (2/V,II,948), spielt sie das Spiel bereitwillig mit. Auch entwendet sie heimlich Nataschas Absagebrief an Prinzessin Marja und übergibt ihn dem alten Fürsten (2/V,XXI,1042). Dennoch bleibt sie auch nach dem Tod des alten Fürsten im Haus (vgl. E/I,VI,951f.).

Der Vatersname der Figur wechselt von Jewgenjewna (2/V,II,948) zu Karlowna (3/II,X,222).

Brosin

Hauptmann der Infanterie, der, obwohl unschuldig, einen Wutanfall Kutusows über sich ergehen lassen muss, weil die Regimenter bei Tarutino nicht befehlsgemäß ausgerückt sind (4/II,V,694). Dasselbe Schicksal trifft den Offizier Eichen.

Broussier

Französischer General, Kommandeur einer Division, die nach Berichten russischer Partisanen abgetrennt vom Rest der französischen Armee bei Fominskoje liegt (4/II,XV,739). Dochturow erhält den Befehl, sie anzugreifen, erfährt aber unterwegs, dass inzwischen die gesamte Grande Armée bei Fominskoje steht (4/II,XV,741).

Jean-Baptiste Broussier (1766-1814), französischer General.

Buxhoeveden

General der russischen Armee. Beim Kriegsrat vor der Schlacht bei Austerlitz hört der »große, blonde General« der endlosen Verlesung des Schlachtplans nicht zu und »wollte nicht einmal, dass man glaubte, er höre zu« (1/III,XII,458). Im Vierten Koalitionskrieg (1806/07) konkurriert Bennigsen mit ihm um die Position des Oberkommandierenden (2/II,IX,655-657).

Fjodor Fjodorowitsch Buxhoeveden (1750-1811), eigtl. Friedrich Wilhelm Graf von Buxhoeveden, deutsch-baltischer Herkunft, war General der russischen Armee und nach der russischen Annektierung Finnlands 1808 Generalgouverneur Finnlands.

Caulaincourt

Französischer Gesandter in Petersburg, wo er vor allem mit dem frankophilen Kreis um Rumjanzew verkehrt (2/III,IX,770). Er erscheint zum Silvesterball 1809, auf dem er »wie der König persönlich« auftritt (2/III,XV,801). Nach dem Einmarsch der französischen Truppen in Russland 1812 hält er sich in der Entourage Napoleons auf (3/I,VII,45, 47f.; 3/II,XXXIV,356).

Armand Augustin Louis Marquis de Caulaincourt (1772-1827), französischer General und Diplomat, 1807-1811 französischer Gesandter in Petersburg (Kommentar Bd.2,1134).

Chwostikow

Ein ehemaliger Kanzleibeamter, der Dolochow immer bei seinen Spielabenden assistiert und der neben dem ehemaligen Husaren Makarin dazu ausersehen ist, bei der heimlichen Trauung von Anatole Kuragin und Natascha Rostowa als Trauzeuge zu dienen (2/V,XVI,1018).

Claparède

Französischer General, dessen Division Napoleon während der Schlacht bei Borodino als Verstärkung in Marsch setzt, dann aber wieder zurückruft und stattdessen die Division Friant schickt (3/II,XXXIV,357).

Michel Claparède (1774-1841), französischer General, Divisionskommandeur im Russlandfeldzug.

Clausewitz

Vor der Schlacht bei Borodino hört Andrej Bolkonski zufällig Clausewitz mit Wolzogen darüber reden, dass der Krieg »im Raum verlegt werden« müsse, und empört sich über solche überflüssigen, in seinen Augen typisch deutschen »Räsonnements« (3/II,XXV,306f.).

Carl von Clausewitz (1780-1831), preußischer General, trat 1812 für kurze Zeit in russische Dienste und nahm an der Schlacht bei Borodino teil.

Compans, General

Französischer General. In der Schlacht bei Borodino hat er den Auftrag, mit seiner Division die Pfeilschanzen anzugreifen, denen er sich nach eigenem Vorschlag durch den angrenzenden Wald nähern soll, um dann die ersten Befestigungen einzunehmen (3/II,XXVII,320). Der Plan misslingt, weil seine Division beim Austritt aus dem Wald mit Kartätschenfeuer angegriffen wird (3/II,XXVII,323). Später wird gemeldet, dass er beim Angriff auf die Pfeilschanzen verwundet wurde (3/II,XXXIII,353).

Jean Dominique Compans (1769-1845), französischer General.

Czartoryski, Fürst Adam

Russischer Außenminister und neben Nowossilzew, Kotschubej und Stroganow Mitglied des engsten Kreises von Beratern um den russichen Kaiser, den dieser »scherzhaft comité du salut publique« nennt (2/III,IV,744). Andrej Bolkonski und Boris Drubezkoi sehen ihn im Hauptquartier bei Olmütz aus dem Zimmer des Kaisers kommen, einen »nicht sehr großen Mann in Zivil, mit klugem Gesicht und einem etwas scharfen Zug […], der ihm […] eine besondere Lebendigkeit und Wendigkeit des Ausdrucks« verleiht; Bolkonski nennt ihn »einen der bemerkenswertesten, mir aber äußerst unangenehmen Menschen« (1/III,IX,441).

Fürst Adam Adamowitsch Czartoryski (1770-1861), aus polnischem Adel stammender Staatsmann, 1804-1806 russischer Außenminister.

Danilo

Pikeur und Jägermeister der Rostows auf Otradnoje, ein grauhaariger Mann mit einem »Gesichtsausdruck von Unabhängigkeit und Verachtung für alles in der Welt, wie ihn nur Jäger haben« und den er auch gegen seine Herrschaft zeigt (2/IV,III,865). Bei der Parforcejagd im September 1810 fährt er den alten Grafen, der einen vor den Hunden flüchtenden Wolf aufzuhalten versäumt, derb an (2/IV,IV,875).

Danilo Terentjitsch

Ein alter Kammerdiener der Rostows, der die Familie bei ihrer Flucht aus dem von den Franzosen bedrohten Moskau im September 1812 begleitet. In der zweiten Nacht sieht man von ferne Moskau brennen, und der alte Mann bricht in Tränen aus (3/III,XXX,553). 

Davout, Marschall

Französischer Feldherr und Marschall. Der Erzähler nennt ihn den französischen Araktschejew, denn er sei »ebenso pedantisch, grausam und unfähig, seine Ergebenheit anders auszudrücken als durch Grausamkeit«, wie der russische Kriegsminister (3/I,V,32). Im Juni 1812 wird Balaschow, der ein Schreiben Alexanders I. zu Napoleon zu bringen den Auftrag hat, von den französischen Vorposten zu Davout gebracht, der ihn herablassend behandelt und vier Tage warten lässt, bevor er ihn schließlich nach Wilna bringen lässt, wo Napoleon sich inzwischen aufhält (3/I,V,34f.).

Nach der Einnahme Moskaus residiert Davout in einem Adelspalais am Dewitschje Pole. Dort verhört er den gefangengenommenen Pierre, dem es bei seinem Anblick kalt den Rücken hinunterläuft. Nach einem Wortwechsel sehen beide einander einige Sekunden lang in die Augen, »und dieser Blick rettete Pierre« (4/I,X,638).

Louis-Nicolas Davout, Herzog von Auerstaedt, Fürst von Eckmühl (1770-1823), französischer Feldherr und Marschall, gehörte zu den bedeutendsten Generälen der napoleonischen Armee.

Dawydow, Denis

Führer der ersten Partisaneneinheit im Vaterländischen Krieg 1812. Dawydow, so der Erzähler, habe »mit seinem russischen Gespür« als erster die Bedeutung des Partisanenkampfes erkannt, ihm gebühre »der Ruhm des ersten Schrittes zu Legitimierung dieser Kriegsmethode« (4/III,III,765).

Denis Wassiljewitsch Dawydow (1784-1839), russischer Offizier, Militärschriftsteller und Dichter. Dawydow, Held des Vaterländischen Krieges 1812, nahm von 1807 an als Adjutant Bagrations an den Kriegen teil; er war Theoretiker und Initiator des Partisanenkriegs und führte im Vaterländischen Krieg selbst eine Partisaneneinheit (vgl. Kommentar Bd.2, 1135). Dawydow war Tolstois Vorbild für die Gestaltung des Rittmeisters Denissow (vgl. Kommentar Bd.1,1068f.).

Demjan

Haushofmeister des alten Fürsten Bolkonski. Er begrüßt als erster den nach der Schlacht bei Austerlitz totgelaubten Andrej Bolkonski bei dessen nächtlicher Rückkehr nach Lyssyje Gory (2/I,VIII,570).

Denissow, Wassili Dmitrijewitsch (Wassili Dmitritsch, Waska, Wasja)

Rittmeister im Pawlograder Husarenregiment und Chef der zweiten Schwadron, in der Nikolai Rostow dient (1/II,IV,221), mit dem er in freundschaftlicher Beziehung steht. Er ist ein »kleiner Mann mit rotem Gesicht, glänzenden schwarzen Augen, schwarzem zerzaustem Schnurrbart und ebensolchen Haaren« (1/II,IV,223) und hat ein hitziges Temperament.

Während eines längeren Urlaubs im Jahr 1806, den er teilweise in Moskau bei den Rostows verbringt (2/I,I,519), verliebt er sich in Natascha und macht der 14-Jährigen einen Antrag, den sie ablehnt (2/I,XVI,603). Anders als Dolochow lässt er Nikolai diesen Misserfolg nicht entgelten, vielmehr vertieft sich seine Freundschaft zu ihm (2/II,XV,697).

Zurück im Regiment, eignet er sich einen für die Infanterie bestimmten Provianttransport mit Gewalt an, um seine Schwadron zu versorgen, die schon seit zwei Wochen nichts zu essen hat (2/II,XVI,700f.). Als er herausfindet, dass Teljanin, der ihn im Jahr zuvor bestohlen hat, mutmaßlich für die Unterversorgung seiner Schwadron verantwortlich ist, schlägt er ihn nieder, worauf ein Verfahren beim Kriegsgericht gegen ihn eröffnet wird (2/II,XVI,703f.). Um sich dem zu entziehen, lässt er sich wegen einer leichten Verwundung ins Lazarett einweisen (2/II,XVI,704f.). Ein Gnadengesuch an den Kaiser, zu dem ihn Rostow und Hauptmann Tuschin im Sommer 1807 überreden (2/II,XVIII,713), wird abschlägig beschieden (2/II,XX,724).

Wie es ihm in dieser Sache weiter ergangen ist, wird nicht erzählt. Erst fünf Jahre später, kurz vor der Schlacht bei Borodino (1812), erscheint er wieder auf der Bildfläche, nun Oberstleutnant der Husaren (3/II,XV,246), und wenige Monate später, im Oktober 1812, ist er Führer eines Partisanentrupps (4/III,III,766), der gemeinsam mit einer Freischar des ebenfalls in den Partisanenkrieg gewechselten Dolochow einen französischen Proviantzug überfällt und dabei russische Gefangene befreit, unter denen sich auch Pierre Besuchow befindet (4/III,III-XI). Dass Petja Rostow, der sich Denissow einige Tage zuvor angeschlossen hat, bei dieser Aktion getötet wird, kommt Denissow hart an (4/III,XI,804f.). Die charakterlichen Gegensätze zwischen ihm und Dolochow werden auch hier deutlich markiert, insbesondere hinsichtlich ihres Umgangs mit Kriegsgefangenen (4/III,VIII,789; 4/III,XV,818f.).

Acht Jahre später, im Dezember 1820, besucht Denissow seinen alten Freund Nikolai Rostow in Lyssyje Gory (E/I,IX,964). Er ist nun General im Ruhestand und mit der politischen Lage unzufrieden (E/I,XI,978; E/I,XIII,991f.; E/I,XIV,995f.).

Vorbild für die Gestaltung der fiktiven Figur war der Offizier, Militärschriftsteller und Dichter Denis Wassiljewitsch Dawydow (1784-1839). Dawydow, Held des Vaterländischen Krieges 1812, nahm von 1807 an als Adjutant Bagrations an den Kriegen teil; er war Theoretiker und Initiator des Partisanenkriegs (vgl. Kommentar Bd.1, 1068f., Bd.2, 1135). – Im Vierten Buch und im Epilog erscheint Denissow abweichend mit dem Vatersnamen Fjodorowitsch (4/III,VII,784; 4/III,XI,801; E/I,IX,964).

Dessalles

Hauslehrer des kleinen Nikolai Bolkonski, ein Schweizer, den Andrej Bolkonski von seiner Auslandsreise 1810/1811 mitbringt (2/V,XXI,1044). Der »beschränkt kluge, gebildete, tugendhafte und pedantische Erzieher« (3/I,VIII,53) ist zugleich Prinzessin Marjas »ständiger Gesprächspartner« (3/II,II,156).

Dimmler, Eduard Karlytsch

Ein Musiker, der mit seiner Frau zu den ständig im Haushalt der Rostows lebenden Gästen gehört (2/IV,VIII,902). Am dritten Weihnachtstag 1810 beteiligt er sich an der Maskerade der jungen Leute (2/IV,X,917) und begleitet sie auch bei ihrer Fahrt zu den Meljukows, wo sie als Maskierte ihren Mummenschanz treiben (2/IV,X,919).

Dmitri Wassiljewitsch (Mitenka)

Sohn eines Adeligen, der im Haus des Grafen Rostow erzogen wurde und nun dessen Geschäfte verwaltet (1/I,XIV,99). Der alte Graf überlässt ihm »all seine Angelegenheiten« (1/I,VII,63), was dem Vermögen der Familie wohl nicht gut bekommt (2/III,XI,780). Eine Tracht Prügel, die Nikolai Rostow ihm wegen einer vermeintlichen Fehlbuchung verabreicht (2/IV,II,861f.), bleibt ohne Folgen.

Dochturow

Russischer General. Beim Kriegsrat vor der Schlacht bei Austerlitz verfolgt er, anders als die meisten anderen Generäle, die endlose Verlesung des Schlachtplans mit einer »eifrigen und bescheidenen Miene« (1/III,XII,459). Jahre später, bei der Debatte der Generäle in Fili über das Schicksal Moskaus, spricht sich der »kleine, rundliche« Mann (3/III,IV,403) mit Bennigsen, Jermolow und Rajewski für eine Verteidigung Moskaus aus (3/III,IV,405). Im Oktober 1812 schickt Kutusow ihn nach Fominskoje, wo er eine kleine französische Einheit unter dem Kommando von Broussier angreifen soll (4/II,XV,739). Unterwegs erfährt er, dass inzwischen die gesamte Grande Armée bei Fominskoje steht, und besteht gegenüber Jermolow darauf, Kutusow umgehend zu benachrichtigen und dessen Weisungen abzuwarten (4/II,XV,742). Diese Mission nimmt der Erzähler zum Anlass für eine Lobrede auf den »bescheidene[n] kleine[n] Dochturow«, der allseits »für unentschlossen und wenig scharfsinnig« gehalten werde, den man aber tatsächlich »in sämtlichen Kämpfen der Russen mit den Franzosen« überall dort als Befehlshaber antreffe, »wo immer die Lage schwierig ist« (4/II,XV,739f.).

Dmitri Sergejewitsch Dochturow (1759-1816), seit 1810 General der Infanterie, war an fast allen Schlachten gegen Napoleon beteiligt.

Dolgorukow

Generaladjutant, bei dem Andrej Bolkonski seinen Protégé Boris Drubezkoi unterzubringen versucht (1/III,IX,437ff.) Vor der Schlacht bei Austerlitz wird er anstelle des Kaisers zu einer von Napoleon erbetenen Unterredung geschickt (1/III,XI,450), bei der Napoleon ihn erfolgreich in der irrigen Annahme bestärkt, dass er eine Entscheidungsschlacht fürchtet (1/III,XI,452). Andrej Bolkonskis Einwände gegen Weyrothers Schlachtplan interessieren ihn nicht (1/III,XI,453f.).

Pjotr Petrowitsch Dolgorukow (1777-1806), Generaladjutant, enger Vertrauter Alexanders I.

Dolochow, Fjodor Iwanowitsch (Fedja)

Freund von Anatole Kuragin, Offizier des Semjonowski-Regiments und »ein berüchtigter Spieler und Schläger«, zu Beginn der Geschichte etwa 25 Jahre alt (1/I,VI,56). Er ist ein mittelgroßer Mann »mit Kraushaar und hellen blauen Augen« (ebd.); sein bartloses Gesicht zeigt einen »bemerkenswert fein geschwungen[en]« Mund und einen »festen, frechen und gescheiten Blick« (1/I,VI,57). Er ist ein Spieler und gewinnt fast immer, und er trinkt viel, ohne dabei seinen klaren Kopf zu verlieren. Nach einer besonders exzessiven Zecherei im Sommer 1805 verliert er seinen Offiziersrang (1/I,VII,65).

Im Oktober 1805 dient er als einfacher Soldat in einem Infanterieregiment. Sein Kompaniechef Timochin beurteilt seinen Charakter zwiespältig: Manchmal sei er »klug, verständig und gutmütig«, manchmal aber überkomme es ihn, und dann sei er »eine Bestie« (1/II,II,207). Bei der Schlacht von Schöngrabern erwirbt er sich Verdienste (1/II,XX,332f.), wird wieder Offizier (1/III,XVIII,507) und darf kurz darauf auch wieder in das Semjonowski-Regiment zurückkehren (2/I,III,538).

Nach den Waffengängen lebt er in Petersburg und Moskau und hat Gerüchten zufolge ein Verhältnis mit Hélène (2/I,II,534). Pierre nimmt eine Nichtigkeit zum Vorwand, ihn zum Duell fordern, bei dem er ihn verwundet (2/I,V,551f.). Nikolai Rostow, der Dolochow sekundiert, bringt den Verletzten nach Hause, wo er zu seiner Verwunderung erfährt, dass »Dolochow, dieser Schläger und Raufbold Dolochow, in Moskau mit seiner alten Mutter und seiner buckligen Schwester zusammenlebte und der liebevollste Sohn und Bruder war« (2/I,V,554). Beide befreunden sich, Dolochow verkehrt im Rostowschen Haus, in dem allein Natascha Vorbehalte gegen ihn hegt: er sei ein »böser Mensch«, dazu »unangenehm und unnatürlich« (2/I,X,577). Dolochow verliebt sich in Sonja und macht ihr einen Antrag, den sie ablehnt (2/I,XI,581). Da ihre Liebe zu Nikolai der Grund ihrer Absage ist, rächt Dolochow seine Niederlage an seinem ›Freund‹ mit einem Kartenspiel, bei dem er ihm 43000 Rubel abnimmt (2/I,XIV,592).

Danach verschwindet er zunächst von der Bildfläche. Als er 1811 wieder in Moskau auftaucht, heißt es, er sei im Kaukasus und in Persien gewesen (2/V,VIII,980f.). Er freundet sich wieder mit Anatole Kuragin an und benutzt ihn für seine Zwecke. Die Manipulation von Menschen ist ihm »Genuss, Gewohnheit und Bedürfnis« (2/V,XI,996). Er schreibt Kuragin die Liebesbriefe an Natascha (2/V,XIV,1009), übernimmt auch die Planung für ihre Entführung und bewahrt Kuragin in letzter Minute vor der Festsetzung durch Marja Dmitrijewnas Haiduk Gawrilo (2/V,XVIII,1027).

Im Jahr darauf dient er wieder in der Armee. Am Vortag der Schlacht bei Borodino im August 1812 trifft er Pierre im Hauptquartier und entschuldigt sich bei ihm (3/II,XXII,296). Einige Monate später, im Oktober 1812, ist er Führer eines Partisanentrupps und kooperiert mit Denissow (4/III,III,766), über dessen Weigerung, gefangene feindliche Soldaten zu töten, er sich lustig macht (4/III,VIII,789). Nach dem erfolgreichen Überfall auf einen französischen Proviantzug, bei dem auch russische Gefangene, darunter Pierre, befreit werden, misst er die gefangengesetzten französischen Soldaten mit einem »kalten, glasklaren, nichts Gutes verheißenden Blick« (4/III,XV,818).

Dolochowa, Marja Iwanowna

Mutter von Dolochow, die mit ihrer buckligen Tochter in Moskau lebt (2/I,V,554). Sie hält ihren Sohn für einen edelmütigen Menschen, kennt seine niederträchtige Seite nicht (2/I,X,575).

Dorochow

Führer einer russischen Partisaneneinheit, der dem Hauptquartier im Oktober 1812 Meldung von dem Standort einer kleineren französischen Einheit bei Fominskoje macht und einen Angriff vorschlägt (4/II,XV,739). General Dochturow wird beauftragt, den Angriff mit Dorochows Partisanen und zwei kleineren Einheiten durchzuführen (4/II,XV,741). Unterwegs erreichen Dochturow Meldungen, die deutlich machen, dass sich inzwischen die gesamte französische Armee bei Fominskoje befindet (4/II,XV,742).

Iwan Semjonowitsch Dorochow (1762-1815), russischer General, befehligte im Vaterländischen Krieg zunächst eine Brigade der 1. Armee, später eine Partisaneneinheit (vgl. Kommentar Bd.2,1136). – Ältere Übersetzungen identifizieren Dorochow mit Dolochow.

Dron Sacharytsch (Dronuschka)

Dorfältester in Bogutscharowo, ein »körperlich und moralisch kräftige[r]« Bauer (3/II,IX,215), der seiner Herrschaft mehr als zwanzig Jahre lang treu gedient hat (ebd.). Im August 1812 aber, als es darum geht, Bogutscharowo vor den anrückenden Franzosen zu verlassen und dabei ausreichend Fuhren für Prinzessin Marja zu stellen, gerät er in Konflikt zwischen dem Willen der Herrschaft und dem der Bauern, die sich weigern, Bogutscharowo zu verlassen (3/II,IX,216f.). Vergeblich bittet er Alpatytsch und später auch Prinzessin Marja um Entlassung (3/II,IX,217 und X,226) und schlägt sich schließlich auf die Seite der Bauern, die ihn aber anfeinden (3/II,XIV,240). Nikolai Rostow, der die Bauern zur Raison bringt, lässt ihn festnehmen, Prinzessin Marja aber lässt ihn wieder frei; zuletzt beaufsichtigt er die Herrichtung und Beladung der Fuhrwerke für die Prinzessin (3/II,XIV,241f.).

Drubezkaja, Fürstin Anna Michailowna (Annette)

Verwitwete Mutter von Boris Drubezkoi, Verwandte und »Freundin aus Kindertagen« von Gräfin Rostowa (1/I,XI,79), bei der sie auch lange Zeit wohnt. Die »bejahrte Dame« trägt »einen der besten Namen Russlands«, ist aber verarmt und hat ihre früheren Verbindungen verloren (1/I,IV,29). Im Juli 1805 besucht sie Anna Pawlownas Soirée, um Fürst Wassili zu treffen und ihn zu bitten, sich beim Zaren für die Aufnahme ihres Sohnes in die Garde zu verwenden. Das gelingt auch dank einer Hartnäckigkeit, die zwar mit ihrem sanften und selbstlos-mitfühlenden Auftreten und ihren stets »verweinten Augen« einen Gegensatz bildet, aber mit dem »kalten, unechten Ausdruck« korrespondiert, den ihr Gesicht annimmt, sobald sie ihre Ziele erreicht hat (1/I,IV,32).

