Der Zauberberg (1924)

Albin, Herr

Patient auf dem »Berghof«. Herr Albin ist »blutjung und schlenkricht, mit rosigem Kindergesicht und kleinen Backenbartstreifen neben den Ohren« (III, 122). Nach drei Jahren Kur spielt er theatralisch mit Selbstmord (III, 121). Von ihm stammen die Pistolen, mit denen am Ende ein Duell ausgetragen wird. Die »innerlich verödete Frau Magnus« sitzt im Rausch auf seinem Schoß, nachdem Mynheer Peeperkorn sie aufgemuntert hat (VII, 863). Später nimmt Albin an Dr. Krokowskis spiritistischen Sitzungen teil, wo er ziemlich energisch auftritt (VII).

Behrens, Dr.

Hofrat Dr. Behrens, leitender Arzt im Lungensanatorium »Berghof« in Davos, »ein knochiger Mann [...], schon ganz weiß auf dem Kopf, mit heraustretendem Genick, großen, vorquellenden und blutunterlaufenen blauen Augen, in denen Tränen schwammen, einer aufgeworfenen Nase und kurzgeschnittenem Schnurrbärtchen«. Seine Backen sind blau, seine Hände und Füße »kolossal« (III, 73). Behrens' Frau ist an Tuberkulose gestorben (IV, 201 ff.), die beiden erwachsenen Kinder leben an anderen Orten (V, 434). Seinem Haushalt steht die Oberin von Mylendonk vor.

Behrens übt seinen Beruf mit grimmiger Lust aus, Lust an seiner Kompetenz und seiner Macht über die Kranken. Über die Grenzen dieser Macht hat er keine Illusionen, darum redet er immer zynisch-burschikos daher, auf du und du mit den Symptomen. Der Tod ist ihm alltägliche Gegenwart. Von geheilten Patienten hört man selten, mehr von solchen, die immer noch länger bleiben müssen oder wollen. Settembrini, der Aufklärer, nennt ihn Rhadamanth (Totenrichter) und Teufelsknecht (III, 95; V, 338). Behrens sagt, er sei ein Angestellter des Todes: Ich kenne ihn, »man überschätzt ihn« (VI, 809).

Im Kapitel »Humaniora« dürfen Hans Castorp und sein Vetter die Ölbilder betrachten, die Behrens gemalt hat, darunter auch eines von Madame Chauchat. Nach dem durch physiologische Gespräche angeregten Nachmittag erklärt der Hofrat plötzlich: »Ich werde nun melancholisch. [...] Sehen Sie, das kommt so über mich.« (V, 404).

Mitunter hat er Jähzornsanfälle, einmal trifft es Castorp, der plötzlich entlassen werden soll (VI, 631); der Anlass war eine Liebesaffäre im Haus (»Ich bin kein Kuppelonkel!«). Beim Fastnachtsfest stellt Behrens eine groteske Figur dar (V, 500).

Sein Vorbild bei Katia Mann hieß Jessen (Kommentar S. 65 ff.)

Blumenkohl, Dr.

Aus Odessa, Patient im »Berghof«, der noch jung und sehr krank ist (III, 106, 113). Später heißt es, er sei gestorben (VI, 544).

Brand, Ellen (Elly)

Das dänische Medium Dr. Krokowskis bei seinen spiritistischen Sitzungen. Ellen ist 19 Jahre alt, ein »Jungfräulein«, flachsblond und blauäugig ( VII, 992 ff.). Sie ist von Haus aus den Umgang mit Geistern gewöhnt. Bei den Sitzungen erscheint ihr ein Geist namens Holger (998 ff.), der einigen Schabernack treibt. Schließlich aber sollen Tote herbeizitiert werden, und unter »Geburtswehen« lässt das Medium Joachim Ziemßen erscheinen, worauf Hans Castorp, der dies gewünscht hatte, die Sitzung abbricht. 

Abbildung aus Hoffmeister/Gernhardt (169) – © Robert Gernhardt.

Bugenhagen

Pastor an der Hamburger Michaeliskirche, der Hans Castorp 1885 getauft hat (II, 39) und später die Gedächtnisrede für seinen Großvater hält (48).

Castorp, Hans

Der unheldische Held des »Zauberberg« reist 22jährig im Juli 1907 »für drei Wochen« nach Davos, um seinen tuberkulosekranken Vetter Joachim Ziemßen zu besuchen (I, 11).

Er ist in Hamburg geboren und nach dem Tod seiner Eltern und seines Großvaters bei seinem Großonkel Tienappel und dessen Söhnen aufgewachsen. – Hans, der Erbe einer langen, soliden Tradition, sieht blond und korrekt aus (II, 50), hat blaue Augen und einen kleinen rotblonden Schnurrbart (58). Er ist etwas schläfrig und blutarm und liebt vor allem Zigarren der Marke ›Maria Mancini‹. Die Zeit, in der er lebt, gibt ihm keinen ›Sinn‹ (54). Das Ingenieurstudium absolvierte er und will nun als Volontär in eine Schiffsbau-Firma eintreten. Später äußert er sich kritisch über das heimische Gelddenken; er hat keine engen Beziehungen zu seinen Verwandten (V, 301 ff.).

Im Lungensanatorium ›Berghof‹ reagiert er anfangs verwirrt und mit fiebriger Erregung auf den lockeren Umgang, den man dort oben mit Krankheit und Tod pflegt (III, 88). Schon bald hat auch er erhöhte Temperatur, dann einen Katarrh, eine ›feuchte Stelle‹ in der Lunge findet sich, und nun ordnet er sich gern der Disziplin des Hauses ein, die fünf üppige Mahlzeiten täglich, lange Liegekuren und gelegentliches Gehen zu bestimmten Zeiten vorsieht.

Die merkwürdigen Menschen, die ihm hier begegnen, betrachtet er »mit all der bescheiden duldsamen und vertrauensvollen Menschenfreundlichkeit, die ihm angeboren war.« (IV, 254). Der Rationalist Settembrini rät ihm vergeblich, schleunigst abzureisen (III, V, 375 – wie es der Autor 1912 tatsächlich tat, als er seine Frau in Davos besuchte).

