Hans Pleschinski: »Ludwigshöhe« (2008)
Aziza
Die junge Frau kommt nachts, verprügelt und verletzt, vom Regen durchnässt in der Villa an und wird erstmal von den Frauen gebadet (I, 23). Später erfährt man, dass sie eine 17jährige Syrerin ist, einen Italiener liebt und ihre Brüder deshalb gewalttätig wurden (II, 25). Bald kommt sie halb verhungert in die Küche und trinkt Tee (II, 30).
Nachts findet man sie im Garten, wo sich auch fremde Männer aufhielten, einige Bewohner kommen dazu, Herr Bauer schießt (II, 38). Das bleibt folgenlos. Am Ende verliert sie ihr Misstrauen gegen die anderen Bewohner und kocht ein arabisches Gericht für eine große Schlemmerei, sie führt dann sogar einen Bauchtanz vor (II, 45).
Bauer, Xaver
Gast in der Villa »Ludwigshöhe«. 60 Jahre alt, Zwangsneurotiker (I, 7). Sein Wahn erweist sich als nützlich, er kämpft gegen das Unkraut im Garten, beginnt dann mit dem Heckenschneiden, das wird länger dauern (I, 19). Im Namen des Anstands notiert er Falschparker, um sie der Polizei zu melden (I, 21). Die Essgewohnheiten des Pedanten sind unschön (I, 24). Er macht sich beharrlich im Garten zu schaffen, als sich nachts Fremde dort herumtreiben, schießt er auf einen und trifft anscheinend, aber der Verletzte ist dann verschwunden (II, 38). Frau von Meyenburg erinnert sein Gesicht plötzlich an Martin Bormann, aber sie verdrängt das rasch (II, 45).
Berg, Clarissa
Sie ist 44, schlank und reizvoll, arbeitet als Dozentin an der London School of Economics und hat sich für ein halbes Jahr beurlauben lassen. Sie gibt sich kühl, raucht Joints, hatte mehrere Liebhaber (jetzt Faruq aus Pakistan), fährt einen Peugeot und nimmt in einem angemieteten Büro in München Telefonanrufe von Selbstmord-Kandidaten entgegen. Sie empfängt sie auch an der S-Bahn und fährt sie zur Villa (I, 12). Das Münchner Klima setzt ihr zu. Auf der Fahrt ins Büro beobachtet sie den Alltag friedlicher Deutscher. Wenn verzweifelte Menschen telefonieren, die Seelsorge oder praktische Hilfe brauchen, leidet sie (I, 6), vor allem als ein kleiner Junge, Benny, mehrmals anruft, der wegen schlechter Schulnoten nicht mehr weiter weiß (I, 17). Die Wissenschaftlerin wird immer wieder von Mitleid gepackt, auch als die kranke Frau Patini in der Villa ankommt (II, 30).
Um aber den Abgang der ›Gäste‹ zu beschleunigen, stellt sie ein Fernsehgerät auf, das laut Nachrichten und Werbung sendet (II, 30). Nach der Ankunft weiterer Moribundi spielt sie nachts mehrmals sehr laut das Requiem von Brahms ab, was alle schauerlich berührt (II, 41).
Berg, Monika
Die 36jährige Halbschwester von Clarissa und Ulrich ist klein, rundlich, ähnelt Liza Minelli und neigt zu Weinerlichkeit (I, 4). Sie verdient ihren Lebensunterhalt bei der Hotline der Telekom in Ludwigshafen. Monika leidet unter der Situation, in die sie sich begeben hat. Bald wird sie aktiv, indem sie sich um Lebensmittel für die Lebensmüden kümmert und Frühstück anbietet. Der »Urtrieb nach Nahrungsaufnahme« besteht weiter (I, 7). Dass sie ein lesbisches Verhältnis hat, gesteht sie später (I, 10). Ihre Freundin Ilse wird bei der Arbeit im Stadtbauamt schikaniert (I, 22).
