Lindhorst, Archivarius (Salamander)

Als Teil der phantastischen Welt ist er ein aus Atlantis vertriebener Elementargeist des Feuers aus dem Geschlecht der Salamander, Diener des Geisterfürsten Phosphorus und Vater von Serpentina. In der prosaischen Welt nennt er sich Archivarius Lindhorst, und der Registrator Heerbrand hält ihn für einen »forschenden Antiquar, auch wohl neben her für einen experimentierenden Chemiker«, der einen Abschreiber für seine Manuskripte sucht (241).

Lindhorst weiß seine philiströse Umwelt stets zu verblüffen, unter anderem mit seinen Familiengeschichten. Seine »Ur-ur-ur-urgroßmutter« sei eine Feuerlilie gewesen, die den Geisterfürsten so sehr liebte, dass sie sich von ihm den ›Funken des Gedankens‹ einpflanzen ließ (247). Sein Bruder sei unter die Drachen gegangen, nachdem ihr verstorbener Vater ihn vor 350 Jahren eine Treppe hinab geworfen habe. Diese Geschichten seien »buchstäblich wahr« und keineswegs nur »allegorisch gemeint«, versichert Lindhorst den lachenden Zuhörern (247). Der einzige, der ihn nicht auslacht, ist Anselmus, der die kleinen Schlangen sehen kann und die Stelle als Abschreiber bei Lindhorst antreten soll.

Serpentina erzählt Anselmus später, warum der Archivarius das »dürftige Leben« der Menschen teilen und »dessen Bedrängnisse ertragen« muss (290). In grauer Vorzeit hat er den Geisterfürsten Phosphorus in Atlantis sehr verärgert. Gegen den Rat des Fürsten schloss er die grüne Schlange, Tochter der Feuerlilie, voll »glühenden Verlangens« in die Arme. Wie vorhergesagt, zerfiel sie in Asche, aus der ein »geflügeltes Wesen« stieg und davonflog (289). Angesichts dieses Verlusts ergriffen »Wahnsinn und Verzweiflung« den Salamander und in seinem Zorn zerstörte er den Zaubergarten des Fürsten (289). Zur Strafe nahm Phosphorus ihm die Feuermagie weg und verbannte ihn unter die Menschen, wo er bis in die Zeit der Geschichte hinein lebt.

Eine Rückkehr ist nur nach der Erfüllung einiger Bedingungen möglich, von denen die erste in der Geschichte bereits erfüllt ist: Das Zeitalter, in dem »die Sprache der Natur dem entarteten Geschlecht der Menschen nicht mehr verständlich« ist, ist bereits angebrochen (290). Deshalb hat der Salamander bereits die Feuermagie zurück, seine grüne Schlange wiedergefunden und mit ihr drei Töchter gezeugt, die er nun noch unter die Haube bringen muss. Die Anforderungen an die heiratswilligen Kandidaten sind allerdings hart. In dieser »dürftigen armseligen Zeit der innern Verstocktheit« muss für jedes Mädchen ein junger Mann gefunden werden, der ein »kindliches poetisches Gemüt« besitzt, um sein Mädchen überhaupt erkennen zu können (290f.).

Lindhorst gibt sich dem Kandidaten für Serpentina, Anselmus, eines Abends unter dem Holunderbaum zu erkennen, wo der Student nach seiner »holden Geliebten« zu rufen pflegt (253). Er versucht den Studenten zu überzeugen, die Kopierarbeiten bei ihm endlich zu beginnen, und lockt ihn mit der Aussicht, seine Tochter öfter zu sehen. Um das Problem mit dem Äpfelweib an der Haustür zu lösen, versorgt er den jungen Mann mit einem Liquor, der ihr das Gesicht verätzt.

In Lindhorsts Haus sieht Anselmus allerlei Märchenhaftes: Einen verzauberten Garten mit bunten Spottvögeln, sprechende graue Papageien mit Brille auf dem Schnabel sowie ein azurblaues Bibliothekszimmer mit einem zauberhaft schimmernden goldenen Topf in der Mitte. Vor allem aber hört er die Stimme der geliebten Serpentina, die ständig durch wundervoll duftende Säle weht.

Lindhorst gewährt dem Studenten einen Probetag. Mit den Ergebnissen ist er sehr zufrieden und seine »ganze Gestalt« verändert sich zu einer königlichen. Er ist sich nun sicher, dass Anselmus der richtige Kandidat für Serpentina ist. Er warnt den jungen Mann, dass das mit ihr angestrebte »Glück im höheren Leben« nur durch den Kampf gegen »feindliche Mächte« zu erreichen sei (275).

Erstaunlich ist auch seine Fähigkeit, scheinbar überall anwesend zu sein, ohne gesehen zu werden. Er erscheint jedesmal »genau in dem Augenblick, wenn Anselmus eben die letzten Zeichen einer Handschrift vollendet«, um ihm eine neue zu geben (284). Er behauptet sogar, bei einem Punschgelage im Haus von Paulmann »in der Terrine« gewesen zu sein und alles gesehen zu haben (301).

In der Gestalt des »gekrönten Salamanders« straft er Anselmus für einen Fleck auf einem besonders wertvollen Manuskript (302). Mit »fürchterlicher Stimme« zaubert er Anselmus in die Kristallflasche, in der er auf einem Regalbrett unter anderen Flaschen steht. In denen sitzen »Kreuzschüler« und »Praktikanten« ihre Strafen ab, allerdings ohne sich ihrer Gefangenschaft überhaupt bewusst zu sein.

Lindhorst ist erst wieder zur Stelle, als es darum geht, das Äpfelweib daran zu hindern, Serpentinas Mitgift, den goldenen Topf, zu stehlen. Gemeinsam mit seinem grauen Papagei, der den schwarzen Kater erledigt, kann er die Alte überwältigen. Dem Papagei überlässt er dann auch die Runkelrübe, zu der die Hexe zusammengeschrumpft ist, als Belohnung. Danach befreit er Anselmus, der kurz vorher jede Hilfe von der Hexe ausgeschlagen und damit seine Treue doch noch bewiesen hat. Nur »ein feindliches Prinzip« das von außen in ihn gedrungen sei, trage die Schuld an seinem Fehler: »Du hast deine Treue bewährt, sei frei und glücklich« (309).

Dem fiktiven Erzähler, der sich mit der zwölften Vigilie quält, schreibt er ein Billet und bittet ihn zu Gast. Er bietet ihm das Lieblingsgetränk eines gemeinsamen guten Freundes, Kreisler an. Der spielt in vielen anderen Geschichten E.T.A. Hoffmanns als Künstlerfigur eine wichtige Rolle. Mit dem Zaubertrank gewährt Lindhorst dem Erzähler Einblick in das wundervolle Atlantis und verbindet damit die poetologische Auflösung von Anselmus Geschichte: »Ist denn überhaupt des Anselmus Seligkeit etwas anderes, als das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbaret?« (321)