Hans Castorp genießt den verantwortungslosen Status als Patient; an der sinnstiftenden Krankheit im ›Zauberberg‹ hat nun auch er teil, und er lernt viel – über Körper und Seele, Physiologie und Psychologie und über den Tod. Zum Tod hat er, seit er schon als Kind an den Totenbetten seiner nächsten Verwandten stand, ein sehr interessiertes Verhältnis (V, 444). Die Zeit, »die in ihrer still strömenden Art rastlos fortschreitet« (V, 450), als Zeit des Erzählers und Zeit seines Helden ist ein Thema dieses »Zeitromans« ( III, 102f., IV, 157 – siehe auch die Kapitelanfänge V, VI, VII). Das Thema regt den darin ungeübten Hans Castorp zum »Philosophieren« an, schon am ersten Abend. Später wird ihm seine Lebenszeit ebenso gleichgültig wie die Kalender- und Uhrzeit (V, 489).

Zu Castorps willigem Sich-Gehen-Lassen in der Atmosphäre des »Schattenreichs« hier oben (III, 90) gehört die Hingabe an seine Schwärmerei für die lässige Russin Madame Chauchat. Seit einem Traum weiß er, an wen sie ihn erinnert: an Pribislaw Hippe, den von fern geliebten Mitschüler, von dem er einmal einen Bleistift lieh. Er beobachtet Clawdia Chauchat und arrangiert ›zufällige‹ Begegnungen (IV, 215 ff.). »Aber um wen es steht, wie es um ihn stand oder zu stehen begann, der will, dass man drüben von seinem Zustande Kenntnis habe, auch wenn kein Sinn und Verstand bei der Sache ist. So ist der Mensch.« (217). So äußert sich der Erzähler, der mit seinem Helden vertraut umgeht, beobachtend, aber auch wissend und urteilend (II, 53, V, 349).

Erst nach mehr als einem halben Jahr, zur Fastnacht 1908, kommt es zu einer unmittelbaren Begegnung mit Clawdia Chauchat. Aus Hans Castorps »sittlicher Scheu« (V, 490) wird »Unternehmungsgeist«. »Hast du nicht vielleicht einen Bleistift?« fragt er sie, bleich vor Erregung, mit dem Narren-Du, das sie erwidert. Sie reden halb deutsch, halb französisch (V, 504 ff). Es wird ein langes, spannungsvolles Gespräch, in dem sie ihr Wissen voneinander austauschen. Für sie ist er ein kleiner tugendhafter deutscher Träumer, dem sie schließlich seinen Traum erfüllt – am nächsten Tag wird sie abreisen. Der Bleistift wird zurückgegeben und Hans Castorp bekommt dafür ihr Röntgenbild. Dabei bleibt der Erzähler »wortlos« (VI, 525). Nun ist unser Held noch fiebriger und »vergifteter« als vorher. Liebe außerhalb der bürgerlichen Ordnung ist verboten, Hans ist bewusst »aus der Schule gelaufen«.

Sein wirklich kranker Vetter Joachim Ziemßen »desertiert« im zweiten Herbst ins Flachland, zum militärischen Dienst. Hans Castorp, den Dr. Behrens in einem Jähzorns-Anfall für ausreichend gesund erklärt, bleibt (VI, 631). Das Leben im Flachland hat ihm nichts mehr zu bieten. Sein heimisches Vermögen von 400.000 Mark, von dessen Zinsen er bequem leben kann, macht es möglich.

Doch er bildet sich weiter: studiert Pflanzen und die Gestirne (VI, 556 ff.) oder lauscht als »lichtsuchende Jugend« aufmerksam und geschmeichelt, den heftigen Wortgefechten von Settembrini und Leo Naphta, der als jesuitischer Widerpart des Humanisten auftritt.

Im zweiten Winter bricht er mutwillig auf Skiern zu einer Wanderung in den Tiefschnee auf, angelockt vom tödlichen Nichts. Auch als er die Orientierung verliert und bei minus 20 Grad ein Schneesturm einsetzt, denkt er noch ein trotziges »Ach was!« (VI, 713 ff). Er beginnt zu halluzinieren und sieht, was er nie gesehen hat, glückliche Menschen unter südlicher Sonne, apollinische Szenen. Dann der Schrecken: kannibalische alte Weiber im Tempel. Doch er wacht auf und fühlt sich gerettet: aus dem Gesehenen schließt er für sich: »Ich will gut sein. Ich will dem Tode keine Herrschaft einräumen über meine Gedanken!« – das wird noch einmal, hervorgehoben, wiederholt: »Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken.« (VI, 748).

Doch alsbald »tändelt« Hans wieder mit der Ewigkeit und verliert den Überblick über den Zeitverlauf (Kommentar S. 349). Seine Geliebte kommt zwar zurück, aber als Begleiterin des imposanten Mynheer Peeperkorn (VII, 826 ff). Die Lösung, die Hans, der Mann der »phlegmatischen Leidenschaften« (VII, 903), für sich findet, ist Verehrung für die »Persönlichkeit« Peeperkorns. Daraus wird ein doppeltes Zweierbündnis: mit Clawdia für ihren Freund und mit Peeperkorn für Clawdia, nachdem dieser Castorps Liebe zu ihr durchschaut hat (VII, 906f., 926f.) und sie »unsere Geliebte« nennt. Nach Peeperkorns Selbstmord reist Clawdia ab.

Hans Castorp bleibt, nach nun drei Jahren, mit dem Gefühl von Langeweile und »Stumpfsinn« zurück (VII, 947 ff.). Wie die anderen sucht er Zerstreuung, zuerst durch Patiencelegen, dann durch eine neue Passion: Musik auf Schallplatten (VII, 963 ff.). Nun lauscht er von morgens bis nachts Opern und Liedern, am liebsten Verdi, Bizet und Schuberts »Der Lindenbaum« (VII, 985 ff.). Sein Liebe besonders zu diesem Lied hat mit dem Tod zu tun, und er versteht sie als Regression (»Rückneigung«).

»Deutsches Hänschen«, nannte Clawdia ihn im Gespräch, berührt und amüsiert von seiner Liebe und seinem Philosophieren (VII, 904). Clawdia wirft ihm bzw. den Deutschen vor, es gehe ihnen um das Erlebnis, um Selbstbereicherung. Ein solches, sehr unheimliches hat Hans Castorp dann gegen Ende der Geschichte, als er einer spiritistischen Sitzung des Dr. Krokowski beiwohnt, bei der auf seinen Wunsch der tote Joachim Ziemßen herbeizitiert wird. Was daran Täuschung ist, wird nicht gesagt. Castorp bricht die Sitzung danach erschüttert ab (VII, 990 ff.).