Moralische Bedenken nötigen die Geschwister immer wieder, über den Tod zu philosophieren (I, 22). Monika findet bei Tchibo einen Restposten Epikur über die Todesfurcht, und verteilt die Bücher an alle, damit sie entschlussfreudiger werden (I, 25). Später bringt sie ihre Freundin Ilse aus Ludwigshafen mit, die eingeweiht ist (II, 30).
Berg, Robert (Roberto)
Ein Onkel der Geschwister Berg, der kürzlich als reicher Mann in Brasilien starb und den dreien im Testament seinen Besitz vererbte, allerdings unter einer vertrackten Bedingung: sie sollen in der Villa ›Ludwigshöhe‹ Lebensmüden zum Tod verhelfen.
Berg, Ulrich
Er wird zu Beginn des Romans vorgestellt: ein Mittvierziger und nicht besonders erfolgreicher Textil-Designer, der im Mai mit scharfem Blick durch die Münchener Maximilianstrasse geht, um in Arztpraxen und Cafés seine Botschaften zu hinterlassen. Er kümmert sich um die Organisation, stellt die Hilfsmittel bereit und sorgt für Eis im Keller zur Aufbewahrung der Toten, später für Gefriertruhen. Mit Monikas Freundin Ilse geht er in Schutzkleidung in den Keller zwecks Umbettung (II, 34).
Mit den Schwestern diskutiert er über die Selbsttötung in Geschichte und Literatur – in der Bibel, bei den Griechen und Römern (I, 10). Wie den Schwestern macht ihm ihre Unternehmung zu schaffen, und er sucht nach Rechtfertigung.
Dass er schwul ist, bekennt er im zehnten Kapitel. Er unterhält sich öfter mit Internet-Sex-Angeboten (II, 28), die er mit einem ›Grabbeltisch‹ vergleicht. Er malt sich aus, wie brave Bürger zu Gasmasken-Bällen gehen, um sich in einem Fronterlebnis zu verlieren, und dann montags freundlich im Büro erscheinen (II, 28). Schließlich wagt er sich, von Clarissa ermutigt, zu Tassilo Wang, der ihm kaum entgegenkommt (II, 39, 41).
Zum Problem wird allmählich, dass ›Patienten‹ das sogenannte Hospiz als Sanatorium betrachten – obwohl es kein Personal gibt – oder einfach wieder nach Hause gehen (I, 10). Ulrich erklärt auf einem Plakat, dass die einzuzahlenden 40 € für jeden einzelnen Tag gelten (I, 13, 19). Die Geschwister meiden den Kontakt mit den ›Gästen‹, wenn er sich doch ergibt, ist ihnen keineswegs wohl (II, 28). Sie müssen alle anfallenden Arbeiten selbst erledigen. Allmählich verlieren sie die Geduld und Ulrich deklariert, dass von der dritten Woche an täglich 50 € zu zahlen sind und bei allzu langem Aufenthalt die Ausweisung droht (II, 39). Über dieses Merkblatt empören sich die Alteingesessenen (II, 41), die immer noch glauben, in einem Hospiz zu sein, dessen Angestellte die Geschwister sind.
Deutler, Olaf
Ein magerer, blonder junger Mann mit hoher Stimme, Bühnenbildner (›Frau Holle‹ in Lüneburg), der immer schon von der Angst zu versagen, gequält wurde, unter anderem findet er seinen ›Schwanz‹ zu klein (I, 16), auch in der Arbeit ist er von Angst dominiert. Er hat offenbar schon Selbstmord-Versuche gemacht. Frau Hoffmeister spricht mit ihm. Später erscheint er mit einem Huhn namens ›Charlotte‹, das er gekauft hat, wegen der Frühstückseier (I, 7).
Heinrich Lay trifft ihn nachts im Gartenschuppen, wo er im Finstern seine Sinne übt: Tasten, Riechen (I, 16). Sie üben auch Langsamkeit zusammen (II, 35). Deutler baut mit Lay im Gewächshaus eine Bühne für Frau von Meyenburg. Sie tritt tatsächlich einmal auf und rezitiert Gryphius, verweigert aber eine Fortsetzung. Ulrich und Ilse sind Zuhörer (II, 39).