Ihr Versuch, zu dem sterbenden Grafen Besuchow vorzudringen, um von ihm Geld für Equipage und Unterhalt ihres Sohnes zu erbitten, schlägt fehl (1/I,XII,84-90). Um so erfolgreicher ist ihr entschlossener, teils sogar handgreiflicher Kampf um die testamentarischen Unterlagen des Grafen, die dessen illegitimen Sohn Pierre zum Alleinerben machen und die Fürst Wassili und Katharina Semjonowna verschwinden lassen wollen (1/I,XXI,148). Auch dies geschieht aus Eigennutz, denn, so Anna Michailowna zu ihrem Sohn, »davon hängt auch unser Schicksal ab …« (1/I,XIII,97). Nach dem Tod des Grafen gibt sie Pierre zu verstehen, dass er sein Erbe allein ihr zu verdanken habe, und verpflichtet ihn sich zusätzlich mit der Behauptung, der alte Graf habe ihr bei ihrem Besuch vor zwei Tagen versprochen, für ihren Sohn Boris zu sorgen (1/I,XXI,150), was augenscheinlich eine Lüge ist (vgl. 1/I,XIV,100).

Durch die rasche Karriere ihres Sohnes bessern sich auch ihre Verhältnisse, dennoch lebt sie weiter bei den Rostows in Moskau (1/III,VI,407). Später werden ihre Aufenthalte in dem gastfreien Haus seltener, und sie benimmt sich dabei »besonders würdevoll« (2/III,XII,786). Ein Wechsel über zweitausend Rubel, den sie der Gräfin Rostowa in schlechteren Tagen gezeichnet hat, wird nie eingelöst (2/IV,II,863). Nachdem sie die Höhe des Vermögens ausgekundschaftet hat, das Julie Karagina aus ihrem Erbe zu erwarten hat (2/V,V,964), betreibt sie energisch die Verheiratung ihres Sohnes mit der reichen Erbin (2/V,V,964-966).

Drubezkoi, Fürst Boris (Borenka, Borja)

Einziger Sohn Anna Michailownas, ein »hochgewachsener blonder Junge mit feinen regelmäßigen Zügen in seinem ruhigen und hübschen Gesicht« (1/I,VIII,70), der, weil seine Mutter verarmt ist, größtenteils bei deren »reichen Verwandten«, den Rostows, aufgewachsen ist (1/I,VII,62). Mit dem ältesten Sohn der Familie, dem gleichaltrigen Nikolai, ist er »seit Kindertagen« befreundet (1/I,VIII,70) und mit der dreizehnjährigen Natascha verbindet ihn eine Jugendliebe; er verspricht ihr, um sie anzuhalten, sobald sie sechzehn Jahre alt ist (1/I,X,78). Zu Beginn der Geschichte ist er ungefähr 19 Jahre alt und steht im Begriff, als Fähnrich in das Semjonowski-Garderegiment einzutreten (1/I,VII,61).

Die Aufnahme in dieses traditionsreiche Regiment verdankt er seiner Mutter, die dem Fürsten Wassili die dafür nötige Fürsprache beim Zaren abgerungen hat und auch im Weiteren nicht müde wird, sein Fortkommen durch Bittgänge zu einflussreichen Persönlichkeiten zu befördern. Ihm sind diese Bittgänge unangenehm (1/I,XII,85), auch durchschaut er die Heuchelei, mit der Anna Michailowna dabei zu Werke geht (1/I,XII,87). Das lässt ihn zunächst als »lieben, klugen und charakterfesten jungen Mann« erscheinen, wie Pierre urteilt (1/I,XIII,97). Doch das ändert sich schnell, denn Boris entwickelt innerhalb kurzer Zeit alle Merkmale eines Karrieristen, der Menschen allein nach ihrer Nützlichkeit für sein Fortkommen bewertet und alte Beziehungen, die ihm keine Vorteile bringen, fallen lässt (2/II,VI,639f.), selbst seinen Jugendfreund Nikolai (2/II,XIX,719). Seine Karriere geht rasch voran, nach wenig mehr als einem halben Jahr ist er beim Stab (2/I,II,534) und gegen Ende des Jahres 1806 hat er es zum Adjutanten einer »äußerst bedeutenden Persönlichkeit« gebracht (2/II,VI,639).

Während eines längeren Aufenthalts in Petersburg verkehrt er in Hélènes Salon und gilt als ihr »Intimus« (2/II,VII,645). Mit Pierres (widerstrebender) Hilfe lässt er sich in die Freimaurerloge aufnehmen, weil er sich davon nützliche Verbindungen verspricht (2/III,X,775). Er hält Ausschau nach einer reichen Partie (2/III,XII,786) und löst sein jugendliches Eheversprechen an Natascha, dies freilich erst nach einigem Zögern, weil der besondere Charme der nun Sechzehnjährigen ihn in seinen Bann schlägt (2/III,XIII,793). In Moskau macht er Prinzessin Marja den Hof (2/V,IV,957), die Pierre vor ihm warnt (2/V,IV,958), und wendet sich dann Julie Karagina zu (2/V,V,961), deren attraktive Vermögensverhältnisse seine Mutter erkundet hat (2/V,V,964). Die innere Abneigung, die er gegen sie empfindet (2/V,V,965), hält ihn nicht davon ab, sie zu heiraten. »Ich kann es ja immer so einrichten, dass ich sie selten sehe« (2/V,V,967).

Dunjascha

Kammerjungfer Prinzessin Marjas (3/II,VIII,210), die ihr nach dem Tod des alten Fürsten beisteht. Auf der Reise von Bogutscharowo nach Moskau bemerkt sie das Lächeln, das trotz der widrigen Lage Prinzessin Marjas Gesicht (beim Gedanken an Nikolai Rostow) aufhellt (3/II,XIV,244).

Dunjascha

Kammermädchen Nataschas (2/III,XIII,793). Sie assistiert Sonja und Natascha bei dem Spiegel-Orakel, mit dem sie am dritten Weihnachtstag 1810 in die Zukunft sehen wollen (2/IV,XII,930f.).

Duroc

Offizier aus der Umgebung Napoleons, der Balaschow vor der Audienz bei Napoleon informiert (3/I,VI,35) und ihm die Einladung zum Essen überbringt (3/I,VII,45).

Gérard Christophe Michael, Herzog von Friaul (1772-1813), französischer Marschall, Freund Napoleons (Kommentar Bd.2,1136).

Eichen

Offizier aus dem Generalstab, der, obwohl unschuldig, einen Wutanfall Kutusows über sich ergehen lassen muss, weil die Regimenter bei Tarutino nicht befehlsgemäß ausgerückt sind (4/II,V,694). Dasselbe Schicksal trifft Hauptmann Brosin.

Erzieher

Der Hauslehrer der Rostowschen Kinder ist ein Deutscher, der beim Diner zum Namenstag der alten Gräfin und Nataschas im Sommer 1805 bemüht ist, sich alle gereichten Speisen und Getränke zu merken, »um sie detailliert im Brief an seine Verwandten in Deutschland beschreiben zu können«. Dass der Haushofmeister Wassiljitsch ihn beim Ausschenken des Weins übergeht, ärgert ihn (1/I,XV,108f.).

Fabvier

Französischer Hauptmann, der, aus Madrid kommend, am 25. August 1812 zusammen mit dem Präfekten de Beausset in Napoleons Standquartier bei Walujewo eintrifft (3/II,XXVI,313) und über die Kämpfe in Spanien berichtet (3/II,XXVI,315).

Charles Nicolas Fabvier (1782-1855) war ein französischer General, nahm am Russlandfeldzug teil und war nach der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) Stabschef der vereinigten Resttruppen (Kommentar Bd. 2,1136).

Fedosjuschka

Eine Wanderpilgerin, die häufiger bei Prinzessin Marja einkehrt. Sie ist eine fünfzigjährige kleine blatternarbige Frau und seit mehr als dreißig Jahren »barfuß und in Ketten unterwegs«. Prinzessin Marja liebt sie besonders und glaubt, dass »allein Fedosjuschka den wahren Weg des Lebens gefunden« hat (2/III,XXVI,853).

Feoktist

Berühmter Koch des Englischen Klubs in Moskau, mit dem Graf Ilja Rostow im März 1806 das Diner zu Ehren General Bagrations plant (2/I,II,531).

Ferapontow

Holzhändler und Gastwirt in Smolensk, bei dem Alpatytsch bei seiner Reise nach Smolensk im August 1812 absteigt, während die Smolensker schon vor den herannahenden Franzosen fliehen. Er ist ein dicker, schwarzhaariger, rotbackiger Mann von vierzig Jahren, der im Vertrauen auf die russische Armee entschlossen ist, in Smolensk zu bleiben (3/II,IV,166f.), und seine Frau verprügelt, weil sie mit den Kindern fliehen möchte (3/II,IV,171). Kurz darauf brennt die Stadt, Ferapontows Laden wird von russischen Soldaten geplündert (3/II,IV,175f.) und seine Frau macht sich mit den Kindern allein auf den Weg (3/II,IV,176).

Fjodor

Alter Lakai im Rostowschen Haushalt in Otradnoje, den Natascha aus Langeweile beauftragt, ihr Kreide zu bringen (2/IV,IX,907).

Foka

Buffetdiener im Rostowschen Haushalt in Otradnoje, der leicht in Zorn gerät. Aus Langeweile und um ihn herauszufordern, beauftragt Natascha ihn, den Samowar bereitzumachen, obwohl noch keine Teezeit ist (2/IV,IX,908).

Franz, Kaiser von Österreich

Nachdem Andrej Bolkonski dem österreichischen Kriegsminister die Depesche Kutusows über die siegreiche Schlacht bei Dürnstein (Ende Oktober 1805) überbracht hat, wird er am Tag darauf vom österreichischen Kaiser empfangen, der »anscheinend verlegen war, nicht wusste, was er sagen sollte, und errötete« (1/II,XII,278). Er stellt ihm eine Reihe unsinniger Fragen zur Schlacht, deren Antworten ihn sichtlich nicht interessieren.

Franz Joseph Karl (1768-1835) war von 1792 bis 1806 als Franz II. der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und von 1804 bis zu seinem Tod als Franz I. Kaiser von Österreich.

Gawrilo

Ein Diener Marja Dmitrijewnas, ein hünenhafter Mann, der sich Anatole Kuragin bei seinem Versuch, Natascha zu entführen, in den Weg stellt (2/V,XVIII,1027).

Gerassim

Diener von Ossip Alexejewitsch Basdejew, ein runzliger, »gelblich-fahler Alter, ohne jeglichen Bart, der offensichtlich nicht abrasiert, sondern ihm überhaupt nicht gewachsen war« (2/II,I,608). Der Alte lebt nach Basdejews Tod in dessen Moskauer Haus und bedient Basdejews wahnsinnigen Bruder Makar Alexejewitsch (3/III,XVIII,473). Er besorgt Pierre, der im September 1812 während der französischen Besetzung Moskaus einige Zeit dort wohnt, einen Kaftan und eine Pistole (3/III,XVIII,475).

Gervais

Gast bei Speranskis Diner am Neujahrstag 1810. Neben Bolkonski, Magnizki und Stolypin zählt Speranski ihn zu seinen wenigen intimen Freunden (2/III,XVIII,812).

Andrej Andrejewitsch Gervais (1773-1832) war ein Verwandter Speranskis und im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und Finanzen tätig (Kommentar Bd. 2,1137).

Glinka

Herausgeber des Russki Westnik (Der russische Bote), der sich in die erregten Dispute während der Adelsversammlung am 15. Juli 1812 einmischt und verkündet, »dass die Hölle durch die Hölle zurückgeschlagen werden müsse« (3/I,XXII,142).

Sergei Nikolajewitsch Glinka (1774-1847), russischer Schriftsteller, gab 1808-1821 den ›Russischen Boten‹ heraus.

Gouverneursfrau

Gattin des Gouverneurs in Woronesch. Sie macht Nikolai Rostow im August 1812 mit Prinzessin Marjas Tante Anna Ignatjewna bekannt und leitet Rostows Verbindung mit Prinzessin Marja in die Wege (4/I,V,611).

Grekow

Generalmajor in Orlow-Denissows Abteilung, der während der Schlacht bei Tarutino mit zwei Kosakenregimentern einem vermeintlichen Überläufer folgt, der ihn zu Murats Einheit zu führen verspricht, tatsächlich aber in die Irre führt. Als Orlow-Denissow den Betrug bemerkt, lässt er ihn die Aktion abbrechen (4/II,VI,696f.).

Ideville, Lelorgne d'

Dolmetscher, der Stabschef Berthier beim Verhör russischer Kriegsgefangener, so auch Lawruschkas behilflich ist (3/II,VII,196).

Ignat

Hausknecht im Moskauer Haus der Rostows, der nach der Flucht der Rostows vor den anrückenden Franzosen im September 1812 mit der alten Haushälterin Mawra Kusminischna, dem Haushofmeister Wassiljitsch und dessen Enkel Mischka in dem leeren Haus zurückbleibt (3/III,XXII,488f.).

Ilagin

Nachbar der Rostows in Otradnoje, mit dem diese in Streit liegen. Bei der Parforcejagd im September 1810 geraten seine Jäger mit den Rostowschen Jägern aneinander (2/IV,VI,883), doch er glättet die Wogen durch ausgesuchte Höflichkeit und lädt Nikolai Rostow mit seinen Jägern ein, die Jagd auf seinem Besitz fortzusetzen (2/IV,VI,884). Dabei entsteht zwischen Nikolai, Ilagin und dem ›Onkel‹ eine unausgesprochene Konkurrenz um die Qualität ihrer Hunde Milka, Jorsa und Rugai (2/IV,VI,887).

Iljin

Junger Offizier im Pawlograder Husarenregiment, der sich während des Krieges 1812 Nikolai Rostow anschließt und von ihm protegiert wird (3/I,XII,83). Er ist sechzehn Jahre alt, ahmt Rostow in allem nach und ist »verliebt in ihn wie eine Frau« (3/I,XII,84).

Iogel

Tanzlehrer in Moskau, dessen Bälle die »fröhlichsten in ganz Moskau« sind (2/I,XII,583). Er lebt mit seiner Familie bei den Rostows (2/IV,VIII,902).

P. A.Iogel war seit 1800 Tanzlehrer in Moskau (Kommentar Bd. 1,1081).

Iwanuschka

Einer der Wanderpilger, mit denen Prinzessin Marja gegen den Willen ihres Vaters Umgang pflegt, ein »junger Mann mit langer Nase und langen Haaren«, der in Wahrheit eine als Mann verkleidete Frau ist (2/II,XIII,685).

Jakow Alpatytsch

Verwalter des Fürsten Nikolai Bolkonski auf Lyssyje Gory, der seinem Herrn in Aussehen und Benehmen ähnelt. Im Dezember 1805, als man den Besuch des Fürsten Wassili und seines Sohnes Anatole erwartet, lässt er den Schnee auf der Zufahrt zum Gutshaus räumen und kassiert dafür einen Wutanfall seines Herrn und den Befehl, den Weg wieder zuzuschütten (1/III,III,377).

Anfang August 1812 schickt der Fürst ihn zu Besorgungen nach Smolensk, das unmittelbar vor einem Angriff französischer Truppen steht. Am zweiten Tag seines Aufenthalts beginnt die Bombardierung (3/II,IV,172), er kann die Stadt mit knapper Not verlassen. Im Gedränge trifft er Andrej Bolkonski, der ihm die Anweisung an Prinzessin Marja mitgibt, Lyssyje Gory sofort zu verlassen (3/II,IV,177f.). Wenige Tage später macht Fürst Andrej einen Abstecher nach Lyssyje Gory und trifft dort nur noch Alpatytsch an, der, nachdem Prinzessin Marja mit dem kranken Vater nach Bogutscharowo abgereist ist, auch seine Familie weggeschickt hat und allein auf dem verlassenen Gut zurückgeblieben ist (3/II,V,182).

Kurz vor dem Tod des alten Bolkonski kommt er nach Bogutscharowo (3/II,IX,213) und versucht nach der Beerdigung des Fürsten vergeblich, den Dorfältesten Dron und die aufsässigen Bauern von Bogutscharowo dazu zu bringen, die nötigen Fuhrwerke für die Abreise der Prinzessin bereitzustellen (3/II,IX,216). Schließlich bekommt er unverhofft Unterstützung durch Nikolai Rostow, der bei einem Ausritt mit Iljin und seinem Burschen Lawruschka zufällig nach Bogutscharowo kommt. Alpatytsch bittet ihn um Hilfe (3/II,XIII,235), und tatsächlich kann Nikolai Rostow die Bauern zur Raison bringen (3/II,XIV,241f.).

Jakowlew

Russischer Offizier. Nach dem Einmarsch der Franzosen in Moskau lässt Napoleon den »ausgeraubten und abgerissenen Hauptmann« zu sich rufen, stellt ihm weitschweifig »seine gesamte Politik und seine Großmut« dar und schickt ihn mit einem Brief an Alexander I. nach Petersburg (4/II,IX,707). Jakowlew, dem es nur darauf ankommt, einen Mantel und ein Fuhrwerk zu bekommen, wird in Petersburg nicht empfangen (4/II,X,713).

Iwan Alexejewitsch Jakowlew (1767-1846), ein reicher Moskauer Aristokrat und Hauptmann im Ruhestand, hat diesen Vorgang in seinen Memoiren beschrieben (vgl. Kommentar Bd.2,1118f. und 1137).

Jefim

Kutscher der Rostows seit dreißig Jahren, der einzige, mit dem die alte Gräfin bei der Flucht aus Moskau am 1. September 1812 fahren möchte (3/III,467f).

Jermolow, Alexej Petrowitsch

Russischer General, der 1812 »am Beginn seines Aufstiegs« steht und zu denen gehört, die von ausgefeilten Schlachtplänen nichts halten (3/I,IX,62f.). Er witzelt über den hohen Anteil deutscher Offiziere in der Armee (3/I,IX,63). Bei der Debatte der Generäle in Fili über das Schicksal Moskaus nach der Schlacht bei Borodino spricht er sich mit Bennigsen, Dochturow und Rajewski für eine Verteidigung Moskaus aus (3/III,IV,405). Vor der Schlacht bei Tarutino unterlaufen er und andere Generäle Kutusows Anweisungen, so dass die Schlacht um einen Tag verschoben werden muss (4/II,IV-V). Im weiteren Verlauf des Krieges gehört er zu den Generälen, die Kutusows Bemühen, unnötige Kämpfe mit der auf dem Rückzug befindlichen französischen Armee zu vermeiden, wiederholt konterkarieren (4/II,XV,742f.; 4/II,XIX,755).

Alexej Petrowitsch Jermolow (1772-1861), General der russischen Armee, im Vaterländischen Krieg Stabschef der 1. Armee.

Jewstafjewitsch

Kutscher Pierre Besuchows. Dem »alles wissenden, alles könnenden, ganz Moskau bekannten« Mann gibt Pierre am 23. August 1812 die Order, seine Reise zur Armee vorzubereiten (3/II,XVIII,271).

Jobert, Monsieur de

Ein französischer ›Jesuit im kurzen Rock‹, d.h. ein Mönch ohne Priesterweihe, der Hélène bei dem Versuch berät, ihre Ehe mit Pierre durch den Übertritt in die katholische Kirche aufzuheben. Er ist ein älterer Mann mit schneeweißen Haaren und »schwarzen, glänzenden Augen« (3/III,VI,414f.). Das Interesse der Petersburger Jesuiten an Hélènes Beitritt zur katholischen Kirche ist pekuniärer Natur (3/III,VI,415).

Jorsa

Jagdhündin Ilagins, ein schönes, rotscheckiges Tier mit »stählerne[n] Muskeln«, das Ilagin einem Nachbarn für drei leibeigene Familien abgekauft hat. Bei der Parforcejagd im September 1810 erblickt Nikolai Rostow in ihr sogleich eine Konkurrentin seiner Hündin Milka (2/IV,VI,885). Bei der Jagd auf einen Hasen aber gewinnen weder Jorsa noch Milka, vielmehr ist es Rugai, der gewöhnliche Hund des Onkels Michail Nikanoritsch, der den Hasen zur Strecke bringt (2/IV,VI,889).

Joseph

Lakai Anatole Kuragins, der ihm vor der geplanten Entführung Nataschas die Reisetasche packt (2/V,XVI,1018; XVII,1025).

Kaissarow, Andrej Sergejitsch

Bruder von Kutusows Adjutant Paissi Kaissarow; Kutusow bittet ihn, »diese Verse von Marin« aufzusagen, an die er sich vergeblich zu erinnern versucht hat (3/II,XXII,296).

Andrej Sergejewitsch Kais(s)arov (1782-1813) war ein russischer Dichter und Schriftsteller. 1806 promovierte er in Göttingen mit einer Dissertation »Über die Freilassung der Leibeigenen in ganz Russland«. Im Vaterländischen Krieg leitete er eine Felddruckerei in Kutusows Stab. Er starb 1813 in Hanau. – Zu den Versen Marins vgl. Kommentar Bd.2,1102.

Kaissarow, Paissi Sergejitsch

Adjutant Kutusows während des Vaterländischen Krieges 1812 (3/II,XXII,293).

Paissi Sergejewitsch Kais(s)arow (1783-1844), diente seit 1796 in verschiedenen russischen Regimentern, wurde bei Austerlitz schwer verwundet und diente danach im russisch-türkischen Krieg. 1812 war er bis zur Schlacht bei Borodino Ajutant Kutusows, danach Kommandeur einer Avantgardetruppe der Kosaken (Kommentar Bd.2,1138).

Kamenski

Der alte Generalfeldmarschall wird, wie Bilibin in einem Brief an Andrej Bolkonski berichtet, im Vierten Koalitionskrieg (1806/07) mit dem Oberkommando betraut, gibt diese Position aber schon nach kürzester Zeit wieder auf, nachdem er Anhaltspunkte dafür hat, dass der Kaiser ihm nicht vertraut (2/II,IX,653f.). Er übergibt Buxhoeveden den Oberbefehl, den dann aber Bennigsen für sich beansprucht (2/II,IX,655-657).

Michail Fjodorowitsch Kamenski (1738-1809), Generalfeldmarschall und legendärer Kriegsheld der Türkenkriege, wird 1806 noch einmal der Oberbefehl übertragen, den er schon nach wenigen Tagen niederlegt (vgl. Kommentar Bd.2,1138).

Karagina, Fürstin Marja Lwowna

Mutter von Julie Karagina, eine »große, korpulente Dame mit stolzer Miene«, die der Gräfin Rostowa an deren Namenstag einen Besuch abstattet und, wie diese bemerkt, eine »furchtbar affektierte Person« ist (1/I,VII,64).