Mit der »Neugier des Bildungsreisenden« beschäftigt er sich auch mit dem »Dämon«, der sich des Zauberbergs bemächtigt, der Zanksucht, die von der Langeweile abstamme (VII, 1034 ff.). Sie eskaliert von der grimmigen Balgerei eines antisemitischen mit einem jüdischen Kranken zum Pistolenduell zwischen Naphta und Settembrini, bei dem Naphta sich selbst erschießt. Inzwischen ist Februar 1913, und immer deutlicher werden diese unsinnigen Zuspitzungen auf die allgemeine Zeitstimmung der Kriegsvorbereitung bezogen.

»Sieben Jahre blieb Hans Castorp bei Denen hier oben« (VII, 1070), eine sagenhafte Zahl, die Zeit und Raum im Roman ordnet. Die ärztliche »Obrigkeit« kümmert sich nicht mehr viel um ihn. Castorp versinkt in der formlosen Zeit. Er kommt ohne Uhr und Kalender aus, Stillstand herrscht, »hermetischer Zauber« (1074).

Dann kommt der »Donnerschlag, der den Zauberberg sprengt« (1075), der Krieg. Der »Siebenschläfer« steht auf und blickt um sich. »Er sah sich entzaubert, erlöst, befreit, – nicht aus eigener Kraft« (1079). Er reist ab, an die Front, und es folgt eine eindringliche Schilderung der furchtbaren Schlacht, bei der die jungen Freiwilligen über die Leichen ihrer Kameraden vorwärts stürmen, auch Hans Castorp, der sonst so Zivile. Wird er, nach dem Mephisto-Zitat, das Joachim zugeordnet war, »als Soldat und brav« sterben? – »Fahr wohl – du lebest nun oder bleibest!« ruft ihm der Erzähler nach (1085).

Castorp, Hans Hermann

Der Vater Hans Castorps, der über den frühen Tod seiner Frau nicht hinwegkommt und an einer Lungenentzündung stirbt, als sein Sohn sieben Jahre alt ist (II, 34f.).

Castorp, Hans Lorenz

Großvater von Hans Castorp. Großkaufmann und Senator der Hansestadt Hamburg, von altmodisch würdevoller Erscheinung und Gesinnung (II, 35 ff.). Der siebenjährige Enkel wohnt nach dem Tod seiner Eltern bei ihm in dem großen Bürgerhaus an der Esplanade, bis auch Hans Lorenz stirbt.

Chauchat, Clawdia

»Eine Tür war zugefallen« (III, 72) – das ist das erste, was Hans Castorp nach seiner Ankunft auf dem »Berghof« von ihr wahrnimmt. »Es war eine Dame, die da durch den Saal ging, eine Frau, ein junges Mädchen wohl eher, nur mittelgroß, in weißem Sweater und farbigem Rock, mit rötlich-blondem Haar, das sie einfach in Zöpfen um den Kopf gelegt trug.«

»Das ist Madame Chauchat«, erklärt seine Nachbarin, Fräulein Engelhart. »Sie ist so lässig. Eine entzückende Frau.« (III, 118f.). Er beobachtet dann immer wieder ihr Gesicht in seiner vertrauten Bildung, »die ihm zusagte wie nichts in der Welt« (IV, 223) – wie das von Pribislaw Hippe, seinem Mitschüler (III, 140). Madame Chauchat kommt von jenseits des Kaukasus. Settembrini, der Aufklärer, spricht von ihrer »tatarischen Physiognomie« und ihren »Steppenwolfslichtern« (V, 438). Ihr Gang ist ein »liebliches Schleichen« (VI, 526). Er warnt Hans vor dem »Asiatischen«, vor der Zeitvergessenheit (V, 366).

Als Castorp mit Joachim die Ölbilder von Hofrat Behrens ansehen darf, nimmt er sich heraus, Chauchats Porträt abzuhängen und bis zum Ende des Besuchs neben sich zu haben (V, 389 ff.). Immer wieder wird ihre elegante Kleidung mit Kennerschaft und Castorps liebendem Blick beschrieben, vor allem die Ver- oder Enthüllung der Arme.

Beim Fastnachts-Fest stellt Settembrini mit Zitaten die Analogie zur Walpurgisnacht im »Faust« her: »Der Berg ist heute zaubertoll« (V, 492 ff.). Nun endlich spricht Hans Castorp Clawdia an, zu der er noch nie Sie gesagt hat. Sie: warum erst jetzt? Sie reden lange, gesteigert, deutsch und französisch, miteinander. Für sie ist er ein Bourgeois und ein Träumer. Moral sei nicht bei der Tugend, erklärt sie. Sie liebe ihre Freiheit über alles und werde deshalb abreisen, morgen schon. Für ihn ist sie »der Genius des Ortes«, den er in dieser Nacht »erkannt und besessen« hat (VI, 528). Es war der 29. Februar (1908). Er bleibt mit ihrem Röntgenbild, dem »Innenporträt«, zurück – und wartet auf ihre Rückkehr.

Sie kommt tatsächlich zurück, nach fast zwei Jahren, aber in Begleitung des majestätischen Mynheer Peeperkorn. Als sie Hans Castorp nach einiger Zeit anspricht, bleibt er beim Traum-Du (VII, 843). Peeperkorn kommt dazu, und Hans schwätzt dem großen Mann »treuherzig« nach dem Mund (856). Nach einer ausgedehnten Festivität bringen Chauchat und Castorp den Grandiosen zu seinem Zimmer, und er verlangt, dass sie sich auf die Stirn küssen, aber Castorp erklärt, das ginge nicht (867).

In einem vertrauten Flirtgespräch zwischen Clawdia und ihm bekennt sie, nicht sie liebe Peeperkorn, sondern er sie, und sie sei dankbar dafür. Aber er ängstige sie auch, darum möchte sie ein Schutzbündnis mit Castorp für ihn schließen; dies wird mit einem »russischen« Kuss besiegelt (848f.). Ihr Lieblingswort ist »menschlich«, gedehnt gesprochen als »mähnschlich« (meist im Gegensatz zu »vernünftig« oder »klug«, den »deutschen« Tugenden). Als Peeperkorn durch Gift-Selbstmord gestorben ist (im Mai 1910), darf Castorp Clawdia auf die Stirn küssen, bevor sie endgültig abreist.

Eberding, Dr.

Stabsarzt, der Hans Castorp aus Rücksicht auf die befreundete Familie den Militärdienst erspart (II, 57).