Erwin
Ein Zimmermann auf der Walz, der Clarissa zu Tränen rührt (I, 14).
Fehling, Markus
Ein über 50-jähriger Journalist, Radio-Kommentator, der die Nachrichten nicht mehr aushält. Er hat »das Morgenjournal geschmissen« und ist aus dem Studio weggelaufen, weil ihm zu den schrecklichen Nachrichten, die in schneller Folge eintreffen, kein Kommentar mehr einfällt (I, 9, S. 103). Nun liegt er auf seinem Bett in der Villa und weint. Er ist weißblond und hat als Kind gestottert (II, 30). Seine Frau Karin glaubt, er sei verreist (I, 13), sein 18-jähriger Sohn ist in den USA (270), er taugt anscheinend nicht viel (II, 44). Später hört man Karins Fragen auf seinem Handy (II, 28).
Frau Reutte, die Domina, will mit ihm nach Augsburg fahren, um ihren Freund zu erschiessen, aber die uralte Pistole muss erst funktionsfähig gemacht werden (I, 19). Der rote Alfa Romeo wird umgefärbt, um nicht aufzufallen, was Fehling viel Kummer macht (II, 26); Seneca-Lektüre scheint nicht zu helfen. Dr. Lay zieht ihn in ein Gespräch über ihrer beider Berufe und ihr Versagen (II, 26). Fehling beschäftigen weiter die »unerledigten Desaster« in den Nachrichten, die schnell vergessen werden (II, 26, S. 331).
Er verkommt allmählich, Thomas-Bernhard-Lektüre hilft auch nicht (II, 33). Beim gemeinsamen Mahl in der inzwischen gemütlichen Küche empört er sich über die »Leitung«, möchte am liebsten acht Repräsentanten der miesen Gegenwart erschiessen, mit den restlichen acht Schuss in Reuttes Parabellum. Dann erscheint Hanna Reutte und begrüßt ihn mit Kuss und »Schatz« (II, 41). Am Ende sind sie deutlich ein Paar (44). Als neue Gäste ankommen, freut er sich: Wir werden stärker (II, 41). Bei der Trauerfeier für Ute Wimpf sagt er aufmunternd zu Hanna Reutte, die eine Rede halten will: »Keine Angst, hier darf jeder scheitern« (II, 45, S. 558). Der Satz schlägt ein und überzeugt alle.
Fontanelli, Luisa
Sie war die erste Tote auf der Ludwigshöhe, vor dem Einsetzen der Erzählung. Sie war 88 Jahre alt, krank (I, 4, 13).
Hattinger, Frau
Man hört immer ihr lautes Klagen aus Zimmer 2. Sie hat Angst vor dem Tod und will sich deshalb umbringen. Sie ist etwa 50, war Juwelierin (I, 10). Man stellt ihr Getränke und Essen vor die Tür. Eines Tages, nach dem großen Schlemmermahl, an dem fast alle teilnahmen, fasst Frau Hoffmeister sich ein Herz und sucht sie auf. Vom Bett kommt allerdings keinerlei Echo auf die guten Ratschläge, bis Frau Hattinger endlich einen Teller nach ihr wirft und schreit: »Raus!« Immerhin eine Äußerung (I, 24). Aber zeitweise gelingt es später, sie zu beruhigen (II, 37). Ilse sorgt etwas für sie.
Hoffmeister, Hilde
Immer in Weiss. Sie war in einer Nervenklinik, leidet unter Hitzewallungen und trägt deshalb oft einen Turban. Frau H. hat in der Uhrenabteilung des ›Kaufhof‹ gearbeitet, sie war besonders tüchtig, ist verheiratet (I, 2, 10, 19) – ihr Mann beschimpft sie auf dem Handy (II, 28). Bei Ulrich Berg beklagt sie sich über das Essen, da sie 40 Euro pro Tag bezahle (I, 10), später über den fehlenden Komfort (II, 28).
