Homolka
Ist der Baal-Darsteller des Eröffnungsstücks und befindet sich mit Waniek, dem Regisseur, im Büro des Theaters in der Josefstadt, als das Telefon klingelt und Waniek erfährt, dass er die Theaterleitung in Berlin sogleich telefonisch über das Programm des ›Theaters des Neuen‹ in Kenntnis setzen soll, um eine Autorisierung des Projekts zu erwirken. Homolka unterstützt Waniek mit Nachdruck, indem er überzeugt für das »Theater des Neuen«, den »Baal« und die Leitideen des Expressionismus eintritt, Thimigs ›konservative‹ Position zu entkräften und Waldau milde zu stimmen versucht. Er propagiert einen forcierten Avantgardismus, der Körperlichkeit als »neue Sprache« versteht und »Ding«, »Blut«, »Wesen« beschwört (XVII, 331). In der ins übermenschlich Mythische gesteigerten Figur des Baal sieht Homolka die Revolution des Geistes und die Vision des ›neuen Menschen‹ realisiert. Der Name ›Baal‹ bedeute »das Letzte, den Durchbruch ins Unbedingte, Neue, Elementare« (XVII, 329). Baal sei Sinnbild des elementaren Lebenshungers: »Er ist der Mythos unserer Existenz, die elementare Erfassung unseres Daseins. Der Mensch von heute geht durch alles durch, er saugt alles Lebendige in sich, um schließlich zur Erde zurückzukehren« (ebd.). In Brechts Stück gestalte sich die Idee ihre eigene, dynamische Realität, hier seien »Gebärde und Wort eins. Innere Gewalt entlädt sich und schafft den neuen Lebensraum, indem sie ihn mit sich erfüllt« (XVII, 328). Für Homolka hat die »Sprache als Vehikel dessen«, was Thimig »Geist« nenne, »bis auf weiteres abgewirtschaftet« (XVII, 331), zumal der ›neue Mensch‹ nicht mehr (wie Thimig) genealogisch, sondern im »Querschnitt der Gegenwart« denke (ebd.). In der von Friedell angestoßenen Diskussion um den Individualbegriff vertritt Homolka die Auffassung, dass das Individuum an sich nicht mehr existiere. Die Menschen seien – und das könne man an seiner Interpretation der Baal-Figur sehen – nurmehr »anonyme Gewalten. Seelische Möglichkeiten« (XVII, 333). Gegen Ende des Prologs relativiert Homolka seine Ansichten, um einen Kompromiss mit Waldau und Thimig zu finden. Sie einigen sich schließlich darauf, dass das »dogmatische Ich« nicht mehr existiert (XVII, 337). Homolka freut sich über den unvermittelt zustande gekommenen »Ausgleich von Revolution und Tradition« und fasst zusammen (XVII, 1169): »Ich habe nie mehr behauptet. Ich habe gesagt, daß der neue Mensch sich vor allem als Träger potentieller Energien weiß. […] Daß die herkömmlichen historischen und sozialen Grenzen des Individuums für ihn keine Bedeutung haben.« (XVII, 338)
Der Film- und Theaterschauspieler Oskar Homolka wurde 1898 (nach anderen Angaben 1901) in Wien geboren und starb 1978 in Sussex/England. Seine Ausbildung absolvierte er an der Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Wien, wo er 1918 auch sein Theaterdebüt gab. Homolka war an verschiedenen Bühnen in Wien engagiert und spielte 1924 in der Welturaufführung von Brechts »Leben Edwards II. von England« in München. 1926 verpflichtete Max Reinhardt ihn für das Deutsche Theater in Berlin und für das Josefstädter Theater, wo er jeweils die Rolle des Baal übernahm. In Berlin spielte er außerdem am Theater am Schiffbauerdamm, am Künstler- und am Lessingtheater. Bekannt wurde Homolka vor allem durch seine Karriere als amerikanischer Filmschauspieler. Nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten arbeitete er am Broadway und hatte Rollen in Hollywood-Produktionen. Mit seiner massigen Statur und seinen buschigen Augenbrauen war er ideal für düstere Rollen. Homolka spielte unter anderem neben Marlene Dietrich und John Wayne (»Das Haus der sieben Sünden«), Marilyn Monroe (»Das verflixte 7. Jahr«) und Katharine Hepburn (»Die Irre von Chaillot«). Für seine Leistungen als Nebendarsteller in »Geheimnis der Mutter« erhielt er 1948 eine Oscar-Nominierung.