Einhuf, Herr

Rechtsanwalt aus Jüterbog, Patient im »Berghof«. Ein spitzbärtiger Vierziger mit schwarzbehaarten Händen, von dem Frau Stöhr verbreitet, er führe ein liederliches Leben (V, 450f.).

Emerentia

Eine ältliche »Zwergin«, die im Restaurant des »Berghof« bedient (III, 68). Auch Kutscher und Concierge sind durch Krankheit behindert. Die Zwergin wird von den anspruchsvollen Gästen unermüdlich ausgebeutet; nur Mynheer Peeperkorn fragt sie nach ihrem Namen: Emerentia (VII, 833). Später beschimpft ein junger Patient sie: »Verfluchter Krüppel!« (VII, 1036). Die Namen der anderen unauffällig Dienenden, der »Saaltöchter« und Zimmermädchen, bleiben verborgen.

Engelhart, Fräulein

Patientin im »Berghof«, Tischnachbarin von Hans Castorp: »ein unansehnliches Wesen in Schwarz mit flaumigem Teint und matt erhitzten Backen, in der er etwas wie eine Nähterin oder Hausschneiderin sah« (III, 69). Es ist die Lehrerin Fräulein Engelhart aus Königsberg, eine »dürftige alte Jungfer«, die dann seine Verliebtheit in Madame Chauchat lebhaft unterstützt und auf dieser Basis eine animierte Kumpanei mit ihm pflegt (IV, 207 ff.).

Ferge, Anton Karlowitsch

Versicherungsbeamter aus Petersburg, Patient im »Berghof« (V, 469 ff.). Der »gutmütige Dulder« (VI, 642) mit wippendem Schnurrbart, erholt sich allmählich von seinem »Pleurachoc«. Er begleitet unauffällig die philosophischen Wandergespräche von Settembrini und Naphta mit Castorp.

Gerngroß, Leila

Patientin, die sehr jung stirbt. Hans Castorp und Joachim Ziemßen machen der Todkranken einen Besuch, bei dem sie auch ihre Eltern treffen. Leila ist 16 oder 17 Jahre alt, »ein liebreizendes Geschöpf mit genau vergissmeinnichtblauen Augen« (V, 455 ff.).

Heidekind, Dr.

Arzt bei Familie Tienappel. Er lässt Hans Castorp wegen Blutarmut täglich nach der Schule ein Glas Porter geben (II, 50).

Herrenreiter, Der

Namenlos bleibender Patient des »Berghof«, der Hans Castorp gleich nach seiner Ankunft durch sein unheimliches Husten erschreckt (I, 25). Hans betrachtet ihn interessiert nach seinem Tod (V, 441 ff.) und beginnt dann, die Moribunden zu besuchen.

Hippe, Pribislav (Pribislaw)

Seit einem Traum am dritten Tag seines Aufenthalts im »Berghof« weiß Hans Castorp, an wen Madame Chauchat ihn erinnert: an Pribislav (Pribislaw) Hippe, den von fern geliebten Mitschüler. Eine einzige Begegnung, das Ausleihen und Zurückgeben eines Bleistifts, genügte damals dem Gefühl des Vierzehnjährigen (IV, 183 ff., 223f.). Ein Abschnitt im vierten Kapitel ist »Hippe« überschrieben (IV, 176).

Das Urbild hieß Williram Timpe, Sohn des Lehrers, bei dem Thomas Mann im letzten Schuljahr wohnte. Vgl. Kommentar auf S. 81.

Hujus, Barbara

Ein junges Mädchen, das vor Hans Castorps Ankunft auf dem »Zauberberg« starb. Joachim Ziemßen erzählt, wie er der kleinen Prozession begegnete, die »der Hujus« das Sterbesakrament brachte, und wie er ihr verzweifeltes Schreien hörte, als sie merkte, worum es ging (III).

Iltis, Frau

Patientin im »Berghof«, klein, fett, mit Leberflecken. Sie gehört zum Verein »Halbe Lunge« (III, 78 ff.)

Das Modell bei Katia Mann hieß Frau Maus.

Karstedt, Karen

Patientin des »Berghof« (V, 475 ff.). Die mittellose Neunzehnjährige wohnt im Dorf Davos, die Vettern Castorp und Ziemßen nehmen sich ihrer karitativ an und führen sie aus, ins Café, ins ›Bioskoptheater‹ – und auf den Friedhof. Sie ist todkrank, und später heißt es, sie sei gestorben (VI, 677).

Kleefeld, Hermine

Patientin im »Berghof« – ein langes junges Mädchen mit dummen Augen. Sie gehört zum »Verein Halbe Lunge«. An Hans Castorps erstem Tag auf dem »Berghof« erschreckt sie ihn, indem sie mit ihrem Pneumothorax pfeift (III, 78 ff.). Später finden spiritistische Sitzungen des Dr. Krokowski in ihrem Zimmer statt.

Krokowski, Dr. Edhin

Assistent von Hofrat Behrens, bei Klinikgängen hat er sich hinter Behrens zu halten, bei Untersuchungen zu protokollieren. Castorps erster Eindruck: »Er war ungefähr fünfunddreißig Jahre alt, breitschultrig, fett, bedeutend kleiner als die beiden [Ziemssen und Castorp] und außerordentlich bleich, von durchscheinender, ja phosphoreszierender Blässe, die noch gehoben wurde durch die dunkle Glut seiner Augen, die Schwärze seiner Brauen und seines ziemlich langen, in zwei Spitzen auslaufenden Vollbartes«.

Er ist schwarz gekleidet, mit weichem Kragen, an den Füßen hat er schwarze Sandalen und dicke graue Wollsocken. Sein Lächeln – mit gelben Zähnen – ist ausgesprochen herzlich, er spricht mit etwas fremdländisch schleppenden Akzenten im Bariton (I, 30f.). Später zeigt sich, dass er Russisch spricht (III, 108) und damit an die Personen aus dem Osten angeschlossen ist, die Sinnlichkeit, Unordnung und Dämonie verkörpern. Mit Bart und schleppender Sprache nimmt Krokowski die Teufelsfiguren in »Doktor Faustus« vorweg (vgl. auch andere zweideutige Arztfiguren bei TM, etwa in »Tristan« u. a.).