Nachdem sie mit den andern die üppige ›Henkersmahlzeit‹ genossen hat, die Frau von Meyenburg spendete, wagt sie sich mit therapeutischen Ratschlägen zu der jammernden Einsiedlerin Hattinger. Sie lobt die Gemeinschaft, die inzwischen im Haus entstanden ist. »Jeder bringt den anderen auch einen Schritt weiter, wie freundliche Murmeltiere auf ihrem Hügel.« »Das Nur-für-sich-Sein ist die Hölle. Vielleicht sind wir nur zum Helfen auf der Welt« (I, 24, S. 308). Eine erstaunliche Entwicklung, für die Frau Hattinger aber keinen Sinn hat.
Im Kreis der »Langzeitzauderer« (II, 35, S. 437) wirbt Hoffmeister für gute Taten als Hinterlassenschaft (II, 35). Mit Frau Jakoubek will sie ihre Dienste anbieten, so kommen sie einmal als Babysitterinnen zur Nachbarin Sabine Teuchert (II, 37), dann führen sie Hunde aus (II, 39). Sie haben die große Küche wohnlich eingerichtet, mit rundem Tisch zum Essen von 7 bis 13 Uhr und zum Plaudern (II, 41).
Huber, Betty
Sie ist 58 – 1950 geboren –, klein und von einem Gesundheitswahn besessen, deshalb führt sie Pillen für und gegen alles mit sich (I, 7). Ihr Mann war brutal, ein Versicherungsmakler, der vor 12 Jahren auf Reisen verschwand; sie lebte in Haidhausen. Nun gehen ihre Medikamenten-Vorräte zu Ende (I, 13). Sie hat schon immer über Zeit und Ort ihres Todes nachgedacht (II, 27).
Frau von Meyenburg fordert Huber auf, von ihren Leiden zu erzählen, und nennt das »kreativer Kummeraustausch« (II, 28, S. 356). Frau Huber glaubt, sie würden alle mit dem in der Küche immer vorrätigen Tee vergiftet. Nachts stürzt sie im Keller auf der Suche nach Wein als Schlafmittel (II, 31). Frau Hoffmeister versorgt ihre Wunden (II, 33). Wegen Platzmangels teilt sie jetzt ein Zimmer mit der lärmgeschädigten Frau Jakoubek. Sie hat es dann satt und geht »endgültig« in den Keller, während im Garten Aufruhr wegen fremder Eindringlinge herrscht (II, 37). Aber dieser Lärm behindert sie und sie kehrt zurück (II, 39). Als neue ›Gäste‹ eintreffen, erklärt sie: »Ich bin aber zuerst dran« (II, 41, S. 530). Später möchte sie über sich reden, und von Clarissa wünscht sie eine Quittung für das Finanzamt (II, 44, 45).
Ilse
Monika Bergs Freundin aus Ludwigshafen. Bald nach ihrer Ankunft muss sie Ulrich bei den Bergungsarbeiten im Eiskeller helfen (II, 34), später Monika bei der Toilettenreinigung. Dann geht sie mit den beiden in einen Pornoladen (II, 33). Sie erweist sich als praktisch und fürsorglich (II, 45). Im Sommer spielt ihre Mannschaft gegen die von Neusser Volleyball (II, 48).
Jakoubek, Erna
Beim Frühstück in der Küche »kreideweiss, mit ergrautem Haar und in Strickjacke«, stopft sie sich Ohropax in die Ohren, denn sie litt in ihrer Wohnung an der Donnersberger Brücke schrecklich unter Lärm. Sie betrieb einen Kiosk: »Am Bürgerkrieg wohn ich« (I, 7, S. 77).
Eines Tages spült sie das angesammelte Geschirr der Lebensmüden (I, 19).
Später duzt sie sich mit Hilde Hoffmeister (I, 27) und lässt sich zu guten Taten anregen, z.B. zum Babysitting, gegen Bezahlung (II, 37).
