Waldau

Der zurückhaltende, freundliche und auf Harmonie bedachte Waldau kommt erst zur Gruppe hinzu, als Waniek sich bereits entfernt hat, um das Telefonat mit der Theaterleitung in Berlin zu führen. Bei seinem Eintreffen diskutieren Homolka, Friedell und Thimig gerade über den Individualbegriff und versuchen den neu Hinzugekommenen über ihren Gesprächsinhalt aufzuklären. Als Homolka erklärt, es gebe »keinen einzelnen in Ihrem [Waldaus] Sinn« (XVII, 335), reagiert Waldau zunächst irritiert: »Ich habe bisher mein bescheidenes Ich für eine Privatangelegenheit gehalten. […] In meiner Haut hab’ ich doch geglaubt zu Haus’ zu sein, das heißt mindestens in den trivialeren Momenten.« (XVII, 336) Allerdings merkt er an, dass der Schauspieler tatsächlich ungeeignet sei, »für die Grenzen des Individuums in die Schranken zu treten«: »Ich weiß nicht, ob einer von Ihnen sich so ganz im klaren ist, wo er anfängt und wo er aufhört... ich bin es nicht. [...] Diese gewissen ungewissen Verbindungen mit dem Unbekannten, die wir beständig eingehen...« (XVII, 336 f.). Obwohl Waldau mit seinen Äußerungen gewiss nicht dasselbe im Sinn hat wie Homolka, nutzt dieser Waldaus Aussagen aber, um sie im Sinn seiner expressionistischen Leitideen zu interpretieren und damit einen Kompromiss zwischen den Diskutanten herbeizuführen: »Wären Sie bereit, diese Verbindungen mit dem Unbekannten unter einer kleinen Versetzung des Akzents Geburtswehen der Zukunft zu nennen? […] Und zuzugestehen, daß dieses sich gebärende Zukünftige, Überpersönliche das zufällige Ich zersprengen darf und muß?« (Ebd.) Nachdem Waldau höflich sein Einverständnis gegeben hat, freuen sich beide über »eine außerordentliche Übereinstimmung« (XVII, 338).

Gustav Waldau (1871-1958) war das Künstlerpseudonym für den auf Schloss Piflas geborenen Gustav Freiherr von Rummel, Spross einer alten Offiziersfamilie, der seinen Offiziersdienst in einem Münchner Garderegiment quittierte, um zunächst Journalist, dann Schauspieler zu werden. Gustav (auch Gustl) Waldau blieb vor allem der Münchner Bühne treu und gehörte über Jahrzehnte dem Ensemble des Bayerischen Staatsschauspiels an. 1921 war er der erste Darsteller des Grafen Kari Bühl bei der Uraufführung von Hofmannsthals »Der Schwierige« im Münchner Residenztheater. Als einer der bedeutendsten Darsteller der deutschen Bühnen spielte er aber auch in Köln, Berlin und Wien und unternahm Gastspielreisen nach Amerika und Petersburg. In Wien, wo er seit 1924 vorwiegend am Theater in der Josefstadt arbeitete, wurde er vom Publikum wie ein Landsmann gefeiert. Waldau spielte im »Baal« nicht mit, er übernimmt in Hofmannsthals Prolog die Rolle des Seniors des Wiener Ensembles. Als Filmschauspieler setzte Waldau sich besonders in den dreißiger und vierziger Jahren durch. Er erhielt – sowohl während der Zeit des Nationalsozialismus als auch danach – zahlreiche Auszeichnungen. 1956 wurde ihm das Verdienstkreuz Erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland verliehen.