Bei seinen Rundgängen steht er plötzlich im Krankenzimmer, »schwarz-bleich, breitschultrig und stämmig«, was Castorp einen »etwas entsetzlichen Eindruck« macht, und benimmt sich mannhaft-kameradschaftlich (V, 290f.). Montags hält er Vorträge über Krankheit und Liebe (IV, 190 ff.) und wirbt für »Seelenzergliederung«. Das Organische hält er für sekundär, was Hans Castorp zusagt. Trotz seines Eindrucks von »Scheußlichkeit« (554) sucht er den Doktor eine Zeitlang auf, um sich über Seele und Materie belehren zu lassen (VI, 553 ff.).

Dass die Seele stärker sei als die Materie, demonstriert Krokowski in der letzten Phase des Romans in spiritistischen Sitzungen. Einige Insassen des Hauses nehmen begierig teil, Hans Castorp hält sich zunächst fern. Dann wird die Beschwörung eines Toten angekündigt, und Hans möchte Joachim Ziemßen sehen (VII, 1025 ff.). Das Medium Ellen Brand laboriert stundenlang wie in Wehen, endlich »erscheint« Joachim – in Uniform und Helm des noch bevorstehenden Krieges. Castorp bricht brüsk ab und verlässt die Szene. Der Erzähler enthält sich des Urteils darüber, ob es sich um Täuschung oder Sinnestäuschung handelt.

Abbildung aus Hoffmeister/Gernhardt (157) – © Robert Gernhardt.

Lauro

Zweiter Sohn einer Mutter, der im »Berghof« stirbt, aus Mexiko. Hans Castorp lernt die trauernde Mutter, die immer von »Tous les deux« spricht, schon anfangs kennen (III, 56; IV, 166 ff.). Mit Ziemßen besucht er den theatralisch Todkranken (V, 468f.).

Levi, Fräulein

Sie gehört mit Hermine Kleefeld und Frau Iltis zum »Verein Halbe Lunge« auf dem »Berghof« (III, 80) und nimmt auch an Dr. Krokowskis spiritistischen Sitzungen teil.

Magnus, Herr und Frau

Bierbrauer-Ehegatten aus Halle, Patienten im »Berghof«. »Melancholie umgab dieses Paar atmosphärisch«. Frau Magnus stellt »jene Vereinigung von Krankheit und Dummheit dar«, an der Castorp anfangs Anstoß nimmt (VI, 642). Peeperkorn versucht auf seinem »Bacchanal«, die »innerlich verödete Frau Magnus« aufzumuntern, und sie sitzt im Rausch auf Herrn Albins Schoß (VII, 863).

Mallinckrodt, Natalie von

Bettlägerige Patientin im »Berghof«, ein »weiblicher Lazarus«, deren Krankheit sich äußerlich in Hautekzemen zeigt; Hans Castorp leistet ihr pflegerische Dienste. Sie verließ ihre langweilige Familie wegen eines poetischen halben Knaben und schmückt sich auch jetzt noch kokett mit vielen Juwelen (V).

Marusja

Marusja ist eine russische Patientin im »Berghof«, hochbusig, mit Apfelsinenparfüm, die gerne kichert (III, 112; IV, 176). Der disziplinierte Joachim Ziemßen schämt sich seiner Neigung zu ihr und verbirgt sie. Erst kurz vor seinem Tod spricht er, leidenschaftlich-bewegt, mit ihr.

Miklosich, Hauptmann

Patient im »Berghof«, aus Bukarest, der ein Verhältnis mit Frau Generalkonsulin Wurmbrand haben soll (III, 117; IV, 231).

Mylendonk, Adriatica von

Die »Oberin« ist Respektsperson im Sanatorium »Berghof« (III, 95f.), »eine Vierzigerin ohne Formen«, mit Gerstenkorn am Auge (IV, 253 ff.). Sie kommandiert, redet burschikos und unverblümt wie Dr. Behrens und nennt alle Patienten »Menschenskind«. Sie steht auch dem Haushalt von Hofrat Behrens vor (IV, 203).

Das Original hieß Alyke von Tümpling, Kommentar S.180 f. .

Naphta, Dr. Leo

Im zweiten Teil des Romans tritt Leo Naphta auf den Plan: Settembrini ist in das Haus des Damenschneiders Lukacek gezogen, in dem der wohlhabendere Naphta schon wohnt. Naphta ist klein, hässlich, bartlos, hat scharfe Züge und dicke Brillengläser und wirkt »ätzend« (VI, 562f.); seine Stimme klingt wie ein gesprungener Teller – er ist Settembrinis Gegensatz, auch in ideologischer Hinsicht. Er stammt aus einer frommen jüdischen Familie von der galizisch-wolhynischen Grenze, sein Vater war Schächter, er wurde durch Kreuzigung ermordet. Leo (Leib) trat dennoch in den Jesuitenorden ein (VI, 663 ff.). Castorp und Ziemßen werden Zeugen erbitterter Wortfehden zwischen Naphta und Settembrini. Naphta ist religiöser Fundamentalist und Fanatiker, er lehnt die Evolution ab wie die ganze Natur. Da die Menschen unterworfen werden müssen, plädiert er für »Terrorismus« und wünscht sich die Diktatur des Proletariats als Schreckens-Durchgang zum Heil der Welt (VI, 591 ff.).

Am Ende steigert sich Naphta, der immer kränker wird, so in seinen Hass gegen Settembrini hinein, dass er ihn zum Duell auf Pistolen fordert. Settembrini schießt in die Luft, und Naphta erschießt sich im Zorn darüber selbst. Dies geschieht im Februar 1913 und gilt als weiteres Symptom der verwirrten, »gereizten« Zeitstimmung, die im Krieg 1914 kulminiert.

Naphtas Thesen kehren auch in den Debatten des Kridwiß-Kreises im »Doktor Faustus« wieder.

Oberdank, Fränzchen

Patientin im »Berghof«, ein »glattgescheiteltes Haustöchterchen«, das sich freut, ein Jahr bleiben zu dürfen. Sie soll kaum bekleidet nächtens aus Rechtsanwalt Einhufs Zimmer gekommen sein, der »wie ein Schurke« an ihr gehandelt habe (V, 450f.).

Paravant

Staatsanwalt aus Dortmund, Patient im »Berghof«. »Der entgleiste Beamte« (VII, 954) hatte ein Verhältnis mit Frau Salomon; von Liebe zu einer ägyptischen Prinzessin kuriert, widmet er sich der Quadratur des Kreises (V, 359, 366; VII, 827). Dr. Behrens empfiehlt sein Rezept gegen im Sanatorium unerlaubte Liebesaktivitäten.

