Oberlin
Oberlin ist Pfarrer im Steintal in der Nähe von Straßburg, er lebt mit seiner Familie im Pfarrhaus von Waldbach. Er nimmt Lenz auf und fühlt sich in dessen Anwesenheit wohl: »Oberlin war sein Gespräch sehr angenehm, und das anmutige Kindergesicht Lenzens machte ihm große Freude« (33). Lenz’ komplizierte Gedankengänge bringen ihn aber »zu weit von seiner einfachen Art ab« (36).
Für die Menschen im Steintal ist er eine Vertrauensperson: »man drängte sich um Oberlin, er wies zurecht, gab Rat, tröstete; überall zutrauensvolle Blicke, Gebet. Die Leute erzählten Träume, Ahnungen« (33). Darüber hinaus kümmert er sich um praktische Angelegenheiten: »Dann rasch in’s praktische Leben, Wege angelegt, Kanäle gegraben, die Schule besucht. Oberlin war unermüdlich« (33).
Als er mit Kaufmann in die Schweiz reist, kehrt er schon nach wenigen Tagen nach Waldbach zurück. Er erzählt von seinem Besuch bei Pfeffel und preist »das Leben eines Landgeistlichen glücklich« (43).
Oberlin berichtet Lenz von seinen Gotteserfahrungen und verlockt ihn damit zur Bibellektüre (34). Die Aufgabe, Lenz zu pflegen, sieht er als gottgegeben an: »er sah es als eine Schickung Gottes, der den Unglücklichen ihm zugesandt hätte, er liebte ihn herzlich« (37).
So spricht er auch an, dass Lenz »sich in den Wunsch seines Vaters zu fügen, seinem Berufe gemäß zu leben, heimzukehren« (43) habe. Lenz’ Selbstvorwürfen begegnet er mit trostspendenden Worten: »Oberlin sagte ihm, dafür sey Jesus gestorben, er möge sich brünstig an ihn wenden, und er würde Teil haben an seiner Gnade« (43). Auf Lenz’ Aufforderung, ihn zu schlagen, reagiert Oberlin gemäß der christlichen Nächstenliebe, indem er ihm stattdessen »einige Küsse auf den Mund« drückt und sagt, »dies wären die Streiche, die er ihm zu geben hätte« (44).
Als Lenz ihm seinen ersten Suizidversuch gesteht, reagiert er unverzüglich: »Oberlin erschrak heftig, doch sagte er nichts, er tat was Lenz begehrte, zugleich schrieb er an den Schulmeister in Bellefosse, er möge herunterkommen« (45), dieser soll Lenz vor weiteren Entleibungsversuchen bewahren. Mit Lenz’ sich verschlechterndem Zustand empfindet Oberlin »unendliches Mitleid« (47), er spricht ihm selbst am Tag seines letzten Selbstmordversuches »Muth zu« (48), trotzdem sieht sich Oberlin gezwungen, ihn tags darauf nach Straßburg bringen zu lassen.
Der von Oberlin erwähnte Gottlieb Konrad Pfeffel (1730-1809) lebte in Colmar im Elsass.