Jüssen, Dr. Jürg
Ein Neuzugang nach den meisten anderen. Promovierter Geologe, Dozent, Mitte 30, schwächlich, der von den Kollegen an der Universität ausgegrenzt wurde und nicht weiter kam. Zur Entspannung spielt er Hund vor dem Spiegel. Er glaubt, er würde hier nun gleich ins Endgültige verfrachtet (II, 27). Später gesellt er sich zu den anderen und beginnt auch, seine Erinnerungen aufzuschreiben (II, 39). Beim gemütlichen Mahl in der hergerichteten Küche redet er mit Dr. Lay (II, 41). Auf der Trauerfeier für Ute Wimpf spricht er rührend und pathetisch (II, 45).
Kipphard, Erwin
66 Jahre alt. Am Anfang will er sich mit der Erde vereinen, etwas später möchte er sein Hemd waschen: »Haben Sie Rei in der Tube, Frau Wimpf?« (I, 4, S. 30). Kipphards Frau Käthe ist vor 9 Jahren gestorben, er ist ein pensionierter Bahnbeamter, der allein in seiner Wohnung allmählich verwahrloste. Seine Kinder leben in Aschaffenburg.
Mit Frau Wimpf erwägt er Jenseitstheorien, sie favorisiert die ägyptischen Sitten, er macht sich Gedanken über die Grabbeigaben: »In den Pyramiden hatte man alles dabei. Vielleicht kann sich jemand darum kümmern? Wenigstens etwas Obst« (I, 4, S. 32). Hienieden sind sie sich einig: »›Bloß nichts mehr wollen.‹ Erwin Kipphard legte einen Arm auf das Tischtuch. ›Semmeln gibt es hier wohl nicht? Oder einen Keks?‹« (I, 4, S. 32). Bald geht er wieder nach Hause, nachdem ihm ein Seniorentreff empfohlen wurde (I, 10).
Lay, Dr. Heinrich
Etwa 60 Jahre alt, wohlgenährt. Steigt mit Frau von Meyenburg, die er als Schauspielerin kennt, in Clarissas Auto (I, 12). Er war Verleger und hat wegen zweier Scheidungen und Alimenten für sechs Kinder Bankrott gemacht. Nachts nach seiner Ankunft wandelt er im Garten und trifft im stockdunklen Schuppen auf Olaf Deutler, der ihn zu Übungen der Sinne animiert (I, 16). Er schwärmt für das Wunderwerk des Menschen (II, 33) und ist dann oft mit dem »Gefühlsgefährten« Deutler zusammen (II, 35, S. 447).
Mit Fehling macht er eine Busfahrt nach Bad Tölz, wo sie im ›Grünbräu‹ einkehren und sich wundern, dass der Alltag anderswo weitergegangen ist. Schöner ist er nicht geworden. Lay fragt, ob es nicht bald einen Aufstand gegen Kommerz, Hässlichkeit, Lüge und Gift geben wird (II, 39). Andererseits liebt er das Leben, füllt es mit allerlei Aktivitäten aus, hat sogar einen Terminkalender (II, 45). Am Ende zitiert er Dante, eher zur Abschreckung.
Lehmann, Herr
Er hat sich zu Beginn erhängt und muss von Ulrich Berg im eisgekühlten Keller untergebracht werden. Sein Tod ist der zweite in der Villa, seine Vorgängerin hieß Fontanelli (I, 4). Die anderen Gäste reagieren erschrocken.
Meyenburg, Greta von
Über 70-jährige bekannte Schauspielerin, deren Freund Matthias gestorben ist. Sie ist elegant gekleidet und geschminkt, weint aber viel (I, 12). – In ihrem Zimmer rezitiert sie Verse aus Theaterstücken (I, 13). Morgens erscheint sie in der großen Küche und wünscht Frühstück, die anderen Damen hält sie für Angestellte (I, 19). Hungrig könne man keinen Entschluss fassen, darum schickt sie jemand mit ihrem Geld zum Einkaufen in den Ort (I, 19). Die Rechnung für den großzügigen Einkauf beträgt dann 778 Euro (I, 21). Aber es hat sich gelohnt: mit allen denkbaren Köstlichkeiten, mit Pasteten und Sekt finden sich die Gäste zu einer Genuss-Gemeinschaft zusammen (I, 24). Frau Hoffmeister beschreibt es: »Ist das nicht schön, was für eine Gemeinschaft wir eigentlich sind, mit all ihren Ausreißern, Depperten, Feen und Wahnsinnigen?« ((I, 24, 308).