Peeperkorn, Pieter

Mynheer Peeperkorn erscheint im letzten, siebten Kapitel des »Zauberberg« in Begleitung von Madame Chauchat. Er ist laut Dr. Behrens »Kaffeekönig im Ruhestand«, Kolonialholländer, schwer reich, mit Tropenfieber (VII, 829f ). Castorp sieht ihn als sehr großen, breiten Mann von etwa 60 Jahren, mit mächtiger, »idolhaft« in Falten gelegter Stirn (VII, 846), wehenden weißen Haaren, fahlen kleinen Augen und weißem Kinnbart. Sein majestätisches Auftreten zieht alle in seinen Bann, vor allem durch die großartigen Gebärden, mit denen er seine Reden einleitet, denen aber meistens nur abgebrochene Sätze folgen, z.B. »Wir werden fühlen, dass wir – Absolut, junger Mann!« (Das Modell Gerhart Hauptmann verzieh TM wohl oder übel. Kommentar S.119).

Peeperkorn nimmt große Mengen Wein und Genever zu sich. Zu einem ausgedehnten Mahl, das zum »Bacchanal« wird, lädt er an dem Abend, an dem er Castorp kennenlernt, ausgewählte Gäste ein. Die bedienende Zwergin Emerentia, auch sie in Peeperkorns Bann, muss enorme Mengen von Speisen und Alkoholika aus der Küche herbeischaffen, dazwischen spielt man Karten. Castorp erkennt einfühlend, dass hinter den großen Gesten der cholerischen »Persönlichkeit« panischer Schrecken flackert (VII, 853). Der betrunkene Alte malt dem Jungen eine metaphorische Vision vom Versagen der Manneskraft, der Niederlage des Gefühls vor dem Leben (VII, 800f.).

Zu später Stunde beschwört er seine zwölf Gäste, bei ihm auszuharren, mit den Worten von Jesus in Gethsemane ( VII, 860). Dann gibt es weitere Schlemmereien und geistige Getränke. Um 2 Uhr schließlich lässt er sich von Clawdia und Castorp zu seinem Zimmer bringen. Trotz seiner Trunkenheit stutzt er aber, als Castorp sich weigert, wie geboten, Clawdia Chauchat auf die Stirn zu küssen (VII, 867).

Später (im Frühjahr 1910), als Peeperkorn oft krank ist und Castorp ihn besucht, sagt er unvermittelt: »Und Sie lieben Madame?« (VII, 914). Castorp gibt die Ausflüchte auf und erklärt, was an jenem »Schaltabend«, der »Traumnacht« (VII, 903) des 29. Februar (1908), geschah. Peeperkorn erkennt an, dass er und Clawdia Hans Castorp Unbill zugefügt haben. Statt eines Duells bietet er deshalb Castorp nun das »Du« an: »wir sind Brüder«. »Unsere Geliebte«, nennt er Clawdia (VII, 927f.).

Im Mai (1910) macht man zu siebt einen Ausflug zum Wasserfall, in dessen Brausen Peeperkorn unverständliche Reden an die Anwesenden hält. In der Nacht stirbt er durch Selbstmord mit einem raffinierten Giftinstrument (über exotische Gifte sprach er schon früher), wohl mit Hilfe seines geheimnisvollen malaiischen Dieners. An seinem Totenbett erlaubt Clawdia Hans Castorp, sie auf die Stirn zu küssen (VII, 943).

Popów, Herr

Lehrer. Patient im »Berghof«, der epileptische Anfälle erleidet (V, 453f.).

Redisch, Frau

Patientin auf dem »Berghof«, Gattin eines polnischen Industriellen, »eine untersetzte und füllige Brünette«. Castorps Onkel James Tienappel entdeckt bei seinem Besuch, »dass Frau Redisch Brüste besaß [...], und diese Entdeckung hatte den reifen und feinen Mann bis in den Grund seiner Seele erschüttert und begeistert«. Er nennt sie »ein göttliches Weib« und flirtet mit ihr, bis er plötzlich abreist (VI, 659f.).

Robinson, Miss

Patientin auf dem »Berghof«, die am gleichen Esstisch sitzt wie Hans Castorp: ein englisches Fräulein, »schon angejahrt gleichfalls, sehr häßlich« (III, 70).

Rotbein, Fritz

Todkranker junger Patient aus Coburg, dessen Vater Puppenfabrikant ist. Castorp und sein Vetter besuchen ihn kurz vor seinem Tod (V, 460 ff.).

Salomon, Frau

Patientin im »Berghof«, aus Amsterdam: »eine rot gekleidete Frau von reicher Körperlichkeit« (IV, 170). Sie hat zeitweise ein Verhältnis mit Staatsanwalt Paravant (V, 359), später reist sie unerlaubt ab (VI, 542).

Schalleen

Haushälterin bei Konsul Tienappel in Hamburg, eine Goldschmiedstochter aus Altona, die für den reichgedeckten Tisch und auch für den kleinen Hans Castorp zuständig ist ( II, 49; VI, 770).

Schildknecht, Alfreda

Auch »Schwester Bertha« genannt. Sie pflegt Sterbende im »Berghof« und anderswo – das ist ihre einzige Perspektive (IV, 165f., V, 462).

Settembrini, Lodovico

Italienischer Intellektueller, Patient des »Berghof«, der im dritten Stock ein kleines Zimmer »nach hinten hinaus« bewohnt und später aus Kostengründen als Untermieter des Damenschneiders Lukacek ins Dorf umzieht. Der sympathische Mann mit der angenehmen Stimme spricht Ziemßen und Castorp auf deren erstem gemeinsamem Spaziergang an – der Abschnitt ist »Satana« überschrieben (III, 88 ff.). Er ist Mitte 30, hat schwarze Augen, einen schwarzen Schnurrbart und zeichnet sich durch eine freie, schöne Haltung aus, die seine ärmliche, immer gleiche Kleidung fast vergessen lässt. Zugleich erinnert er Castorp an einen Drehorgelmann (III, 131 ff.; V, 304). Settembrini ist Humanist und Literat und spricht gern, rhetorisch gepflegt und immer, wie Castorp findet, kritisch und pädagogisch (IV, 146 ff., 228 ff., V, 307, 366). Später erzählt er seine Familien-Geschichte, eine Geschichte der politischen Opposition (IV, 233 ff.). Er ist gern boshaft und mahnt Castorp, über Menschen zu urteilen, statt sie einfach hinzunehmen.