Karagina, Julie

Tochter der Fürstin Karagina, später Ehefrau von Boris Drubezkoi, Jugendfreundin von Prinzessin Marja, mit der sie in Briefwechsel steht und deren Vater, Fürst Nikolai, sie spöttisch »Héloise« (nach Rousseaus »Julie oder die neue Héloise«) nennt (1/I,XXII,154). Sie begleitet ihre Mutter bei dem Besuch der Gräfin Rostowa, bei dem sie Nikolai zu Sonjas Kummer schöne Augen macht (1/I,IX,73). Einige Jahre später (1810) ist sie durch den Tod ihrer Brüder zu einer der reichsten Partien in Moskau geworden und wird von zahlreichen Männern umworben (2/V,II,945f.), obwohl sie inzwischen 27 Jahre alt und »ausgesprochen hässlich« ist, was ihr selbst entgeht (2/V,V,961). Sie gibt sich gern als eine vom Leben enttäuschte Frau (2/V,V,962), eine Attitüde, die die Bewerber, darunter auch Boris Drubezkoi, mit wehmütigen Versen und melancholischen Gesprächen bedienen (2/V,V,963f.). Sie wünscht sich eine Verbindung mit Boris Drubezkoi, muss aber lange auf seinen Antrag warten, weil sie ihn eigentlich abstößt. Schließlich nutzt sie das Auftauchen eines neuen Bewerbers, Anatole Kuragins, um ihn zu dem entscheidenden Schritt zu bewegen (2/V,V,966f.).

Karai

Einer der Jagdhunde der Rostows, die an der Parforcejagd am 15. September 1810 teilnehmen, ein »alter und hässlicher Rüde mit Barthaaren«, der es ganz allein mit einem Wolf aufnehmen kann (2/IV,IV,870).

Karatajew, Platon

Einer der Kriegsgefangenen, zu denen die Franzosen auch Pierre nach seiner Verurteilung sperren (4/I,XII,648). Er ist ein kleiner, etwa fünfzigjähriger, einer Bauernfamilie entstammender Mann, an dessen Erscheinung alles »vollkommen rund« ist (4/I,XIII,653). Mit seiner Lebensgeschichte (4/I,XII,651f.), seiner schlichten Güte und seinem festen Glauben an ein unverrückbares, aus göttlicher Fügung herrührendes Schicksal (4/I,XII,652) beeindruckt er den an der Welt verzweifelnden Pierre tief und sorgt dafür, dass diese »vorher zerstörte Welt sich jetzt in neuer Schönheit in seiner Seele erhob, auf neuen und unerschütterlichen Fundamenten« (4/I,XII,653). Bei den zermürbenden Fußmärschen, die die von einem französischen Proviantzug geführten Kriegsgefangenen nach der Aufgabe Moskaus absolvieren müssen, bekommt Karatajew Fieber, kann nicht mehr mithalten und wird von den Wachsoldaten am Wegesrand erschossen (4/III,XIV,814f.). Weil er »zuviel Angst um sich selbst« hat, ignoriert Pierre den Blick seiner von Tränen verschleierten »gutmütigen runden Augen«, mit dem er ihn kurz vorher zu sich zu rufen scheint (4/III,XIV, 814), und muss auch danach den Verlust des Freundes einige Zeit verdrängen (4/III,XV,817f.). Aber Platon Karatajew »blieb in seiner Seele für immer die stärkste und teuerste Erinnerung und Verkörperung alles Russischen, Gütigen und Runden« (4/I,XIII,653; vgl. auch E/I,XVI,1011).

Karp

Bauer in Bogutscharowo, einer der Wortführer des Widerstands der Bauern gegen die Order, die Höfe wegen der anrückenden französischen Truppen zu verlassen und Prinzessin Marja mit Fuhrwerken für die Flucht nach Moskau auszustatten. Er will in Erfahrung gebracht haben, dass verlassene Höfe von Kosaken geplündert werden, die Franzosen dagegen die Bauern zum Bleiben auffordern und garantieren, ihnen keinen Schaden zuzufügen (3/II,IX,214). Nikolai Rostow, der Prinzessin Marja zu Hilfe kommt, lässt ihn fesseln (3/II,XIV,240f.), was ihm den Spott der Bauern einbringt (3/II,XIV,242).

Katerina Petrowna

Eine nicht näher charakterisierte Dame der Gesellschaft in Woronesch, die auf der Soirée im Haus des Gouverneurs Walzer und Ekossaisen spielt (4/I,IV,606,608) und sich an den Überlegungen der Damen beteiligt, mit wem man Nikolai Rostow verheiraten sollte (4/I,V,611).

Katja

Kammerjungfer der ›kleinen Fürstin‹ Lisa Bolkonskaja (1/III,V,399), die ihrer Herrin zur Hand geht bei dem Versuch, Prinzessin Marja für den Besuch Anatole Kuragins möglichst vorteilhaft herzurichten (1/III,III,384f.).

Kirsten

Stabsrittmeister im Pawlograder Husarenregiment. Er versucht, Nikolai Rostow das Verhalten des Regimentskommandeurs Schubert im Zusammenhang mit Teljanins Diebstahl verständlich zu machen. Der große, schon ergraute Mann mit einem »gewaltigen Schnurrbart und tiefen Furchen im runzligen Gesicht« ist in der Vergangenheit »wegen Ehrensachen« zweimal zum einfachen Soldaten degradiert worden und hat sich jedesmal wieder hochgedient (1/II,V,232f.). Nach der Schlacht bei Wischau bringt er einen begeisterten Toast auf den Kaiser aus (1/III,X,448).

Komarow

Ein Kosak, der Petja Rostow bei seinem Kurierritt zu Denissows Partisaneneinheit begleitet (4/III,IV,771f.)

Kondratjewna

Alte Kammerjungfer im Haushalt der Rostows in Otradnoje. Sie schimpft mit der jungen Mawruscha, die Natascha gegen sie in Schutz nimmt (2/IV,IX,907).

Konownizyn, Pjotr Petrowitsch

Russischer General, ein Mann mit einem »entschlossenen, schönen und gutmütigen Gesicht« (3/III,IV,404), der in der Nacht des 11. Oktober 1812 Dochturows Nachricht über den Standort der Grande Armée bei Fominskoje entgegennimmt und sich über deren Konsequenzen sofort klar ist (4/II,XVI,745f.). Der Erzähler nimmt dies zum Anlass für eine ähnliche Lobrede, wie er sie kurz zuvor für Dochturow gehalten hat (4/II,XV,740): Wie Dochturow werde auch Konownizyn als Mann von »äußerst beschränkten Fähigkeiten und Kenntnissen« betrachtet und wie Dochturow habe man auch ihn nur »aus Anstand« auf die Liste der Kriegshelden von 1812 gesetzt, tatsächlich aber sei er, wie Dochturow, immer dort anzutreffen gewesen, »wo es am allerschwierigsten war«, und sei »eines jener unbemerkten Zahnrädchen, die ohne Knirschen und Lärmen den wesentlichsten Teil der Maschine darstellten« (4/II,XVI,745).

Pjotr Petrowitsch Konownizyn (1764-1822) führte im Vaterländischen Krieg 1812 eine Division, später die Nachhut der Truppen; 1815-1818 Kriegsminister (Kommentar Bd.2,1138).

Konstantin Pawlowitsch, Großfürst (Zarewitsch, der Thronfolger)

Bruder Alexanders I. und Thronfolger. Ihm untersteht die Garde, in der Boris Drubezkoi und Alfons Berg dienen. Beide erzählen Nikolai Rostow bei dessen Besuch im November 1805 »Anekdoten« über die Gutmütigkeit des Zäsarewitsch und sein »aufbrausendes Wesen« (1/III,VII,421f.). Wenig später, während der Schlacht bei Austerlitz, sieht Rostow ihn mit »hochgezogenen Schultern und finsteren Brauen« Anordnungen treffen (1/III,XVII,497). Im Vaterländischen Krieg 1812 hält er sich im Hauptquartier in der Umgebung seines Bruders auf (3/I,IX,60f.). Als Kutusow im August 1812 erneut das Oberkommando übertragen wird, besteht er darauf, dass der Zäsarewitsch seinen Aufenthalt bei der Armee beendet (3/II,VI,194f.). Das geschieht auch, aber im November 1812 erscheint Konstantin Pawlowitsch erneut bei der Armee, und Kutusow erkennt, dass »seine Zeit abgelaufen« ist (4/IV,X,876).

Großfürst Konstantin Pawlowitsch (1779-1831), Bruder Alexanders I. und, da Alexander keine Söhne hat, Thronfolger. 1805 Generalinspekteur der Gardekavallerie.

Koslowski

Adjutant in Kutusows Stab 1805 (1/II,III,216). Er erkennt den im Hauptquartier eintreffenden General Mack nicht und verstellt ihm den Weg zu Kutusow (1/II,III,217). Später kommandiert er als Oberst ein Bataillon des Preobraschenski-Regiments, das bei den Feierlichkeiten des Friedens von Tilsit (1807) aufmarschiert. Als Napoleon den Wunsch äußert, einen besonders tapferen russischen Soldaten mit dem Orden der Ehrenlegion auszuzeichnen, fordert Alexander I. Koslowski auf, einen Kandidaten zu benennen. Koslowski wählt, eher zufällig, den ersten Soldaten in der Aufstellung, Lasarew (2/II,XXI,726f.).

Kotschubej, Graf

Neben Czartoryski, Nowossilzew und Stroganow Mitglied des engsten Beraterkreises um den russischen Kaiser, den dieser »scherzhaft comité du salut publique« nennt (2/III,IV,744). Er macht Andrej Bolkonski mit Speranski bekannt (2/III,V,749f.).

Viktor Pawlowitsch Kotschubej (1768-1834), russischer Staatsmann; von 1802 bis 1807 Innenminister, Mitglied des geheimen Komitees (Kommentar Bd.2, 1138).

Kriegsminister

Der österreichische Kriegsminister empfängt Andrej Bolkonski mit Kutusows Depesche über die siegreiche Schlacht bei Dürnstein (Ende Oktober 1805) in Brünn mit demonstrativem Desinteresse. Er hat einen »klugen und charaktervollen Kopf«, aber sein Gesicht zeigt »das dümmliche, geheuchelte und diese Heuchelei nicht verbergende Lächeln dessen [...], der viele Bittsteller empfängt«. Der Sieg der Koalition beeindruckt ihn weniger als die Nachricht, dass der österreichische General Schmitt in der Schlacht gefallen ist, »ein teurer Preis für den Sieg«, und bemängelt, dass Mortier nicht gefangengenommen wurde (1/II,IX,264f.).

Kuragin, Fürst Anatole Wassiljewitsch

Jüngerer Sohn des Fürsten Wassili, Bruder von Hélène und Hippolyte, Freund von Dolochow, ein »hochgewachsener schöner Mann« (1/I,VI,55), der das Leben als »ununterbrochenes Vergnügen« betrachtet (1/III,III,380) und mit Zechgelagen und Frauengeschichten hinbringt. In Petersburg wird gemunkelt, dass er in jungen Jahren ein inzestuöses Verhältnis mit seiner schönen Schwester gehabt hat (1/III,I,363). Sein Vater, den sein ausschweifendes Leben viel Geld kostet, will ihn auf Anregung Anna Pawlownas mit der reichen Prinzessin Marja verheiraten (1/I,II,14f.), doch der Plan misslingt, weil Anatole bei einem Besuch in Lyssyje Gory im Dezember 1805 mit Mademoiselle Bourienne anbändelt und damit die Ablehnung der Prinzessin provoziert (1/III,V,406). Danach steckt der Vater ihn in die Armee. Er dient u.a. in Polen, wo er, nachdem er die Tochter eines verarmten Gutsbesitzers verführt hat, von deren Vater zur Heirat gezwungen wird. Er erkauft sich das Schweigen des Schwiegervaters durch Geldzahlungen, um in der Heimat weiterhin als unverheiratet zu gelten (2/V,XI,994).

Einige Jahre später, 1810/1811, ist er wieder in Moskau, wo er nach dem Willen seines Vaters eine reiche Partie machen soll (2/V,XI,993f.). Auch dieser Plan misslingt, Anatole verliebt sich in die mit Andrej Bolkonski verlobte Natascha und plant mit Dolochows Hilfe ihre Entführung (2/V,XVI,1017), die von Marja Dmitrijewna vereitelt wird (2/V,XVII,1027). Pierre, der in Marja Dmitrijewnas Auftrag dafür sorgt, dass er Moskau umgehend verlässt, muss feststellen, dass Anatole jegliche moralische Norm und entsprechend auch jegliche Einsicht in das Schurkische seines Handelns fehlt (2/V,XX,1040f.; vgl. auch 2/V,XI,995).

In der Folgezeit dient er wieder in der Armee und wird in der Schlacht bei Borodino schwer verletzt. Im Feldlazarett, in dem ihm ein Bein amputiert wird, liegt er neben dem ebenfalls schwer verletzten Bolkonski, der ihn im Jahr zuvor vergeblich zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen versucht hatte (3/II,XXXVII,378).

Kuragin, Fürst Hippolyte Wassiljewitsch

Älterer Sohn des Fürsten Wassili, Bruder von Hélène und Anatole, ein ausgemachter Dummkopf, der seiner schönen Schwester Hélène zwar ähnlich sieht, dabei aber »erstaunlich hässlich« ist, weil bei ihm »das gleiche Gesicht von Idiotie getrübt« ist (1/I,III,24). Er tritt stets mit großem Selbstbewusstsein auf, so dass es seinen Zuhörern schwerfällt zu entscheiden, »ob das, was er sagte, sehr klug oder sehr dumm war« (1/I,III,24). Er gibt gern alberne Witze und Anekdoten zum Besten, über die er meist allein lacht (1/I,IV,39f.; 2/II,VII,642f.). Im diplomatischen Corps am österreichischen Hof, dem er während des Krieges 1805 als Gesandschaftssekretär angehört (1/II,XI,274), gilt er als »Hanswurst« (1/II,XI,275).

Kuragin, Fürst Wassili Sergejewitsch (Basile)

Vater von Hélène, Hippolyte und Anatole, Ehemann von Fürstin Aline, später Schwiegervater von Pierre, ein Mann jenseits der Fünfzig (1/I,XVIII,126) mit Glatze und flächigem Gesicht (1/I,I,8) und der merkwürdigen Angewohnheit, die Hand seines Gegenübers beim Händedruck weit nach unten zu ziehen (1/I,I,14 u.ö.). Seine in der Regel gleichmütige Miene kann in bestimmten Momenten einen groben und unangenehmen Ausdruck annehmen (1/I,I,13).

Er hat bei Hof und in der ersten Gesellschaft Petersburgs einigen Einfluss, den er selten für andere nutzt (1/I,IV,30), sucht instinktiv die Nähe von Menschen, die mächtiger oder reicher sind als er, und hat die »seltene Gabe, immer genau den rechten Moment abzupassen, wo er sich der Menschen bedienen musste und konnte« (1/III,I,352). So etwa im Fall des schwerreichen Erben Pierre Besuchow, den er in eine Ehe mit seiner Tochter Hélène drängt (1/III,II,374), nachdem sein Plan gescheitert ist, ihn um das väterliche Erbe zu bringen und das Vermögen des alten Grafen Besuchow, mit dem er durch seine Frau verwandt ist (1/I,IV,29; 1/I,VII,66f.), selbst zu erben (1/I,XXI,148f.). Auch übervorteilt er Pierre bei der Verwaltung seines Vermögens (1/III,I,356) und lässt ihn zudem einen Wechsel über 30.000 Rubel für Katharina Semjonowna unterschreiben, mit dem er die Schweigsamkeit der Prinzessin über seinen versuchten Erbbetrug erkauft (1/III,I,353).

Seine beiden Söhne Anatole und Hippolyte hält er für Dummköpfe (1/I,I,13). Sein Versuch, Anatole mit Prinzessin Marja zu verheiraten, schlägt fehl (1/III,V,406). In späteren Jahren neigt er zu Vergesslichkeit und äußert »hundertmal ein und dasselbe«, ohne es zu bemerken (3/III,VII,419).

Kuragina, Fürstin Aline

Ehefrau von Fürst Wassili, Mutter von von Hélène, Hippolyte und Anatole, eine »massive, einst schöne, präsentable Frau« (1/III,II,366). Sie grämt sich über ihr Alter (1/III,II,369) und beneidet ihre Tochter Hélène um Jugend und Glück (1/III,II,371). Auch ihr Widerstand gegen Hélènes bigamistische Heiratspläne gründet nicht in rechtlichen oder moralischen Bedenken, sondern in ihrem Neid auf die Tochter, der sie dauerhaft peinigt (3/III,VII,421f.).

Kuragina, Prinzessin Hélène (Lola; verh. Gräfin Jelena Wassiljewna Besuchowa)

Tochter des des Fürsten Wassili, Schwester von Hippolyte und Anatole Kuragin, später Ehefrau Pierres. Es wird gemunkelt, dass sie in jungen Jahren ein inzestuöses Verhältnis mit ihrem Bruder Anatole gehabt hat (1/III,I,363). Sie ist eine betörend schöne Frau, die sich ihrer Anziehungskraft stets bewusst ist, so dass sie auf jede Koketterie verzichten kann und ihre gesellschaftliche Interaktion auf ein »stets gleichbleibende[s]« strahlendes Lächeln beschränkt, »gleichsam jedem liebenswürdig zugestehend, dass er sich an der Schönheit ihrer Figur, den vollen Schultern, ihrem nach der damaligen Mode weit entblößten Busen und Rücken erfreute« (1/I,III,22f.).

Ihr Vater verheiratet sie mit dem reichen Pierre (1/III,II,374f.), den sie Gerüchten zufolge schon kurz nach der Hochzeit mit Dolochow betrügt (2/I,II,534). Pierre bricht mit ihr, was ihrer gesellschaftlichen Stellung indes nicht schadet, vielmehr wird sie allgemein bedauert und kann die an grundloser Eifersucht ihres Mannes leidende Ehefrau spielen (2/II,VI,635f.). Auch ihr Verhältnis zu Boris Drubezkoi (2/II,VI,641), der als ihr »Intimus« gilt (2/II,VII,645), schadet ihr nicht.

Im November 1809 bringt sie Pierre mit Hilfe ihrer Mutter und eines von Pierres Logenbrüdern dazu, sich mit ihr zu versöhnen (2/III,VIII,769). Sie unterhält in Petersburg einen großen Salon und gilt jetzt zur Verblüffung Pierres, der ihre Dummheit kennt, allgemein als geistreiche Persönlichkeit (2/III,IX,770f.). 1811 folgt sie Pierre nach Moskau (2/V,VI,970), wo sie ihren Bruder Anatole bei dem Versuch unterstützt, Natascha zu erobern (2/V,XII,999f.).

Im darauffolgenden Jahr lebt sie wieder in Petersburg, in ihrem Salon versammeln sich auch nach dem Übertritt der französischen Truppen über die russische Landesgrenze weiterhin franzosenfreundliche Gäste, während bei Anna Pawlowna die russischen Patrioten verkehren (3/II,VI,189f.).

Sie wird von zwei Männern umworben, einem alten hochrangigen Staatsmann und einem jungen ausländischen Fürsten (3/III,VI,411f.). Um einen von beiden heiraten zu können, möchte sie ihre Ehe mit Pierre annullieren lassen, tritt deshalb auf Anraten des Jesuiten Jobert zur katholischen Kirche über (3/III,VI,415) und beschäftigt die Petersburger Gesellschaft offen mit der Frage, welchen der beiden Bewerber sie wählen soll (3/III,VII,418). Auch dies wird ihr nicht übelgenommen; nur Marja Dmitrijewna sagt ihr ins Gesicht, was sie von ihr hält (3/III,VII,419).

Im August 1812 bittet sie Pierre brieflich um die Scheidung (3/III,VII,423). Kurz darauf erkrankt sie und lässt sich von einem italienischen Arzt behandeln. Alle Welt ist überzeugt, dass »die Krankheit der reizenden Gräfin von dem misslichen Umstand herrührte, zu gleicher Zeit zwei Männer heiraten zu wollen« (4/I,I,588f.). Einige Tage später nimmt sie eine Überdosis des ihr verordneten Mittels und stirbt »unter Qualen« (4/I,II,594f.). Sie hinterlässt hohe Schulden, die Pierre, obwohl er dazu nicht verpflichtet wäre, großzügig reguliert (4/IV,XIII,893).

Kutaissow

Russischer General. Er fällt in der Schlacht bei Borodino, was in Petersburg allgemeine Trauer auslöst: »Ihn kannten alle, der Kaiser liebte ihn, er war jung und interessant.« (4/I,II,594)

Alexander Iwanowitsch Kutaissow (1784-1812), russischer General, der im Vaterländischen Krieg 1812 in der von Barclay de Tolly geführten 1. Armee diente und in der Schlacht bei Borodino fiel.

Kutusow, Michail Ilarionowitsch (der Durchlauchtigste)

Generalfeldmarschall und Oberkommandierender der russischen Armee im Dritten Koalitionskrieg 1805, dem Andrej Bolkonski als Adjutant dient (1/II,III,215). Kutusow, ein alter, schwergewichtiger, vom Krieg gezeichneter Mann, der die Frauen liebt und französische Romane liest, ist bemüht, seine schlecht ausgerüsteten Truppen zu schonen (1/II,III,212-215), wird aber durch die Niederlage Macks bei Ulm zum Einsatz gezwungen (1/II,III,218). Ende Oktober 1805 schlägt er die Division Mortier bei Krems (Schlacht bei Dürnstein) und schickt Bolkonski mit der Siegesmeldung zum österreichischen Hof nach Brünn (1/I,IX,260f.). Vor der Schlacht bei Austerlitz (20. November 1805) kann er sich im Kriegsrat nicht gegen die Mehrheit durchsetzen, die für einen sofortigen Angriff nach dem Plan des österreichischen Generals Weyrother votiert (1/III,IX,437f.). Die Niederlage, die er voraussieht (1/III,XI,455), wird gleichwohl ihm zugerechnet (2/I,II,536).

1811 kommandiert er die Moldau-Armee, in der Bolkonski ihm eine Zeit lang als Stabsoffizier dient (3/I,VIII,50), bevor er sich bei Beginn des Vaterländischen Krieges 1812 zur Westarmee versetzen lässt (3/I,VIII,52). Dort sieht er seinen alten Feldherrn schon bald wieder (3/II,XV,250), denn im August 1812 wird Kutusow in den Fürstenstand erhoben und erneut zum Oberkommandierenden ernannt (3/II,VI,192). Seitdem nennen alle ihn »den Durchlauchtigsten« (3/II,XV,245).