Greta von Meyenburg kannte viele berühmte Kollegen und Kolleginnen, sie schreibt einen Abschiedsbrief an Ruth Leuwerik und erkundigt sich nach deren Gelenkschmerzen (II, 30). Sie sorgt weiterhin für Lieferungen eines Catering-Service. Der eifrige Schwärmer Deutler gewinnt sie für eine Rezitation auf der Bühne, die er im Gewächshaus gebaut hat. Aber es bleibt dann bei Gryphius (II, 39). Beim Tanz nach dem Leichenschmaus für Ute Wimpf tanzt sie mit Dr. Lay (II, 45). Gegen Wechsel leiht sie Mitbewohnern Geld mit Hilfe ihrer Kreditkarte (II, 44).
Neusser, Christian
Ehemaliger Springreiter, wegen Dopings gesperrt, nun ohne Geld, kommt erst spät an (II, 41). Als Neuling redet er noch unverschämt grob daher (II, 44). Später spielt er gegen Ilses Mannschaft Volleyball (II, 48). Im Herbst ist er nicht mehr da.
Nöllinger, Grit
Verheiratete, kinderlose jüngere Frau, die in der Nachbarschaft der Villa wohnt. Sie ist mit Sabine Teuchert befreundet, die gerade ein Kind bekommen hat und maßlos stolz darauf ist (I, 8).
Ottobaum, Karl
Ein 50jähriger Kneipenwirt vom Isartorplatz, der zu wenig verdient und eine Autoreparatur nicht bezahlen kann. Er hat alles satt und läuft auf eine Straßenbahn zu (II, 25). Mehr erfahren wir nicht von ihm.
Patini, Lea
Sie kommt spät, von Monika gebracht, ist jung, offenbar krank, ihr Mann verunglückt (II, 30). Zwar wagt sie sich in den Kreis der Zauderer, ist aber unberührbar (II, 35). Sie kommt aus Kaufbeuren.
Perlacher, Christine
Sie arbeitet im Büro beim ADAC, ist Ende 40, sehnt sich abends nach Unterhaltung und Liebe. Sie hat eins von Ulrich Bergs schwarzen Kärtchen gefunden und denkt darüber nach (I, 3).
Perlacher ist die Hauptfigur in Pleschinskis Roman ›Leichtes Licht‹ (2005). Darin ist sie in einer Hamburger Sozialbehörde tätig und fliegt in den Urlaub nach Teneriffa. Unterwegs stellt sie sich alles, was sie sehen und erleben wird, im Detail vor, und es scheint dann auch so zu kommen. Hier geht es um das gewöhnliche Leben, ohne Aufregung und durchaus wohlwollend betrachtet. Aber inzwischen genügt das Christine Perlacher offenbar nicht mehr. Sie hat ihre Tapferkeit verloren. Aber wir hören nichts mehr von ihr.
Rentzler, Guido
40-jähriger Betriebswirt, Angestellter in einem Catering-Konzern, ›Wurst-Subunternehmer‹, dick, frustriert, denkt beim Audi-Fahren über die Scheußlichkeiten der Gegenwart nach (I, 20). Er hat Frau und Sohn. Wie einzelne andere verschwindet er gleich wieder aus dem Roman.