Er nimmt ein erzieherisches Interesse an Castorp. In zahlreichen Gesprächen verteidigt er Vernunft, Aufklärung, Arbeit und Gesundheit – aber die einfache Frage des umgekehrten Parzival nach seiner Krankheit bringt ihn in Verlegenheit (V, 299, 377). Oft redet er Castorp mit »Ingenieur« an, um das Fortschrittliche dieses Berufs zu betonen. Von vornherein und wiederholt rät er ihm abzureisen (V, 375) und warnt ihn vor der Entfremdung vom wirklichen Leben durch die Hingabe an die Krankheit und vor allem vor der lasterhaften Anziehungskraft des Todes (V, 294 ff.).

Ausführlich erläutert Settembrini seinem ›Schüler‹ die Arbeit der »Liga für die Organisierung des Fortschritts«, die ein Handbuch zur »Soziologie des Leidens« herausgibt. Ziel ist, das Leiden, die Krankheit »auszumerzen«, und Settembrini wird zu diesem Zweck die Weltliteratur sichten (V, 368 ff.). – Für ihn zählt nur der Geist, der den Körper beherrschen soll. Castorp fragt intelligent: »Was haben Sie gegen den Körper? Sie sind doch Humanist?« (V, 378).

Während des Fastnachtsfestes in der Mitte des Romans hält Castorp, illuminiert, seinem Lehrer eine Dankes- und beinahe Abschiedsrede, wobei er ihn – wegen der Narrenfreiheit – zu dessen Entsetzen duzt. Aber Castorp ist jetzt ganz frei, Clawdia Chauchat, vor der Settembrini ihn auch warnte, übernimmt (V, 497 ff.). Clawdia findet, er sei nicht »menschlich« gesinnt, sondern hochmütig (VII, 843).

Castorp nimmt als Schüler-Publikum an den »Operationes spirituales« der Kontrahenten Settembrini und Naphta teil. Auf seiner todesnahen Schneewanderung (VI) denkt er immer wieder an Settembrini als den Warner mit dem Hörnchen, wie der Strandwächter am Meer. »Du bist zwar ein Windbeutel und Drehorgelmann, aber du meinst es gut, meinst es besser und bist mir lieber als der scharfe kleine Jesuit [...], obgleich er fast immer recht hat.« (VI, 719). Er sehnt sich nach Rettung durch den vernünftigen Mahner (VI, 729), dann wieder nennt er ihn einen Schwätzer, der »immer nur auf dem Vernunfthörnchen« bläst, das sei »irreligiös« (VI, 747). Doch zu ihm kehrt er auf dem Rückweg heim (VI, 750).

Von Naphta erfährt Castorp, dass Settembrini Freimaurer ist, also auch einer Art von Orden angehört (VI, 766). Die philosophisch-historischen Streitgespräche zwischen Settembrini und Naphta steigern sich schließlich zum Pistolenduell im Februar 1913. Settembrini sagt: »Ich werde nicht töten«. Er schießt in die Luft, und Naphta erschießt sich aus Wut (VII, 1056 ff.).

Bevor in Castorps siebtem Jahr »hier oben«, 1914, der Weltkrieg beginnt, wird Settembrini immer leidender. Seine Arbeit am Lexikon muss er aufgeben. Als Castorp zur Front abreist, verabschiedet er sich am Bahnhof von ihm und nennt ihn Du und »Giovanni mio«, was Hans fast die Fassung verlieren lässt.

Daniel Jütte hat als ein Vorbild für Settembrini Bernardino Zendrini gefunden, den TM 1909 im Bircher-Benner-Sanatorium in Zürich kennengelernt hatte (vgl. Jütte).

Sonnenschein, Herr

Patient im »Berghof«, der von dem antisemitisch gesinnten Herrn Wiedemann tätlich angegriffen wird (VII, 1037f.), womit auch die überreizte Stimmung der Zeit vor dem Krieg 1914 dokumentiert wird.

Stöhr, Karoline

Patientin im »Berghof«, die am gleichen Tisch wie Ziemßen und Castorp die Mahlzeiten einnimmt. Sie ist eine in jeder Beziehung ungebildete Musikergattin aus Cannstadt, die mit Überzeugung Fremdwörter und Redensarten verwechselt (III, 70; IV, 229 ff.). Hans Castorp leidet unter ihr: »Karoline Stöhr war entsetzlich. Sie sagte ›Agonje‹ statt Todeskampf, ›insolvent‹, wenn sie jemandem Frechheit zum Vorwurf machte.« (V, 451 ff.). Sie zeigt eine »stockdumme Selbstgefälligkeit« (IV, 230) und ergötzt sich an allerlei erotischen Verhältnissen im Haus (III, 116f.), womit Herr Settembrini sie gerne neckt (IV, 230f.). Frau Stöhr nimmt an Dr. Krokowskis spiritistischen Sitzungen teil, wo sie sich ängstlich-albern benimmt.

Das Modell bei Katia Mann hieß Frau Plür, vgl. Kommentar.

Tienappel, James jun.

Sohn von Konsul James Tienappel und Onkel Hans Castorps, den dieser aber eher als Vetter ansieht. Nach Joachims »wilder« Abreise im September des zweiten Jahres kommt ›Vetter‹ Tienappel überraschend nach Davos, um nach Hans Castorp zu sehen und ihn wenn möglich mitzunehmen. Er ist »ein langbeiniger Herr von gegen Vierzig, gekleidet in englische Stoffe und blütenhafte Wäsche, mit kanariengelbem, gelichteten Haar, nahe beisammenliegenden blauen Augen, einem strohigen, gestutzten, halb wegrasierten Schnurrbärtchen und bestens gepflegten Händen« (VI, 644 ff.). Er ist Gatte und Familienvater, zuhause sachlich kühl, in der Fremde entgegenkommend. »›Natürlich, gewiss, selbstvers-tändlich!‹ beeilte er sich zu sagen, damit niemand denke, er sei zwar fein, aber beschränkt.« Seine Verwirrung nach der Ankunft auf dem »Berghof« gleicht der seines Neffen zu Beginn. Innerhalb weniger Tage lockert er sich so, dass er sich für die Brüste einer Frau Redisch begeistert und mit ihr anbändelt (659f.). Dann aber reist er, erschreckt durch Dr. Behrens' drastische Ausführungen über den Tod, überstürzt ab.

Tienappel, James sen.