Auch im Vaterländischen Krieg folgt er seinem Grundsatz »Tout vient à point à celui qui sait attendre« (3/II,XVI,256). In der Schlacht bei Borodino lässt er den Dingen weitgehend ihren Lauf, wohl wissend, dass es nicht auf seine Anordnungen, sondern allein auf den »Geist der Truppe« ankommt (3/II,XXXV,363). Diese und alle weiteren Entscheidungen Kutusows – der Rückzug nach der Schlacht (3/III,II), die Aufgabe Moskaus (3/III,III-IV) und die Vermeidung von Angriffen auf die im Rückzug befindliche französische Armee (4/II,XVII-XIX) – werden in Petersburg und Moskau heftig kritisiert, vom Erzähler aber entschieden gerechtfertigt. Er sieht Kutusows Handeln aus der Einsicht hervorgehen, die er selbst in seinen zahlreichen Reflexionen über die Ursachen geschichtlicher Ereignisse immer neu formuliert, aus der »Einsicht in die höheren Gesetze« der Geschichte, die ihren Ursprung in dem »Willen der Vorsehung« haben: Kutusow gehöre zu jenen »seltenen, immer einsamen« Männern, »die, da sie den Willen der Vorsehung begreifen, ihr ihren persönlichen Willen unterordnen« (4/IV,V,852). Die Kraft aber, dieser Einsicht gegen allen Widerstand zu folgen, entspringe seinem Russentum, »jenem Nationalgefühl, das er in seiner ganzen Reinheit und Stärke in sich« trage (4/IV,V,856).

Nach der Schlacht an der Beresina erkennt Kutusow, dass seine Zeit zu Ende ist. Er reitet mit der Truppe nach Wilna (4/IV,X,876), wo er vom Kaiser mit dem Georgskreuz erster Klasse ausgezeichnet und zugleich entmachtet wird (4/IV,XI,880f.). Seinen wenige Monate später erfolgenden Tod betrachtet der Erzähler als nur naturgemäßen Vorgang: Seine vaterländische Mission ist erfüllt, dem »Russen als Russen blieb nichts mehr zu tun« (4/IV,XI,882).

Michail Illarionowitsch Kutusow (1745-1813). Der russische Feldherr nahm an den Russisch-Türkischen Kriegen teil, in denen er sein rechtes Auge verlor. Nachdem er zwischenzeitlich in Ungnade gefallen war, wurde ihm im 3. Koalitionskrieg 1805 der Oberbefehl über die russische Armee übertragen. 1811 kommandierte er im Russisch-Türkischen Krieg die Moldaufront und handelte nach dem Sieg Russlands im Mai 1812 den Frieden mit der Türkei aus. Kurz vor der Schlacht bei Borodino wurde ihm erneut der Oberbefehl über die russische Armee im Krieg gegen Napoleon übertragen. Seine Bemühungen, unnötige Zusammenstöße mit der auf dem Rückzug befindlichen französischen Armee zu vermeiden, wurde von seinen Anhängern als kluge Strategie gelobt, von seinen Gegnern dagegen heftig kritisiert.

Kutusow, Pawel Iwanowitsch

Bei dem Diner zu Ehren Bagrations im Moskauer Englischen Klub im März 1806 wird eine von ihm verfasste Kantante gesungen (2/I,III,543).

Pawel Iwanowitsch Golenischtschew-Kutusow (1767-1829), Kurator der Moskauer Universität und Verfasser von Gedichten (vgl. Kommentar Bd.1, 1080).

Langeron, Graf

Französischer General in russischen Diensten. Bei der Sitzung des Kriegsrats vor der Schlacht bei Austerlitz kritisiert er, verärgert über Weyrothers arrogantes Verhalten, dessen Schlachtplan, bekommt dabei aber keine Unterstützung (1/III,XII,459f.). Nach der Niederlage steht für die Moskauer gute Gesellschaft fest, dass sie unter anderem dem »Verrat des Polen Przybyszewski und des Franzosen Langeron« zu verdanken sei (2/I,II,536).

Alexander Fjodorowitsch Langeron (1763-1831), eigtl. Alexandre-Louis Andrault, Comte de Langeron, General der russischen Infanterie, emigrierte während der Französischen Revolution nach Russland und trat 1789 in russische Dienste. – Zum Vorwurf des ›Verrats‹ vgl. Kommentar Bd.1,1078.

Larrey

Napoleons Arzt, der den bei Austerlitz verwundeten Andrej Bolkonski auf Napoleons Anordnung untersucht und ihm geringe Überlebenschancen gibt (1/III,XIX,515).

Dominique Jean Larrey (1766-1842), französischer Militärarzt, Chirurg und Leibarzt Napoleons.

Lasarew

Ein Soldat des Preobraschenski-Bataillons, der von seinem Kommandeur Koslowski eher zufällig ausgewählt wird, den Orden der Ehrenlegion zu empfangen, den Napoleon bei den Feierlichkeiten des Friedens von Tilsit (1807) einem besonders tapferen russischen Soldaten zu verleihen wünscht. Lasarew weiß nicht, wie ihm geschieht und wie er sich verhalten soll (2/II,XXI,728f.).

Lauriston, Graf

Generaladjutant Napoleons, wird im Oktober 1812 mit der Bitte um Frieden in Kutusows Lager entsandt, ein Vorgang, den Kutusow als Anzeichen der Schwäche der Franzosen deutet (4/II,II,685).

Jacques-Alexandre-Bernard Law, Marquis de Lauriston (1768-1828), Marschall Frankreichs, seit 1800 Adjutant Napoleons, 1811 Botschafter in Petersburg (Kommentar Bd.2, 1139).

Lawruschka

Bursche Denissows, ein im ganzen Regiment als Schelm bekannter junger Mann (1/II,IV,223). Nach Denissows Weggang dient er Nikolai Rostow (2/IV,I,857). Im August 1812 wird er gefangengenommen und Napoleon vorgeführt, der ihn ausfragt und dabei sicher ist, dass Lawruschka ihn nicht erkennt, worin er jedoch irrt (3/II,VII,197). Lawruschka plaudert munter drauflos, und als man ihm eröffnet, dass er mit Napoleon spricht, spielt er den Überraschten (3/II,VII,199). Napoleon beschenkt ihn und ordnet seine Freilassung an (3/II,VII,200). Lawruschka unterstützt Rostow bei der Hilfsaktion für Prinzessin Marja in Bogutscharowo (3/II,XIV,241).

L'homme de beaucoup de mérite (Schittoff, Schitow)

Ein junger Mann, der seit Ende 1806 in Anna Pawlownas Salon verkehrt und dort stets unter der »Bezeichnung d'un homme de beaucoup de mérite« firmiert (2/II,VI,637). Anna Pawlowna gibt seinen tatsächlichen Namen an einer Stelle mit »Monsieur Schittoff« (Schitow) an (2/II,VI,638), den aber niemand benutzt. Sechs Jahre später, 1812, verkehrt er immer noch in Anna Pawlownas Salon. Er hofiert die Hofdame, weil er Kurator der von der Kaiserinmutter Marija Fjodorowna eingerichteten Mädchenerziehungsanstalt werden möchte (3/II,VI,192f.). Bei den Diskussionen über Kutusow spricht er sich für den alten Feldherrn aus (3/II,VI,191) und kann es sich nach dessen Ernennung zum Oberkommandierenden nicht verkneifen, Fürst Wassili an sein ungünstiges Urteil über Kutusow zu erinnern (3/II,VI,193).

Lichatschow

Ein Kosak in Denissows Partisaneneinheit, den Petja Rostow in der Nacht vor dem Überfall auf den französischen Proviantzug bei Schamschewo bittet, ihm den Säbel zu schärfen (4/III,X,796f.).

Lopuchin, Fürst

Eine der sechs »auserwählten Personen«, die der alte Fürst Bolkonski zu seinem Namenstags-Diner in seinem Moskauer Haus empfängt (2/V,III,951).

Lorrain

Berühmter Arzt aus Petersburg, der nach Moskau kommt, um den sterbenden Grafen Besuchow zu behandeln (1/I,XII,86), ein selbstgefälliger Mann, der sich seiner Diagnosen sehr sicher ist (1/I,XVIII,123).

Lowaiski, Michail Feoklitytsch (Essaul)

Kosakenhauptmann (Essaul) in Denissows Partisaneneinheit und Denissows rechte Hand, ein »hoch aufgeschossener, weißgesichtiger, blonder Mann, flach wie ein Brett, mit schmalen, hellen Augen«, der mit seinem Pferd »ein einziges, zu doppelter Kraft gewachsenes Wesen bildet« (4/III,IV,769). Anders als Denissow, scheint er Dolochows Devise, keine Gefangenen zu machen, sondern festgesetzte feindliche Soldaten sofort zu töten, zu teilen (4/III,VIII,789).

Mack

Österreichischer General, der im Oktober 1805 in Kutusows Hauptquartier auftaucht, um selbst die Nachricht von seiner schweren Niederlage bei Ulm zu überbringen (1/II,III,216-218).

Karl Mack von Leiberich (1752-1828), österreichischer General, zog sich, nachdem er in der Schlacht bei Elchingen eine Niederlage erlitten hatte, nach Ulm in die Festung zurück, wo er sich den nachrückenden Franzosen kampflos ergab, wurde in Wien vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt, dann aber begnadigt und nach drei Jahren entlassen (Kommentar Bd.2,1139f.).

Magnizki

Gast bei Speranskis Diner am Neujahrstag 1810. Neben Bolkonski, Gervais und Stolypin zählt Speranski ihn zu seinen wenigen intimen Freunden (2/III,XVIII,812). Er unterhält den kleinen Kreis mit Anekdoten und trägt selbstverfasste französische Scherzgedichte vor (2/III,XVIII,815).

Michail Leontjewitsch Magnizki (1778-1855) war Mitarbeiter Speranskis. Nach dessen Sturz wurde er ebenfalls verbannt, konnte aber durch die Protektion Araktschejews und Golizyns wieder Fuß fassen und wurde 1826 Kurator der Kasaner Universität (Kommentar Bd.2,1140).

Makar Alexejewitsch

Ein nicht näher charakterisiertes Mitglied des Personals des Lazaretts, in dem Denissow 1807 liegt (2/II,XVII,706,707), nicht zu verwechseln mit Makar Alexejewitsch Basdejew.

Makarin (Makarka)

Ein Husar außer Dienst, der neben dem Kanzleibeamten Chwostikow dazu ausersehen ist, bei der heimlichen Trauung von Anatole Kuragin und Natascha als Trauzeuge zu dienen, ein »gutmütiger und schwacher Mensch mit einer grenzenlosen Liebe zu Kuragin« (2/V,XVI,1018).

Makejew

Feldscher in dem russischen Lazarett in Preußen, in dem Denissow im Frühjahr 1807 liegt. Er führt Nikolai Rostow, der Denissow besuchen will, in die Krankenabteilung der Offiziere (2/II,XVII,706f.).

Malascha

Enkelin des Bauern Andrej Sawostjanow in Fili, in dessen guter Stube Kutusow nach der Schlacht bei Borodino Kriegsrat mit seinen Generälen hält. Die Sechsjährige bekommt von »Großväterchen« Kutusow Zuckerstückchen und darf während der Beratungen als einziges Familienmitglied in der warmen Stube bleiben (3/III,IV,403-407).

Malwinzewa, Anna Ignatjewna

Tante mütterlicherseits von Prinzessin Marja, eine reiche kinderlose Witwe in Woronesch, bei der Prinzessin Marja nach ihrer Flucht aus Bogutscharowo wohnt. Sie lädt Nikolai Rostow zu sich ein (4/I,V,610). Die Pläne der Gouverneursfrau, die Heirat von Nikolai und Prinzessin Marja in die Wege zu leiten, finden ihre Zustimmung (4/I,VI,614).

Mamonow, Graf

Russischer Aristokrat, der nach der Adelsversammlung im Slobodski-Palais im Juli 1812 ein ganzes Regiment aus eigener Tasche bereitstellt, worauf Pierre, in seinem vaterländischen Ehrgeiz angestachelt, erklärt, 1000 Mann mitsamt Ausrüstung stellen zu wollen (3/I,XXIII,145).

Graf Matwej Alexandrowitsch Dmitrijew-Mamonow (1790-1863), Freimaurer, stellte 1812 ein Kavallerieregiment, das sich bei Tarutino und Malojaroslawez auszeichnete (Kommentar Bd.2,1094f., 1135).

Mamontow, die drei Schwestern (die Prinzessinnen)

Drei Prinzessinnen, Nichten des alten Grafen Besuchow, die in dessen Moskauer Haus leben. Die älteste, Katharina Semjonowna, die sich um die Pflege des sterbenskranken Onkels kümmert, ist eine »reinliche, strenge Jungfer mit langer Taille«; die beiden jüngeren Schwestern, zwei »rotbackige und hübsche Mädchen«, sehen sich sehr ähnlich, die jüngste, Sophie, unterscheidet sich von ihrer Schwester nur durch ein Muttermal über der Oberlippe und durch ihr »vergnügtes, lachlustiges« Wesen (1/I,XIII,91). Nach dem Tod des Grafen leben sie weiterhin in dem Moskauer Haus, dem nun Pierre vorsteht. Einige Jahre später, 1812, sind die beiden jüngeren Schwestern verheiratet, während die älteste Prinzessin weiterhin in Pierres Haushalt lebt (3/II,XVIII,266).

Mamontowa, Prinzessin Katharina Semjonowna (Catiche)

Die älteste der drei Schwestern Mamontow, eine Nichte des alten Grafen Besuchow, die sich um die Pflege des sterbenskranken Onkels kümmert. Sie ist eine ältliche »Jungfer« (1/I,XIII,91) mit »mürrischem und kaltem Gesicht und einer langen, im Verhältnis zu den Beinen auffallend unproportionierten Taille« (1/I,XII,89). Kurz vor dem Tod des alten Grafen muss Fürst Wassili lange auf sie einreden, bis sie versteht, dass das neue, Pierre begünstigende Testament des Onkels sie und ihre Schwestern leer ausgehen lassen würde (1/I,XVIII,124-131). Als sie es schließlich begreift, ergeht sie sich in bitteren Tiraden über den Undank des Onkels wie der Welt überhaupt und verdächtigt Anna Michailowna, gegen sie intrigiert zu haben (1/I,XVIII,130). Der Hass auf sie nimmt sie derart gefangen, dass sie den betrügerischen Absichten Fürst Wassilis kaum Beachtung zu schenken scheint, eher nebenbei verrät sie ihm, wo sich das Testament befindet (1/I,XVIII,131). Wenig später aber, während der Todkranke die Sterbesakramente empfängt, verschwindet sie mit dem Fürsten im Hintergrund des Sterbezimmers und eignet sich das »Mosaik-Portefeuille« mit dem Testament an (1/I,XX,140). Kurz darauf liefert sie sich mit einem »von allem Anstand verlassene[n] Gesicht« einen heftigen Kampf mit Anna Michailowna, die ihr das Portefeuille zu entreißen sucht, was ihr schließlich gelingt (1/I,XXI,146f.). Um sich ihres Stillschweigens über die Vorgänge um das »Mosaik-Portefeuille« zu versichern, sorgt Fürst Wassili dafür, dass sie einen Wechsel über 30.000 Rubel bekommt, den er Pierre zeichnen lässt (1/III,I,353).

Während ihre beiden jüngeren Schwestern irgendwann heiraten und wegziehen, lebt sie weiterhin in Pierres Haushalt (3/II,XVIII,266). Im Herbst 1812 reist sie nach Orjol, um den kranken Pierre zu pflegen. Dabei lernt sie den Vetter, gegen den sie stets feindselige Gefühle gehegt hat, näher kennen und stellt zu ihrer »ärgerlichen Verwunderung« fest, dass sie ihn mag (4/IV,XIII,887f.).

Marja Bogdanowna

Hebamme, die bei der Niederkunft der ›kleinen Fürstin‹ Lise tätig ist (2/I,VIII,566f.).

Marja Genrichowna

Frau des Regimentsarztes bei den Pawlograder Husaren, eine »junge hübsche Deutsche«, die der Arzt kurz zuvor geheiratet hat. Die Soldaten machen ihr den Hof und erregen damit die Eifersucht ihres Ehemannes (3/I,XII,86). 

Matrjona Matwejewna (Matrjoschka)

Dienerin Dolochows, eine »hübsche, schlanke, blasse Zigeunerin mit glänzenden schwarzen Augen und schwarzem, bläulich schimmerndem Haar«, die Anatole Kuragin für die geplante Entführung Nataschas ihre Zobelsaloppe überlassen muss, was ihr offensichtlich schwerfällt (2/V,XVII,1025f.).

Matrjona Timofejewna

Ehemalige Kammerjungfer der Gräfin Rostowa, die jetzt bei ihr »das Amt eines Polizeichefs« innehat (3/III,XV,456).

Mawra Kusminischna

Frühere Beschließerin der Rostows, die am Tag vor der Abreise der Familie aus Moskau dafür sorgt, dass verletzte Soldaten in dem leeren Moskauer Haus ihrer Herrschaft untergebracht werden (3/III,XIII,446f.), darunter auch Andrej Bolkonski (3/III,XIV,452f.). Nach der Abreise der Rostows bleibt sie mit dem alten Haushofmeister Wassiljitsch, dessen Enkel Mischka und dem Hausknecht Ignat in Moskau. Einem jungen Offizier und Verwandten der Rostows, der hilfesuchend zu dem Anwesen kommt, gibt sie aus eigener Tasche 25 Rubel (3/III,XXII,491).

Mawruscha

Kammerjungfer im Rostowschen Haushalt. Vor dem Silvesterball 1809 hilft sie, Nataschas zu lang geratenes Ballkleid zu kürzen (2/III,XIV,796f.). In Otradnoje verteidigt Natascha sie gegen eine alte Kammerjungfer, die ihr keinen Ausgang geben will (2/IV,IX,907).

Meljukowa, Pelageja Danilowna

Nachbarin der Rostows, eine Witwe, die mit ihren Kindern auf einem vier Werst von Otradnoje entfernten Gut lebt (2/IV,X,917). Am dritten Weihnachtstag 1810 fahren die jungen Rostows in Masken und Verkleidung zu ihr, treiben ihren Mummenschanz und werden zum Abendessen eingeladen (2/IV,XI,924).

Métivier

Französischer Modearzt in Moskau, ein schöner, sehr großer Mann, der in den ersten Häusern der Moskauer Gesellschaft verkehrt. Er behandelt auch den alten Fürsten Bolkonski während dessen Aufenthalts in Moskau im Winter 1810/11 (2/V,III,949). An seinem Namenstag verdächtigt der Fürst ihn der Spionage und wirft ihn hinaus (2/V,III,950f.). Im Juli 1812 wird erzählt, dass Métivier aus der Stadt verschwunden sei (3/I,XX,124).

Michail Iwanowitsch (Michail Iwanytsch, Michaila Iwanowitsch)

Architekt in Diensten des alten Fürsten Bolkonski auf Lyssyje Gory, ein wortkarger Mann, den der Fürst gegen seine sonst strikte Beachtung der Standesunterschiede regelmäßig zu Tisch bittet (1/I,XXIV,176).

Michail Nikanoritsch (Onkel)

Ein entfernter Verwandter der Rostows, der auf dem Otradnoje benachbarten Gut Michailowka in bescheidenen Verhältnissen lebt, ein »frischer, gutaussehender alter Herr mit großem grauen Schnurrbart«, der fast jede Äußerung mit der Wendung »Klare Sache hopp!« beginnt oder beendet (2/IV,IV,869). Er schließt sich der Rostowschen Jagdgesellschaft vom 15. September 1810 mit seinen Hunden und einigen Reitern an. Bei der Jagd auf einen Hasen übertrumpft sein Hund Rugai, ein gewöhnlicher Jagdhund, Nikolai Rostows Milka und Ilagins Jorsa und gibt seinem Besitzer damit willkommenen Anlass, über die »Tausendrubelhunde« zu spotten (2/IV,VI,889).

Nach der Jagd lädt er die Geschwister Nikolai, Natascha und Petja in sein Haus ein (2/IV,VII,890), in dem sich die Gäste, obwohl es eher ärmlich eingerichtet und nicht sehr sauber ist, sofort wohlfühlen. Grund dafür ist – neben der guten Bewirtung der Haushälterin und Geliebten des Onkels, Anissja Fjodorowna, dem Balalaika-Spiel des Kutschers Mitka und dem Gitarrenspiel des Hausherrn selbst – augenscheinlich die Atmosphäre einfachen Lebensglücks, das der Alte in diesem Haus genießt. Im Gouvernement hat er den Ruf eines »Sonderlings von gänzlich uneigennütziger und edler Gesinnung«, der häufig als Schlichter in familiären Streitigkeiten oder Testamentsvollstrecker angerufen und zum Richter gewählt wird (2/IV,VII,895).

Michailo

Rostowscher Jäger und Reitlehrer auf Otradnoje; er begleitet Natascha und Petja bei der Parforcejagd am 15. September 1810 »als Kinderfrau« (2/IV,IV,869).

Michaud

Oberst der russischen Armee, reitet im Juni 1812 mit Alexander I. die von Phull errichtete befestigte Stellung an der Drissa ab, die er für »Unsinn« und gefährlich hält (3/I,X,69). Ähnlich äußert er sich auch im Kriegsrat (3/I,XI,77,79). Er überbringt Alexander I. Kutusows Meldung, dass Moskau aufgegeben werden musste, und tröstet den niedergeschlagenen Kaiser mit der Versicherung, dass die russische Armee von einem ungebrochenen Kampfgeist beseelt sei (4/I,III,597-602).

Graf Alexandre Michaud de Beauretour (1772-1841), Oberst und Militärringenieur in russischen Diensten, Flügeladjutant Alexanders I. (Kommentar Bd.2,1140).

Milka

Jagdhündin Nikolai Rostows, ein schönes schwarzgeflecktes Tier, das ihn bei der Parforcejagd im September 1810 in Otradnoje begleitet. Zwischen Rostow, seinem Nachbarn Ilagin und dem Onkel entsteht dabei eine heimliche Konkurrenz um die Qualität ihrer Hunde Milka, Jorsa und Rugai, die bei der Jagd auf einen Hasen ausgetragen wird (2/IV,VI,887). Zu Rostows Kummer ist Rugai, der gewöhnliche Hund des Onkels, der Sieger (2/IV,VI,889).

Miloradowitsch

Russischer General. Bei der Sitzung des Kriegsrats vor der Schlacht bei Austerlitz 1805 hört er der Verlesung von Weyrothers Schlachtplan mit »glänzenden offenen Augen« zu, lässt aber nicht erkennen, wie er zu ihm steht (1/III,XII,458). Vor Beginn der Schlacht lässt er seine Soldaten an dem Kaiser vorbeimarschieren und feuert sie begeistert an (1/III,XV,486). Im Vaterländischen Krieg 1812, während des Rückzugs der Franzosen nach der Besetzung Moskaus, gehört er zu den Generälen, die Kutusow aus persönlichem Ehrgeiz zu Angriffen drängen (4/II,VII,700) und bei Wjasma auf eigene Faust losschlagen (4/II,XIX,755). Der Erzähler missbilligt dieses Verhalten scharf und kreidet ihm insbesondere sein Verhalten bei Krasnoje an. Dort habe Miloradowitsch, »der nie zu finden war, wenn man ihn brauchte«, und »nicht das [machte], was ihm befohlen wurde«, die übermüdete und geschwächte Kavallerie auf eine französische Kolonne gehetzt (4/IV,IV,850f.).

Michail Andrejewitsch Miloradowitsch (1771-1825), General der russischen Armee, besiegte die auf dem Rückzug befindlichen Franzosen bei Wjasma; von 1818-1825 Militärgouverneur von Petersburg (Kommentar Bd.2,1140).

