Kamcke, Hildegard von

Mutter von Vera Eckhoff und Marlene Hove, geschiedene Frau von Karl Eckhoff, in dritter Ehe verheiratet mit Fritz Jacobi, Großmutter von Anne und Thomas Hove. Hildegard von Kamcke entstammt einer ostpreußischen Adelsfamilie. Aus ihrer ersten Ehe mit dem ostpreußischen Gutsbesitzer Friedrich von Kamcke hat sie zwei Kinder, Tochter Vera und einen wenige Monate alten Sohn, mit denen sie im Januar 1945 aus Ostpreußen fliehen muss. Der Säugling erfriert in der Eiseskälte, sie muss ihn in seinem Kinderwagen am Wegesrand zurücklassen (173) und strandet schließlich mit der fünfjährigen Vera im Alten Land auf dem Hof von Ida Eckhoff. Deren Geringschätzung begegnet sie mit Hochmut und setzt alles daran, »wieder [zu] werden, was sie gewesen war« (174). Die Eheschließung mit Ida Eckhoffs Sohn und Hoferben ist nur der erste Schritt zu diesem Ziel. Die »paar Hektar« Obstbäume und der vom Krieg schwer traumatisierte Karl würden ihr »ihr altes Leben« nicht zurückgeben können (ebd.). Nach etwa sieben Ehejahren, in denen sie ihrer Schwiegermutter und nach deren Freitod ihrem Mann und ihrer Tochter mit ihrer ungebremsten »Wut« das Leben zur Hölle macht (33), verlässt sie Karl Eckhoff, um den wohlhabenden Architekten Fritz Jacobi zu heiraten, und führt fortan mit ihm und der gemeinsamen Tochter Marlene in einer Jugendstilvilla in Hamburg-Blankenese ein »beinahe« wieder standesgemäßes Leben (172). Ihr »Kriegskind«, die inzwischen vierzehnjährige Vera, lässt sie bei Karl Eckhoff zurück (173), lädt sie gelegentlich, wenn Jacobi nicht zu Hause ist, für ein paar Stunden ein (172), die für Vera eine Pein sind (175), und kümmert sich ansonsten nicht um die Tochter, nimmt weder von ihrer Konfirmation (206) noch von ihrem Abitur (34) Notiz. Aber sie schreibt ihr eine Zeit lang regelmäßig Briefe über ihr Leben in Ostpreußen, schickt ihr Liedtexte, masurische Rezepte und Fotos, »als wollte sie ein preußisches Atlantis vor dem Versinken retten« (176). Die Kälte, die sie nicht nur Vera, sondern auch ihrer zweiten Tochter Marlene entgegenbringt, hat nach der Diagnose ihrer Enkelin Anne ihren Ursprung im Trauma der Flucht, ist eine Form des Selbstschutzes, der das Weiterleben ermöglicht, ganz ähnlich der Technik, mit der die Altländer Bauern die Obstbaumblüten vor späten Frösten schützen, indem sie sie mit Wasser besprühen (254f.): Die beim Gefrieren erzeugte »Erstarrungswärme« sichert das Überleben der Blüten, »Frostschutz durch Vereisung« (270f.).