Konsul Tienappel ist Hans Castorps Großonkel mütterlicherseits, sein Vormund und Pflegevater, »ein gewichtiger Mann«, mit wasserblauen Augen und einem grauen Schifferbart (II, 48 ff.). Er ist im Weinhandel tätig, ebenso sein Sohn James, während Sohn Peter bei der Marine dient. Der gepflegte Hausstand wird von der Haushälterin Schalleen betreut, die sich auch um den kleinen Hans kümmert.

Tienappel verwaltet Hans Castorps Vermögen von 400.000 Mark, das jährlich an die 18-19.000 Mark Zinsen bringt, von denen Hans angenehm leben kann. »Viel hast du nicht«, sagt Tienappel zu ihm (II, 55). Castorp meint zu Settembrini, man werde ihn zuhause nicht besonders vermissen (V, 299 ff.).

Ting-Fu, Dr.

Teilnehmer an Dr. Krokowskis spiritistischen Sitzungen (VII, 847 ff.).

Wehsal, Ferdinand

Zu Castorps Kreis gehört Ferdinand Wehsal aus Mannheim, der seinem Namen gerecht wird. Betrunken bei Peeperkorns »Bacchanal«, weint Wehsal hemmungslos (VII, 864). Auch er ist in Madame Chauchat verliebt und schließt sich an Hans Castorp, den glücklicheren Liebenden, dienend an (VI, 643 f.). Auf einem Ausflug mit Peeperkorn »winselt« er Hans Castorp peinliche Geständnisse seiner Liebe vor (VII, 930 ff.).

Wenzel, Herr

Der Tscheche, Patient im »Berghof«, wird wegen seines zu schwierigen Namens so genannt. Er ist »feist wie ein Dachs« und isst viel, sagt aber, er werde bald sterben. Er spielt Mandoline, ist Anti-Alkoholiker und streitet sich mit dem Bierbrauer Magnus (VI, 642). Später nimmt er an Dr. Krokowskis spiritistischen Sitzungen teil.

Wiedemann, Herr

Als der »Dämon« der Zanksucht den »Berghof« ergriffen hat, wird Herr Wiedemann, ein 30jähriger ziemlich kranker Kaufmann, besonders aggressiv (VII, 1037). Er hat nur den einzigen Stolz, kein Jude zu sein, und verfolgt seine antisemitische »Mißidee« überall. So kommt es zu einem wilden schuljungenhaften Kampf mit dem nicht weniger kranken Herrn Sonnenschein (1038).

Ziemßen, Joachim

Der Hamburger Vetter Hans Castorps, der schon einige Monate auf dem Berghof ist, als er dort ankommt. »Joachim war größer und breiter als er, ein Bild der Jugendkraft und wie für die Uniform geschaffen.« Er ist schwarzäugig und braungebrannt und wäre »geradezu schön gewesen, wenn er nicht abstehende Ohren gehabt hätte« (I, 16). Den preußisch anmutenden Namen trägt er zu Recht: er übt strenge Disziplin, gemäß der »Dienstvorschrift« der Klinik, um sie bald wieder mit der militärischen vertauschen zu können.

»Der redliche Joachim«, dessen Augen einen zunehmend traurigen Ausdruck annehmen (IV, 224f.), wird ohne jede Ironie geschildert. Die Vettern sprechen sich nur mit »du« an, ohne Namensnennung, aus einer gewissen Scheu vor zuviel Intimität. Ihr Umgang miteinander ist freundschaftlich und zurückhaltend.

Anders als Castorp verhält sich Joachim wortkarg und besonnen. Er verbirgt seine Bewegtheit von Marusja, der Hochbusigen mit dem Apfelsinenparfüm, die so gern kichert (III, 112). Er »sah Marusja an – und zwar in einer Haltung, mit einem Augenausdruck, die unmöglich militärisch genannt werden konnten, vielmehr so trüb und selbstvergessen erschienen« (IV, 177).

Joachim scheint diese Neigung als Schwäche, als Verstoß gegen die Disziplin zu empfinden und schämt sich (VI, 225). Nie, bis kurz vor seinem Ende, lässt er etwas davon merken, aber Castorp weiß es durch Sympathie (V, 315); auch lernt Joachim heimlich Russisch.

Joachim hält sich bei seines Vetters Geistesabenteuern getreulich und still an dessen Seite. Settembrini nennt ihn, im Unterschied zu Castorp, »eine respektable, aber einfache und geistig unbedrohte Natur« (V, 467). Bei der Durchleuchtung sieht Castorp Joachims »Grabesgestalt« (V, 332). Im winterlichen September (1908), nach eineinhalb Jahren Aufenthalt reist Joachim ohne Zustimmung des Arztes ab, aber der plötzlich für gesund erklärte Castorp bleibt (VI, 521, 629f.). Bei der Abreise nennt Joachim ihn zum ersten Mal »Hans«, was Castorp als zu gefühlvoll und peinlich empfindet – »komm bald nach!« (VI, 640).

Joachim schreibt glücklich von seinem militärischen Dienst, im April (1909) ist er Leutnant. Aber im Mai wird er wieder krank, und im Juli kehrt er, von seiner Mutter begleitet, zurück (VI, 751 ff.). Nun ist er, der an Kehlkopf-Tuberkulose leidet, »der arme Joachim«. Castorp unterstützt ihn nach Kräften und respektiert seine Scheu. Aber einmal im November bricht Joachim sein Schweigen. Hans sieht, wie er zu Marusja von seiner ordnungswidrigen Liebe spricht (VI, 803f.). Vom nächsten Tag an wird Joachim bettlägerig; »er gehörte der Erde« (801). Seine Mutter kehrt zurück und pflegt ihn. Joachim hat nun einen schwarzen Vollbart und sein Aussehen altert rasch. Der Tod des Leidenden ist still, durch Herzschwäche, wie Behrens vorausgesagt hatte.

Ziemßen, Luise

Die Mutter Joachim Ziemßens, die ihn nach seiner »Desertion« zum Militär krank in den »Berghof« zurückbringt (VI, 758) und später gefasst wiederkehrt, um ihn bis zu seinem Tod zu pflegen (VI, 805 ff.).

Zimmermann, Frau

Patientin im »Berghof«, von Dr. Behrens »die Überfüllte« genannt, die Hans Castorp, wie andere bettlägerige Patienten, besucht. Sie ist sehr unruhig und erzählt ihm unter ständigem Kichern von einer missglückten Behandlung in Zürich. Nun muss sie sterben, doch ihr »Vogelhirn« versteht es nicht (V, 464f.).