Mischa

Junger Lakai im Rostowschen Haushalt in Otradnoje, den Natascha aus Langeweile beauftragt, Hafer zu holen (2/IV,IX,907).

Mischka

Bursche im Moskauer Haushalt der Rostows, ein Enkel des Haushofmeisters Wassiljitsch. Nach der Flucht der Rostows vor den anrückenden Franzosen im September 1812 bleibt er mit seinem Großvater, der alten Haushälterin Mawra Kusminischna und dem Hausknecht Ignat in dem leeren Haus zurück. Er klimpert auf dem Klavichord, was Mawra Kusminischna ihm verbietet (3/III,XXII,488f.).

Mitka (Reitknecht)

Reitknecht des alten Grafen Rostow in Otradnoje, der seinen Herrn auf der Jagd am 15. September 1810 begleitet, ein »verwegener Reiter und leidenschaftlicher Jäger« (2/IV,IV,871).

Mitka (Kutscher)

Kutscher des Onkels Michail Nikanoritsch, der am Abend nach der Jagd Balalaika spielt und damit besonders Natascha beeindruckt (2/IV,VII,895f.).

Morel

Bursche des Hauptmanns Ramballe, »ein kleiner, stämmiger Franzose mit brennenden, tränenden Augen« (4/IV,IX,870f.). Nach der Einquartierung in Basdejews Haus versorgt er seinen Herrn und Pierre mit angewärmtem Rotwein (3/III,XXIX,536). Zwei Monate später, nach der Schlacht bei Krasnoje, taucht Ramballe mit ihm am Nachtlager einer russischen Kompanie auf und bittet um Hilfe (4/IV,IX,869). Man bringt Ramballe zu den Offizieren, während Morel von den Soldaten mit Grütze und Wodka versorgt wird und ihnen französische Lieder vorsingt (4/IV,IX,871f.).

Morio, Abbé

Gast auf der Soirée von Anna Pawlowna Scherer zu Beginn des Romans. Pierre, der seinen »Plan eines ewigen Friedens« kennt (1/I,II,19), beginnt mit ihm eine hitzige Debatte über dessen Voraussetzungen, das »Europäische Gleichgewicht und das droit des gens« (1/I,III,25f.). Anna Pawlowna unterbindet den Disput. Zwei Jahre später trifft Pierre ihn bei seiner Aufnahme in die Freimaurerloge wieder (2/II,IV,629).

Vorbild der fiktiven Figur ist der italienische Priester, Schriftsteller und Philosoph Scipione Piattoli (1749-1809), der in den Entwürfen des Romans auch namentlich genannt wird (vgl. Kommentar Bd. 1,1056).

Mortemart, Vicomte de

Gast auf der Soirée von Anna Pawlowna Scherer zu Beginn des Romans, eingeführt von Hippolyte Kuragin (1/I,II,16). Er ist ein »gutaussehender junger Mann mit weichen Zügen und Manieren, der sich offenbar für eine Berühmtheit« hält, es aber der Gesellschaft überlässt, »davon Gebrauch zu machen« (1/I,III,21). Um ihn bildet sich sogleich ein Kreis, in dem von der Hinrichtung des Herzogs von Enghien die Rede ist. Er ist Royalist und erklärter Verächter Napoleons, was ihm die Antipathie des Fürsten Andrej und den hitzig vorgetragenen Widerspruch Pierres einbringt, die zu dieser Zeit beide noch Verehrer Napoleons sind (1/I,IV, 34-39). Auf dem Heimweg mit Hippolyte Kuragin zeigt der Vicomte sich von Hippolytes (höchst plumpen) Avancen gegenüber der ›kleinen Fürstin‹ Lisa beeindruckt und macht sich über ihren Mann, Fürst Andrej, »ce petit officier«, lustig (1/I,V,43).

Die Figur ist dem Staatsmann und politischen Philosophen Joseph de Maistre (1753-1821) nachempfunden (vgl. Kommentar Bd.1,1055f.). – Mortemart erzählt die Geschichte von der Entführung und Hinrichtung des Louis Antoine Henri de Bourbon-Condé, Herzogs von Enghien (1772-1804) durch Napoleon, einer »damals kursierende[n] Anekdote« (1/I,III,25) folgend, als Resultat einer Liebesaffäre mit der berühmten Schauspielerin Mademoiselle Georges (Marguérite-Josephine Weimer), einer zeitweiligen Geliebten Napoleons. Tatsächlich handelte es sich um einen politischen Schachzug Napoleons gegen die emigrierten Royalisten (vgl. Kommentar Bd.1,1054f. und 1058), den Pierre als eine »staatspolitische Notwendigkeit« verteidigt (1/I,IV,35).

Mouton

Französischer General, der bei einem Kriegsrat der französischen Generalität in Malojaroslawez im Herbst 1812 ausspricht, was alle denken, nämlich dass der Armee nur noch der Rückzug aus Russland bleibt (4/II,XVIII,751).

Régis Barthélemy Mouton-Duvernet (1779-1816), französischer General.

Murat

König von Neapel, Schwager Napoleons. Im November 1805 glaubt er, Kutusow überlisten zu können, indem er Bagration zum Schein einen dreitägigen Waffenstillstand vorschlägt (1/II,XIV,296), und handelt sich damit einen heftigen Tadel Napoleons ein (1/II,XIV,297f.).

Im Juni 1812 begegnet er Balaschow, der mit einem Brief seines Kaisers auf dem Weg zu Napoleon ist (3/I,IV,28f.). Der Erzähler mokiert sich über seine prächtige Kleidung, den Titel eines Königs von Neapel (3/I,IV,28) und darüber, dass Murat von Balaschows wiederholtem Gebrauch der Anrede »Votre Majesté« sichtlich geschmeichelt ist (3/I,IV,30) und Mühe hat, königliche Würde zu bewahren (3/I,IV,31).

Unter Murats Führung marschieren französische Truppen am 2. September 1812 in Moskau ein, und die in der Stadt zurückgebliebenen Moskauer betrachten verwundert »diesen seltsamen, mit Federn und Gold geschmückten langhaarigen Kommandeur« (3/III,XXVI,516).

Fürst Joachim Murat (1767-1815), König von Neapel, Schwager Napoleons; befehligte im Russlandfeldzug 1812 die Kavallerie.

Napoleon (Bonaparte, Buonaparte)

Der französische Kaiser und Feldherr, für die Russen ein »Usurpator und Feind des Menschengeschlechts« (1/III,IX439), findet auch in den Augen des Erzählers kaum Gnade. Wohl stellt er seine Fähigkeiten als Feldherr nicht in Frage, bescheinigt ihm etwa mit Blick auf die Schlacht bei Borodino ausdrücklich, dass er in ihr »seine Aufgabe eines Repräsentanten der Macht ebensogut und noch besser erfüllt als in anderen Schlachten« (3/II,XXVIII,328). Aber an seiner Persönlichkeit lässt er kein gutes Haar, charakterisiert ihn als eitlen, selbstverliebten Menschen, der einer »künstliche[n] Schimäre von Leben« dient (3/II,XXXVIII,379), der »das Gute, die Schönheit, die Wahrheit« nicht versteht und deshalb auch die Bedeutung seiner Taten nicht ermisst, »die dem Guten und der Wahrheit viel zu sehr entgegengesetzt waren, allem Menschlichen viel zu fern, als dass er ihre Bedeutung hätte verstehen können« (3/II,XXXVIII,381).

Der abstoßenden Persönlichkeit korrespondiert ihre wenig anziehende äußere Erscheinung: Balaschow, der ihm im Juni 1812 ein Schreiben Alexanders I. überbringt, sieht eine »gedrungene Figur mit breiten dicken Schultern und Bauch und Brust«, kurzen Beinen und feisten Schenkeln, einer breiten Stirn, in die eine Strähne fällt, und mit einem »weiße[n], gedrungenen Hals«, das Ganze umgeben vom Duft des Eau de Cologne (3/I,VI,36), mit dem ihn seine Kammerdiener jeden Morgen besprühen müssen (3/II,XXVI,314).

Die Russen nennen Napoleon zum Zeichen, dass sie sein Kaisertum nicht anerkennen, Buonaparte, Bonaparte oder Bonaparti (vgl. z.B. 1/II,XV,306). Bei Hof und in Offizierskreisen ist die Adressierung kaiserlicher Noten an Napoleon Gegenstand von Witzeleien (vgl. 1/III,IX,439f.). Nach dem Frieden von Tilsit (1807) erkennt Russland den Status Napoleons an, was niemand schneller begreift als Boris Drubezkoi (vgl. 2/II,XIX,714), während Nikolai Rostow an seinem geliebten Zaren zu zweifeln beginnt und sich fragt, welchen Sinn die in den zurückliegenden Schlachten gebrachten Opfer nun noch haben (2/II,XXI,730). Im Haus des alten Fürsten Bolkonski spricht man weiterhin von Buonaparte (vgl. 2/III,XXV,848), wie Napoleon nach Beginn des Vaterländischen Krieges 1812 auch allgemein wieder genannt wird (vgl. 3/I,IX,63).

Die Freunde Andrej Bolkonski und Pierre Besuchow halten Napoleon anfangs für ein Genie und bewundern ihn. Das ändert sich 1812 nach dem Einmarsch der napoleonischen Armee in Russland.

Napoleon Bonaparte (1769-1821), seit 1799 Konsul, seit Dezember 1804 Kaiser der Franzosen, nach dem Ende der Befreiungskriege im April 1814 abgesetzt und nach Elba verbracht, im März 1815 Rückkehr nach Paris, nach der Niederlage bei Waterloo im Juni 1815 endgültiger Rücktritt und Verbannung nach St. Helena.

Naryschkin

Nimmt an dem Diner zu Ehren Bagrations im Englischen Klub in Moskau teil und erzählt eine Anekdote über Suworow (2/I,III,538f.).

Alexander Lwowitsch Naryschkin (1760-1826), russischer Hofbeamter, 1799-1819 Direktor der kaiserlichen Theater (Kommentar Bd.2,1141)

Naryschkina, Marja Antonowna

Begleitung Alexanders I. auf dem Silvesterball 1809 (2/III,XVI, 803). Die Peronskaja gerät bei ihrem Anblick ins Schwärmen: »Nein, sie ist doch die Schönste von allen« (2/III,XV,801).

Marja Antonowna Naryschkina (1779-1854), Ehefrau des Oberhofmarschalls Dmitri Lwowitsch Naryschkin, war lange Jahre die Geliebte Alexanders I. (Kommentar Bd.1,1093).

Nastassja Iwanowna

Ein alter, zum Hausgesinde der Rostows in Otradnoje gehörender Mann, der als Narr gilt, in Frauenkleidern geht und mit einem Frauennamen angesprochen wird. Er erscheint während der Parforcejagd im September 1810 bei dem alten Grafen in einem Frauenmantel und mit einer hohen Kappe auf dem Kopf (2/IV,IV,872). Der in den Weihnachtstagen 1810 an Langeweile leidenden Natascha prophezeit er, sie werde »Flöhe, Libellen, Grashüpfer« zur Welt bringen, kann sie damit aber nicht aufheitern (2/IV,IX,908).

Neswizki

Offizier und Kamerad Andrej Bolkonskis im Stab des Oberkommandierenden Kutusow während des Dritten Koalitionskrieges 1805, »außerordentlich dick, mit gutmütigem, lächelndem schönem Gesicht und feuchten Augen« (1/II,II,203). Beim Übergang der russischen Truppen über die Enns im Oktober 1805 gerät er mit Oberst Schubert aneinander, der den von ihm überbrachten Befehl, die Brücke in Brand zu setzen, missverstanden hat (1/II,VIII,252).

Im März 1806 nimmt Neswizki an dem Diner für Bagration im Englischen Klub teil (2/I,III,538) und ist Zeuge der Auseinandersetzung zwischen Pierre und Dolochow (2/I,IV,547f.). Bei dem Duell zwischen beiden ist er Pierres Sekundant und versucht vergeblich, ihn zur Beilegung des Streits zu bewegen (2/I,IV,549f.).

Ney, Marschall

Beim Rückzug der französischen Armee lässt der französische Marschall die Festungsmauern von Smolensk sprengen, eine durchaus sinnlose Aktion, die der Erzähler sich so erklärt: »man wollte [...] den Boden schlagen, an dem man sich verletzt hatte« (4/III,XVII,824). Um Zusammenstöße mit russischen Truppen zu vermeiden, führt er sein Korps durch den Wald und über den Dnjepr. Als er in Orscha ankommt, sind von seinen ursprünglich zehntausend Mann nur noch tausend übrig (ebd.).

Michel Ney, Herzog von Elchingen (1769-1815), französischer Maréchal d'Empire, bildete mit seinem Korps beim Rückzug der französischen Armee aus Russland die Nachhut. Die Dezimierung seines Korps hat auch mit den hohen Verlusten zu tun, die es in dem Gefecht bei Krasnoje erlitt (vgl. Kommentar Bd.2,1122).

Nikita

Junger Lakai im Rostowschen Haushalt in Otradnoje, den die in den Weihnachtstagen 1810 an Langeweile leidende Natascha beauftragt, ihr einen Hahn zu bringen (2/IV,IX,907).

Nikita Iwanytsch

Gouvernementsbeamter in Woronesch, mit dessen Frau Nikolai Rostow während der Abendgesellschaft beim Gouverneur anbändelt, was den Ehemann begreiflicherweise verdrießt (4/I,IV,608f.).

Nowossilzew

Neben Czartoryski, Kotschubej und Stroganow Mitglied des engsten Beraterkreises des russischen Kaisers, den dieser »scherzhaft comité du salut publique« nennt (2/III,IV,744).

Nikolai Nikolajewitsch Nowossilzew (1761-1836), russischer Staatsmann, einer der engsten Vertrauten Alexanders I., Mitglied des geheimen Komitees, zwischen 1805 und 1812 mit zahlreichen diplomatischen Missionen betraut (vgl. Kommentar Bd.2, 1141).

Orlow-Denissow, Graf

Russischer General, unternimmt während der Kämpfe bei Tarutino im Oktober 1812 mit seinen Kosaken einen Angriff auf eigene Faust und macht zahlreiche Gefangene, erreicht aber das eigentliche Ziel, Murat gefangenzunehmen, nicht, weil seine Kosaken nur noch interessiert sind, Beute zu machen (4/II,VI,698f.).

Graf Wassili Wassiljewitsch Orlow-Denissow (1775-1843), General der russischen Armee.

Osterman-Tolstoi, Graf

General der russischen Armee, ein Mann mit einem »breiten Kopf«, »kühnen Zügen« und »blitzenden Augen« (3/III,IV,403f.). Nach dem Gefecht bei Ostrowo im Juli 1812, bei dem Nikolai Rostow französische Dragoner ohne Befehl angreift und schlägt, bestraft er ihn nicht, dankt ihm vielmehr und schlägt ihn für das Georgskreuz vor (3/I,XV,97f.).

Alexander Iwanowitsch Osterman-Tolstoi (1770-1857), russischer General, nahm an den Türkenkriegen, den Koalitionskriegen 1805-1809 und am Vaterländischen Krieg 1812 teil (vgl. Kommentar Bd.2, 1141).

Paulucci

Generaladjutant der russischen Armee, Mitglied der Entourage des russischen Kaisers bei der Armee zu Beginn des Vaterländischen Krieges, ein »sardinischer Emigrant«, der, »forsch und entschlossen in seinen Reden« (3/I,IX,61), den Kaiser davon zu überzeugen versucht, dass das Heereslager an der Drissa eine »Falle« sei (3/I,XI,75) und derjenige, der dazu geraten habe (d.i. Phull), bestraft werden müsse (3/I,XI,74). Er erwirkt schließlich, dass Phulls Schlachtplan verworfen wird; strebt die Position des Oberkommanderenden an, die dann aber Barclay de Tolly bekommt (3/II,I,152).

Filipp Ossipowitsch Paulucci (1779-1849), eigtl. Filippo Marquis de Paulucci, trat 1807 in russische Dienste, war 1812 zunächst Stabschef der ersten Armee, kurz darauf Gouverneuer von Livland und Kurland (Kommentar Bd.2,1141).

Pelagejuschka

Eine Vertreterin der »Gottesleute«, mit denen Prinzessin Marja gegen den Willen ihres Vaters Umgang pflegt. Als Andrej Bolkonski im Frühjahr 1807 mit Pierre von Bogutscharowo nach Lyssyje Gory kommt, erzählt sie den Männern von einer Marienerscheinung in Koljasin (2/II,XIII,687f.).

Peronskaja, Marja Ignatjewna

Freundin und Verwandte der Gräfin Rostowa, eine »magere und gelbliche Hofdame noch des alten Hofes«, die die Rostows zu dem Silvesterball 1809 begleitet, um sie mit der »großen Welt Petersburgs« vertraut zu machen (2/III,XIV,795).

Petruscha (Petruschka, Pjotr)

Kammerdiener Andrej Bolkonskis (1/I,XXV,189; 2/II,VIII,647). Er geht mit ihm in den Krieg. Nach der Schlacht bei Borodino begleitet er den Schwerverletzten (3/III,XXXIII,566).

Pfuel

Urheber des am grünen Tisch entwickelten Plans, den auf dem Rückzug befindlichen Napoleon an der Beresina »in einer strategischen Falle zu fangen« (4/IV,X,873).

Gemeint ist hier vermutlich nicht der preußische Militärtheoretiker Karl Ludwig August von Phull, der das umstrittene Heereslager an der Drissa konzipiert hatte (und zur Zeit der Schlacht an der Beresina im Dezember 1812 schon außer Landes war), sondern um den preußischen General Ernst von Pfuel (1779-1866), der 1812/13 für kurze Zeit in russischen Diensten stand und an der Verfolgung der im Rückzug befindlichen französischen Armee beteiligt war (vgl. auch Kommentar Bd.2,1124 und 1141f.)

Philipp

Diener im Haushalt des alten Fürsten Bolkonski. Bei der nächtlichen Rückkehr des totgeglaubten Andrej Bolkonski nach Lyssyje Gory steht er mit einer Kerze und »erschrockenem Gesicht« auf dem Treppenabsatz (2/I,VIII,570). Während des Aufenthalts des Fürsten und Prinzessin Marjas in Moskau vergisst er die Weisung des Alten, Mademoiselle Bourienne bei Tisch vor der Prinzessin zu bedienen, und zieht sich den Zorn seines Herrn zu, der droht, ihn zu den Soldaten zu geben. Prinzessin Marja bittet für ihn (2/V,II,948).

Phull

Preußischer Militärtheoretiker, Hauptverfasser des Plans für den Feldzug 1812 (3/I,IX,61), den die meisten russischen Generäle ablehnen (3/I,IX,63). Die Kritik gilt insbesondere seinem »chef d’oeuvre der Taktik«, dem befestigten Lager an der Drissa (3/I,X,69). Er ist ein »Kabinettstheoretiker, schroff und selbstbewusst bis zur Überheblichkeit« (3/I,IX,62). Beim Kriegsrat im Hauptquartier im Juni 1812 begegnet er jeglicher Kritik mit verächtlichem Schnaufen und ironischen Bemerkungen (3/I,XI).

Der kurz vor den Beratungen im Hauptquartier eingetroffene Andrej Bolkonski sieht in ihm einen typischen Repräsentanten des Deutschen, einen »dieser hoffnungslos sturen, bis zur Schmerzgrenze selbstbewussten Menschen, wie es nur Deutsche sind«, weil nur Deutsche glauben, aus abstrakten Ideen und Theorien unumstößliche Wahrheiten ableiten zu können (3/I,X,72). Praktische Misserfolge können ihn nicht beirren. So lehnt er es etwa strikt ab, in dem katastrophalen Ausgang des Krieges 1806, an dessen Planung er ebenfalls beteiligt war, irgendeinen Beweis gegen seine Theorie zu erkennen (3/I,X,72f.). Bolkonski empfindet dennoch Mitleid mit dem unsympathischen Mann, weil er nichts für sich selbst will, sondern nur für die Umsetzung seiner Idee lebt (3/I,XI,77) und weil er bei aller Überheblichkeit wohl fühlt, dass sein Sturz bevorsteht (3/I,XI,78). Tatsächlich wird sein Kriegsplan auf Pauluccis Drängen schließlich verworfen (vgl. 3/II,I,152).

Auch in Phulls äußerer Erscheinung meint Bolkonski einen typischen Deutschen zu erkennen (3/I,X,70): Er ist nicht groß, »sehr hager, aber breitknochig, von grober, gesunder Statur«, hat ein runzliges Gesicht mit tiefsitzenden Augen, und sein vorn glattgebürstetes Haar steht, wie mehrfach erwähnt wird, am Hinterkopf ungekämmt in kleinen Büscheln hoch (3/I,X,71)

Karl Ludwig August von Phull (1757-1826), Militärtheoretiker und Offizier, zunächst in württembergischen, dann in preußischen Diensten; trat 1806 nach der Niederlage der Preußen bei Jena und Auerstedt in russische Dienste, war Berater Alexanders I.; nachdem sein Kriegsplan für den Feldzug 1812 verworfen wurde, wurde er von der russischen Generalität so sehr angefeindet, dass er im Oktober 1812 aus Russland fliehen musste (vgl. auch Kommentar Bd.2,1142).

Platow

Russischer General, dessen Abteilung das Pawlograder Husarenregiment, in dem Nikolai Rostow dient, im Frühjahr 1807 eingegliedert wird (2/II,XV,694). Bei einer von Platow unternommenen Rekognoszierung erleidet Denissow eine leichte Verletzung, die er zum Vorwand nimmt, sich ins Lazarett einweisen zu lassen, um dem Verhör vor dem Kriegsgericht zu entgehen (2/XVI,704f.). Im August 1812 berichtet der Smolensker Gastwirt Ferapontow seinem Gast Alpatytsch von einem Gefecht, bei dem Platow das gegnerische Regiment in die Marina getrieben und »achtzehntausend oder so an einem Tag ersäuft haben« soll (3/II,IV,172). Am 30. August 1812 suchen Platow und Generaladjutant Wassiltschikow den Moskauer Gouverneur Rastoptschin auf, um ihm zu erklären, dass Moskau übergeben werden muss (3/III,X,431). Während des Rückzugs der napoleonischen Armee gehört Platow zu den Generälen, die Kutusows Bemühen, unnötige Kämpfe zu vermeiden, konterkarieren (4/II,XIX,755).

Matwej Iwanowitsch Platow (1751-1818), russischer General, Ataman der Donkosaken. Das Gefecht, von dem Ferapontow spricht, war der erfolgreiche Angriff von Platows Kosakenregiment am Fluss Marejka im Gouvernement Smolensk am 7. Juli 1812 (Kommentar Bd.2,1096).

