Anselmus, Student
Ist der Held der Erzählung, der sich vom tollpatschigen Studenten zum kompetenten Dichter wandelt. Sein »kindliches poetisches Gemüt« qualifiziert ihn als Anwärter für die Reise in das poetische Atlantis, für die er von der phantastischen Serpentina ausgewählt wird (291).
Der Student ist von »kräftigem Wuchse« und mit einem »wohlgebildeten Gesicht« ausgestattet, aber sein Anzug liegt »ganz aus dem Gebiet aller Mode«, so dass er mit seinem »magistermäßigen Styl« unbeholfen wirkt (230).
Er ist ein Pechvogel, der sehr darunter leidet, noch nie einen »Herrn Hofrat oder eine Dame« gegrüßt zu haben, »ohne den Hut weit von« sich »zu schleudern oder gar auf dem glatten Boden auszugleiten« (231). So stolpert er auch am Himmelfahrtstag am Schwarzen Tor in Dresden über den Apfelkorb einer alten Frau. Obwohl er ihr all sein Geld als Entschädigung lässt, verflucht sie ihn mit dem Spruch: »Ja renne – renne nur zu, Satanskind – ins Krystall bald dein Fall – ins Krystall!« (229). Sein darauf folgender, selbstmitleidiger Monolog unter einem Holunderbaum wird von drei grün-goldenen »Schlänglein« unterbrochen. Er blickt in das »Paar herrliche dunkelblaue Augen« der Schlange Serpentina, es fährt ihm »wie ein elektrischer Schlag« durch alle Glieder und er ist verliebt (234).
Diese beiden Begegnungen mit der »höheren Welt« eröffnen das Spannungsfeld zwischen prosaischer und phantastischer Welt, auf dem die folgenden Bewährungsproben des Helden angesiedelt sind.
Veronika, die Tochter seines Freundes Konrektor Paulmann, lässt ihn »das Abenteuer unter dem Holunderbaum« immer wieder für eine Weile vergessen, denn auch sie hat »recht schöne dunkelblaue Augen« (240). Sein zweiter guter Freund Heerbrand versucht ihm eine lukrative Schreiberstelle bei dem Archivarius Lindhorst zu vermitteln. Sein Vorstellungstermin scheitert aber wegen eines unerfreulichen Vorfalls mit dem Türknauf des Archivarius. Der verwandelt sich in die Fratze des Äpfelweibes und die Klingelschnur »zur weißen durchsichtigen Riesenschlange«, die ihn würgt, bis er ohnmächtig zu Boden geht (244). Nach den Schilderungen dieses Vorfalls halten die beiden Freunde ihn »nun in der Tat für seelenkrank«. Sie setzen sich verstärkt dafür ein, Anselmus in die Anstellung beim Archivarius zu bringen, weil sie hoffen, dass er bei einer ordentlichen Arbeit wieder zu Verstand kommt (249). Anselmus entzieht sich ihnen aber immer weiter und verfällt gern in ein »träumerisches Hinbrüten« (253).
Als er abends wieder einmal am Holunderbaum nach den Schlangen ruft, erscheint der Archivarius, dem er sich anvertraut. Unerwarteter Weise lacht Lindhorst ihn nicht aus, sondern erweist sich als Teil seines phantastischen neuen Lebens. Als Vater von Serpentina verspricht der Archivarius ihm, dass er seine Liebe nach Herzenslust sehen kann, wenn er nur endlich die Stelle als Abschreiber antritt.
Mit einem »goldgelben Liquor« aus Lindhorsts Hand überwindet Anselmus das Äpfelweib an der Haustür (257). Nachdem er allerlei Mysterien in Lindhorsts Haus bewundert hat, beginnt er seine Kopierarbeiten. Mit jedem Wort, das er schreibt, kehrt sein Selbstvertrauen zurück. Die Arbeitsstunden bei Lindhorst sind »die glücklichsten seines Lebens, denn immer von lieblichen Klängen, von Serpentina’s tröstenden Worten umflossen«, gelingt ihm seine Arbeit wie von selbst (284). Veronikas Existenz verblasst, während ihm die wundervolle Welt um Serpentina und den Archivarius immer wirklicher wird und er seine letzte Aufgabe antritt: Im azurblauen Saal soll er ein besonderes Manuskript kopieren. Die zuerst fremdartigen Zeichen erkennt Anselmus mit Hilfe von Serpentinas »Tönen und Leuchten« bald als Erzählung von »der Vermählung des Salamanders mit der grünen Schlange« (287). Serpentina, erstmals in Menschengestalt, erzählt ihm die Geschichte ihres Vaters aus Atlantis, die Anselmus aufschreibt ohne es überhaupt zu bemerken.
Während er in der poetischen Welt aufzugehen droht, begibt Veronika sich in die Fänge des Äpfelweibs und lässt sich von ihr einen magischen Spiegel machen, mit dessen Hilfe sie Anselmus beeinflussen kann. Mit ihm stellt sie seinen treuen Glauben an Serpentina und die magische Welt auf eine harte Probe: Bei einem zufällig wirkenden Besuch bei Paulmanns – der Leser ahnt, dass der magische Spiegel eine Rolle dabei spielt – wirkt der Zauber des Äpfelweibs, und Anselmus scheint es, als sei er immer nur in Veronika verliebt gewesen (295ff.). Infolge dieser Schwäche verkleckst er am folgenden Tag das bedeutende Manuskript, wofür er von Lindhorst gestraft wird (302). Der Student findet sich in einem Kristallglas eingesperrt wieder, womit der Fluch des Äpfelweibs erfüllt ist.
In dieser misslichen Situation gibt ihm Serpentinas Stimme wieder Hoffnung. Er schlägt ein Hilfsangebot des Äpfelweibs aus, beweist so doch seine Treue und wird von Lindhorst freigelassen. Endlich kann er »in die Arme der holden lieblichen Serpentina« fallen (309). Der Weg zur Hochzeit und auf »das hübsche Rittergut« des Salamanderkönigs in »Atalantis« steht ihm nun frei (316). In der »Erkenntnis des heiligen Einklangs aller Wesen« leben die beiden dort »in höchster Seeligkeit immerdar« (320).