Reutte, Hanna
Eine Domina aus Aichach, etwa 40, verliebt in Hendrik, einen Neurologen, der sie verlassen hat. Sie will ihn töten und überredet Markus Fehling, sie mit seinem Auto nach Augsburg zu fahren (I, 7, 9). Später sieht man sie in der Villa mit der alten Pistole hantieren, die nicht mehr funktioniert (I, 19). Frau Wimpf, die Lehrerin, fühlt sich bedroht. Reutte: »ich kann Sie doch nicht einfach erschiessen, ich kenn' Sie doch gar nicht« (I, 19, S. 223). Danach freunden beide sich an und reden im Garten. Clarissa Berg missfällt das: »Sitzen Sie jetzt da?« fragt sie. »Tun wir«, antwortet Frau Wimpf (I, 19, 233). Später gibt es eine Liaison zwischen Reutte und Markus Fehling (II, 41, 44).
Sims, Norbert
Ein langer Mensch von 33 Jahren, kommt erst spät dazu, war Kassierer in verschiedenen Supermärkten. »Er kann nicht mehr. Auch der Rücken ist hin« (II, 41, S. 531).
Teuchert, Sabine
Nachbarin auf der Ludwigshöhe, befreundet mit Grit Nöllinger. Als Babysitterinnen für ihren kleinen Sohn Timothy engagiert sie einmal die Damen Hoffmeister und Jakoubek (II, 37).
Wang, Tassilo
Jung und schön, ein Apoll. Er hat schon alles gesehen und erlebt und hat es satt. Zum Frühstück wünscht er Rosé (I, 7). Er surft im Internet (I, 10), was eigentlich nicht vorgesehen ist. Seine Eltern sind Zahnärzte, er wurde verwöhnt (I, 21). Von der gemeinsamen Henkersmahlzeit schließt er sich aus (I, 24). Später leidet er immer mehr an Überdruss und schreibt seinen Eltern auf Korsika einen Abschiedsbrief. Dann fragt aber Monika an, ob er mit ihr, Ilse und Ulrich zu einem Pornoshop wolle (II, 33). Ulrich sucht ihn öfter auf, aber Tassilo bleibt fast unberührbar (II, 39).
Weizmann, Estella
Eine Opernsängerin aus Estland, die ihre Stimme verloren hat, kommt erst spät dazu (II, 41). Bei der Trauerfeier für Ute Wimpf versucht sie ein wenig zu singen (II, 45). Sie teilt ein französisches Bett mit Aziza, denn der Raum wird knapp.
Wimpf, Ute
Eine entnervte Realschullehrerin aus Augsburg, von den Schülern gequält, sogar verletzt – alles war aus dem Lot in der Schule (I, 2, 13). Frau Wimpf ist immer in Rot gekleidet. Sie möchte sich im Wasser auflösen und übt schon mal (I, 2, 19), wendet auch eine »Umkehr-Osmose« bei Mineralwasser an (I, 13). Sie hatte einen Freund, Michael (I, 19). Mit Frau Reutte pflegt sie, nachdem die ihre Pistole weggesteckt hat, eine angeregte Unterhaltung über ihre Berufe. Clarissa Bergs Frage, was sie da trieben, findet kein Verständnis, auch nicht die Frage, ob sie bezahlt hätten (I, 19).
Man trifft sie beim Basteln an, sie schwärmt Frau Reutte vom Selbermachen vor (I, 21). Beide duzen sich inzwischen (II, 27, S. 345). Statt der luxuriösen gemeinsamen »Henkersmahlzeit« plädiert sie für meditatives Fasten (I, 24), später für OM-Klänge (II, 35). Am Ende schreibt sie einen langen Bekenntnisbrief an ihren früheren Schulleiter, Dr. Bester, mit einem Rückblick auf ihr vielfach bedrängtes Leben. Sie möchte eine Spur hinterlassen, vielleicht könnte man das ›Wimpf-Syndrom‹ erforschen? (II, 39, S. 519).
Sie ist dann verschwunden, vermutlich im See, alle suchen vergeblich nach ihr. Es gibt eine Trauerfeier im Andachtsraum, danach einen üppigen Leichenschmaus mit anschließendem Tanz, fast eine Orgie (II, 45).Am andern Tag begeben sich die Insassen alle zusammen zur Erkundung in den ominösen Keller, Lay rezitiert Dante (II, 47).