Praskowja Sawischna (Njanja)

Alte Kinderfrau Prinzessin Marjas. Seit der alte Fürst ihr den Umgang mit der Prinzessin verboten hat, sieht sie ihren ehemaligen Schützling kaum noch. Aber während die Fürstin Lise in den Wehen liegt, geht sie dennoch in das Zimmer der Prinzessin, zündet Kerzen vor dem Heiligenschrein an, setzt sich mit einem Strickstrumpf zu ihr (2/I,VIII,567f.) und erzählt »das schon hundertmal Erzählte, wie die verstorbene Fürstin in Kischinjow Prinzessin Marja geboren hatte, mit einer moldawischen Bauersfrau statt der Hebamme«(2/I,VIII,569). Sie wird Kinderfrau des mutterlosen kleinen Fürsten Nikolai (2/II,VIII,646).

Prokofi

Diener der Rostows, ein »riesiger Haiduk« (I,I,VII,64), der »so stark war, dass er eine Kutsche am Hintergestell hochstemmen konnte« (2/I,I,520). Als Nikolai Rostow Anfang 1806 zum ersten Mal für einen Urlaub von der Armee heimkehrt, begrüßt er ihn begeistert und drückt gerührt sein Gesicht an die Schulter seines jungen Herrn (2/I,I,520f.).

Przybyszewski

Polnischer General in russischen Diensten, anwesend beim Kriegsrats vor der Schlacht bei Austerlitz (1/III,XII,459), in der sein Korps die Waffen streckt (1/III,XVIII,506). Nach der Niederlage steht für die Moskauer gute Gesellschaft fest, dass sie unter anderem dem »Verrat des Polen Przybyszewski und des Franzosen Langeron« zu verdanken sei (2/I,II,536).

Ignati Jakowlewitsch Przybyszewski (1755-1810), polnischer General in russischen Diensten; ergab sich in der Schlacht bei Austerlitz den Franzosen und wurde nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft degradiert und entlassen (Kommentar Bd.2,1142; vgl. auch Kommentar Bd.1,1078).

Rajewski

Russischer Feldherr. Von dessen »großer Tat« in der Schlacht bei Saltanowka hört Nikolai Rostow durch den Regimentskameraden Sdrzinski (3/I,XII,84f.). Auch Julie Karagina berichtet davon in einem Brief an Prinzessin Marja (3/II,II,156). In der Schlacht bei Borodino hält er den ganzen Tag lang die später nach ihm benannte »Rajewski-Redoute oder Kurgan-Batterie« (3/II,XXIII,297), einen Hügel, an dem sich ein für die Schlacht zentrales Kampfgeschehen abspielt (3/II,XXXI,341). Am Abend begrüßt Kutusow den »untersetzten, gutaussehenden, schwarzhaarigen General« mit den Worten »Ah, da ist er ja, mein Held« (3/III,II,XXXV,366).

Nikolai Nikolajewitsch Rajewski (1771-1829), russischer General, kommandierte im Feldzug 1812 ein Infanteriekorps. In der Schlacht bei Saltanowka im Juli 1812 hielt er dem Angriff von fünf Divisionen stand und ermöglichte damit den Übergang der 2. Westarmee über den Dnjepr (Kommentar Bd. 2,1092). Die von Sdrzinski und Julie Karagina kolportierte Geschichte, dass er dabei seine beiden Söhne in das »schlimmste Feuer« geführt habe, ist ein Gerücht, dem er später selbst entgegengetreten ist (Kommentar Bd.2,1092). Zur »Rajewski-Batterie« vgl. Kommentar Bd.2, 1103f.

Ramballe, Capitaine

Französischer Offizier, der sich nach dem Einmarsch französischer Truppen in Moskau Anfang September 1812 in dem Haus des verstorbenen Basdejew einquartiert, in dem Pierre in diesen Tagen wohnt. Der geisteskranke Bruder Basdejews, Makar Alexejewitsch, macht Anstalten, ihn zu erschießen, was Pierre in letzter Minute verhindert (3/III,XXVIII,531). Ramballe erklärt Pierre zu einem Franzosen, weil er überzeugt ist, dass nur ein Franzose eine so »große Tat« vollbringen kann (3/III,XXVIII,532), und lädt ihn ein, mit ihm zu essen und zu trinken. Zwei Monate später, nach der Schlacht bei Krasnoje, taucht Ramballe mit seinem Burschen Morel am Nachtlager einer russischen Kompanie auf und bittet um Hilfe (4/IV,IX,869). Man bringt ihn zu den Offizieren, während Morel mit den Soldaten trinkt und französische Lieder singt (4/IV,IX,871f.).

Rapp

Adjutant Napoleons (3/II,XXIX,329). In der Nacht vor der Schlacht bei Borodino leistet er dem schlaflosen und an einer Erkältung leidenden Kaiser Gesellschaft beim Punsch (3/II,XXIX,329-331).

Jean Graf Rapp (1772-1821), französischer General aus dem Elsass, war 1800-1814 Napoleons Adjutant (vgl. Kommentar Bd.2,1143).

Rastoptschin, Graf Fjodor Wassiljewitsch

General der russischen Armee, später Generalgouverneur von Moskau, ein Mann mit einem »vorstehenden Kinn und […] flackernden Augen« (3/I,XXIII,143). Im Dezember 1810 ist er Gast des alten Fürsten Bolkonski bei dessen Diner zum Namenstag (2/V,III,951-957).

In den Wochen vor dem Einmarsch der Franzosen in Moskau handelt und redet Rastoptschin, inzwischen Generalgouverneur Moskaus, außerordentlich widersprüchlich und willkürlich (3/III,V,410f.). Obwohl er längst weiß, dass die Armee Moskau nicht verteidigen wird, schürt er noch zwei Tage vor dem Einmarsch die Hoffnung auf Rettung, lässt Waffen an die Bevölkerung verteilen und bestimmt einen Ort, an dem sie sich sammeln soll, lässt sie dann aber ins Leere laufen (3/III,X,432f.; 3/III,XIII,448f.). Als sich die aufgebrachte Menge vor seinem Haus versammelt, um ihn zur Rede zu stellen, hetzt er sie auf Wereschtschagin, einen jungen Kaufmannssohn, den er in einem Willkürakt wegen Hochverrats hatte verurteilen lassen (3/III,X,434f.), stachelt sie zur Lynchjustiz an und macht sich aus dem Staub (3/III,XXV). Seine nachträglichen Rechtfertigungen werden vom Erzähler ironisch kommentiert (3/III,XXIV,497-502). Der Brand Moskaus, den er später selbst initiiert haben will und, je nach Opportunität, entweder als eigene Heldentat oder als eine von Kutusows Unzuverlässigkeit erzwungene Konsequenz darstellt, ist nach Überzeugung des Erzählers nicht auf Rastoptschins Anweisung hin geschehen, sondern patriotische Tat der Moskauer selbst, die sich um die widersprüchlichen Befehle Rastoptschins nicht mehr geschert haben (3/III,V,408-410).

Fjodor Wassiljewitsch Rastoptschin (1763-1828), russischer General und Staatsmann, von 1812-1814 Generalgouverneur von Moskau. Zu seinem Verhalten vor dem französischen Einmarsch vgl. Kommentar Bd.2, 1107f. und 1110-1112.

Regimentskommandeur

Kommandeur eines russischen Infanterieregiments, das im Oktober 1805 nach langem, zermürbendem Marsch bei Braunau in Österreich eintrifft, wo es sich sogleich auf eine Besichtigung durch den Oberkommandierenden Kutusow vorbereiten muss (1/II,I,195f.). Dabei gerät er mit Hauptmann Timochin und Dolochow aneinander, hat aber dem selbstbewussten Auftreten Dolochows nichts entgegenzusetzen (1/II,I,201).

Er ist ein »betagter, sanguinischer General mit ergrauten Augenbrauen und Backenbart«, der im Gehen bei jedem Schritt eine zuckende Bewegung macht und dabei etwas den Rücken krümmt (1/II,I,196), eine Eigenheit, die er während der Besichtigung kaum zügeln kann, wobei er zudem bei jedem Wort Kutusows ins Hüpfen gerät, was darauf hindeutet, »dass er die Pflichten eines Untergebenen mit noch größerem Genuss erfüllte als die eines Vorgesetzten« (1/II,II,202). Ein Husarenkornett aus Kutusows Suite, Scherkow, äfft seine zuckenden Bewegungen zur Belustigung seiner Kameraden nach (1/II,II,203). Bei den Soldaten des Regiments hat er den Spitznamen »Herzkönig« (1/II,II,207).

Während der Schlacht bei Schöngrabern streitet er sich mit dem Kommandeur der Pawlograder Husaren, Schubert, aus bloßer Eitelkeit, während die Franzosen angreifen (1/II,XIX,324-326). Seine Soldaten fliehen und lassen sich von ihm nicht aufhalten; seine Rettung ist die Kompanie Timochins, die die Franzosen zurückdrängt, so dass die Fliehenden zurückkehren (1/II,XX,332). Nach der Schlacht rühmt er sich vor Bagration, die Franzosen zurückgeworfen zu haben (1/II,XXI,344f.).

Repnin, Fürst

Russischer Oberst, der in der Schlacht bei Austerlitz eine Schwadron der Gardekavallerie befehligt und verwundet wird. Er gehört zu den hochrangigen Gefangenen, die Napoleon nach der Schlacht als Trophäen präsentiert werden (1/III,XIX,512).

Fürst Nikolai Grigorjewitsch Repnin (1778-1833) war Generaladjutant, befehligte 1805 die 4. Schwadron des Gardekavallerieregiments und im Vaterländischen Krieg 1812 die 9. Kavalleriedivision (vgl. Kommentar Bd. 2,1143).

Rostow, Graf Ilja Andrejewitsch (Ilja Andrejitsch, Elie, der alte Graf)

Ehemann der Gräfin Natalja Rostowa, Vater von Vera, Nikolai, Natascha und Petja, Onkel von Sonja. Er lebt mit seiner Familie teils in dem großen Haus an der Powarskaja-Straße in Moskau, teils auf dem Gut Otradnoje; nur 1809/10 zieht er für einige Monate nach Petersburg, wo die Rostows, anders als in Moskau, als »Provinzler« gelten (2/III,XI,780f.).

Graf Ilja ist ein gutmütiger, nicht eben willensstarker Mensch, »der das Leben liebt und zu leben versteht« (1/I,VII,63). Seine Freude an großzügiger Gastlichkeit und am Glücksspiel sorgt aber auch dafür, dass das größtenteils dem Erbe seiner Frau entstammende Vermögen der Familie mehr und mehr dahinschwindet. Das bereitet ihm zwar zunehmende Gewissensbisse, vermag ihn aber nicht zu entschlossenen Gegenmaßnahmen zu bewegen. Seine äußere Erscheinung ist geprägt von einem fülligem Körper, einem »vollen, vergnügten und glattrasierten Gesicht«, wenigen »dünnen grauen Haare[n]« (1/I,VII,63) und einem »klangvollen tiefen Lachen«, wie es Menschen haben, »die immer gut gegessen und vor allem getrunken haben« (1/I,VII,67). Abgesehen von Fürst Wassili, der ihn für »complètement stupide et ridicule« hält (1/I,XII,88), wird er in der Moskauer Gesellschaft – schon wegen seiner Freigebigkeit – durchaus geschätzt.

Nach der Schlacht bei Austerlitz, im März 1806, organisiert er das Diner zu Ehren Bagrations im Englischen Klub (2/I,II,531), zieht sich bald danach für zwei Jahre aufs Land nach Otradnoje zurück, um Geld zu sparen, was aber nicht gelingt (2/III,XI,780). 1809 geht er mit der Familie nach Petersburg, um sich eine Stelle im Staatsdienst zu suchen (ebd.), offenbar erfolglos, denn schon im Frühjahr 1810 lebt die Familie wieder in Otradnoje. Dort gibt der Graf seine Funktion als Adelsmarschall auf, um die Kosten der damit verbundenen Repräsentationspflichten einzusparen. Auch das kann den fortschreitenden Ruin seiner Vermögensverhältnisse nicht aufhalten, weshalb er Anfang 1811 mit Natascha und Sonja nach Moskau reist, um das Moskauer Haus und ein bei Moskau gelegenes Gut zu verkaufen; die kränkelnde Gräfin bleibt zunächst in Otradnoje zurück (2/IV,XIII,935f.).

In Moskau wohnt Graf Ilja mit den beiden Mädchen bei Marja Dmitrijewna (2/V,VI,968). Anatole Kuragins Versuch, Natascha zu entführen, wird ihm verheimlicht, und obwohl er ahnt, dass sich etwas Schlimmes zugetragen hat, stellt er keine Fragen, »so sehr liebte er seine heitere Ruhe« (2/V,XVIII,1031). Nach Nataschas Selbstmordversuch kommt auch die Gräfin nach Moskau, und die Familie richtet sich für einen längeren Aufenthalt in ihrem eigenen Moskauer Haus ein (3/I,XVI,99). Der Verkauf des Hauses und des Gutes bei Moskau ist auch im Jahr darauf noch nicht gelungen, man erzählt, dass der Graf zuviel Geld haben will (3/II,XVII,263). Am 1. September 1812, einen Tag vor der Besetzung Moskaus durch französische Truppen, verlässt der Graf mit seiner Familie die Stadt (3/III,XVII,467). Zwei Tage später sieht seine Dienerschaft in der Nacht von ferne die ersten Brände in Moskau (3/III,XXX,552). Die Reise führt die Rostows bis Jaroslawl, wo sie im Spätherbst 1812 die Nachricht vom Tod des jüngsten Sohnes Petja erreicht (4/IV,II,841).

Im darauffolgenden Jahr lebt die Familie wieder in Moskau, nun in einer Mietwohnung. Graf Ilja hat die Schicksalsschläge des Jahres 1812 nicht verkraftet. Kurz nach Nataschas Hochzeit mit Pierre im Frühjahr 1813 wird er krank und stirbt nach zweiwöchigem Krankenlager (E/I,V,944f.). Die Schulden, die er seinem Sohn Nikolai hinterlässt, sind »zweimal höher als der Besitz« (E/I,V,945).

Rostow, Nikolai Iljitsch (Nikolenka, Nikoluschka, Nicolas, Kolja, Koko)

Ältester Sohn von Graf Ilja Rostow und Gräfin Rostowa, Bruder von Vera, Natascha und Petja, Cousin von Sonja; später (1814) Ehemann von Prinzessin Marja. Zu Beginn der Geschichte ist er ungefähr 19 Jahre alt (vgl. 1/III,VI,413) und Student, aber schon im Begriff, in das Pawlograder Husarenregiment einzutreten (1/I,IX,72). Er ist ein hübscher, »nicht sehr großer, kraushaariger junger Mann mit offenem Gesicht«, das »Ungestüm und Begeisterung« ausdrückt (1/I,VIII,70). Er hat ein aufbrausendes Temperament, das zu beherrschen ihm auch noch im fortgeschrittenen Alter Mühe macht (vgl. E/I,VIII,959f.), und kennt »in seinem Urteil und seinen Gefühlen kein Mittelmaß« (2/IV,VI,884).

Zunächst Junker unter dem Befehl Denissows, mit dem er sich rasch anfreundet, brennt er darauf, sich als mutiger Soldat zu beweisen. Während der Schlacht bei Schöngrabern im November 1805 wird er am Arm verletzt und rettet sich mit knapper Not vor der Gefangennahme (1/II,XIX,328-330). Er wird zum Offizier befördert (1/III,VI,407). Anders als sein Jugendfreund Boris Drubezkoi verschmäht er es, durch Beziehungen voranzukommen, und wirft ein Empfehlungsschreiben fort, das ihm die Mutter beschafft hat (1/III,VII,420). Er hegt eine schwärmerische Liebe und Begeisterung für seinen Kaiser Alexander (1/III,VIII,430) und möchte für ihn sterben (1/III,VIII,431; X,445 und 448f.). Als er ihm nach der Schlacht bei Austerlitz abseits der Schlachtfelder nur in Begleitung eines Offiziers begegnet, wagt er nicht, ihn anzusprechen (1/III,XVIII,504f.).

Anfang 1806 reist er auf Urlaub nach Moskau, freundet sich mit Dolochow an, dem er beim Duell gegen Pierre sekundiert (2/I,IV,548) und der es ihn wenig später hart entgelten lässt, dass er bei Sonja keine Chancen hat, weil sie ihren Vetter abgöttisch liebt: Er nimmt Rostow beim Kartenspiel 43.000 Rubel ab (2/I,XIV,594). Rostows Verhältnis zu Sonja ist ambivalent. Ihre Liebe und die Absage an Dolochow schmeicheln ihm (2/I,XI,581), auch erklärt er ihr seine Liebe, gibt ihr aber kein Heiratsversprechen (2/I,XI,582), wozu wohl auch der Wunsch der Mutter beiträgt, dass er reich heiratet, um die Familie vor dem Ruin zu bewahren.

Die Rückkehr zum Regiment Anfang 1807 enthebt ihn aller Gefühlskomplikationen, die Welt des Militärs, die ihm keine eigenständigen Entscheidungen abverlangt, kommt seinem Naturell entgegen (2/II,XV,692f.; vgl. auch 2/IV,I,855f.). Er besucht den von einem Kriegsgerichtsverfahren bedrohten Denissow im Hospital und überbringt dessen Bittgesuch an den Kaiser, das jedoch abschlägig beschieden wird (2/II,XX,724). Bei dieser Gelegenheit trifft er Boris Drubezkoi, den Freund aus Kindertagen, dessen Verhalten ihn befremdet und mit dem für ihn »alles aus« ist, als deutlich wird, dass Boris ihm in Denissows Sache nicht zu helfen bereit ist (2/II,XX,720).

Im Frühjahr 1810 nimmt er für fast ein Jahr Urlaub und reist nach Hause, um der Bitte der Mutter nachzukommen, die zerrütteten Finanzen der Familie zu ordnen (2/IV,I,857). Außer einem folgenlosen Zusammenstoß mit dem Verwalter Mitenka (2/IV,II,861f.) unternimmt er aber nichts und widmet sich stattdessen der Jagd (2/IV,II,863). Beim weihnachtlichen Mummenschanz mit den Geschwistern verliebt er sich erneut in Sonja (2/IV,XI,926), hat ein heimliches Tête-à-Tête mit ihr (2/IV,XI,927f.) und erklärt seiner entsetzten Mutter, dass er sie zu heiraten beabsichtige (2/IV,XIII,932f.).

Im Januar 1811 kehrt er zu seinem Regiment zurück in der festen Absicht, seinen Abschied zu nehmen und Sonja zu heiraten (2/IV,XIII,935), setzt diesen Plan aber nicht um, nimmt vielmehr auch noch am Vaterländischen Krieg 1812 teil und verspricht Sonja, nach dessen Beendigung seinen Abschied zu nehmen und sie zu heiraten (3/I,XII,81). In der Schlacht bei Ostrowo im Juli 1812 unternimmt er ohne Befehl einen erfolgreichen Angriff auf französische Dragoner und wird wider Erwarten nicht bestraft, sondern belobigt und mit dem Georgskreuz ausgezeichnet (3/I,XV,97f.).

Im August 1812 kommt er bei einem Ausritt mit Iljin und Lawruschka zufällig nach Bogutscharowo, wo die Bauern Prinzessin Marja an der Abreise hindern, und schüchtert die Bauern mit einem jähzornigen Auftritt so sehr ein, dass sie klein beigeben. Die Begegnung mit der Prinzessin berührt ihn, er denkt schon hier an eine Heirat (3/II,XIV,245). In Woronesch, wohin er bald darauf zur Rekrutierung von Pferden reist, sieht er sie wieder, ist erneut von ihr beeindruckt (4/I,VI,617f.), verwirft aber den Gedanken an eine Ehe, weil er sich an sein Sonja gegebenes Heiratsversprechen gebunden fühlt (4/I,VII,623). In dieser Situation erreicht ihn ein Brief Sonjas, in dem sie ihn von diesem Versprechen entbindet (4/I,VII,624f.).

Nach dem Krieg und dem Tod des Vaters im Frühjahr 1813 hält ihn der vollkommene Ruin der Familie davon ab, um Prinzessin Marja zu werben (E/I,VI,949), ein Hemmnis, das die Prinzessin beherzt aus dem Weg räumt (E/I,VI,953f.). Beide heiraten im Herbst 1814 (E/I,VII,954) und ziehen nach Lyssyje Gory, wo sie mit der Mutter, Sonja, Marjas Neffen Nikolai und bald auch drei Kindern leben. Rostow ist nun Landwirt mit Leib und Seele, begleicht die väterlichen Schulden innerhalb von drei Jahren, ohne etwas von dem Besitz seiner Frau zu verkaufen, und kann nach weiteren drei Jahren in Verhandlungen über einen Rückkauf des elterlichen Guts Otradnoje eintreten (E/I,VII,954).

Rostow, Pjotr Iljitsch (Petja)

Jüngerer Sohn von Graf Ilja Rostow und Gräfin Rostowa, Bruder von Vera, Nikolai und Natascha; im Winter 1805/06 ist er neun Jahre alt (1/III,VI,411). Im Sommer 1812 will der nun Fünfzehnjährige unbedingt zur Armee (3/I,XX,122f.). Ein Besuch des Kaisers in Moskau, den er als Zaungast miterlebt, verstärkt diesen Wunsch (3/I,XXI,135). Die Eltern lehnen zunächst ab, doch bald darauf, unter dem Eindruck der patriotischen Hochstimmung auf der Adelsversammlung am 15. Juli 1812, gibt der alte Graf nach und schreibt ihn selbst ein (3/I,XXIII,145).

Bis zur Abreise der Familie aus Moskau am 1. September 1812 können die Eltern ihn noch in der Nähe halten, doch danach schließt er sich seinem Regiment an, wird Ordonnanzoffizier eines Generals und befindet sich ständig in glücklicher Erregung darüber, erwachsen zu sein. Der begeisterte Wunsch, wahres Heldentum zu beweisen, lässt ihn wiederholt über das Ziel hinausschießen (4/III,VII,782f.). Im Oktober 1812 überbringt er Denissow, der jetzt einen Partisanentrupp führt, eine Nachricht seines Generals (4/III,IV,772) und nimmt an dem Überfall der Partisanen auf einen französischen Proviantzug bei Schamschewo teil. Dabei reitet er, alle Befehle missachtend, wild begeistert ins Feuer und wird getötet (4/III,XI,803f.).

Rostowa, Gräfin Natalja (Nathalie, Natalie, die alte Gräfin) – geb. Schinschina

Ehefrau von Graf Ilja Andrejewitsch, Mutter von Vera, Nikolai, Natascha und Petja, Tante von Sonja, Cousine von Pjotr Nikolajitsch Schinschin, Verwandte von Anna Michailowna. Zu Beginn der Geschichte ist sie ungefähr 45 Jahre alt, hat ein mageres Gesicht »orientalischen Typs« und ist »sichtlich abgezehrt« durch die zwölf Kinder, die sie geboren hat und von denen nur vier das Erwachsenenalter erreicht haben. Bedingt durch ihre Kraftlosigkeit, spricht und bewegt sie sich langsam, was sie »bedeutend und verehrungswürdig erscheinen« lässt ((1/I,VII,62).

Der ursprünglich große, durch den großzügigen Lebensstil ihres Mannes aber mehr und mehr im Schwinden begriffene Reichtum der Familie entstammt vor allem dem Erbe der Gräfin, die sowohl das große Haus in der Powarskaja, in dem die Familie in Moskau lebt, als auch das Gut Otradnoje in die Ehe gebracht hat. Als der Ruin in greifbare Nähe rückt, setzt sie ihre ganze Hoffnung auf eine reiche Heirat Nikolais, versucht auch, eine Verbindung mit Julie Karagina anzubahnen (2/IV,VIII,904), stößt damit aber bei ihrem Sohn auf taube Ohren. Als er ihr seinen Entschluss mitteilt, Sonja zu heiraten, setzt sie die Nichte massiv unter Druck (2/IV,XIII,933) und erreicht schließlich, dass Sonja Nikolai von seinem Heiratsversprechen entbindet (4/I,VIII,626).

Die Nachricht von Petjas Tod bringt sie dem Wahnsinn nahe (4/IV,II), sie wird innerhalb von vier Wochen zur Greisin (4/IV,III,844). Nach dem Tod des Grafen und der Heirat Nikolais und Prinzessin Marjas lebt sie bei dem jungen Paar auf Lyssyje Gory. Aller Ziele und Aufgaben ledig, die sie früher lebendig gehalten haben, fühlt sie sich »wie ein zufällig auf dieser Welt vergessenes Wesen, ohne jeden Zweck und Sinn« (E/I,XII,987).

Rostowa, Natalja Iljinitschna (Natascha, Natalie)

Jüngere Tochter von Graf Ilja Rostow und Gräfin Rostowa, Schwester von Vera, Nikolai und Petja, Cousine und enge Vertraute von Sonja, später (1813) Ehefrau von Pierre Besuchow und unverkennbar Lieblingsfigur des Erzählers. Zu Beginn der Geschichte ist sie 13 Jahre alt, ein temperamentvolles und lachlustiges Mädchen mit schwarzen Augen, schwarzen Locken (1/I,VIII,68f.) und einer schönen Stimme, für deren Schulung die Eltern einen italienischen Gesangslehrer engagiert haben (1/I,IX,74).

An ihrem Namenstag 1805 nimmt sie ihrem Ziehbruder Boris Drubezkoi in kindlichem Übermut das Versprechen ab, um sie anzuhalten, sobald sie sechzehn Jahre alt ist (1/I,X,78), doch er lässt sich dann jahrelang nicht mehr bei den Rostows sehen, und auch Natascha hat ihn schon bald vergessen (2/I,I,527f.; 2/III,XII,785). Zwei Jahre später macht Denissow ihr einen Heiratsantrag, den sie ablehnt (2/I,XVI,603). Weitere zwei Jahre später, beim Silvesterball 1809 in Petersburg, begegnet sie Andrej Bolkonski (2/III,XVII,806f.). Beide verlieben sich und verloben sich wenig später. Wegen der Warte- und Trennungszeit von einem Jahr, die der alte Fürst Bolkonski – die Verbindung missbilligend – über das Paar verhängt (2/III,XXIII,833f.), wird das Verlöbnis nicht öffentlich gemacht (2/III,XXIV,841). Andrej reist ins Ausland, Natascha leidet zunehmend unter der langen Trennung.

Kurz vor Ablauf der Wartezeit, im Januar 1811, stattet sie ihrem künftigen Schwiegervater und ihrer künftigen Schwägerin in Moskau einen Antrittsbesuch ab, der gründlich misslingt; der alte Fürst empfängt sie nicht, und Prinzessin Marja lässt sie, wenn auch wider Willen, ihre Antipathie spüren (2/V,VII). Am Abend desselben Tages lernt sie in der Oper Anatole Kuragin kennen (2/V,X,989), eine Begegnung, bei der ihr sonst so gutes Gespür für den Charakter von Menschen (vgl. z.B. 2/I,X,577) versagt. Sie fühlt sich von ihm angezogen und stellt erschrocken fest, dass zwischen ihr und ihm »jene Schranke der Schamhaftigkeit« fehlt, »die sie immer zwischen sich und anderen Männern gespürt« hat (2/V,X,990). Sie willigt in eine Entführung und sagt Bolkonski in einem Brief an seine Schwester ab (2/V,XV,1014). Marja Dmitrijewna verhindert die Entführung (2/V,XVII,1027), und Natascha erfährt von Pierre, dass Anatole schon verheiratet ist. Von Schamgefühlen gepeinigt, versucht sie sich mit Arsen das Leben zu nehmen (2/V,XXI,1041). Es folgt eine lange Zeit der Krankheit und Schwermut, in der Pierre ihr beisteht (3/I,XVII,105); als er spürt, dass sie seine Liebe zu erwidern beginnt, zieht er sich zurück (3/I,XX,128).

Anderthalb Jahre später, im August 1812, ist sie wieder gesund (3/III,XII,444). Vor der Abreise der Familie aus dem vom Einmarsch französischer Truppen bedrohten Moskau sorgt sie dafür, dass verletzte russische Soldaten in dem leergeräumten Haus untergebracht werden (3/III,XIII,446f.), darunter auch, was sie nicht weiß, Andrej Bolkonski (3/III,XIV,453). Am Tag der Abreise setzt sie durch, dass ein großer Teil der mit dem Hab und Gut der Familie beladenen Fuhrwerke für den Transport von Verletzten freigemacht wird (3/III,XVI,462). Dass auch der schwerverletzte Andrej Bolkonski dem Wagenzug der Rostows folgt, erfährt sie erst einige Tage später (3/II,XXXI,554) und geht in der darauffolgenden Nacht heimlich zu ihm (3/III,XXI,558f.). Sie erbittet seine Verzeihung, er antwortet ihr mit der Erklärung, dass er sie jetzt »mehr« und »besser« liebe (3/III,XXXII,566). Fortan übernimmt sie seine Pflege (3/III,XXXII,567). Kurz vor seinem Tod kommt Prinzessin Marja dazu, mit der sie rasch eine innige Freundschaft verbindet (4/I,XIV-XVI). Nach Andrejs Tod versinkt sie in Schmerz. Die Nachricht vom Tod ihres Bruders Petja und die Verzweiflung der Mutter reißen sie aus ihrem Unglück (4/IV,II)

Ende Januar 1813 begleitet sie Prinzessin Marja nach Moskau (4/IV,III,847), wo sie Pierre wiedersieht, der inzwischen Witwer ist (4/IV,XV,900). Der Epilog berichtet, dass beide noch im selben Jahr heiraten (E/I,V,944). Sieben Jahre später (1820) haben sie drei Kinder und führen eine glückliche Ehe (E/I,X,975-978; XVI,1007-1013). Dass Natascha fortan ganz und gar in ihrer Aufgabe als Ehefrau und Mutter aufgeht, die Gesellschaft meidet, wenig Wert auf ihr Äußeres legt und jedes Verständnis für frauenemanzipatorische Ideen vermissen lässt, rühmt der Erzähler als Musterbeispiel wahrhaften Frauentums und als Garanten einer gelingenden Ehe (E/I,X,972-978).

Rostowa, Vera

Ältere Tochter von Graf Ilja Rostow und Gräfin Rostowa, Schwester von Nikolai, Natascha und Petja und Cousine von Sonja, später (1809) Ehefrau von Alfons Berg. Zu Beginn der Geschichte ist sie 17 Jahre alt (1/I,IX,71). Sie ist schön, doch wenn sie lächelt, wird ihr Gesicht nicht schöner, sondern »unnatürlich und dadurch unangenehm«, und sie hat ein ausgeprägtes Talent zu deplatzierten Bemerkungen, mit denen sie regelmäßig Unbehagen auslöst (1/I,IX,75). Die Mutter liebt sie nicht (1/I,XI,79), und auch die Geschwister mögen sie nicht, was sie aber augenscheinlich kalt lässt (1/I,XI,81). Sie heiratet 1809 den Offizier Berg (2/III,XI,781). Von ihrer ersten Abendgesellschaft nach der Einrichtung ihrer gemeinsamen Wohnung wird ausführlich erzählt (2/III,XX und XXI).

Rugai

Jagdhund des Onkels Michail Nikanoritsch, der seinen Herrn bei der Rostowschen Parforcejagd im September 1810 begleitet. Zwischen Nikolai Rostow, Ilagin und dem Onkel entsteht dabei eine heimliche Konkurrenz um die Qualität ihrer Hunde Milka, Jorsa und Rugai (2/IV,VI,887). Rugai, ein »roter buckliger Rüde« und im Unterschied zu seinen teuren, reinrassigen Konkurrentinnen gewöhnlicher Hund, gewinnt zum Stolz seines Besitzers die Wettjagd auf einen Hasen (2/IV,VI,889f.).

Rumjanzew, Graf

Russischer Kanzler, führender Kopf des frankophilen Gesellschaftskreises in Petersburg (2/III,IX,770). Zu Beginn des Vaterländischen Krieges 1812 hält er sich im Hauptquartier der Armee in der Umgebung des Kaisers auf (3/I,IX,60f.) und tritt für einen Friedensschluss mit Napoleon ein (3/I,IX,64). In Petersburg verkehrt er in Hélènes (franzosenfreundlichem) Salon und hält Hélène für eine »bemerkenswert kluge Frau« (3/II,VI,189).

Graf Nikolai Petrowitsch Rumjanzew (1754-1826), russischer Staatsmann, 1802-1811 Minister für Kommerz, seit 1808 auch Außenminister, seit 1809 Kanzler (Kommentar Bd.2,1143).

Sachar

Kutscher des alten Grafen Rostow. Bei der Schlittenfahrt zu den Meljukows am dritten Weihnachtstag 1810 liefert er sich ein Wettrennen mit Nikolai Rostow (2/IV,X,921).

Sachartschenko

Ein Feldwebel in Hauptmann Tuschins Einheit, für den Tuschin »große Hochachtung« hat und mit dem er sein Vorhaben bespricht, während der Schlacht bei Schöngrabern das Dorf Schöngrabern in Brand zu setzen (1/II,XVII,314f.).

Savary

Französischer Offizier, den Napoleon vor der Schlacht bei Austerlitz mit einem Friedensangebot und der Bitte um eine Unterredung zu Alexander I. schickt (1/III,XI,449).

Anne Jean Marie René Savary, Duc de Rovigo (1774-1833), französischer Gneral, seit 1800 Adjutant Napoleon (Kommentar Bd.2,1144).

Sawostjanow, Andrej

Alter Bauer in Fili, in dessen guter Stube Kutusow nach der Schlacht bei Borodino Kriegsrat mit seinen Generälen hält (3/III,IV,402f.).

Schapowalow

Ein Kosak, der im Oktober 1812 bei einer Hasenjagd zufällig die ungedeckte linke Flanke der Armee Murats entdeckt (4/II,III,689f.). Diese Entdeckung gibt den letzten Anstoß für die von der russischen Generalität ersehnte Offensive bei Tarutino, die Kutusow widerstrebend befiehlt (4/II,IV,691).

Scherer, Anna Pawlowna (Annette)

Hofdame und »Vertraute« der Kaiserinmutter Marija Fjodorowna (1/I,I,7). Mit einer Soirée in ihrem Haus in Petersburg im Juli 1805 beginnt der Roman. Sie ist »trotz ihrer vierzig Jahre ganz Lebhaftigkeit und Temperament«, ihre Rolle in der Gesellschaft ist die »Enthusiastin« (1/I,I,9). Wenn sie von der kaiserlichen Familie, insbesondere von der Kaiserinmutter spricht, zeigt ihr Gesicht jedesmal »tiefe und aufrichtige Ergebenheit und Verehrung, verbunden mit Wehmut« (1/I,I,12; vgl. auch 1/I,IV,34).

Sie versieht ihre Aufgabe als Gastgeberin wie der Inhaber »einer Spinnerei, der […] in seinem Betrieb herumgeht, und weil er den Stillstand der einen Spindel oder den ungewöhnlich knirschenden, viel zu lauten Ton der anderen bemerkt, eilig hinläuft und sie anhält oder wieder in Gang setzt« (1/I,II,19f.). Besondere Aufmerksamkeit verwendet sie dabei auf den unbeholfenen Pierre, der die Regeln unverbindlichen geselligen Umgangs mehrmals zu unterlaufen droht (1/I,III,25). Ihre Herablassung gegen Pierre (1/I,II,18) verwandelt sich in Zuvorkommenheit, nachdem er sein Erbe angetreten hat (1/III,I,356f.). Stets mit Fürst Wassili im Bunde, wirkt sie an dem Versuch mit, seinen Sohn Anatole mit Prinzessin Marja zu verheiraten (1/I,I,14; 1/I,V,41), und hilft mit, Pierres Verbindung mit Hélène zu befördern (1/III,I,358f.).

Einige Jahre später, nach dem Einmarsch französischer Truppen in Russland im Frühjahr 1812, sammeln sich in ihrem Salon die russischen Patrioten, während in Hélènes Salon die Freunde Frankreichs und Verehrer Napoleons verkehren (3/II,VI,189f.). Bei einer Soiree am 26. August 1812, dem Tag der Schlacht bei Borodino, lässt sie Fürst Wassili einen Brief des Metropoliten an Alexander I. verlesen, um die patriotische Stimmung ihrer Gäste zu befeuern (4/I,I,588).

Scherkow

Husarenoffizier im Stab des Oberkommandierenden Kutusow während des Dritten Koalitionskrieges 1805. Bei der Besichtigung eines Infanterieregiments durch Kutusow im Oktober 1805 äfft er zur Belustigung seiner Kameraden, insbesondere Neswizkis, die eigentümlichen Bewegungen des aufgeregten Regimentskommandeurs nach (1/II,II,203). Er gehörte früher zu den Zechkumpanen Dolochows in Petersburg, hat ihn aber seit dessen Degradierung geschnitten. Nachdem Kutusow während der Besichtigung des Regiments freundlich mit Dolochow gesprochen hat, nimmt er wieder Kontakt zu ihm auf und bietet ihm Hilfe an, die Dolochow jedoch kühl zurückweist (1/II,II,211).

Nach der Niederlage Macks bei Ulm gratuliert er, die Lage dümmlich verkennend, den Österreichern in Kutusows Stab zu Macks Unversehrtheit und wird von Fürst Andrej scharf zurechtgewiesen (1/II,III,219f.). Wegen dieses Vorfalls verliert er seine Position im Stab und wird in sein Regiment, die Pawlograder Husaren, zurückgeschickt (1/II,V,236). Dort bleibt er nur kurz, denn um den Kämpfen nach Möglichkeit zu entgehen, bemüht er sich erfolgreich um eine andere Position und wird Ordonnanzoffizier bei Bagration (1/II,VIII,251).

Während der Schlacht bei Schöngrabern soll Scherkow einen Befehl Bagrations an die linke Flanke überbringen, unterlässt es aber aus Feigheit (1/II,XIX,323f.). Auch den zweimaligen Auftrag, Hauptmann Tuschin den Befehl zum Rückzug zu überbringen, führt er aus Furcht nicht aus (1/II,XXI, 339), so dass Tuschin ohne Deckung weiterkämpft.

Schilinski

Ein Adjutant, mit dem Boris Drubezkoi während der Friedensverhandlungen in Tilsit im Juni/Juli 1807 zusammen logiert. Er ist ein reicher polnischer Graf, der, in Paris erzogen, eine leidenschaftliche Liebe für die Franzosen hegt und fast jeden Tag Diners für französische Offiziere gibt (2/II,XIX,715).

Schinschin, Pjotr Nikolajitsch

Vetter der Gräfin Rostowa, ein alter Junggeselle »mit runzlig galligem Gesicht«, der sich trotz seines Alters jugendlich-modisch kleidet und in den Moskauer Salons als »Lästermaul« gilt (1/I,XV,101). Er erscheint am Namenstag der Gräfin und lässt sich mehr spöttelnd als ernsthaft in ein Streitgespräch mit Leutnant Berg ein (1/I,XV,102-104). Beim Diner provoziert er Oberst Schubert mit lästerlichen Bemerkungen zum bevorstehenden Krieg gegen Napoleon (1/I,XVI,109f.). Er nimmt an dem Diner zu Ehren Bagrations teil (2/I,III,539), über den er witzelt, dass man ihn, wenn es ihn nicht gäbe, hätte erfinden müssen (2/I,II,536). Über die neuesten Klatschgeschichten, die in Moskau kursieren, ist er stets im Bilde (2/V,VIII,980f.; 3/I,XX,124). Vor dem Einmarsch französischer Truppen in Moskau kursiert von ihm das Scherzwort, dass man Napoleon allein schon dafür dankbar sein müsse, dass seinetwegen alle Behörden aus der Stadt fortgeschafft worden seien (3/II,XVII,260f.).

Schischkow

Staatssekretär, dem Alexander I. in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni 1812 den Marschbefehl für die Truppen diktiert (3/I,III,24). Kurz darauf unterbreitet er Alexander in einem Schreiben »ehrerbietig und unter dem Vorwand, es sei für den Kaiser unabdingbar, das Volk in der Hauptstadt für den Krieg zu begeistern, den Vorschlag, das Heer zu verlassen« (3/I,IX,68).

Alexander Semjonowitsch Schischkow (1754-1841), russischer Admiral und Schriftsteller,  wurde nach dem Sturz Speranskis 1812 Staatssekretär.

Schoss, Luisa Iwanowna (Marja Karlowna)

Madame Schoss ist die frühere Gouvernante der Rostowschen Kinder. Auch nachdem die Kinder erwachsen geworden sind, lebt sie weiterhin im Rostowschen Haushalt (2/IV,VIII,902). Am dritten Weihnachtstag 1810 begleitet sie die jungen Leute bei ihrer Fahrt zu den Meljukows, wo sie als Maskierte ihren Mummenschanz treiben (2/IV,X,917f.). Vor der Abreise der Rostows aus Moskau 1812 beschwert sie sich darüber, dass die Fuhrwerke für verwundete Soldaten freigemacht werden und deshalb eine Truhe mit ihren Habseligkeiten wieder abgeladen worden ist (3/III,XV,456).

Ihr Vor- und Vatersname wird an anderer Stelle mit »Marja Karlowna« angegeben (3/III,XV,456).

Schtscherbinin

Adjutant Konownizyns, ein junger Mann, der die von Bolchowitinow überbrachte Nachricht Dochturows über den Standort der französischen Armee bei Fominskoje entgegennimmt und sofort erkennt, dass er seinen Herrn wecken muss (4/II,XVI,743f.).

Schubert, Karl Bogdanowitsch (Bogdanytsch)

Deutschstämmiger Oberst und Kommandeur des Pawlograder Husarenregiments, in das Nikolai Rostow zu Beginn der Geschichte eintritt. Er diniert bei den Rostows am Namenstag der Gräfin Rostowa (1/I,IX,72), isst und trinkt dabei viel (1/I,XV,107) und lässt sich von Schinschins Spötteleien über den bevorstehenden Krieg zu einer pathetischen Rede über die Notwendigkeit dieses Krieges provozieren (1/I,XVI,109f.). Er ist ein »stämmiger, hochgewachsener und sanguinischer« Mann und »offensichtlich ein tüchtiger Soldat und Patriot« (1/I,XVI,109).

Er tut Nikolai Rostows Meldung von Teljanins Diebstahl als Lüge ab, um das Regiment vor Prestigeverlust zu schützen (1/II,V,233f.), schließt Teljanin aber aus dem Regiment aus (1/II,V,236). Nikolais hitzige Forderung nach Satisfaktion übergeht er mit Schweigen.

Während der Schlacht bei Schöngrabern streitet er sich mit dem Regimentskommandeur der Infanterie aus bloßer Eitelkeit, während die Franzosen angreifen (1/II,XIX,324-326).

Sdrzinski

Ein Offizier der Pawlograder Husaren, ein Mann mit einem auffallend langen Schnurrbart, der Nikolai Rostow am Vorabend der Schlacht bei Ostrowno (13. Juli 1812) wichtigtuerisch von Rajewskis »großer Tat« in der Schlacht bei Saltanowka erzählt (3/I,XII,84f.). Rostow glaubt die Geschichte nicht.

Smoljaninow

Freimaurer, der an dem Ritual zu Pierre Besuchows Aufnahme in den Orden beteiligt ist. Pierre kennt ihn flüchtig, weshalb ihn seine Anwesenheit peinlich berührt (2/II,III,622).

Sonja (Sofja Alexandrowna, Sophie)

Nichte der Gräfin Rostowa, Cousine von Vera, Nikolai, Natascha und Petja, die bei den Rostows aufgewachsen ist. Zu Beginn der Geschichte ist sie 15 Jahre alt (1/I,VIII,68), eine »miniaturhaft schlanke Brünette mit weichem, von langen Wimpern beschattetem Blick«, deren Bewegungen und Verhalten an ein »hübsches, noch nicht ganz ausgewachsenes Kätzchen« erinnern (1/I,IX,71).

Sie liebt ihren Vetter Nikolai abgöttisch und reagiert auf jedes Mädchen in seiner Nähe mit heftiger Eifersucht (1/I,IX,73; 1/I,XVII,115f.). Nikolai dagegen hält sie hin, versichert sie zwar mehrfach seiner Liebe (z.B. 1/III,VI,412), lässt sie dann aber wieder links liegen (2/I,II,530f.). Als Dolochow ihr einen Antrag macht, lehnt sie sofort ab (2/I,XI,581) und gibt sich damit zufrieden, dass Nikolai ihr, von ihrer Treue geschmeichelt, erneut seine Liebe erklärt, zugleich aber ein Heiratsversprechen verweigert (2/I,XI,582). Erst bei der Maskerade der jungen Rostows am dritten Weihnachtstag 1810, bei dem Sonja, als Tscherkesse verkleidet, eine besondere Anziehungskraft entfaltet (2/IV,X,918), verliebt Nikolai sich ernstlich in sie, erklärt seiner entsetzten Mutter, Sonja heiraten zu wollen (2/IV,XIII,932f.), und reist zu seinem Regiment mit der Absicht, seinen Abschied zu nehmen, zurückzukommen und Sonja zu heiraten (2/IV,XIII,935). Tatsächlich aber bleibt er mehr als zwei Jahre weg.

Während seiner Abwesenheit setzt die Gräfin, befeuert durch die Aussicht auf eine Verbindung Nikolais mit Prinzessin Marja (4/I,VIII,626), ihre Nichte so massiv unter Druck, dass sie Nikolai schließlich brieflich von seinem Heiratsversprechen entbindet (4/I,VII,624), dies freilich in der Hoffnung, dass Natascha und Andrej Bolkonski doch noch heiraten werden und damit eine Ehe Nikolais mit Bolkonskis Schwester unmöglich würde ((4/I,VIII,627f., 631). Doch Andrej Bolkonski stirbt, und Nikolai und Prinzessin Marja heiraten im Herbst 1814 (E/I,VII,954).

Sonja scheint diese Wendung nicht sehr zu bedrücken; sie lebt weiterhin im Rostowschen Haus, nun in Lyssyje Gory, kümmert sich um die alte Gräfin und die Kinder, spielt aber für niemanden im Haus eine wichtige Rolle (E/I,VIII,963). Natascha nennt ihre ehemals engste Freundin eine »taube Blüte« und sieht ihr Schicksal in Lukas 19,26 bündig erklärt (E/I,VIII,962).

Speranski, Graf Michail Michailowitsch

Neben Kriegsminister Araktschejew engster Berater des Kaisers Alexander I. bei dessen liberalen Reformplänen (2/III,IV,744). Andrej Bolkonski lernt ihn im Herbst 1809 in Petersburg kennen. Er ist ein hochgewachsener Mann von etwa vierzig Jahren »mit hoher, offener Stirn, spärlichem blonden Haar und auffallender, seltsamer Blässe des länglichen Gesichts« sowie »weichen, weißen Hände[n]« (2/III,V,751). Er bewegt sich ungelenk und träge, dabei aber mit großer Ruhe und Selbstsicherheit, hat eine »dünne, gelassene, leise Stimme«, die er, »überzeugt, dass man ihm zuhören würde«, nie erhebt (2/III,V,751). Gegner der Reformen behandelt er mit »geringschätzige[r] Ruhe« und redet mit ihnen, wie es Bolkonski erscheint, »aus unermesslichen Höhen« (2/III,V,752). Bolkonski sieht in ihm sein Ideal »eines vollkommen vernünftigen und untadeligen Menschen« erfüllt (2/III,VI,756). Allerdings irritieren ihn Speranskis »kalte[r] Spiegelblick«, der »nichts in sein Inneres vordringen« lässt, seine weichen, weißen Hände und die »allzu große Verachtung anderer Menschen« (2/III,VI,757f.). Tatsächlich erscheint er ihm später (nach seiner Begegnung mit Natascha) befremdlich und unangenehm (2/III,XVIII,813f.). Aber nach seinem Sturz, von dem im Roman nur beiläufig die Rede ist, verteidigt er ihn (2/V,XXI,1043f.).

Michail Michailowitsch Speranski (1772-1839), russischer Staatsmann, zwischen 1807 und 1812 einflussreichster Berater des Kaisers, 1808 stellvertretender Justizminister, erarbeitete im Auftrag Alexanders eine grundlegende Gesetzes- und Verfassungsreform mit dem Ziel einer konstitutionellen Monarchie. 1812 durch Hofintrigen gestürzt und nach Perm verbannt, 1814 zurückberufen (vgl. Kommentar Bd.2,1145).

Stein

Ehemaliger preußischer Minister, Berater Alexanders I. im Vaterländischen Krieg 1812. In dieser Funktion hält er sich zu Beginn des Krieges im Hauptquartier der Armee in der Umgebung des Kaisers auf, der »seine persönlichen Qualitäten hochschätzte« (3/I,IX,61). Napoleon, dem er verhasst ist, nennt ihn einen »aus seiner Heimat vertriebene[n] Verräter« (3/I,VI,41).

Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein (1757-1831), preußischer Minister, mit Karl August von Hardenberg Urheber der preußischen Reformen nach dem Frieden von Tilsit 1807; persönlich bedroht durch Napoleon, musste er 1808 ins Exil gehen, wurde 1812 von Alexander I. als Berater berufen, kehrte 1813 nach Preußen zurück.

Stevens

Junger englischer Seemann, Gast einer Zecherei bei Anatole Kuragin, der mit Dolochow eine Wette eingeht, die er verliert (1/I,VI,56-61).

Stolypin

Gast bei Speranskis Diner am Neujahrstag 1810. Neben Bolkonski, Gervais und Magnizki zählt Speranski ihn zu seinen wenigen intimen Freunden (2/III,XVIII,812).

Arkadi Alexejewitsch Stolypin (1778-1825), russischer Schriftsteller und Senator (Kommentar Bd.2,1145).

Stroganow

Neben Czartoryski, Nowossilzew und Kotschubej Mitglied des engsten Beraterkreises des russischen Kaisers, den dieser »scherzhaft comité du salut publique« nennt (2/III,IV,744).

Pawel Alexandrowitsch Stroganow (1774-1817), Generalleutnant und Senator, Mitglied des geheimen Komitees (Kommentar Bd.2,1145).

Suchtelen

Junger russischer Leutnant der Gardekavallerie, der in der Schlacht bei Austerlitz verwundet und gefangengenommen wird. Von Napoleon auf sein jugendliches Alter angesprochen, antwortet er, Jugend sei »kein Hindernis, um tapfer zu sein«, und erntet damit die Anerkennung des Kaisers: »Junger Mann, Sie werden es noch weit bringen!« (1/III,XIX,512)

Tante

Eine kleine Alte, die Anna Pawlowna den Gästen ihrer Abendgesellschaften als »ma tante« vorstellt und sie jedesmal gesondert zu begrüßen nötigt. Die alte Dame, »die keiner kannte, die keinen interessierte oder etwas anging«, redet bei diesen zeremoniellen Begrüßungen zu jedem Gast in immergleichen Formeln, und jeder, der sich der von der Gastgeberin auferlegten Pflicht entledigt hat, verlässt die Alte mit einem Gefühl der Erleichterung (1/I,II,16).

Teljanin

Leutnant im Pawlograder Husarenregiment, in das er erst kurz vor dem Feldzug 1805 »wegen irgend etwas« aus der Garde versetzt worden ist. Niemand mag ihn. Nikolai Rostow, dem er ein Pferd verkauft hat, das den hohen Kaufpreis nicht wert ist, hegt eine starke Abneigung gegen ihn (1/II,IV,225). Teljanin stiehlt Denissows Geldbeutel, Rostow stellt ihn (1/II,IV,232) und meldet den Vorfall dem Regimentskommandeur Schubert (1/II,V,233). Er wird aus dem Pawlograder Regiment ausgeschlossen (1/II,V,236). Im Frühjahr 1807 trifft Denissow ihn wieder. Er ist nun Kommissionär im Proviantwesen und augenscheinlich verantwortlich für die Unterversorgung von Denissows Schwadron. Denissow schlägt ihn zusammen (2/II,XVI,703) und muss sich dafür vor dem Kriegsgericht verantworten (2/II,XVI,703f.).

Tichon (Tischka)

Kammerdiener des alten Fürsten Bolkonski, ein ergrauter Mann, der, wie sein Herr, eine Perücke trägt (1/I,XXIII,169). Er kann die Stimmung des Fürsten schon am Geräusch seiner Schritte erkennen (1/III,III,376) und kennt jede seiner Gewohnheiten und Launen.

Tichon Schtscherbaty (Tischka)

Ein Bauer aus Pokrowskoje, der sich Denissows Partisaneneinheit angeschlossen hat (4/III,V,777). Seinen Beinamen Schtscherbaty verdankt er einer Zahnlücke (4/III,VI,781), die in seinem »von Pocken und Runzeln gefurchte[n] Gesicht« sichtbar wird, wenn er lacht (4/III,VI,779). Er ist der »nützlichste und tapferste Mann in der Einheit«, spioniert Gelegenheiten zu Überfällen auf feindliche Einheiten aus und tötet zahlreiche französische Soldaten (4/III,V,778). Denissow erklärt ihn zum Kosaken, obwohl er nicht reiten mag, sondern immer zu Fuß geht. Seine wichtigste Waffe ist die Axt, mit der er sowohl Holz spalten als auch feine Holzpflöckchen oder Löffel schnitzen kann (4/III,V,777f.).

Timochin, Prochor Ignatytsch

Hauptmann und Kommandeur der dritten Kompanie des Infanterieregiments, das im Oktober 1805 in Österreich eintrifft. In seiner Kompanie dient der wegen seiner Petersburger Eskapaden degradierte Dolochow als einfacher Soldat. Der Regimentskommandeur gerät mit ihm und Dolochow aneinander, weil letzterer einen blauen statt grauen Mantel trägt (1/II,I,199f.). Bei der Besichtigung des Regiments erkennt Kutusow in Timochin einen der tapferen Kämpfer bei der Erstürmung der Festung Ismail im Russisch-Türkischen Krieg wieder (1/II,II,204). Timochin ist »schon betagt« und hat vom Trinken ein rotes Gesicht (1/II,I,199). Ihm fehlen die Schneidezähne, sie wurden ihm beim Kampf um Ismail mit einem Gewehrkolben ausgeschlagen (1/II,II206).

Während der Schlacht bei Schöngrabern schlägt er die angreifenden Franzosen zurück, so dass die in Scharen fliehenden Infanteristen, die der Regimentskommandeur vergeblich aufzuhalten versucht, schließlich zurückkehren (1/II,XX,332).

1812 dient Timochin in Bolkonskis Regiment als Bataillonskommandeur (3/II,XXIV,302). Bolkonski schätzt seinen Kampfgeist (3/II,XXV,307, 309). In der Schlacht bei Borodino wird er am Bein verletzt und teilt sich beim Verletztentransport eine Stube mit dem schwerverletzten Bolkonski (3/III,XXXII,558, 560).

Toll

Russischer Offizier. Nach der Schlacht bei Austerlitz beobachtet Nikolai Rostow, wie er dem niedergeschlagenen Alexander I. über einen Graben hilft, ein Dienst, den er seinem geliebten Kaiser gern selbst erwiesen hätte, wozu ihm aber der Mut fehlte (1/III,XVIII,505). Bei den Beratungen im Hauptquartier an der Drissa im Juni 1812 spricht Toll sich hitzig gegen Armfelts Vorschläge aus und zieht einen eigenen Operationsplan aus der Tasche, der seinerseits auf Widerspruch stößt (3/I,XI,75). Später entwirft er die Disposition für die Schlacht bei Tarutino (4/II,IV,691), die zu seinem Ärger nicht eingehalten wird (4/II,VI,699). Ähnlich ergeht es seiner Planung der Schlacht bei Krasnoje (4/IV,IV,850).

Karl Fjodorowitsch Toll (1777-1842), eigtl. Karl Wilhelm von Toll, deutsch-baltischer Herkunft, seit 1796 Offizier in russischen Diensten, war an den Kriegen 1805-1809 beteiligt, im Vaterländischen Krieg 1812 Generalquartiermeister, später General der Infanterie.

Tolstoi, Graf

Oberhofmarschall Alexanders I. Am Vorabend der Schlacht bei Austerlitz bittet Kutusow ihn, dem Kaiser seine Erwartung zu übermitteln, dass die Schlacht verloren wird, worauf Tolstoi ihm antwortet, er sei für Reis und Koteletts zuständig, nicht für »affaires de guerre« (1/III,XI,455). Im Dezember 1812 überreicht er Kutusow zwischen Tür und Angel den Georgsorden (4/IV,X,880).

Graf Nikolai Alexandrowitsch Tolstoi (1765-1816), Kammerherr, Präsident des Hofkontors und Oberhofmarschall unter Alexander I. (Kommentar Bd.2, 1146).

Trunila

Einer der Jagdhunde der Rostows, die an der Parforcejagd am 15. September 1810 teilnehmen, und Nataschas Lieblingsjagdhund, der sie, wie sie erfreut feststellt, sogleich erkennt (2/IV,IV,870).

Tschatrow, General

Eine der sechs »auserwählten Personen«, die der alte Fürst Bolkonski zu seinem Namenstags-Diner in seinem Moskauer Haus empfängt, »ein alter Kampfgenosse des Fürsten« (2/V,III,951).

Tschekmar, Semjon

Kammerdiener und Reitknecht des alten Grafen Rostow in Otradnoje, der seinen Herrn auf der Jagd am 15. September 1810 begleitet, ein alter, hagerer Mann und »schwerfällig gewordener Reiter«, der mit seinem Herrn »seit dreißig Jahren ein Herz und eine Seele« ist (2/IV,IV,871). Er weiß, womit er ihn erfreuen kann, und lobt die Reitkünste Nikolais und Nataschas (2/IV,IV,872).

Tschitschagow

Er empfängt Kutusow Ende November 1812 in Wilna mit dem Frontrapport und bringt ihm dabei die »respektvolle Geringschätzung des Jüngeren« entgegen, weil er schon weiß, dass Kutusows Stern im Sinken begriffen ist (4/IV,X,877).

Pawel Wassiljewitsch Tschitschagow (1765-1849), russischer Admiral, unter Alexander I. Marineminister und Mitglied des Reichsrats. Im Vaterländischen Krieg 1812 soll er der zurückweichenden französischen Armee durch sein Zögern den Übergang über die Beresina ermöglicht haben (Kommentar Bd.2,1146).

Turenne, Monsieur de

Kammerherr Napoleons, der Alexanders Kurier Balaschow die Nachricht überbringt, dass Napoleon ihm eine Audienz zu gewähren wünscht, und ihn in das Empfangszimmer führt (3/I,V,34f.).

Tuschin

Hauptmann der Artillerie in Bagrations Abteilung. Andrej Bolkonski lernt ihn gleich nach seinem Wechsel zu Bagration kennen und ist von ihm beeindruckt, denn an ihm »war etwas Besonderes, vollkommen Unkriegerisches, ein wenig Komisches, aber außerordentlich Anziehendes« (1/II,XV,301). Bald darauf hört er ihn mit seinen Kameraden über den Tod reden (1/II,XVI,309).

In der Schlacht bei Schöngrabern setzt Tuschin aus eigenem Entschluss Schöngrabern in Brand und hält dadurch die Franzosen auf (1/II,XIX,323). Dabei gerät er in eine Art Rausch, ignoriert einen Rückzugsbefehl und lässt sich erst durch Bolkonski zum Rückzug bewegen, der ihm beim Wegräumen der Geschütze hilft (1/II,XX,338). Beim Abzug lässt er den verwundeten Nikolai Rostow auf einem der Geschütze mitfahren (1/II,XXI,339). Er hat bei der Schlacht zwei Geschütze verloren. Als er sich vor Bagration dafür rechtfertigen soll, bringt er kein Wort heraus; Fürst Andrej springt ihm bei (1/II,XXI,347). Im Juni 1807 trifft Rostow ihn in dem Lazarett, in dem auch Denissow liegt, wieder. Ihm wurde ein Arm amputiert (2/II,XVIII,710). Er rät Denissow, ein Gnadengesuch an den Kaiser zu schreiben (2/II,XVIII,712).

Tutolmin

Ähnlich wie Jakowlew lässt Napoleon auch Tutolmin nach dem Einmarsch der Franzosen in Moskau zu sich rufen, hält ihm einen Vortrag über seine »Ansichten und seine Großmut« und schickt »auch diesen alten Mann für Unterhandlungen nach Petersburg« (4/II,IX,707). Alexander I. empfängt indes weder Jakowlew noch Tutolmin (4/II,X,713). Um den Moskauern seine Mildtätigkeit zu demonstrieren, besucht Napoleon das (von Tutolmin geleitete) Moskauer Waisenhaus (4/II,IX,711).

Iwan Wassiljewitsch Tutolmin (1751-1815), Generalmajor, 1812 Direktor des Moskauer Waisenhauses, dessen Zerstörung er verhinderte (Kommentar Bd.2,1119 und 1146).

Ulner

Französischer Husarenoberst. Er begleitet General Balaschow, der im Juni 1812 ein Schreiben Alexanders I. an Napoleon zu überbringen hat, zu seinem Divisionskommandeur; unterwegs treffen sie Murat (3/I,IV,27f.).

Uwarow, Fjodor Petrowitsch

Russischer General, der in der Schlacht bei Austerlitz ein Kavallerie-Regiment führt (1/III,XVII,493f.). Nach der Schlacht wird er aus Petersburg nach Moskau geschickt, um die Meinung der Moskauer über Austerlitz in Erfahrung zu bringen (2/I,III,538). Uwarow und Bekleschow begleiten Bagration in den Englischen Klub, in dem im März 1806 ein Diner zu Ehren Bagrations stattfindet (2/I,III,540). Kämpft 1812 in der Schlacht bei Borodino (3/II,XIX,278; 3/II,XXXIII,550).

Fjodor Petrowitsch Uwarow (1773-1824), russischer General, Vertrauter Alexanders I., befehligte in der Schlacht bei Austerlitz ein Regiment der Gardekavallerie (Kommentar Bd.2,1147).

Walujew

Einer der tonangebenden Männer in Moskau (2/I,II,535). Er nimmt im März 1806 an dem Diner zu Ehren Bagrations im Englischen Klub in Moskau teil und erzählt »unter dem Siegel der Verschwiegenheit« von Uwarows Mission in Moskau (2/I,III,538).

Pjotr Stepanowitsch Walujew (1743-1814), Archäologe, Leiter der Rüstkammer des Kreml (Kommentar Bd.2,1147).

Wassiljitsch

Haushofmeister der Rostows in deren Moskauer Haus. Nach der Abreise der Rostows am 1. September 1812 bleibt er mit der alten Haushälterin Mawra Kusminischna und seinem Enkel Mischka im leeren Haus zurück (3/III,XVII,466; 3/III,XXII,488f.). Bei dem namenlosen Haushofmeister, der beim Diner zum Namenstag der alten Gräfin und Nataschas im Sommer 1805 die Getränke serviert und dabei den deutschen Erzieher der Kinder übergeht (1/I,XV,108), dürfte es sich ebenfalls um Wassiljitsch handeln.

Wassiltschikow

Russischer Offizier. Am 30. August 1812 suchen er und General Platow den Moskauer Gouverneur Rastoptschin auf, um ihm zu erklären, dass Moskau übergeben werden muss (3/III,X,431).

Illarion Wassiljewitsch Wassiltschikow (1777-1847), russischer Generaladjutant.

Wereschtschagin

Junger Moskauer Kaufmannssohn, den Rastoptschin im Sommer 1812 wegen angeblicher Verbreitung einer verbotenen ausländischen Zeitung aburteilen lässt (3/III,X,434f.). Als sich kurz vor dem Einmarsch der französischen Truppen in Moskau eine aufgebrachte Menschenmenge vor Rastoptschins Amtssitz versammelt, um ihn wegen seiner irreführenden Anordnungen zur Rede zu stellen, lässt er Wereschtschagin vor die Menge bringen und lenkt ihren Zorn auf ihn, indem er sie zur Lynchjustiz anstachelt (3/III,XXV,506f.). Der junge Mann wird von der Menge brutal erschlagen, während Rastoptschin sich in einer schon bereitstehenden Kutsche aus dem Staub macht (3/III,XXV,508-511).

Michail Wereschtschagin (1790-1812) wurde beschuldigt, zwei Texte Napoleons aus einer verbotenen Zeitung verbreitet zu haben, und vom Magistrat der Stadt Moskau zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt (Kommentar Bd.2,1108). Für die von Rastoptschin initiierte Lynchjustiz an dem jungen Mann gibt es zahlreiche Augenzeugenberichte (Kommentar Bd.2,1110f.)

Weyrother

Österreichischer General, der den bei Krems gefallenen General Schmidt ersetzt (1/II,XIII,291). Ihm obliegt die Planung der Schlacht bei Austerlitz (1/III,IX,438), die er am Vorabend der Schlacht im Kriegsrat vorliest (1/III,457-459). Er ist ein eitler Mann; Kritik an seinem Plan weist er hochmütig zurück (1/III,XII,460).

Franz von Weyrother (1755-1806), österreichischer General, 1805 Stabschef im Hauptquartier Kutusows, Hauptverantwortlicher der Planung der Schlacht von Austerlitz (Kommentar Bd.2,1147).

Willarski, Graf

Ein junger polnischer Graf und Freimaurer in Petersburg, der als Bürge bei Pierres Aufnahme in die Freimaurerloge fungiert (2/II,II,617; 2/II,III,618-620) und an dem Aufnahmeritual teilnimmt (2/II,IV,628). Nach dem Vaterländischen Krieg, während seines Krankenlagers in Orjol, begegnet Pierre ihm noch einmal und spürt, wie sehr er der ehemals gemeinsamen Welt entwachsen ist, während Willarski festzustellen glaubt, dass Pierre »hinter dem wirklichen Leben zurückgeblieben« ist (4/IV,XIII,890f.)

Wintzingerrode

Deutscher Offizier in russischen Diensten, im Feldzug 1805 Generaladjutant, den Kutusow zu Murat schickt, um dessen Waffenstillstandsangebot anzunehmen (1/II,XIV,297). Napoleon nennt ihn einen »entlaufene[n] Untertan Frankreichs« (3/I,VI,41). Er nimmt an der Beratung über Phulls Kriegsplan im Hauptquartier an der Drissa teil (3/I,X,70), kommandiert ein Korps.

Ferdinand Freiherr von Wintzingerrode (1770-1818), aus dem Eichsfeld stammender Offizier, diente in verschiedenen Heeren, trat 1797 als Major in russische Dienste, übernahm als Generaladjutant Alexanders I. diplomatische und militärische Aufgaben, kämpfte im Feldzug 1805 bei Austerlitz, wechselte 1809 ins österreichische Heer, kehrte 1812 nach Russland zurück und kämpfte als russischer General im Vaterländischen Krieg.

Wolkonski, Fürst Pjotr Michailowitsch

Russischer Offizier. Während der Schlacht bei Austerlitz reitet er in der kaiserlichen Suite (1/III,XV,484). Im Vaterländischen Krieg 1812 ist er ebenfalls Teil der Entourage des Kaisers (3/I,IX,60) und hat »so etwas wie das Amt eines Stabschefs des Kaisers« inne (3/I,XI,74). Er leitet die Beratungen der Generäle über Phulls Kriegsplan (3/I,XI,76).

Pjotr Michailowitsch Wolkonski (1776-1852), Generalfeldmarschall, enger Berater Alexanders I., 1812 Mitglied der Suite des Kaisers.

Wolzogen

Preußischer General in russischen Diensten, im Feldzug 1812 Flügeladjutant und anfangs Teil der Entourage des Kaisers (3/I,IX,61), Günstling Barclay de Tollys und von Bagration gehasst (3/II,XXXV,364). Bei den Beratungen über Phulls Kriegsplan im Hauptquartier an der Drissa übernimmt er es, Phulls Gedanken »in verständlicherer Form« wiederzugeben (3/I,IX,62) und agiert als Phulls Dolmetscher (3/I,XI,75, 76). Nach der Schlacht bei Smolensk bemerkt Bagration in seinem Beschwerdebrief an Araktschejew, dass Wolzogen in der Armee verdächtigt wird, auf Napoleons Seite zu stehen (3/II,V,188). Vor der Schlacht bei Borodino hört Andrej Bolkonski ihn zufällig mit Clausewitz darüber reden, dass der Krieg »im Raum verlegt werden« müsse, und empört sich über solche überflüssigen, in seinen Augen typisch deutschen »Räsonnements« (3/II,XXV,306f.). Wolzogen hält Kutusow für einen »alten, nutzlosen Mann« und pflegt im Umgang mit ihm »eine gewisse affektierte Lässigkeit« (3/II,XXXV,365). Während der Schlacht bei Borodino überbringt er ihm im Auftrag Barclay de Tollys dessen Meldung, dass die Schlacht verloren sei, und provoziert damit einen schnaubenden Wutausbruch des Oberkommandierenden (3/II,XXXV,364f.).

Ludwig Freiherr von Wolzogen (1773-1845), preußischer General und Diplomat, seit 1807 in russischen Diensten, Mitautor des von Phull entwickelten Kriegsplans für den Feldzug gegen Napoleon 1812, kämpfte bei Smolensk und Borodino, wurde später von Militärs der Spionage für Frankreich verdächtigt (Kommentar Bd.2,1148).

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